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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Köln
Beschluss verkündet am 11.07.2001
Aktenzeichen: 8 TaBV 4/01
Rechtsgebiete: ArGG, ZPO


Vorschriften:

ArGG § 98
ZPO §§ 1037 ff.
1. Das besondere Beschlussverfahren nach § 98 ArbGG betrifft Entscheidungen über die Besetzung der Einigungsstelle und im Hinblick auf seine Anwendung auf Befangenheitsfälle der Abberufung des Vorsitzenden einer Einigungsstelle.

2. Antragsbefugte Beteiligte für dieses Verfahren sind die Betriebspartner als Träger der Mitbestimmungsrechte, die durch die durch die Einigungsstelle geregelt werden sollen. Dies sind auf der einen Seite der Arbeitgeber bzw. der Unternehmer und auf der anderen Seite der Betriebsrat oder der Gesamtbetriebsrat.

3. Die von den Mitbestimmungspartnern in die Einigungsstelle berufenen Beisitzer der Einigungsstelle werden durch ihre Bestellung nicht Träger des Mitbestimmungsrechts und sind daher für die Geltendmachung von Befangenheitsgründen gegenüber dem Vorsitzenden der Einigungsstelle in dem hierfür vorgesehenen gerichtlichen Verfahren nicht antragsbefugt. Diese Antragsbefugnis ist eine von Amts wegen in jeder Lage des Verfahrens zu prüfende Prozessvoraussetzung, bei deren Fehlen der gestellte Antrag als unzulässig abzuweisen ist (vgl. BAG 27.11.1973, APNr. 4 zu § 40 BetrVG 1972; vom 15.08.1978, APNr. 1 zu § 23 BetrVG 1972; vom 25.08.1981 APNr. 2 zu § 83 ArbGG 1979; vom 31.01.1989 EzA § 81 ArbGG 1979 Nr. 14).

4. Der Gesamtbetriebsrat ist als Träger eines Mitbestimmungsrechts nach § 87 BetrVG grundsätzlich antragsbefugt für einen Antrag auf Ablösung des Vorsitzenden einer Einigungsstelle im Verfahren nach § 98 ArbGG. Er kann dieses Verfahren allerdings dann nicht mehr anhängig machen, wenn das Verfahren vor der Einigungsstelle bereits durch Spruch beendet ist. In diesem Fall ist der im Verfahren nach § 98 ArbGG geltend gemachte Antrag als unzulässig zurückzuweisen ( entsprechende Anwendung dieser für das über die Ablehnung eines Schiedsrichters anhängig gemachte Verfahren entwickelten Grundsätze des BGH, Urteil vom 12.12.1963 BGHZ 40, 342, 343).

5. Ergibt sich in einem solchen Fall, dass aus Gründen des Zeitablaufs eine frühere Möglichkeit der Geltendmachung der Befangenheitsgründe nicht bestanden hat, so ist nunmehr über die Frage der Berechtigung eines Befangenheitsgrundes allein im Anfechtungsverfahrenverfahren den Spruch der Einigungsstelle betreffend zu befinden ( so für das Schiedsverfahren BGH Urteil vom 12.12.193 a.a.O.; Musielak-Voit ZPO 2. Aufl. § 1037 Rn 5 m.w.N.).


LANDESARBEITSGERICHT KÖLN BESCHLUSS

Geschäftsnummer: 8 TaBV 4/01

Verkündet am: 11.07.2001

In dem Beschlussverfahren

hat die 8. Kammer des Landesarbeitsgerichts Köln in der mündlichen Verhandlung am 11.07.2001 durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Jüngst als Vorsitzenden sowie den ehrenamtlichen Richtern Esser und Kehrings beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde der Beteiligten zu 1) und 2) gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Köln vom 30.08.2000 - 10 BV 121/00 - wird zurückgewiesen.

Gegen diesen Beschluss ist ein Rechtsmittel nicht gegeben.

Gründe:

I. Die Beteiligten zu 1) und 2) begehren im vorliegenden Beschlussverfahren nach § 98 ArbGG die Feststellung, dass der Vorsitzende der bei der Beteiligten zu 3) eingerichteten Einigungsstelle zur Neuregelung der betrieblichen Altersversorgung, Herr Vorsitzender Richter am Bundesarbeitsgericht a. D. Dr. h. c. als befangen abgelehnt ist und beantragen weiter den Vorsitzenden der Einigungsstelle von seinem Amt abzuberufen.

