Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Köln
Urteil verkündet am 20.09.2005
Aktenzeichen: 9 Sa 110/05
Rechtsgebiete: AÜG, BGB


Vorschriften:

AÜG Art. 1 § 9 Nr. 1
AÜG Art. 1 § 10 Abs. 1 S. 1
BGB § 242
1. Soweit ein Überlassen von Arbeitnehmern im Konzernbereich vor der ausdrücklichen Klarstellung durch den Gesetzgeber im Beschäftigungsförderungsgesetz 1985 als nicht erlaubnispflichtig nach dem AÜG angesehen wurde, wurde dies damit begründet, es fehle bei der konzerntypischen "gelegentlichen entgeltlichen Überlassung von Arbeitskräften an andere Konzerngesellschaften" an dem Merkmal der Gewerbsmäßigkeit.

2. Der zunächst entliehene und zu einem späteren Zeitpunkt vom Entleiher eingestellte Arbeitnehmer verwirkt nicht das Recht, im Zusammenhang mit Betriebsrentenansprüchen die Begründung des Arbeitverhältnisses zu einem früheren Zeitpunkt kraft Fiktion nach Art. 1 § 10 Abs. 1 AÜG geltend zu machen, wenn er bei der Abrechnung der Vergütungsansprüche und der Jubiliäumszuwendungen hingenommen hat, dass von einem Bestand des Arbeitshältnisses erst ab der Einstellung ausgegangen worden ist.


Tenor:

1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 18. November 2004 - 1 Ca 14243/03 - wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

2. Die Revision gegen dieses Urteil wird zugelassen.

Tatbestand: Die Parteien streiten darüber, ob zwischen ihnen bereits seit dem 2. November 1984 ein Arbeitsverhältnis besteht, was für die Anwartschaft des Klägers auf betriebliche Versorgungsleistungen maßgeblich ist. Der Kläger war vom 2. November 1984 bis zum 30. September 1986 als Anlagenwärter bei der S mbH (S ) beschäftigt. Er war ausschließlich im Kraftwerk W bei E der Rechtsvorgängerin der Beklagten (R ) beschäftigt. Das Arbeitsverhältnis mit der S endete aufgrund einer Kündigung des Klägers vom 12. September 1986 mit dem 30. September 1986. In dem Kündigungsschreiben nannte der Kläger als Beendigungsgrund, er werde mit Wirkung zum 1. Oktober 1986 von der Rechtsvorgängerin der Beklagten als Arbeitnehmer übernommen. In dem schriftlichen Arbeitsvertrag vom 9./12. September 1986 vereinbarten die Rechtvorgängerin der Beklagten und Kläger u. a. Folgendes: "I. Tätigkeit und Aufgabengebiet Sie werden in der Abteilung PA als Wärter Bekohlung und/oder Entaschungsbereich Gruppe 4/Bild 1 eingesetzt.

