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Gericht: Landesarbeitsgericht Köln
Urteil verkündet am 29.11.2005
Aktenzeichen: 9 Sa 510/05
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 626
Kündigung eines Altenpflegehelfers wegen Verstoßes gegen ärztliche oder von vorgesetzten Pflegekräften erteilte Anweisungen.
Tenor:

Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 3. März 2005 - 1 Ca 7572/04 - wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

Die Revision gegen dieses Urteil wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten darüber, ob das zwischen ihnen bestehende Arbeitsverhältnis durch eine außerordentliche Kündigung des Beklagten vom 21. Juli 2004 beendet worden ist.

Der Kläger, geboren am 5. Mai 1950, ist bzw. war bei dem Beklagten seit dem 1. April 1982 zu einem monatlichen Gehalt von zuletzt EUR 2.655,00 brutto beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis finden kraft einzelvertraglicher Inbezugnahme die Richtlinien für Arbeitsverträge in den Einrichtungen des Deutschen Caritasverbandes (AVR) in der jeweils geltenden Fassung Anwendung. Nach § 14 Abs. 5 AVR ist der Kläger ordentlich unkündbar.

Er war ursprünglich als Masseur und Bademeister in der vom Beklagten betriebenen Physiotherapieabteilung tätig. Während dieser Beschäftigung erteilte der Beklagte dem Kläger mit Schreiben vom 15. August 2000 (Bl. 28 d. A.) eine Abmahnung, weil er die schwerstpflegedürftige Heimbewohnerin Frau L unbeaufsichtigt in einer Badewanne habe sitzen gelassen. Frau L war später gestorben, wobei nicht feststeht, dass der Tod auf den Unfall in der Badewanne zurückzuführen ist, der sich damals ereignete.

Nach der Schließung der Physiotherapieabteilung wird der Kläger seit dem Jahr 2001 als Helfer im Pflegedienst beschäftigt.

Der Beklagte wirft dem Kläger vor, seit diesem Zeitpunkt zahlreiche weitere Pflichtverletzungen begangen zu haben. So habe er am 23. Mai 2001 die Heimbewohnerin Frau D unbekleidet bei offener Tür im Bad sitzen gelassen. Im Sommer 2001 habe er entgegen ausdrücklicher Anweisung der Heimbewohnerin Frau B die Haare gewaschen und die Heimbewohnerin Frau P geduscht. Im August 2001 habe er der Heimbewohnerin Frau L die Fußnägel so kurz geschnitten, dass sie geblutet hätten. Diese Pflichtverletzung habe er im Januar 2002 bei mehreren Heimbewohnern wiederholt. Den Heimbewohner Herrn S habe er am 20. Februar 2002 nur spärlich bekleidet über einen Zeitraum von mindestens 45 Minuten auf dem Toilettenstuhl im Durchzug sitzen gelassen bei offenem Fenster und offener Tür. Die Heimbewohnerin Frau S habe er am gleichen Tag nackt und klitschenass bei offener Badezimmertür alleine gelassen und sich auf dem Flur aufgehalten. Am 4. Februar 2004 habe er entgegen mehrfacher Anordnungen, eine weitere Pflegekraft hinzuziehen oder einen Lifter zur Hilfe zu nehmen, allein den Heimbewohner G unter die Dusche gebracht. Herr G sei ihm dabei aus den Händen gerutscht und auf den Boden hingefallen. Der Heimbewohner habe sich dabei eine Oberschenkelfraktur zugezogen. Der Kläger sei nicht abgemahnt worden, weil er - der Beklagte - zunächst den Ausgang des staatsanwaltlichen Ermittlungsverfahrens abwarten wolle.

Am 28. Januar 2004 habe der Kläger den Heimbewohner Herrn M nach dem Duschen nicht vollständig bekleidet in einen Rollstuhl gesetzt. Nachdem am 30. März 2004 der Kläger wiederum Herrn M nach dem Duschen mit heruntergezogener Hose und hochgezogenem Pullover in einen Rollstuhl gesetzt habe und in den Aufenthaltsraum gebracht habe, habe er dem Kläger mit Schreiben vom 5. April 2004 eine weitere Abmahnung erteilt. Mit einem weiteren Schreiben vom 5. April 2004 habe er den Kläger abgemahnt, weil er trotz des Vorfalls vom 4. Februar 2004, bei dem der Heimbewohner Herr G verletzt worden sei, am 30. März 2004 den Heimbewohner Herrn M entgegen einer am 29. Januar 2004 erteilten Anweisung ohne Unterstützung durch eine zweite Hilfskraft und ohne Benutzung eines Lifters in den Rollstuhl gesetzt habe und ihn ungenügend abgesichert im Aufenthaltsraum alleine gelassen habe. Am 5. Mai 2004 habe er allein die Heimbewohnerin Frau D ins Bett gebracht und dabei wiederum die Anweisung missachtet, den Transfer von Heimbewohnern nur zu zweit auszuführen. Frau D habe sich dabei ein etwa 4 cm großes Hämatom zugezogen.