Der Beteiligte zu 1) ist der im Unternehmen der Beteiligten zu 3) errichtete Gesamtbetriebsrat, die Beteiligten zu 2) sind die Arbeitnehmerbeisitzer der gebildeten Einigungsstelle betreffend Regelungen über die Änderung der betrieblichen Altersversorgung.

Die Beteiligte zu 3) ist das Unternehmen, für welches die in der Einigungsstelle zu verhandelnden Regelungen der betrieblichen Altersversorgung gelten sollen.

Mit rechtskräftigem Beschluss vom 28.07.1999 - 15 BV 126/99 - hat das Arbeitsgericht Köln auf Antrag der Beteiligten zu 3) eine Einigungsstelle zur Regelung der betrieblichen Altersversorgung eingerichtet und als Vorsitzenden, Herrn Vorsitzenden Richter am Bundesarbeitsgericht a. D. Dr. h. c. S eingesetzt.

Die Einigungsstelle tagte am 11. und 12.11., 24.11., 15.12.1999, 12.01.2000 sowie 09.05.2000.

Unter dem 11.11.1999 erging ein sog. Zwischenbeschluss der Einigungsstelle, mit welchem diese ihre Zuständigkeit zur Änderung der bis dato geltenden Versorgungssysteme bejahte.

Mit Beschluss vom 12.01.2000 traf die Einigungsstelle eine Regelung, wonach die bisherigen Betriebsvereinbarungen zur betrieblichen Altersversorgung mit Wirkung vom 31.12.1999 abgelöst werden und an deren Stelle eine noch zu formulierende Betriebsvereinbarung tritt, die die bisherige Altersversorgung durch ein viergliedriges System ersetzt, welches im einzelnen genannten Voraussetzungen genügen muss.

Am 09.05.2000 trat die Einigungsstelle neuerlich zusammen.

Zu Beginn dieser Sitzung lehnten die Beteiligten zu 2) den Vorsitzenden der Einigungsstelle wegen Besorgnis der Befangenheit ab.

Die Ablehnung stützt sich dabei im wesentlichen auf folgende Punkte:

- Der Vorsitzende der Einigungsstelle habe auf den 09.05.2000 eine weitere Sitzung der Einigungsstelle terminiert, obwohl bereits unter dem 12.01.2000 die Einigungsstelle einen Spruch verkündet habe, der allerdings unvollständig und zwischenzeitlich vom Gesamtbetriebsrat angefochten worden sei.

- Der Vorsitzende habe sich gegen die gebotene Sachaufklärung insbesondere zu Fragen der Konzernanbindung der Beteiligten zu 3) im Konzern des / - . . gesperrt und entsprechende Beweisanträge in der Sitzung vom 12.01.2000 mit den Stimmen der Beisitzer des Beteiligten zu 3) en bloc abgelehnt.

- Der Vorsitzende habe sich gegen eine Aufklärung der tatsächlichen wirtschaftlichen Verhältnisse der Beteiligten zu 3) unter negativer Einflussnahme der Konzernführung gesperrt und entsprechende Beweisanträge in der Sitzung vom 12.01.2000 mit den Stimmen der Beisitzer der Beteiligten zu 3) abgelehnt.

- Der Vorsitzende habe Protokollergänzungsanträge mit nicht stichhaltigen Gründen abgelehnt.

- Der Vorsitzende habe bereits mit dem von ihm vorgeschlagenem und mitgetragenen Beschluss vom 12.01.2000 einen nach Auffassung des Gesamtbetriebsrats nicht akzeptablen Rahmen für die Neuregelung der Altersversorgung festgelegt, der weitere Verhandlungen überflüssig erscheinen lasse.

Der Vorsitzende der Einigungsstelle hat in der Sitzung vom 09.05.2000 zunächst ohne seine Beteiligung über den von den Beteiligten zu 2) gestellten Befangenheitsantrag abstimmen lassen.

Diese Abstimmung ergab Stimmengleichheit für und gegen den Befangenheitsantrag.

Sodann hat der Vorsitzende der Einigungsstelle neuerlich über den Befangenheitsantrag abstimmen lassen und sich an dieser Abstimmung beteiligt. Diese Abstimmung führte zur Ablehnung des Befangenheitsantrags.

Daraufhin haben die Beteiligten zu 2) die Sitzung verlassen. Die Einigungsstelle hat sodann ohne die Beteiligten zu 2) beschlossen die Verhandlung fortzuführen und eine Versorgungsordnung für die Beteiligte zu 3) zur Regelung der Alters-, Invaliden- und Hinterbliebenenversorgung (gültig ab dem 01.01.2000) sowie Versorgungsrichtlinien für die Zuwachsrente (Versorgungsbausteine) nach der Versorgungsordnung der Beteiligten zu 3) (gültig ab dem 01.01.2000) beschlossen.