Als Dienstort wird E vereinbart.... III. Vergütung e) Die Betriebszugehörigkeit zum R rechnet ab 1. Oktober 1986... VI. Ruhegeld- und Hinterbliebenenversorgung Die bisher gültigen R -Ruhegeld-Richtlinien sind mit Wirkung zum 31.3.1986 gekündigt worden. Das bedeutet, dass sie zur Zeit einen Anspruch auf Ruhegeld und Hinterbliebenenversorgung nicht haben. Es ist jedoch beabsichtigt, die mit dem Gesamtbetriebsrat noch zu treffende Vereinbarung mit Wirkung ab dem 1. April 1986 in Kraft zu setzen, so dass Sie dann rückwirkend vom Zeitpunkt Ihres Eintritts nach Maßgabe der Neuregelung versorgungsberechtigt sind ...". In der Folgezeit kam es zu einer Betriebsvereinbarung gemäß Ziffer 6 des Arbeitsvertrages, welche die vorher geltenden ebenfalls auf Betriebsvereinbarungen beruhenden Versorgungsbestimmungen unter Besitzstandswahrung verschlechterte. Mit der vorliegenden Klage, die am 12. Dezember 2003 beim Arbeitsgericht Köln eingegangen ist, begehrt der Kläger Feststellung, dass bereits seit dem 2. November 1984 ein Arbeitsverhältnis zwischen ihm und der Beklagten besteht. Sein Feststellungsinteresse ergebe sich daraus, dass für den Versorgungsfall die wesentlich günstigere Regelung gelte, wenn das Beschäftigungsverhältnis bereits seit 1984 und nicht erst seit 1986 bestehe. Der Kläger hat erstinstanzlich vorgetragen, er sei seit 1984 im Rahmen einer gewerblichen Arbeitnehmerüberlassung bei der Rechtsvorgängerin der Beklagten tätig gewesen, ohne dass die S die hierfür notwendige Erlaubnis besessen habe. Zwischen 1984 und 1986 sei er vollständig in den Betrieb der Rechtsvorgängerin der Beklagten in W eingegliedert gewesen. Nach seiner Einstellung bei der S habe er im Betriebsbereich "Bekohlung" alle dort anfallenden Produktionsarbeiten in den Unterbereichen Eisenausscheidung, Brecherei, Revisierwagen, Bekohlungsanlage und Blockanlage verrichtet. Die Arbeitsanweisungen seien ihm von den für den Bereich zuständigen Meistern und Vorarbeitern der Rechtsvorgängerin der Beklagten erteilt worden. Der Kläger hat beantragt, festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis des Klägers mit der Beklagten seit dem 2. November 1984 besteht. Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat das Vorbringen des Klägers über die Arbeitsbereiche, in denen er eingesetzt worden ist, und über die Erteilung von Arbeitsanweisungen durch Beschäftigte ihrer Rechtsvorgängerin bestritten. Er sei lediglich im Rahmen von Werkverträgen ihrer Rechtsvorgängerin mit der S tätig geworden. Die S habe damals mit ihren Arbeitnehmern sowohl Anlagen in dem Kraftwerk gewartet und instandgesetzt als auch betrieben. Sie habe allerdings auch Arbeitnehmer an ihre - der Beklagten - Rechtsvorgängerin verliehen. Da die S zum R -Konzern gehört habe, habe nach der bis zum 30. April 1985 geltenden Fassung des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes ohnehin keine Erlaubnispflicht bestanden. Erst seit dem 1. Mai 1985 sei die Erlaubnispflicht auf eine konzerninterne Arbeitnehmerüberlassung erstreckt worden, allerdings nur, soweit sie nicht nur vorübergehend sei. Die 17-monatige Beschäftigung zwischen dem 1. Mai 1985 und dem 30. September 1986 müsse als vorübergehend im Sinne der damaligen gesetzlichen Neuregelung gelten. Seit dem 1. Juni 1986 habe die S über eine Erlaubnis zur gewerbsmäßigen Arbeitnehmerüberlassung verfügt. Der Kläger habe zudem das Recht verwirkt, sich auf einen Bestand des Arbeitsverhältnisses seit 1984 zu berufen. Er habe in der Vergangenheit nie geltend gemacht, das Arbeitsverhältnis mit der Rechtsvorgängerin habe bereits seit 1984 bestanden, obwohl dies für sowohl für die Höhe der Vergütung (nach dem Dienstalter) als auch für den Zeitpunkt der Dienstjubiläen von Bedeutung gewesen sei. Im Jahr 1985 sei bei der Rechtsvorgängerin erörtert worden, wann erlaubnispflichtige Arbeitnehmerüberlassung vorliege. Es sei davon ausgegangen worden, dass keine unerlaubte Arbeitnehmerüberlassung praktiziert worden sei. Gleichwohl habe ihre Rechtsvorgängerin in der Folgezeit vorrangig ihren Personalbedarf durch die Einstellung von Arbeitnehmern abgedeckt, die für Fremdfirmen in dem Kraftwerk tätig geworden seien und bei denen ein mögliches Risiko unter dem Aspekt Arbeitnehmerüberlassung nicht habe ausgeschlossen werden können. Damals seien die betroffenen Arbeitnehmer, so auch der Kläger, sehr zufrieden gewesen, bei der Rechtsvorgängerin eingestellt zu werden. Sie hätten keine weitergehenden Ansprüche gestellt. Ihre Rechtsvorgängerin habe auch deshalb darauf vertraut, dass die Angelegenheit abschließend geregelt sei. Rückstellungen für höhere Versorgungsansprüche habe sie nicht gebildet. Sie hat erklärt, sie werde eine gerichtliche Feststellung, dass das Arbeitsverhältnis zu ihrer Rechtsvorgängerin seit dem 2. November 1984 bestanden habe, bei der Bemessung der Versorgungsbezüge des Klägers berücksichtigen. Das Arbeitsgericht Köln hat durch Urteil vom 18. November 2004 der Klage stattgegeben. Zur Begründung hat es ausgeführt, der Kläger sei seit dem 2. November 1984 der Rechtsvorgängerin der Beklagten zur Arbeitsleistung überlassen worden. Die