Die Kündigung habe schließlich ein Vorfall vom 7. Juli 2004 ausgelöst. Der Kläger habe den Heimbewohner Herrn S nach dem Duschen in den Rollstuhl gesetzt, ohne ihn zu sichern. Er habe Herrn S in den Aufenthaltsraum gebracht und ihn dort unbeaufsichtigt zurückgelassen. Herr S sei aus dem Rollstuhl gefallen und habe längere Zeit auf dem Boden gelegen, bis ihm geholfen worden sei.

Mit der vorliegenden Klage, die am 26. Juli 2004 beim Arbeitsgericht Köln eingegangen ist, wendet sich der Kläger gegen die Kündigung.

Er hat erstinstanzlich geltend gemacht, er habe nach Wegfall seines ursprünglichen Arbeitsplatzes vergeblich dem Beklagten vorgeschlagen, ihn für seine neue Tätigkeit, die Pflege schwerstpflegebedürftiger Personen, fortzubilden. Zudem sei die personelle Ausstattung in dem Heim unzulänglich. So würden nur 2 Pflegekräfte auf einer Station mit 30 schwerstpflegebedürftigen Personen eingesetzt. Er müsse täglich zwischen 8 und 11 Personen betreuen, wobei eine Betreuung zwischen 3/4 und 1 Stunde dauere. Zudem habe er schriftliche Aufzeichnungen zu fertigen und mittels eines Personalcomputers Daten abzufragen. Es komme immer wieder vor, dass Heimbewohner aus dem Rollstuhl fielen oder einfach hinfielen. Der Beklagte versuche, ihn mit nicht haltbaren Vorwürfen loszuwerden.

Der Kläger hat beantragt,

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung des Beklagten vom 21. Juli 2004 nicht aufgelöst worden ist.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er hat vorgetragen, die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses sei ihm nicht zuzumuten, weil sich der Kläger fortlaufend nicht an die ihm erteilten Anweisungen halte. Er sei mehrfach angewiesen worden, nur mit Unterstützung einer weiteren Pflegekraft Heimbewohner ins Bett zu bringen. Diese Anweisung habe er ignoriert, indem er allein oder mit Unterstützung einer fachlich ungeeigneten Reinigungskraft Heimbewohner bewegt habe. Mittels eines Personalcomputers hätte der Kläger die Pflegeanweisungen für die einzelnen Heimbewohner ohne Weiteres abfragen können, auch für den beim letzten Vorfall betroffenen Heimbewohner Herrn S .

Das Arbeitsgericht Köln hat durch Urteil vom 3. März 2005 der Klage stattgegeben. Zur Begründung hat es ausgeführt, die außerordentliche Kündigung habe das Arbeitsverhältnis weder fristlos noch unter Einhaltung einer Auslauffrist beendet.

Zwar habe der Beklagte eine Anzahl von Pflichtverletzungen des Klägers durch Missachtung von Dienstanweisungen vorgetragen. Er sei aber nur 2-mal abgemahnt worden. Die erste Abmahnung vom 15. August 2000 über einen Vorfall, der bei Ausspruch der Kündigung fast 4 Jahre zurückgelegen habe, habe keinen unmittelbaren Bezug zu seiner Tätigkeit als Pflegehelfer. Der in der zweiten Abmahnung vom 5. April 2004 gerügte Pflichtenverstoß und der Vorfall, der die Kündigung vom 21. Juli 2004 ausgelöst habe, seien nicht so schwerwiegend, dass sie die sofortige Beendigung des über 20 Jahre dauernden Arbeitsverhältnisses rechtfertigen könnten. Auch könnten die Pflichtverletzungen nicht dazu führen, die fristlose Kündigung in eine wirksame außerordentliche Kündigung mit Auslauffrist umzudeuten.