Mit Antrag vom 07.02.2000 hat der Gesamtbetriebsrat die Einigungsstellensprüche vom 11.11.1999 und 12.01.2000 angefochten (Arbeitsgericht Köln - 10 BV 30/00 - / Landesarbeitsgericht Köln - 13 (7) TaBV 83/00 -).

Das Arbeitsgericht hat den Antrag des Gesamtbetriebsrats unter dem 21.06.2000 zurückgewiesen. Die hiergegen eingelegte Beschwerde des Gesamtbetriebsrats ist mit Beschluss des Landesarbeitsgerichts Köln vom 10.04.2001 zurückgewiesen worden.

Das Landesarbeitsgericht hat in diesem Verfahren die Rechtsbeschwerde zugelassen.

Der Spruch der Einigungsstelle vom 09.05.2000 ist Gegenstand eines weiteren Anfechtungsverfahrens, welcher der Beteiligte zu 1) vor dem Arbeitsgericht Köln anhängig gemacht hat - 20 BV 141/00 - .

Dieses Verfahren ist bis zum rechtskräftigen Abschluss des Verfahren - 10 BV 30/00 - Arbeitsgericht Köln / - 13 (7) TaBV 83/00 - Landesarbeitsgericht Köln und bis zum rechtskräftigen Abschluss des vorliegenden Verfahrens ausgesetzt.

Über die vorstehend benannten tatsächlichen Umstände, aus denen die Beteiligten zu 1) und 2) die Besorgnis der Befangenheit des Vorsitzenden der Einigungsstelle ableiten, stützen diese die Besorgnis der Befangenheit nunmehr weiter darauf:

- Der Vorsitzende habe in der Sitzung vom 09.05. selbst in einer zweiten und überflüssigen Abstimmung über den Befangenheitsantrag mitentschieden.

- Der Vorsitzende habe die Sitzung vom 09.05.2000 durchgeführt, obwohl er von den Beteiligten zu 2) wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt gewesen sei.

- Aus der Sitzungsniederschrift vom 09.05.2000, dem Verhandlungsplan zu dieser Sitzung und dem Beschluss selbst ergebe sich weiterhin die Besorgnis der Befangenheit des Vorsitzenden der Einigungsstelle.

- Besonders ergebe sich dies aus den Ausführungen zur Eilbedürftigkeit der Regelung.

- Gleiches ergebe sich aus den Ausführungen zur Ermessensentscheidung.

Das vorliegende Verfahren haben die Beteiligten zu 1) und 2) mit Antragsschrift vom 09.05.2000 eingegangen beim Arbeitsgericht Köln am 23.05.2000 eingeleitet.

Das Arbeitsgericht hat die Anträge zurückgewiesen.

Das Arbeitsgericht hat Anhaltspunkte, die die Besorgnis der Befangenheit des Vorsitzenden der Einigungsstelle annehmen ließen nicht als gegeben angesehen.

Es hat dazu ausgeführt, der Vorsitzende habe bei den von ihm mitgetragenen Entscheidungen die unterschiedlichen Standpunkte der Beteiligten gegeneinander abgewogen und sei entsprechend seiner Aufgabe als Vorsitzender der Einigungsstelle zu einer Entscheidung gelangt.

Auch das vom Gesamtbetriebsrat gerügte Verfahren der Ablehnung von Protokollergänzungsanträgen und Beweisanträgen rechtfertige nicht die Ablehnung des Vorsitzenden:

Verfahrensverstöße und fehlerhafte Entscheidungen seien grundsätzlich kein Ablehnungsgrund. Die Ablehnung der Protokollergänzungsanträge ergäben keinen Hinweis für die Befürchtung der Unvoreingenommenheit des Vorsitzenden. Nachträgliche Protokollergänzungen seien nur so vorzunehmen, wie sie mit der Erinnerung des Vorsitzenden als des für das Protokoll Verantwortlichen deckungsgleich seien.

Auch das Verfahren des zweigeteilten Beschlusses 12.01.2000/09.05.2000 sei nicht geeignet hieraus Befangenheit abzuleiten. Diese Beschlüsse seien im Rahmen der Anfechtungen einer gerichtlichen Überprüfung unterzogen.

Auch könne bezogen auf den Beschluss vom 09.05.2000 von einer unangemessenen Eile nicht gesprochen werden, insbesondere wenn allen Beteiligten offenkundig sei, dass die Einigungsstellenbeschlüsse noch jahrelanger gerichtlicher Prüfung bedürften.