Beklagte habe nicht substantiiert bestritten, dass der Kläger von ihrer Rechtsvorgängerin zur Arbeit eingeteilt worden sei, mit ihr seinen Urlaub abgestimmt habe und sich bei ihr krankgemeldet habe. Das Arbeitnehmerüberlassungsgesetz sei auch vor dem 1. Mai 1985 auf eine konzerninterne Arbeitnehmerüberlassung anwendbar gewesen, so dass bereits vor der damaligen gesetzlichen Neuregelung ein Arbeitsverhältnis begründet worden sei. Es könne daher dahinstehen, ob eine Überlassung zwischen dem 1. Mai 1985 und dem 30. September 1986 als vorübergehend zu bewerten sei. Der Kläger habe nicht das Recht verwirkt, sich auf den Bestand des Arbeitsverhältnisses seit dem 2. November 1984 zu berufen. Die Rechtsvorgängerin der Beklagten sei selbst davon ausgegangen, dass eine Behörde oder ein Gericht den Einsatz des Klägers als unerlaubte Arbeitnehmerüberlassung möglicherweise bewerte. Aus dem Verhalten des Klägers habe sie nicht ableiten können, er werde sich auf eine Betriebszugehörigkeit seit 1984 nicht berufen. Das Urteil ist der Beklagten am 28. Dezember 2004 zugestellt worden. Sie hat hiergegen am 21. Januar 2005 Berufung einlegen und diese am 28. Februar 2005 begründen lassen. Sie vertritt weiterhin ihre erstinstanzlich vorgetragene Rechtsansicht. Sie bestreitet den Vortrag des Klägers über seine Arbeitsbedingungen und hält eine Arbeitnehmerüberlassung im Konzern bis zur gesetzlichen Neuregelung ab dem 1. Mai 1985 generell für nicht erlaubnispflichtig. Aus einem Aktenvermerk vom 16. September 1985 ergebe sich zudem, dass es sich allenfalls um eine vorübergehende Überlassung gehandelt habe. Dafür spreche auch, dass der Kläger in verschiedenen Arbeitsbereichen eingesetzt worden sei. Bis zur Anstellung bei ihrer Rechtsvorgängerin sei nie davon ausgegangen worden, dass der Kläger auf Dauer bei ihrer Rechtsvorgängerin eingesetzt werde. Jedenfalls habe der Kläger ein Recht verwirkt, den Bestand des Arbeitsverhältnisses vor dem 1. Oktober 1986 geltend zu machen. Neben dem Zeitmoment sei auch das Umstandsmoment erfüllt. Er habe erst nach mehr als 17 Jahren geltend gemacht, das Arbeitsverhältnis bestehe bereits seit 1984. Bis dahin habe er akzeptiert, dass für die fälligen Ansprüche von einer Betriebszugehörigkeit ab dem 1. Oktober 1986 ausgegangen worden sei. Selbst als die R AG aus Anlass einer Umstrukturierung mit Schreiben vom 3. Januar 2000 auf die unveränderte Weitergeltung der vertraglichen Bestimmungen hingewiesen habe, habe der Kläger sie nicht darauf hingewiesen, seine Betriebszugehörigkeit sei ab 1984 zu berechnen. Bei der Bemessung Rückstellungen für die Versorgungsansprüche seien ihre Rechtsvorgängerin und sie von einer Betriebszugehörigkeit des Klägers ab dem 1. Oktober 1986 ausgegangen. Die Beklagte beantragt, unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Köln vom 18. November 2004 - 1 Ca 14243/03 - die Klage abzuweisen. Der Kläger beantragt, die Berufung der Beklagten zurückzuweisen. Er wiederholt sein erstinstanzliches Vorbringen über die Arbeitsbedingungen und die Erteilung von Arbeitsanweisungen durch Mitarbeiter der Rechtsvorgängerin der Beklagten. Diese Mitarbeiter seien auch für die Urlaubserteilung und die Annahme von Krankmeldungen zuständig gewesen. In der mündlichen Verhandlung am 30. August 2005 hat er erklärt, er habe vor und nach dem 30. September 1986 dieselbe Tätigkeit mit denselben Vorgesetzten im Kraftwerk W verrichtet. Den Arbeitsvertrag habe er mit dem im Kraftwerk W tagsüber anwesenden Beauftragten der S geschlossen. Dieser habe ihm keine Arbeitsanweisungen erteilt, sondern sei nur zuständig gewesen, ihm Arbeitskleidung zur Verfügung zu stellen und ihm Sicherheitsbelehrungen zu erteilen. Er habe nur gelegentlich Kontakt zu dem Beauftragten der S gehabt. Die Lohnabrechnungen seien ihm von der S erteilt worden. Er habe ausschließlich in der Bekohlung und Entaschung gearbeitet, und zwar zusammen mit Arbeitern, die bei der Rechtsvorgängerin der Beklagten angestellt gewesen seien. Der Urlaub sei von den vorgesetzten Mitarbeitern der Rechtsvorgängerin schriftlich festgehalten worden, nachdem er ihn in der Schicht abgesprochen habe. Ihm sei im Jahr 1986 nicht besonders erklärt worden, weshalb er bei der Rechtsvorgängerin der Beklagten angestellt werde. Damals sei es üblich gewesen, dass Mitarbeiter der S nach 2jähriger Beschäftigung von der Rechtsvorgängerin der Beklagten angestellt worden seien. Die Beschäftigung bei der S sei von der Rechtsvorgängerin der Beklagten als inoffizielle Probezeit gehandhabt worden. Wegen des übrigen Vorbringens der Parteien wird auf die zwischen ihnen gewechselten Schriftsätze Bezug genommen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren. Das Berufungsgericht hat aufgrund des Beschlusses vom 31. August 2005 Beweis über den Einsatz des Klägers und die Erteilung von Arbeitsanweisungen durch Mitarbeiter der Rechtsvorgängerin der Beklagten im Zeitraum 2. November 1984 bis 30. September 1986 erhoben durch Vernehmung der Zeugen J L und H L . Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Vernehmungsniederschrift vom 20. September 2005 verwiesen. Entscheidungsgründe:

I. Die Berufung der Beklagten ist zulässig. Sie ist gemäß § 64 Abs. 2 b ArbGG statthaft und wurde innerhalb der in § 66 Abs. 1 S. 1 ArbGG vorgeschriebenen Fristen eingelegt und begründet. II. Die Berufung hat in der Sache keinen Erfolg. Das Arbeitsverhältnis zwischen der Beklagten und dem Kläger besteht seit dem 2. November 1984. 1. Die Feststellungsklage ist zulässig. Ein Arbeitnehmer kann das Bestehen und den Beginn des Arbeitsverhältnisses zu einem Entleiher auf der Grundlage der Art. 1 §§ 10, 13 AÜG a. F. mit der allgemeinen Feststellungsklage verfolgen. Das gilt auch dann, wenn das Leiharbeitsverhältnis unbestritten beendet und einzelvertraglich ein Arbeitsverhältnis mit dem Entleiher begründet worden ist. Es können sich aus der längeren Dauer des Arbeitsverhältnisses Rechtsfolgen ergeben, die das besondere Rechtsschutzbedürfnis für eine Feststellungsklage begründen (vgl. BAG, Urteil vom 18. Februar 2003 - 3 AZR 160/02 -). Das rechtlich geschützte Interesse des Klägers besteht schon deshalb, weil die Beklagte erklärt hat, bei einer (rechtskräftigen) Feststellung des Beginns des Arbeitsverhältnisses am 2. November 1984 werde sie die Versorgungsbezüge des Klägers nach den für ihn günstigeren Regelungen der früher geltenden R -Ruhegeld-Richtlinien bemessen.

