Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Köln
Urteil verkündet am 22.03.2005
Aktenzeichen: 9 (3) Sa 1091/04
Rechtsgebiete: BetrAVG


Vorschriften:

BetrAVG § 7 Abs. 2 S. 4
Vereinbaren die Arbeitsvertragsparteien in einem Aufhebungsvertrag, dass die Höhe der unverfallbaren Versorgungsanwartschaft des vorzeitig ausgeschiedenen Arbeitnehmers nicht unter ratierlicher Kürzung nach § 2 Abs. 1 BetrAVG ermittelt wird, so wirkt dies nach § 7 Abs. 2 S. 4 BetrAVG nicht gegenüber dem gesetzlichen Träger der Insolvenzsicherung (PSV), unabhängig davon, ob die Vertragsabrede als Verzicht auf die gesetzlich vorgesehene Quotierung oder als Anerkennung von Nachdienstzeiten über den Sicherungsfall hinaus gewertet wird.
Tenor:

1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 24. Juni 2004 - 8 Ca 3344/04 - wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

2. Die Revision gegen dieses Urteil wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten über die Höhe der vom Beklagten als Träger der gesetzlichen Insolvenzsicherung an den Kläger zu zahlenden monatlichen Betriebsrente.

Der am 26.05.1942 geborene Kläger war vom 01.04.1956 bis zum 31. 03.2001 bei der K in N (Arbeitgeberin) beschäftigt. Ihm war eine betriebliche Altersversorgung bei der Einstellung zugesagt worden, die bei seinem Ausscheiden unverfallbar geworden war. Das Arbeitsverhältnis endete aus betrieblichen Gründen durch einen Aufhebungsvertrag vom 29.05.2000. Darin vereinbarte der Kläger mit der Arbeitgeberin unter § 4 Folgendes:

"Der Mitarbeiter hat aus der betrieblichen Altersversorgung des Arbeitgebers einen unverfallbaren Anspruch auf Leistung erworben. Dieser Anspruch auf eine Altersrente, die zeitgleich mit der erstmaligen Gewährung einer Rente aus der gesetzlichen Sozialversicherung einsetzt, beträgt DM 1.195,18 pro Monat. Die Parteien sind sich einig, dass dieser Leistungsanspruch nicht nach § 2 Abs. 1 S. 1 BetrAVG gekürzt wird."

Über das Vermögen der Arbeitgeberin wurde durch Beschluss des Amtsgerichts Esslingen am 26.06.2002 das Insolvenzverfahren eröffnet.

Der Beklagte berechnete unter dem 03.01.2003 den Betriebsrentenanspruch des Klägers auf 552,40 € wie folgt: DM 1.195,18 = 611,10 € ratierlich gekürzt nach dem Verhältnis mögliche Dienstzeit bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres zu tatsächlicher Dienstzeit bis zur Insolvenzeröffnung.

Der Kläger bezieht seit dem 01.08.2003 eine Altersrente aus der gesetzlichen Sozialversicherung. Seit diesem Zeitpunkt zahlt ihm der Beklagte die Betriebsrente in der von ihm berechneten Höhe.

Der Kläger vertritt die Auffassung, aufgrund der Vereinbarung im Aufhebungsvertrag müsse ihm der Beklagte die Betriebsrente in ungekürzter Höhe mit monatlich 611,10 € zahlen.

Mit der am 30.03.2004 beim Arbeitsgericht Köln eingegangenen Klage begehrt der Kläger Nachzahlung des Differenzbetrages für die Zeit ab August 2003 bis März 2004 und zugleich Feststellung, dass der Beklagte für die Zeit ab August 2003 zu einer Zahlung in Höhe von monatlich 611,10 € verpflichtet ist.

Der Kläger hat beantragt,

1. den Beklagten zu verurteilen, an ihn 469,60 € nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz aus 58,70 € seit dem 01.08.2003, 58,70 € seit dem 01.09.2003, 58,70 € seit dem 01.10.2003, 58,70 € seit dem 01.11.2003, 58,70 € seit dem 01.12.2003, 58,70 € seit dem 01.01.2004, 58,70 € seit dem 01.02.2004 und 58,70 € seit dem 01.03.2004 zu zahlen;

2. festzustellen, dass ihm Altersversorgungsleistungen in Höhe von monatlich 611,10 € gegen den Beklagten ab dem 01.08.2003 zustehen.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er hat vorgetragen, fiktive Nachdienstzeiten könnten nur bis zum Eintritt des Sicherungsfalles berücksichtigt werden, wenn die Arbeitgeberin vor Eintritt des Versorgungsfalles insolvent werde. Dies ergebe sich aus § 7 Abs. 2 S. 4 BetrAVG. An eine vertragliche Regelung, die den Arbeitnehmer besser stelle, sei er nicht gebunden.