Die Rechtsmittelbelehrung des Beschlusses des Arbeitsgerichts vom 30.08.2000 enthält den Hinweis, dass gegen diesen Beschluss Beschwerde eingelegt werden kann, die binnen einer Notfrist von einem Monat nach Zustellung des Beschlusses beim Landesarbeitsgericht eingegangen sein muss.

Diese Beschwerde müsse gleichzeitig oder innerhalb eines weiteren Monats nach Eingang der Beschwerde bei Gericht in gleicher Form schriftlich begründet werden.

Die Beteiligten zu 1) und 2) haben gegen den ihnen unter dem 05.12.2000 zugestellten Beschluss am 05.01.2001 Beschwerde eingelegt und die Beschwerde gegenüber dem Landesarbeitsgericht am 05.02.2001 begründet.

Die Beschwerde weist zunächst darauf hin, dass der Verfahrensbevollmächtigte der Beteiligten zu 3), Herr Rechtsanwalt Prof. Dr. Dr. Förster Geschäftsführer der Dr. Dr. Eismann und Mitautor des Werkes "Arbeitsrecht der betrieblichen Altersversorgung mit sozialversicherungsrechtlicher Grundlegung" sei.

Dieses Werk sei in Heft Nr. 9 NZA 2000 Blatt 470/471 vom Vorsitzenden der Einigungsstelle besprochen.

Der Vorsitzende der Einigungsstelle habe darüber hinaus in Heft Nr. 20 NZA 2000 Blatt 1087 ff. einen Artikel zur Thematik "Die Bestellung und Abberufung des Vorsitzenden von Einigungsstellen" geschrieben.

Der Beschluss des Arbeitsgerichts sei nicht haltbar. Das Arbeitsgericht sei bei seinen Überlegungen schon von falschen Voraussetzungen ausgegangen, weil es nicht Umstände der "Besorgnis" der Befangenheit geprüft sondern eine "festzustellende" Befangenheit geprüft habe.

Wie bereits erstinstanzlich dargestellt, sei für den Beteiligten zu 1) und die Beteiligten zu 2) von tatsächlichen Umständen auszugehen, die die Besorgnis der Befangenheit des Vorsitzenden der Einigungsstelle begründeten. Jeder Beweisantritt der Beteiligten zu 2) in der Einigungsstelle sei mit zum Teil unzutreffender Begründung abgewiesen worden.

Der Vorsitzende der Einigungsstelle habe eine Eile an den Tag gelegt, die durch nichts geboten gewesen sei.

Wenn das Arbeitsgericht in diesem Zusammenhang auf eine bereits annähernd 10-monatige Verfahrensdauer vor der Einigungsstelle abgestellt habe, so seien diese Ausführungen verfehlt. Die Einigungsstelle sei erstmals am 11.11.1999 zusammengetreten und habe faktisch bereits mit dem Spruch vom 12.01.2000 geendet. Dass eine weitere Sitzung am 09.05.2000 erforderlich geworden sei, sei allein mit Fehlern des Einigungsstellenspruchs vom 12.01.2000 zu begründen.

Auch hinsichtlich des Verhaltens des Einigungsstellenvorsitzenden in der Einigungsstellensitzung vom 09.05. ergäben sich Umstände, die die Besorgnis der Befangenheit des Vorsitzenden der Einigungsstelle begründeten. Der Einigungsstellenvorsitzende habe offensichtlich, um die Anträge der Arbeitnehmerbeisitzer in gleicher Weise abzufertigen wie zuvor bei zwei Sachanträgen entgegen einer von ihm selbst vertretenen Rechtsauffassung die Vorschriften über das zivilprozessuale Schiedsgerichtsverfahren nicht entsprechend sondern unmittelbar angewandt.

Gerade die Verfahrensweise des Vorsitzenden, nämlich die Abstimmung über die Befangenheitsanträge der Beteiligten zu 1) und 2) letztlich unter eigener Stimmabgabe durchzuführen und danach die Einigungsstelle unmittelbar fortzusetzen, die am 09.05.2000 mit einem Spruch geendet habe, belege die berechtigte Besorgnis der Befangenheit bei den Beteiligten zu 1) und 2).

Nachdem bereits der Spruch vom 12.01.2000 ergangen sei, habe eine Eilbedürftigkeit für die weitere Durchführung des Einigungsstellenverfahrens nicht mehr angenommen werden können.

Für die betroffenen Arbeitnehmer/innen der Beteiligten zu 3) sei bereits durch den Spruch vom 12.01.2000 jeder Vertrauensschutz für eine anderweitige Regelung aufgehoben gewesen. Dies hätte bedingen müssen, in der Verhandlung vom 09.05.2000 nicht abschließend zur Sache zu verhandeln und zu entscheiden.