2. Die Feststellungsklage ist auch begründet.

a. Seit dem 2. November 1984 besteht zwischen dem Kläger und der Beklagten als Rechtsnachfolgerin der R AG (R ) ein Arbeitsverhältnis.

Der Kläger war seit diesem Zeitpunkt bis zu seiner arbeitsvertraglichen Übernahme durch die Rechtsvorgängerin der Beklagten ununterbrochen an diese im Sinne des Art. 1 § 1 Abs. 2 AÜG a. F. zur Arbeitsleistung überlassen.

Eine Überlassung der Arbeitsleistung in diesem Sinne liegt vor, wenn einem Entleiher Arbeitskräfte zur Verfügung gestellt werden, die voll in dessen Betrieb eingegliedert sind und ihre Arbeit allein nach Weisungen des Entleihers und in dessen Interesse ausführen. Ob dies der Fall ist, richtet sich nach der tatsächlichen Durchführung (vgl. BAG, Urteil vom 18. Februar 2003 - 3 AZR 160/02 -).

Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme durch das Berufungsgericht steht fest, dass der Kläger vollständig in die betriebliche Organisation der Rechtsvorgängerin der Beklagten eingegliedert war.

Der Zeuge L hat die Richtigkeit des klägerischen Vortrags über den Arbeitseinsatz und die Erteilung von Weisungen durch Mitarbeiter der Rechtsvorgängerin der Beklagten bestätigt. Danach war der Kläger im Zeitraum November 1984 bis September 1986 wie auch nach Übernahme durch die Beklagte im Oktober 1986 ausschließlich in der regulären Produktion in den Bereichen Bekohlung/Entaschung und Blockbetrieb tätig. Seine Arbeitsanweisungen erhielt er nur von Meistern und Vorarbeitern der Rechtsvorgängerin der Beklagten, nachdem sie ihn zuvor eingearbeitet hatten. Es gab keine Unterschiede bei der Beschäftigung des Klägers und dem Einsatz der Produktionsarbeiter, die bei der Rechtsvorgängerin der Beklagten angestellt waren. Dies galt auch für die Urlaubsgewährung. Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen hatte er ebenfalls bei diesen Meistern und Vorarbeitern abzugeben. Der Beauftragte der S wurde nur im Nachhinein benachrichtigt.

Der Zeuge L konnte zwar keine Aussage über die Arbeitsbedingungen des Klägers im Zeitraum November 1984 bis September 1986 treffen, da der Kläger damals noch nicht in seiner Schicht eingesetzt wurde. Er hat allerdings bestätigt, dass die in seiner Schicht eingesetzten Mitarbeiter der S ihre Arbeitsanweisungen von ihm als R -Meister erhielten, sie wie die bei der Rechtsvorgängerin der Beklagten angestellten Mitarbeiter für die laufende Produktion eingesetzt wurden, sie auch bei der Erstellung des Urlaubsplans für die Schichtarbeiter nicht anders behandelt wurden und der Beauftragte der S nur im Nachhinein unterrichtet wurde.