Das Urteil ist dem Beklagten am 29. März 2005 zugestellt worden. Er hat hiergegen am 14. April 2005 Berufung einlegen und diese am 25. Mai 2005 begründen lassen.

Der Beklagte trägt unter Hinweis auf sein erstinstanzliches Vorbringen vor, er habe das Arbeitsverhältnis gekündigt, weil sich der Kläger beharrlich weigere, ihm erteilte Anweisungen zu befolgen. Damit gefährde er akut die Gesundheit von Heimbewohnern und bewirke, dass auch andere Mitarbeiter einer Strafverfolgung ausgesetzt seien. Es komme nicht so sehr auf die konkreten Vorfälle an, sondern auf den Umstand, dass der Kläger fortlaufend Anweisungen ignoriere, wie Transfers von schwerstpflegebedürftigen Personen nur zu zweit oder unter Benutzung eines Lifters auszuführen sowie hilfsbedürftige Personen im Rollstuhl zu sichern.

In der mündlichen Verhandlung am 4. Oktober 2005 hat der Beklagte ausgeführt, der Kläger führe die ihm erteilten Anweisungen nicht aus, meine, alles besser zu wissen, und führe dadurch Gefahren für die Heimbewohner herbei. Er sei nicht nur für die Heimbewohner eingeteilt worden, bei denen die Pflege am schwersten sei.

Der Beklagte beantragt,

unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Köln vom 3. März 2005 - 1 Ca 7572/04 - die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Kläger trägt vor, der Beklagte wolle ihn seit der Auflösung der Bäderabteilung loswerden. Er habe sich nicht beharrlich geweigert, Arbeitsanweisungen zu befolgen. Die von dem Beklagten vorgebrachten Pflichtverletzungen bestreite er weiterhin. Insbesondere habe er mit dem Tod der Heimbewohnerin Frau L nichts zu tun. Herr G sei nicht schwergewichtig. Erst nach dem Unfall des Herrn G sei er darin eingewiesen worden, den Pflegeplan für die einzelnen Patienten an einem Personalcomputer abzufragen. Auch bei der Pflege des Heimbewohners Herrn M habe er gegen keine Anweisung verstoßen. Er habe nicht gewusst, dass der Heimbewohner Herr S im Rollstuhl zu fixieren sei. Er sei fleißig und pflichtbewusst und bei den Heimbewohnern sehr beliebt. Aus den Aussagen von zwei Hilfskräften in dem strafrechtlichen Ermittlungsverfahren wegen des Unfalls des Herrn G ergebe sich, dass ihm die schweren Pflegefälle zugeteilt worden seien und er häufig über Personalmangel geklagt habe.

In der mündlichen Verhandlung am 4. Oktober 2005 hat der Kläger erklärt, auf jeder Abteilung befänden sich 30 bis 40 Heimbewohner unterschiedlicher Pflegestufen. Überwiegend bestehe das Pflegepersonal aus Frauen. Für ihn würden die Heimbewohner herausgesucht, die am schwersten zu pflegen seien. Er werde als Springer eingesetzt und habe jeden Tag für eine andere Abteilung zu arbeiten. Seine Arbeit bestehe darin, die Patienten aus dem Bett in die Dusche zu transferieren, nach dem Duschen wieder anzuziehen und zurückzubringen. Er werde von dem Stammpersonal der Abteilungen als ein Außenstehender angesehen, was sich auch auswirke, wenn er Unterstützung benötige. Für ihn sei die Arbeit einfacher gewesen, als ihm eine Hilfskraft zugeteilt gewesen sei. Der Prozessbevollmächtigte des Klägers hat erklärt, das Ermittlungsverfahren gegen den Kläger im Zusammenhang mit dem Unfall des Heimbewohners Herrn G sei eingestellt worden.

In der mündlichen Verhandlung am 4. Oktober 2005 haben die Parteien einen widerruflichen Vergleich geschlossen, der zum Inhalt hatte, dass der Kläger ab dem 1. November 2005 als Pflegehelfer im Schichtdienst unter Einstufung in die Gehaltsgruppe KR II weiterbeschäftigt werden sollte bei Gewährung einer außertariflichen, bei Tariferhöhungen anrechenbaren Zulage in Höhe des Differenzbetrages zwischen seiner bisherigen Vergütung und der (niedrigeren) neuen Vergütung. Diesen Vergleich hat der Beklagte widerrufen.