Die Beteiligten zu 1) und 2) beantragen, den Beschluss des Aerbeitsgerichts Köln vom 30.08.2000 10 BV 121/00 - abzuändern und

1. festzustellen, dass der Vorsitzende der bei der Beteiligten zu 3) eingerichteten Einigungsstelle zur Neuregelung der betrieblichen Altersversorgung, Herr Vorsitzender Richter am Bundesarbeitsgericht a. D. Dr. h. c. Günter , als befangen abgelehnt ist.

2. den Vorsitzenden der Einigungsstelle von seinem Amt abzuberufen.

Die Beteiligte zu 3) beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Die Beteiligte zu 3) verteidigt den Spruch erster Instanz und vermag in den Hinweisen der Beschwerde zur Besprechung des Werks des Prozessbevollmächtigten der Beteiligten zu 3) durch den Vorsitzenden der Einigungsstelle und in der Veröffentlichung des Aufsatzes in Heft Nr. 20 NZA vom 25.10.2000 keine Anhaltspunkte zu sehen, die mit den Streitfragen der vorliegend zur Überprüfung gestellten Befangenheit in Zusammenhang zu bringen seien.

In der Sache habe das Arbeitsgericht Befangenheitsgründe nicht - wie die Beschwerde geltend macht - unter anderem Aspekt geprüft als dem gesetzlich gebotenen, nämlich nach dem Maßstab der Feststellbarkeit der Besorgnis der Befangenheit.

Die für die Beteiligten zu 1) und 2) "ungünstigen Ausführungen im Rahmen der begründeten Beschlüsse vom 11.11.1999 und 12.01.2000" könnten eine Befangenheitsbesorgnis nicht begründen, weil es sich hierbei um Entscheidungstätigkeit der Einigungsstelle gehandelt habe. Gleiches gelte für etwaige Verfahrensverstöße im Rahmen der Prozessleitung sowie für abgelehnte Protokollergänzungs- und berichtigungsanträge.

Im übrigen seien Gesichtspunkte für die Besorgnis der Befangenheit die vor dem Spruch vom 12.01.2000 entstanden sein sollen gem. § 43 ZPO verfristet. Zudem ergebe sich dass diese Befangenheitsgründe auch gem. § 1037 Abs. 2 ZPO verfristet seien.

Die Beteiligten zu 1) und 2) machten auch unzutreffend geltend, der Vorsitzende der Einigungsstelle habe im Verfahren "ungebotene Eile" walten lassen. Die Einigungsstelle habe am 01.09.1999 ihre Arbeit aufgenommen. Mit Schreiben vom selben Tage habe der Einigungsstellenvorsitzende dem Bevollmächtigten des Beteiligten zu 1) sowie den Geschäftsführern der Beteiligten zu 3) angezeigt, dass er bereit sei, dass Amt des Vorsitzenden zu übernehmen, einen ersten Verhandlungstermin vorgeschlagen sowie die schriftsätzliche Vorbereitung der Einigungsstelle angeordnet. Beendet worden sei die Einigungsstelle durch Beschlüsse vom 09.05.2000. Daher sei es zutreffend, wenn das Arbeitsgericht von einer annähernd 10monatigen Verfahrensdauer ausgehe. Im übrigen hätten - wenn auch keine zielführenden - Gespräche zwischen dem Beteiligten zu 1) und der Beteiligten zu 3) bereits im Vorfeld der Einigungsstelle stattgefunden.

Nicht zuletzt die Einigungsstelle habe allein vor dem 12.01.2000 an mehreren Tagen verhandelt. Weiter habe der Einigungsstellenvorsitzende bereits in der Sitzung vom 15.12.1999 erklärt, dass das Einigungsstellenverfahren allmählich auf einen Spruch zutreibe.

Auch das Verfahren im Rahmen der Sitzung vom 09.05.2000 rechtfertige nicht die Besorgnis der Befangenheit des Vorsitzenden der Einigungsstelle.

Der mit den dortigen Abläufen begründete Antrag sei erstmals im Verfahren vor dem Arbeitsgericht Köln gestellt worden. Ein solcher Antrag müsse jedoch vor Abschluss des Einigungsstellenverfahrens gestellt werden.

Sei vor Abschluss des Einigungsstellenverfahrens kein Ablehnungsantrag gestellt, könne ein Antragsteller mit derartigen Einwendungen nachträglich nicht mehr gehört werden.