Zweifel an der Richtigkeit der Zeugenaussagen bestehen nicht und sind auch von der Beklagten bei der Erörterung des Beweisergebnisses nicht vorgebracht wurden. Die Zeugen haben überzeugend bekundet und blieben auch bei Vorhalten stets sicher.

b. Da der Kläger der Rechtsvorgängerin der Beklagten ab dem 2. November 1984 bis zum 30. September 1986 zur Arbeitsleistung überlassen worden war, lag für diese Zeit ein Arbeitsverhältnis zwischen dem Kläger und der Rechtsvorgängerin nach Art. 1 § 10 Abs. 1 Satz 1 in Verbindung mit § 9 Nr. 1 AÜG kraft gesetzlicher Fiktion vor.

aa. Nach Art. 1 § 9 Nr. 1 AÜG war der zwischen der S und dem Kläger geschlossene Arbeitsvertrag unwirksam, weil der Kläger gewerbsmäßig zur Arbeitsleistung überlassen worden war, ohne dass die S die Erlaubnis nach Art. 1 § 1 Abs. 1 AÜG hatte.

aaa. Gewerbsmäßig im Sinne des AÜG war auch bereits nach der bei der Einstellung des Klägers im November 1984 geltenden Gesetzeslage die nicht nur gelegentliche, sondern auf eine gewisse Dauer angelegte und auf die Erzielung unmittelbarer oder mittelbarer wirtschaftlicher Vorteile gerichtete selbständige Tätigkeit, die auf die Teilnahme am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr gerichtet ist (vgl. BAG, Urteil vom 1. Februar 2003 - 3 AZR 160/02 -; Becker, AÜG, 1. Aufl. (1973), Art. 1 § 1 Rdn. 25 ff; Becker/Wulfgramm, AÜG, 2. Aufl. (1981), Art. 1 § 1 Rdn. 25 ff.). Soweit ein Überlassen von Arbeitnehmern im Konzernbereich vor Inkrafttreten der ausdrücklichen Klarstellung des Gesetzgebers im Beschäftigungsförderungsgesetz 1985 als nicht erlaubnispflichtig angesehen wurde, wurde dies damit begründet, es fehle bei der gelegentlichen entgeltlichen Überlassung von Arbeitskräften an andere Unternehmen an dem Merkmal der Gewerbsmäßigkeit (vgl. Becker/Wulfgramm, a.a.O., Art. 1 § 1 Rdn. 34).

Die über mehrere Jahre andauernde Überlassung eines Arbeitnehmers an denselben Entleiher erfüllte auch nach der bis zum 1. Mai 1986 geltenden Gesetzeslage das Merkmal der selbständigen sowie nachhaltigen, planmäßigen und nicht nur gelegentlichen (zufälligen) Tätigkeit. Es kann zudem ohne weiteres unterstellt werden, dass die S mit der Überlassung des Klägers und weiterer Mitarbeiter Gewinn anstrebte. Es ist auszuschließen, dass bei einer derartigen Verleihdauer die Mitarbeiter nur zum Ausgleich oder zur Minderung eigener Personalkosten der S überlassen wurden (vgl. BAG, Urteil vom 1. Februar 2003 - 3 AZR 160/02 -). Vielmehr spricht der ununterbrochene Einsatz des Klägers ab Beginn seines Arbeitsverhältnisses in dem Produktionsbereich dafür, dass seine Anstellung ausschließlich zu dem Zweck erfolgte, einen dauerhaften Beschäftigungsbedarf bei der Rechtsvorgängerin der Beklagten für eine nicht begrenzte Zeit abzudecken.

bbb. Die Beschäftigung des Klägers fiel nicht unter die gemäß dem Beschäftigungsförderungsgesetz 1985 für die Zeit ab 1. Mai 1986 geltende Ausnahmevorschrift des Art. 1 § 1 Abs. 3 Ziffer 2 AÜG. Danach war das AÜG nicht anzuwenden auf die Arbeitnehmerüberlassung zwischen Konzernunternehmen im Sinne des § 18 des Aktiengesetzes, wenn der Arbeitnehmer seine Arbeit vorübergehend nicht bei seinem Arbeitgeber leistete. Aus den vorstehenden Ausführungen ergibt sich, dass die Beschäftigung des Klägers bei der Rechtsvorgängerin der Beklagten auf Dauer und nicht nur vorübergehend erfolgte. Es besteht kein begründeter Anhaltspunkt dafür, dass jemals bei der S geplant war, den Kläger anders als im Produktionsbereich bei der Rechtsvorgängerin der Beklagten einzusetzen.