Wegen des übrigen Vorbringens der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze samt Anlagen verwiesen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.

Entscheidungsgründe:

I. Die Berufung ist zulässig.

Sie ist gemäß § 64 Abs. 2 c ArbGG statthaft und wurde innerhalb der in § 66 Abs. 1 S. 1 ArbGG vorgeschriebenen Fristen eingelegt und begründet.

II. Die Berufung hat in der Sache keinen Erfolg.

Das Arbeitsverhältnis der Parteien ist nicht durch die außerordentliche Kündigung des Beklagten vom 21. Juli 2004 beendet worden.

1. Die Kündigung ist nach § 626 Abs. 1 BGB unwirksam.

Die von dem Beklagten ausgesprochene Kündigung muss sich an den Voraussetzungen des § 626 BGB messen lassen. Das sehen auch die Parteien des Rechtsstreits nicht anders. Der Kläger konnte nach § 14 Abs. 5 der auf das Arbeitsverhältnis anwendbaren Richtlinien für Arbeitsverträge in den Einrichtungen des Deutschen Caritasverbandes (AVR) nach einer Beschäftigungszeit von 15 Jahren nicht mehr ordentlich gekündigt werden. Da diese Richtlinien unter § 16 hinsichtlich der außerordentlichen Kündigung ausdrücklich auf § 626 BGB verweisen, gilt der gesetzliche Maßstab.

Der Kläger hat die Unwirksamkeit der Kündigung binnen 3 Wochen nach Zugang der Kündigung fristgerecht geltend gemacht (§§ 4 S. 1, 13 Abs. 1 S. 2 KSchG).

Nach § 626 Abs. 1 BGB kann das Arbeitsverhältnis aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, auf Grund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann.

a. Zutreffend hat das Arbeitsgericht erkannt, dass die von dem Beklagten behaupteten Pflichtverletzungen des Klägers einen an sich geeigneten wichtigen Grund zur fristlosen Kündigung im Sinne des § 626 Abs. 1 BGB darstellen.

Erhebliche arbeitsvertragliche Pflichtverletzungen, in deren Folge besonders schwere Schäden an Leib und Leben eines in die Verantwortung einer Pflegeperson übergebenen Patienten entstehen können, rechtfertigen an sich eine fristlose Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Dies gilt umso mehr, wenn es sich nicht nur um ein einmaliges, sondern um ein wiederholtes Fehlverhalten handelt und der Pfleger ärztliche oder von vorgesetzten Pflegekräften erteilte Anweisungen missachtet (vgl. dazu: BAG, Urteil vom 15. November 2001 - 2 AZR 380/00 -).

Nach dem Vorbringen des Beklagten hat der Kläger wiederholt seine arbeitsvertraglichen Pflichten erheblich verletzt, als er eine Patientin unbeaufsichtigt in einer Badewanne sitzen ließ, schwerstpflegebedürftige Heimbewohner ohne Hinzuziehung einer weiteren Pflegekraft oder eines Lifters in einen Rollstuhl bzw. unter eine Dusche transferierte sowie Heimbewohner trotz ausdrücklicher Anweisung nicht im Rollstuhl fixierte. Es ist nach den Ausführungen des Beklagten auch schon zu schwerwiegenden Folgen für Heimbewohner gekommen. Zwar ist nicht geklärt, ob der Tod der Heimbewohnerin Frau L auf den Unfall zurückzuführen ist, den sie in der Badewanne erlitt, als der Kläger sie unbeaufsichtigt gelassen hatte. Jedenfalls ist es nach dem Vorbringen des Beklagten bei Transfers, die der Kläger alleine durchführte, zu zwei Unfällen gekommen, bei dem sich der Heimbewohner Herr G eine Oberschenkelfraktur und die Heimbewohnerin Frau D ein Hämatom zugezogen haben. Schließlich ist der Heimbewohner Herr S r aus dem Rollstuhl gefallen, weil der Kläger ihn nicht fixiert hatte.

b. Dennoch stellt sich - wie das Arbeitsgericht im Ergebnis zu Recht ausgeführt hat - die außerordentliche Kündigung als unverhältnismäßige Maßnahme dar.