Die Abstimmung unter Beteiligung des Vorsitzenden der Einigungsstelle sei nicht überflüssig sondern geboten gewesen.

Wegen des sonstigen Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze der Parteien, die Gegenstand der Anhörung der Parteien waren, Bezug genommen.

Die Kammer hat in der Sitzung vom 11.07.2001 Bedenken gegen die Antragsbefugnis der Beteiligten zu 2) geäußert und im übrigen darauf hingewiesen, dass es zweifelhaft erscheine im vorliegenden Verfahren gem. § 98 ArbGG die streitbefangene Befangenheit noch prüfen zu prüfen, nachdem dieses Verfahren erst nach letztem Spruch der tätig gewordenen Einigungsstelle aus Anlass der Sitzung vom 09.05.2000 mit Antragsschrift vom 19.05.2000, eingegangen beim Arbeitsgericht Köln am 23.05.2000, eingeleitet worden ist.

I. Die Beschwerde der Beteiligten zu 1) und 2) war zurückzuweisen.

Die Zurückweisung ergibt sich daraus, dass sich die gestellten Anträge des Verfahrens gem. § 98 ArbGG als unzulässig darstellen.

Diese fehlende Zulässigkeit der gestellten Anträge ergibt sich für die Beteiligten zu 2) aus dem Umstand, dass diese für die geltend gemachten Ansprüche nicht als antragsbefugt angesehen werden können.

Bezüglich der antragsbefugten Beteiligten zu 1) ergibt sich die Unzulässigkeit des Verfahrens daraus, dass das Einigungsstellenverfahren im Zeitpunkt der gerichtlichen Geltendmachung des Befangenheitsantrags bereits beendet gewesen ist.

Hierzu ist festzustellen:

1. Das Beschwerdegericht geht ebenso wie das Arbeitsgericht im Anschluss an die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 09.05.1995 (IzA § 76 BetrVG 1972 Nr. 66) und die herrschende Meinung in der Rechtsliteratur (vgl. nur Kreutz, GK-BetrVG, § 76 RdNr. 45 m.w.N.; Heinze, RdA 1990, 272, 273) davon aus, dass der Vorsitzende einer Einigungsstelle wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt werden kann, wenn sich im Laufe des Einigungsstellenverfahrens Anhaltspunkte für dessen Parteilichkeit ergeben.

Weiter folgt die Kammer der vom Bundesarbeitsgericht aaO. vertretenen Auffassung, dass grundsätzlich die Ablösung eines Vorsitzenden einer Einigungsstelle wegen Besorgnis der Befangenheit im Verfahren gem. § 98 ArbGG geltend zu machen ist.

Die demgegenüber vertretene Ansicht, gerichtliche Maßnahmen zur Ablösung des Einigungsstellenvorsitzenden während des Laufs eines Einigungsstellenverfahrens seien rechtlich unmöglich, vielmehr müsse die Besorgnis der Befangenheit ausschließlich im Anfechtungsverfahren geltend zu machen, überzeugt nicht (so allerdings LAG Hamm vom 02.06.1992 BB 1992 1929; Bertelsmann NZA 1996, 234, 238 f.).

Die Anerkennung eines gerichtlich überprüfbaren Ablehnungsrechts noch während eines laufenden Einstellungsverfahrens entspricht nämlich elementaren rechtsstaatlichen Verfahrensgrundsätzen und der Funktion der Einigungsstelle als eines Organs, das normative Regelungen erzeugt.

Zu diesen Grundsätzen gehört der Anspruch auf einen unparteiischen Entscheidungsträger, wie insbesondere auch die Regeln des § 103 ArbGG und der zivilprozessualen Vorschriften des dem Einigungsstellenverfahrens ähnlichen schiedsgerichtlichen Verfahrens.

Die entsprechende Anwendung der Vorschriften des schiedsgerichtlichen Verfahrens der Zivilprozessordnung hat das Bundesarbeitsgericht in seinem Beschluss vom 09.05.1995 a.a.O. zur damaligen Gesetzeslage ausdrücklich bejaht, an den hierzu herangezogenen Erwägungen hat nichts geändert.

In der Tat stimmt nämlich die Interessenlage zwischen dem Einigungsstellenverfahren und dem schiedsgerichtlichen Verfahren überein.

Es muss daher angenommen werden, dass die entsprechende Heranziehung der Regelungen des schiedsgerichtlichen Verfahrens auch für die zwischenzeitlich in Kraft getretenen Regelungen des Gesetzes zur Neuregelung des Schiedsverfahrensrechts (Schiedsverfahrens-Neuregelungsgesetz, SchiedsVfG) vom 22.11.1997 (BGBl I, S.3224) gilt.

