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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Köln
Beschluss verkündet am 04.07.2006
Aktenzeichen: 9 (7) Ta 270/06
Rechtsgebiete: RVG


Vorschriften:

RVG § 23 Abs. 3 S. 2
Zur Bemessung des Gebührenstreitwerts bei einem Streit zwischen Betriebsrat und Arbeitgeber darüber, ob nach einer Betriebsvereinbarung der Arbeitgeber es zu unterlassen hat, bei der Anwendung eines elektronischen Arbeitszeiterfassungssystems das Verhalten und die Leistung von Arbeitnehmern zu kontrollieren.
Tenor:

Die Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Köln vom 22. Juni 2005 - 6 BV 188/04 - wird zurückgewiesen.

Gründe:

I. Der Betriebsrat (Antragsteller) hat geltend gemacht, die Arbeitgeberin (Antragsgegnerin) habe gegen eine durch Betriebsvereinbarung festgelegte Verpflichtung verstoßen, bei der Anwendung eines elektronischen Arbeitszeiterfassungssystems das Verhalten und die Leistung von Arbeitnehmern nicht zu kontrollieren. Entgegen einer zwischen ihm und der Arbeitgeberin zustande gekommenen Betriebsvereinbarung, die eine zwischen der Arbeitgeberin und dem Gesamtbetriebsrat abgeschlossene Gesamtbetriebsvereinbarung ergänze, habe sie die gespeicherten Arbeitszeitdaten eines Arbeitnehmers verwandt, um einen Arbeitnehmer mit der Begründung zu entlassen, er habe einen Arbeitszeitbetrug begangen.

Er hat beantragt, der Arbeitgeberin aufzugeben, es künftig zu unterlassen, ohne seine Zustimmung oder einen die Zustimmung ersetzenden Spruch der Einigungsstelle die elektronischen Daten zum Zwecke der Kontrolle des Verhaltens der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und zur Begründung personeller Maßnahmen zu verwenden. Zudem hat er beantragt, der Antragsgegnerin für jeden Fall der Zuwiderhandlung ein Ordnungsgeld anzudrohen.

Das Arbeitsgericht Köln hat die Anträge zurückgewiesen.

Es hat durch Beschluss vom 22. Juni 2005 den Gebührenstreitwert auf EUR 12.000,00 festgesetzt, wobei es für den Unterlassungsantrag EUR 8.000,00 und für den Antrag auf Androhung eines Ordnungsgeldes EUR 4.000,00 in Ansatz gebracht hat.

Gegen den Beschluss, der weder ein Rechtsmittelbelehrung enthält noch förmlich zugestellt worden ist, hat die Arbeitgeberin am 12. Juli 2005 Beschwerde eingelegt. Sie ist der Ansicht, bei der Streitwertfestsetzung sei nur auf den Unterlassungsantrag abzustellen, hingegen komme dem Bestrafungsantrag keine eigenständige Bedeutung zu. Der Streitwert sei mit EUR 4.000,00 zu bemessen.

Der Betriebsrat hält die erstinstanzliche Streitwertfestsetzung für zutreffend und verweist auf die bereits erfolgte Verwendung der elektronischen Daten zur Begründung einer Kündigung.

Das Arbeitsgericht Köln hat durch Beschluss vom 28. Juni 2006 der Streitwertbeschwerde nicht abgeholfen mit dem Hinweis, es sei nicht nur um Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats, sondern auch um die Auswirkungen auf einzelne Arbeitnehmer gegangen.

II. Die nach § 33 Abs. 3 RVG zulässige Beschwerde ist nicht begründet.

Das Arbeitsgericht hat im Ergebnis zutreffend den Gebührenstreitwert auf EUR 12.000,00 festgesetzt.

1. Da es sich um eine nicht-vermögensrechtliche Streitigkeit handelt, ist der Wert in Anwendung von § 23 Abs. 3 S. 2 RVG nach billigem Ermessen festzusetzen. Dabei ist der Wert zu finden, der für den Rechtsanwalt angemessene und für den Auftraggeber tragbare Gebühren ergibt. Bei nicht genügenden tatsächlichen Anhaltspunkten für eine Schätzung ist von EUR 4.000,00 auszugehen, nach der Lage des Falles aber der Gegenstandswert auch niedriger oder höher anzusetzen, wobei insbesondere auf die Bedeutung der Sache für die Beteiligten sowie den Umfang und die Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit abzustellen ist (vgl. LAG Köln, Beschlüsse vom 31. Juli 2003 - 3 Ta 180/03 - und vom 10. Juni 2005 - 9 Ta 34/05 -; Schwab/Weth/Vollstädt, ArbGG, § 12 Rdn. 220).

2. Nach diesen Grundsätzen ist der Streitwert für den Unterlassungsantrag unter Einbeziehung des Antrags auf Ordnungsgeld nach dem 3-fachen Regelstreitwert zu bemessen.

Es ist zu berücksichtigen, dass die Entscheidung auch die Auslegung der Gesamtbetriebsvereinbarung betrifft, die für alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Arbeitgeberin in Deutschland gilt, soweit sie in gleitender Arbeitszeit, nach Schicht- oder Dienstplänen oder nach flexiblen Arbeitszeitsystemen arbeiten. Dabei stehen erhebliche finanzielle Auswirkungen in Frage. Wenn es der Arbeitgeberin nicht erlaubt ist, die elektronisch erfassten Daten zur Kontrolle des Verhaltens der Arbeitnehmer auszuwerten, muss sie auf andere aufwendige Kontrollen (z. B. die Beobachtung von Arbeitnehmern durch Vorgesetzte) zurückgreifen, um einen Arbeitszeitbetrug nachweisen zu können. Schließlich sind bei der Entscheidung rechtlich schwierige Fragen zu klären. Es geht um die Auslegung mehrerer Regelungen in der Gesamtbetriebsvereinbarung und der sie ergänzenden Betriebsvereinbarung unter Berücksichtigung auch des Zusammenhangs mit dem Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 Ziff. 6 BetrVG.

Der Regelstreitwert ist somit nach der "Lage des Falles" nicht angemessen. Vielmehr ist es gerechtfertigt, ihn deutlich höher mit EUR 12.000,00 zu bemessen.

Gegen diese Entscheidung ist ein Rechtsmittel nicht zulässig.

Ende der Entscheidung

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