Das Arbeitsgericht Köln hat durch Urteil vom 24.06.2004 die Klage abgewiesen. Es hat zur Begründung ausgeführt, zwar hätte die Arbeitgeberin aufgrund der Regelung im Aufhebungsvertrag dem Kläger ab dem Bezug der vorgezogenen Altersrente aus der gesetzlichen Sozialversicherung eine Betriebsrente in ungekürzter Höhe von 611,10 € zahlen müssen. Jedoch sei der Beklagte nach § 7 Abs. 2 S. 3, 4 BetrAVG zu der von ihm vorgenommenen ratierlichen Kürzung berechtigt. Zutreffend habe er dabei die Vollendung des 65. Lebensjahres als feste Altersgrenze angenommen. Der Kläger könne nicht besser stehen als ein Arbeitnehmer, der bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens noch beschäftigt gewesen sei.

Das Urteil ist dem Kläger am 23.08.2004 zugestellt worden. Er hat hiergegen am 10.09.2004 Berufung einlegen und diese gleichzeitig begründen lassen.

Der Kläger trägt vor, er wäre nicht vorzeitig aus dem Arbeitsverhältnis ausgeschieden, wenn er Kürzungen bei der betrieblichen Altersversorgung hätte hinnehmen müssen. Deshalb sei ein fester, nicht zu kürzender Rentenbetrag mit der Arbeitgeberin vereinbart worden, was auch für den Beklagten verbindlich sei. Es könne keinen Unterschied machen, ob die Arbeitgeberin die Versorgungszusage durch eine Anhebung der Bemessungsgrundlage und/oder durch Zusage eines zusätzlichen monatlichen Betriebsrentenbetrages verbessere oder - wie bei ihm - durch die Vereinbarung eines nicht zu kürzenden Rentenbetrages. Bei einem Vergleich mit den weiterbeschäftigten Arbeitnehmern müsse berücksichtigt werden, dass er ohnehin aufgrund seines vorzeitigen Ausscheidens erhebliche Nachteile wie den Verlust des monatlichen Gehaltsanspruchs habe hinnehmen müssen.

Der Kläger beantragt,

unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Köln vom 24.06.2004 - 8 Ca 3344/04 - nach den erstinstanzlichen Klageanträgen zu erkennen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung des Klägers zurückzuweisen.

Er trägt weiter vor, die ratierliche Kürzung sei zulässig. Dabei sei nach § 7 Abs. 2 S. 4 BetrAVG nur die Dienstzeit bis zum Eintritt des Sicherungsfalles zu berücksichtigen. Dies entspreche der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts. Der Kläger dürfe nicht besser stehen als die Arbeitnehmer, die bis zum Eintritt des Sicherungsfalles weiter gearbeitet hätten.

Wegen des übrigen Vorbringens der Parteien wird auf die zwischen diesen gewechselten Schriftsätze Bezug genommen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren.

Entscheidungsgründe:

I. Die Berufung ist zulässig.

Sie ist gemäß § 64 Abs. 2 b ArbGG statthaft und wurde innerhalb der in § 66 Abs. 1 S. 1 ArbGG vorgeschriebenen Fristen eingelegt und begründet.

II. Die Berufung hat in der Sache keinen Erfolg.

Die Klage ist unbegründet.

Zutreffend hat das Arbeitsgericht Köln ausgeführt, dass der Kläger aus § 4 des Aufhebungsvertrages keinen Anspruch auf eine höhere als die vom Beklagten berechnete und gezahlte Altersrente ableiten kann.

1. Gemäß § 7 Abs. 2 S. 1 BetrAVG hat der Beklagte die zur Zeit des Sicherungsfalles unverfallbaren Versorgungsanwartschaften zu sichern. Die Höhe der mit Eintritt des Versorgungsfalles zu erbringenden Leistung richtet sich gemäß § 7 Abs. 2 S. 3 BetrAVG nach § 2 Abs. 1 BetrAVG. Der Versorgungsempfänger hat danach einen Anspruch in Höhe des Teils der ohne das vorherige Ausscheiden zustehenden Leistung, der dem Verhältnis der Dauer der tatsächlichen Betriebszugehörigkeit, spätestens bis zum Insolvenzdatum (§ 7 Abs. 2 S. 4 BetrAVG), zu der Zeit vom Beginn der Betriebszugehörigkeit bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres oder einer früheren festen Altersgrenze entspricht. Die erreichbare Vollrente ist mithin im Verhältnis von erreichter zu erreichbarer Dienstzeit zu kürzen.

Der so berechnete Anwartschaftswert darf nicht unterschritten werden (§§ 17 Abs. 3 S. 3, 2 Abs. 1 BetrAVG).

Der Arbeitgeber kann dem vorzeitig ausscheidenden Arbeitnehmer zusagen, einen höheren Anteil aufrechtzuerhalten.