Die Ablösung des Vorsitzenden der Einigungsstelle zur Regelung der betrieblichen Altersversorgung bei der Beteiligten zu 3) wegen der Besorgnis der Befangenheit ist damit von den Beteiligten zu 1) und 2) im dafür einschlägigen besonderen Beschlussverfahren nach § 98 ArbGG anhängig gemacht worden.

2. Dennoch erweist sich die mit Schriftsatz vom 19.05.2000 beim Arbeitsgericht Köln, eingegangen am 30.05.2000, anhängig gemachten Anträge der Beteiligten zu 1) und 2) als unzulässig:

a) Die Beteiligten zu 2) sind nicht antragsbefugt.

Die Tatsache, dass jede natürliche oder juristische Person jede Vereinigung oder Stelle als Antragsteller und damit Beteiligter in einem Beschlussverfahren auftreten kann, beantwortet noch nicht die Frage der Berechtigung zur Antragsbefugnis für eine im Beschlussverfahren zu entscheidende Angelegenheit. Eine derartige Antragsbefugnis ist allerdings Voraussetzung für eine Sachentscheidung. Diese Antragsbefugnis ist eine von Amts wegen in jeder Lage des Verfahrens zu prüfende Prozessvoraussetzung, bei deren Fehlen der gestellte Antrag als unzulässig abzuweisen ist (vgl. BAG 27.11.1973, AP Nr. 4 zu § 40 BetrVG 1972; vom 15.08.1978, AP Nr. 1 zu § 23 BetrVG 1972; vom 25.08.1981 AP Nr. 2 zu § 83 ArbGG 1979; vom 31.01.1989 EzA § 81 ArbGG 1979 Nr. 14).

Das besondere Beschlussverfahren nach § 98 ArbGG betrifft Entscheidungen über die Besetzung der Einigungsstelle und im Hinblick auf seine Anwendung auf Befangenheitsfälle der Abberufung des Vorsitzenden einer Einigungsstelle. Antragsbefugte Beteiligte für dieses Verfahren sind die Betriebspartner, deren Mitbestimmungsfragen durch die Einigungsstelle geregelt werden sollen. Dies sind also auf der einen Seite der Arbeitgeber bzw. der Unternehmer und auf der anderen Seite der Betriebsrat oder der Gesamtbetriebsrat.

Die Beteiligten zu 2) sind allerdings nicht Betriebspartner des Beteiligten zu 3) sondern lediglich die vom Beteiligten zu 1) für das Einigungsstellenverfahren benannten Beisitzer der Einigungsstelle.

Dadurch allerdings werden diese nicht Betriebspartner der Mitbestimmungsangelegenheit; insbesondere führt deren Bestellung zu Beisitzern der Einigungsstelle nicht dazu, ihnen nunmehr eine Antragsbefugnis für Streitfragen aus den Abläufen des Einigungsstellenverfahrens zuzuordnen.

Mangels Antragsbefugnis der Beteiligten zu 2) sind somit deren Anträge zurückzuweisen.

b) Der Beteiligte zu 1) ist als Träger des Mitbestimmungsrechts der Regelungsthematik der Einigungsstelle grundsätzlich antragsbefugt.

Das von dem Beteiligten zu 1) eingeleitete Verfahren ist allerdings dennoch ebenfalls als unzulässig anzusehen.

Dies ergibt sich aus dem Umstand, dass durch Spruch der Einigungsstelle vom 09.05.2000 das Einigungsstellenverfahren zum Abschluss gebracht worden ist und dass der Antrag des Beteiligten zu 1) erst durch die Antragsschrift vom 19.05.2000, eingegangen beim Arbeitsgericht am 23.05.2000, anhängig geworden ist.

Das Bundesarbeitsgericht hat zwar in seinem Beschluss vom 09.05.1995 ausdrücklich die Gegenmeinung verworfen, dass in einem Einigungsstellenverfahren eine Ablehnung des Vorsitzenden einer Einigungsstelle wegen Parteilichkeit nicht in Betracht kommt, weil die Überprüfung derartiger Gesichtspunkte bereits aufgrund allgemein anerkannter elementarer Verfahrensgrundsätze, die dem Rechtsstaatsgebot des Grundgesetzes zu entnehmen seien, geboten sei.

Hierzu hat das Bundesarbeitsgericht ergänzend darauf hingewiesen, dass im Sinne der Beschleunigung nichts gewonnen sei, wenn in Kenntnis von möglicherweise die Unparteilichkeit eines Vorsitzenden einer Einigungsstelle berührenden Gründen erst das Einigungsstellenverfahren zum Abschluss gebracht werden müsse, ehe der Spruch wegen eines Verfahrensverstoßes angegriffen werden könne.