bb. Sofern die S eine Erlaubnis zur Arbeitnehmerüberlassung gehabt hätte, wäre zugunsten des Klägers für die Zeit ab dem 2. November 1984 ein Arbeitsverhältnis mit der Beklagten und ihrer Rechtsvorgängerin nach Art. 1 § 13 AÜG a. F. zu fingieren. Die S hatte den Kläger in dieser Zeit an denselben Entleiher für einen über die höchstzulässige Dauer des Art. 1 § 3 Abs. 1 Nr. 6 AÜG a. F. von 3 Monaten weit hinausgehenden Zeitraum zur Arbeitsleistung überlassen. Es ist deshalb zu vermuten, dass sie in dieser Zeit Arbeitsvermittlung betrieben hat (Art. 1 § 1 Abs. 2 AÜG a. F.). Da nicht ersichtlich ist, dass sie über eine Zustimmung nach § 18 abs. 1 AFG a .F. oder über eine Erlaubnis zur Arbeitsvermittlung (§§ 23 bis 24 c AFG a. F.) verfügte, sind die Voraussetzungen des Art. 1 § 13 AÜG a. F. erfüllt.

c. Rechtsfolge ist sowohl bei der Fiktion nach Art. 1 § 10 Abs. 1 AÜG als auch bei der nach Art. 1 § 13 AÜG a.F., dass ein Arbeitsverhältnis zwischen Arbeitnehmer und Entleiher als zustande gekommen gilt, dessen Inhalt und Dauer sich nach den für den Betrieb des Entleihers geltenden Vorschriften und sonstigen Regelungen, insbesondere nach den dort einschlägigen tarifvertraglichen Bestimmungen, Regelungen in Betriebsvereinbarungen und betrieblichen Übungen bestimmen (vgl. BAG, Urteil vom 27. Juli 1983 - 5 AZR 194/81 - und Urteil vom 18. Februar 2003 - 3 AZR 160/02 -). Dazu gehören auch die R -Ruhegeld-Richtlinien.

d. Der Kläger hat weder generell auf das Recht verzichtet noch generell das Recht verwirkt, sich auf ein seit dem 2. November 1984 mit der Beklagten bzw. ihrer Rechtsvorgängerin bestehendes Arbeitsverhältnis zu berufen.

aa. Der Kläger hat in dem Arbeitsvertrag vom 9./12. September 1986 nicht darauf verzichtet, Rechtsfolgen aus dem fingierten Arbeitsverhältnis geltend zu machen. Allein die Angabe in dem Arbeitsvertrag, die Betriebszugehörigkeit rechne ab 1. Oktober 1986, rechtfertigt eine solche Annahme nicht. Ob die Beklagte dies mit der Vertragsklausel damals erreichen wollte, kann dahinstehen. Da sie dem Kläger nicht verdeutlichte, dass der Vertrag einen nicht ausdrücklich bezeichneten Verzicht auf (günstige) Rechtsfolgen aus einer längeren Betriebszugehörigkeit beinhalten sollte, durfte sie jedenfalls die Annahme des Vertragsangebotes durch den Kläger nicht als dessen Verzichtserklärung auffassen.

bb. Ebenso kann kein Verzicht aus dem Umstand hergeleitet werden, dass der Kläger nach einem Hinweis der R AG vom 3. Januar 2000, die Bestimmungen des Arbeitsvertrages blieben unverändert, nicht geltend machte, es gelte eine längere Betriebszugehörigkeit. Es bestand kein Grund zur Annahme, der Kläger wolle auf nicht näher bezeichnete Rechte und Ansprüche verzichten.

cc. Der Kläger hat das genannte Recht auch nicht verwirkt.

Dabei kann dahinstehen, ob nur Ansprüche oder sogar Rechtsverhältnisse verwirken können. Die Kammer teilt die in der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 18. Februar 2003 - 3 AZR 160/02 - geäußerten Bedenken gegen eine Verwirkung von Rechtsverhältnissen mit der Folge, dass damit auch Rechtspositionen verloren gehen für die der Gesetzgeber die Verwirkung ausdrücklich ausgeschlossen hat (§§ 77 Abs. 4 S. 3 BetrVG, 4 Abs. 4 S. 2 TVG).