Für den Rechtsstreit ist allein entscheidend, ob eine solche Verbesserung auch insolvenzgeschützt ist.

2. Der Arbeitgeber kann einen Arbeitnehmer auf unterschiedliche Weise vor Nachteilen bei der betrieblichen Versorgung schützen, die sich aufgrund des vorzeitigen Ausscheidens ergeben. Er kann eine Übergangshilfe zahlen oder die gegebene Versorgungszusage so verbessern, dass nach Eintritt des Versorgungsfalles Leistungseinbußen verhindert werden. Letzteres lässt sich auf unterschiedliche Weise erreichen. Der Arbeitgeber kann die Bemessungsgrundlage anheben oder einen höheren Rentenbetrag vorsehen. Er kann bei im übrigen unveränderter Anwendung der Versorgungsordnung den Arbeitnehmer so stellen, als habe er bis zum Versorgungsfall weitergearbeitet. So kann er die Zeit vom vorzeitigen Ausscheiden bis zum Erreichen der festen Altersgrenze als anzurechnende "Nachdienstzeit" anerkennen (vgl. BAG, Urteil vom 10.03.1992 - 3 AZR 140/91 - ).

Die Auswirkungen dieser Verbesserungen lassen sich, worauf das Bundesarbeitsgericht zutreffend hinweist, im Voraus berechnen und in einem Geldbetrag ausdrücken (vgl. BAG, Urteil vom 10.03.1992 - 3 AZR 140/91 -).

Im vorliegenden Fall hat die Arbeitgeberin mit dem Kläger vereinbart, den nach der erteilten Versorgungszusage erworbenen Anspruch auf Zahlung einer monatlichen Rente in Höhe von DM 1.195,18 (ab Eintritt des Versorgungsfalles) nicht nach § 2 Abs. 1 BetrAVG zu kürzen.

Es kann dahinstehen, ob dies als bewusster Verzicht auf die ratierliche Kürzung oder - wie der Beklagte vertritt - als Anerkennung einer "Nachdienstzeit" zu werten ist. Festzuhalten ist, dass ausweislich der Regelung unter § 4 des Aufhebungsvertrages ansonsten die Versorgungsordnung unverändert angewandt werden sollte.

3. In der höchstrichterlichen Rechtsprechung ist anerkannt, dass die vom Arbeitgeber erteilte Versorgungszusage nicht inhaltlich verschlechtert werden darf, weil der Insolvenzfall eingetreten ist. Dies folgt aus dem Grundsatz der Akzessorietät der gesetzlichen Insolvenzsicherung. Es gilt auch für Verbesserungen der Versorgungszusage, sofern nicht ein Fall des Versicherungsmissbrauchs vorliegt (vgl. BAG, Urteil vom 10.03.1992 - 3 AZR 140/91 -).

Die Verbesserung kann aber nicht dazu führen, dass die gesetzliche Einstandspflicht des Beklagten erweitert wird. Gemäß § 7 Abs. 2 S. 3 i.V.m. § 2 Abs. 1 BetrAVG ist die Höhe des insolvenzgesicherten Anspruchs auf die zeitanteilig berechnete Anwartschaft begrenzt. Nach § 7 Abs. 4 S. 4 BetrAVG wird dabei nur die Betriebszugehörigkeit bis zum Eintritt des Sicherungsfalles berücksichtigt. Angesichts dieser gesetzlichen Regelung braucht der Beklagte weder einen Verzicht der Arbeitgeberin auf eine Quotierung (vgl. BAG, Urteil vom 17.06.2003 - 3 AZR 462/02 -) noch eine Anerkennung von "Nachdienstzeiten" über den Zeitpunkt des Sicherungsfalles hinaus (vgl. BAG, Urteil vom 10.03.1992 - 3 AZR 140/91 -) gegen sich gelten zu lassen.

Da die Regelung im Aufhebungsvertrag aber gerade vorsieht, dass der aus der früher erteilten Versorgungszusage erworbene Anspruch durch Verzicht auf eine ratierliche Kürzung wegen des vorzeitigen Ausscheidens des Klägers verbessert wird, kann die Klage keinen Erfolg haben.

Zutreffend hat das Bundesarbeitsgericht bereits in der Entscheidung vom 10.03.1992 - 3 AZR 140/91 - darauf hingewiesen, dass die Parteien des Versorgungsvertrages unschwer eine Abrede treffen können, die auch unter Berücksichtigung der zwingenden Berechnungsregeln der §§ 7 Abs. 2, 2 Abs. 1 BetrAVG den Arbeitnehmer für den Insolvenzschutz so stellt, als sei er nicht vorzeitig, sondern erst mit dem Versorgungsfall ausgeschieden. Dies ist im vorliegenden Fall nicht geschehen.

Nach alledem war die Berufung mit der Kostenfolge nach § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen.

Ende der Entscheidung

Zurück