Damit bringt das Bundesarbeitsgericht allerdings einen weiteren allgemeinen Grundsatz zum Ausdruck, dass ein solcher Verstoß nur solange angebracht werden kann, wie die Einigungsstelle noch nicht zum abschließenden Ergebnis in der Sache gekommen ist.

Auch dies ergibt sich aus den vom Bundesarbeitsgericht für entsprechend anwendbar gehaltenen Bestimmungen der Zivilprozessordnung zum schiedsgerichtlichen Verfahren:

Ein über die Ablehnung eines Schiedsrichters anhängiges gerichtliches Verfahren ist auch dann fortzusetzen, wenn ( später ) der Schiedsspruch ergeht und niedergelegt wird. In diesem Fall können diese Ablehnungsgründe beim Gericht, das über die Aufhebung oder Vollstreckbarkeit des Schiedsspruchs zu befinden hat, nicht als Aufhebungsgründe geltend gemacht werden.

Allgemein anerkannt ist in diesem Zusammenhang allerdings, dass ein solches Ablehnungsverfahren nicht mehr anhängig gemacht werden kann, wenn das schiedsgerichtliche Verfahren bereits beendet ist (BGH Urteil vom 12.12.1963 BGHZ 40, 342, 343).

Erlässt das Schiedsgericht einen Schiedsspruch, bevor der die Ablehnung eines Schiedsrichters geltend gemachte Antrag beim staatlichen Gericht gestellt wurde und ergibt sich, dass aus Gründen des Zeitablaufs eine frühere Möglichkeit der Geltendmachung nicht bestanden hat, so ist nunmehr über die Frage des Ablehnungsgrundes allein im Aufhebungsverfahren den Schiedsspruch betreffend zu befinden (BGH Urteil vom 12.12.193 a.a.O.; Musielak-Voit ZPO 2. Aufl. § 1037 Rn 5 m.w.N.).

Da die für das schiedsgerichtliche Verfahren geltenden Prozessregeln für das vorliegende Verfahren gem. § 98 ArbGG entsprechende Anwendung zu finden haben bedeutet dies, dass unter den vorgenannten Voraussetzungen - Spruch der Einigungsstelle vor Anhängigkeit des Verfahrens nach § 98 ArbGG die Ablösung des Vorsitzenden der Einigungsstelle wegen Besorgnis der Befangenheit betreffend - die Gesichtspunkte aus denen die Befangenheit des Vorsitzenden der Einigungsstelle herleiten sollen, nur noch in den Verfahren geltend zu machen sind, in denen die Sprüche der Einigungsstelle angefochten werden.

Die Voraussetzungen dafür - frühere Geltendmachung nicht möglich - sind jedenfalls, soweit sich die Besorgnis der Befangenheit auf Umstände der Verhandlung vom 09.05.2000 stützen sollen, gegeben.

Der Beteiligte zu 1) war außer Stande diese Umstände vor letztem Spruch der Einigungsstelle, der bereits am 09.05.2000 ergangen ist, zum Gegenstand eines gerichtlichen Antrags der vorliegenden Art zu machen.

Damit ist der Beteiligte zu 1) bezüglich der im vorliegenden Verfahren geltend gemachten Umstände, die die Besorgnis der Befangenheit des Vorsitzenden der Einigungsstelle zur Regelung der betrieblichen Altersversorgung ergeben sollen, auf die anhängigen Anfechtungsverfahren - 10 BV 30/00 - Arbeitsgericht Köln / - 13 (7) TaBV 83/00 - Landesarbeitsgericht Köln und insbesondere - 10 BV 141/00 - Arbeitsgericht Köln zu verweisen.

Das von dem Beteiligten zu 1) mit seiner Antragschrift vom 19.05.2000 eingeleitete vorliegende Beschlussverfahren nach § 98 ArbGG zur Ablösung des Vorsitzenden der Einigungsstelle zur Regelung der betrieblichen Altersversorgung bei der Beteiligten zu 3) erweist sich somit als unzulässig.

3. Die unzulässigen Anträge der Beteiligten zu 1) und 2) bedingen, dass deren Beschwerden im Ergebnis keine Abänderung des Beschlusses erster Instanz herbeiführen können.

4. Gegen die Entscheidung im vorliegenden besonderen Beschlussverfahren nach § 98 ArbGG findet kein Rechtsmittel statt, § 98 Abs. 2 S. 4 ArbGG.

Ende der Entscheidung

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