Die Voraussetzungen für eine Verwirkung des Rechts des Klägers, sich allgemein darauf zu berufen, zwischen ihm und der Beklagten gelte bereits seit dem 2. November 1984 ein Arbeitsverhältnis als zustandgekommen, liegen nicht vor.

Zwar ist das Zeitmoment erfüllt, da zwischen dem Abschluss des Arbeitsvertrages mit der Rechtsvorgängerin der Beklagten im September 1986 und der erstmaligen Geltendmachung einer längeren Betriebszugehörigkeit mehr als 17 Jahre liegen.

Jedoch fehlt es an dem sog. Umstandsmoment. Es müssen besondere Umstände sowohl im Verhalten des Berechtigten als auch des Verpflichteten vorliegen, die es rechtfertigen, die späte Geltendmachung des Rechts als mit Treu und Glauben unvereinbar und für den Verpflichteten als unzumutbar anzusehen.

Für die Beklagte und ihre Rechtsvorgängerin bestand kein Anlass für einen solchen Vertrauensschutz.

Sie hat zwar vorgetragen, ihre Rechtsvorgängerin habe es bereits bei Abschluss des Arbeitsvertrages im September 1986 für möglich gehalten, dass eine Behörde oder ein Gericht anders als sie von einer erlaubnispflichtigen Überlassung des Klägers ausgehen könne. Den Kläger hat sie über dieses "Vertragsrisiko" gleichwohl nicht unterrichtet, so dass sie aus seiner Akzeptanz der Regelung über die Dauer der Betriebszugehörigkeit auch nichts schließen konnte. Veranlassung zu der Annahme, dass dem Kläger gleichfalls diese Rechtsunsicherheit bekannt war, hatte sie nicht.

Soweit die Beklagte darauf verweist, für Vergütungsansprüche und Jubiläumszuwendungen sei stets von einer Vertragsdauer ab dem 1. Oktober 1986 ausgegangen worden, ohne dass der Kläger dem widersprochen habe, ist festzuhalten, dass es sich um Einzelansprüche handelte, die nicht ausschlaggebend für das gesamte Vertragsverhältnis waren.

Schließlich wirft der Kläger zu Recht die Frage auf, ob sich die Beklagte überhaupt auf eine Verwirkung als Ausfluss von Treu und Glauben (§ 242 BGB) berufen kann, wenn sie bereits seit 1986 das "Vertragsrisiko" kannte, diese Kenntnis aber für sich behielt und von sich aus weder bei Vertragsschluss noch in der Folgezeit einen Anlass zu einer Klarstellung gegenüber dem Kläger sah.

e. Der Kläger hat auch nicht das Recht verwirkt, speziell für den Anspruch auf betriebliche Altersversorgung eine Vertragsdauer ab dem 2. November 1984 geltend zu machen. Nach Art. 1 § 10 Abs. 1 S. 4 AÜG ist schon für die Zeit des fingierten Arbeitsverhältnisses die damals geltende günstigere Ruhegeldordnung maßgebend. Diese Ruhegeldordnung war zwischen der Rechtsvorgängerin der Beklagten und dem Betriebsrat als Betriebsvereinbarung festgelegt worden. Soweit der Kläger aus dieser Ruhegeldordnung Rechte aufgrund der längeren Vertragsdauer erworben hat, können diese nach § 77 Abs. 4 S. 3 BetrVG nicht verwirkt sein.

Nach alledem war die Berufung mit der Kostenfolge nach § 97 ZPO zurückzuweisen.

Die Revision wurde zugelassen wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Frage, ob ein Rechtsverhältnis insgesamt verwirken kann und deshalb Ansprüche aus einer Betriebsvereinbarung nicht mehr geltend gemacht werden können. Dies hat das Bundesarbeitsgericht in dem Urteil vom 18. Februar 2003 - 3 AZR 160/02 - offengelassen. Es hat mit einer auf den vorliegenden Rechtsstreit nicht übertragbaren Einzelfallbegründung die Verwirkung verneint.

Ende der Entscheidung

Zurück