Eine außerordentliche Kündigung setzt nach § 626 Abs. 1 BGB voraus, dass die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses den Kündigenden unzumutbar belastet. Sie ist nur zulässig, wenn sie die unausweichlich letzte Maßnahme (ultima ratio) für den Kündigungsberechtigten ist. Es reicht nicht aus, wenn dem Arbeitgeber die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses mit dem bisherigen Inhalt zwar nicht mehr zuzumuten ist, aber eine Beschäftigung auf einem freien Arbeitsplatz im Unternehmen - ggf. zu anderen Bedingungen - für den Arbeitgeber tragbar wäre. Nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit kommt somit eine außerordentliche Kündigung nur in Betracht, wenn alle anderen nach den jeweiligen Umständen des konkreten Falles möglichen und angemessen milderen Mittel, die es zulassen, das in der bisherigen Form nicht mehr tragbare Arbeitsverhältnis fortzusetzen, erschöpft sind. Zu diesen milderen Mittel gehören neben der ordentlichen Kündigung, bei tariflich unkündbaren Arbeitnehmern ggf. eine außerordentliche Kündigung mit Auslauffrist, auch eine Abmahnung, Versetzung und Änderungskündigung (vgl. BAG, Urteil vom 9. Juli 1998 - 2 AZR 201/98 -).

Danach hätte - die Richtigkeit des Beklagtenvorbringens unterstellt - anstelle der außerordentlichen Beendigungskündigung eine Änderungskündigung erklärt werden müssen.

In der mündlichen Verhandlung am 4. Oktober 2005 ist mit den Parteien eingehend erörtert worden, durch welche Maßnahmen vermieden werden kann, dass es künftig wiederum aufgrund von Pflichtverletzungen des Klägers zu Unfällen kommt, bei denen die Gesundheit der Heimbewohner Schaden nimmt. Ausgehend von dem Vorwurf des Beklagten, der Kläger lasse Patienten unbeaufsichtigt und bediene sich nicht der erforderlichen Unterstützung durch eine weitere Pflegekraft oder benutze keinen Lifter, wurde vom Gericht vorgeschlagen, den Kläger nicht mehr als Springer einzusetzen, sondern ihn in eine Abteilung unter Aufsicht des Abteilungsleiters für die dort anfallenden Pflegearbeiten fest einzugliedern. Diese Eingliederung sollte im Hinblick auf die Einstufung der anderen Pflegekräfte in den Abteilungen mit einer Abgruppierung verbunden sein, wobei der Differenzbetrag zwischen der alten und neuen Vergütung als bei Tariferhöhungen anrechenbare außertarifliche Zulage gezahlt werden sollte.

Grundsätzliche Einwände gegen eine solche Maßnahme sind weder von dem Kläger noch von dem Beklagten vorgetragen worden. Vielmehr haben sie einen widerruflichen Vergleich mit entsprechendem Inhalt abgeschlossen, wobei der Heimleiter Herr Dr. H das Widerrufsrecht damit begründete, er müsse noch mit den Abteilungsleitern Rücksprache nehmen.

Der Beklagte hat von seinem Widerrufsrecht Gebrauch gemacht, ohne den Widerruf zu begründen. Es ist nicht ausgeführt worden, eine solche Maßnahme sei undurchführbar und/oder sei von vornherein untauglich, die bei dem Kläger festgestellten Leistungsmängel zu beseitigen. Sie ist auch für beide Parteien zumutbar, wenn der Kläger die ihm vorgeworfenen Pflichtverletzungen begangen hat. Der Kläger arbeitet stärker unter Anleitung und Aufsicht, womit die Gefahr eingeschränkt wird, dass er sich nicht an Arbeitsanweisungen hält. Andere Leistungsmängel bestehen nicht. Der Kläger ist der mit der Springertätigkeit verbundenen Eigenständigkeit bei der Arbeitsorganisation und -ausführung nicht gewachsen und muss daher in Kauf nehmen, dass er wie die anderen auf den Abteilungen eingesetzten Pflegekräfte vergütet wird.

Angesichts dessen kann nicht davon ausgegangen werden, dass es zu der außerordentlichen Beendigungskündigung kein alternatives, geeignetes und eigenes Gestaltungsmittel der Beklagten gab, das eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses ermöglichte (vgl. dazu: BAG, Urteil vom 9. Juli 1998 - 2 AZR 201/98 -).

Nach alledem war die Berufung mit der Kostenfolge nach § 97 ZPO zurückzuweisen.

Ende der Entscheidung

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