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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Köln
Urteil verkündet am 15.11.2005
Aktenzeichen: 9 Sa 78/05
Rechtsgebiete: GmbHG, InsO, ArbGG, BGB


Vorschriften:

GmbHG § 30 Abs. 1
GmbHG § 64
GmbHG § 64 Abs. 2
GmbHG § 64 Abs. 2 S. 2
GmbHG § 84
InsO § 143 Abs. 1
InsO §§ 129 ff.
ArbGG § 64 Abs. 2 b
ArbGG § 66 Abs. 1 S. 1
BGB § 288 Abs. 1
1. Zur Haftung eines faktischen GmbH-Geschäftsführers wegen Insolvenzverschleppung.

2. Einer Vergütung, die das Gehalt eines angestellten Dachdeckermeisters mit Betriebsleiterfunktion um etwa 25 % übersteigt, steht eine gleichwertige Arbeitsleistung des faktischen Geschäftsführers gegenüber, wenn dieser den Dachdeckerbetrieb in kaufmännischer, finanzieller und technischer Hinsicht allein leitet und damit eine erheblich höhere Verantwortung als ein an Weisungen gebundener Betriebsleiter hat.


Tenor:

Auf die Berufung des Klägers wird das Teilurteil des Arbeitsgerichts Köln vom 30.09.2004 - 22 Ca 4926/04 -, soweit es die Klage gegen den Beklagten zu 1 (H-PM) betrifft, unter Zurückweisung der Berufung im Übrigen wie folgt abgeändert:

1. Der Beklagte zu 1) wird verurteilt, an den Kläger EUR 57.724,32 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 06.01.2004 zu zahlen.

2. Im Übrigen wird die Klage gegen den Beklagten zu 1) abgewiesen.

3. Dem Beklagten zu 1) wird vorbehalten, nach Erstattung des Verurteilungsbetrages an die Masse seine Gegenansprüche, die sich nach Rang und Höhe mit den Beträgen decken, welche er als Gesellschaftsgläubiger im Insolvenzverfahren erhalten hätte, gegen den Kläger als Insolvenzverwalter zu verfolgen.

4. Die Entscheidung über die erstinstanzlichen Kosten bleibt dem Arbeitsgericht Köln vorbehalten.

5. Die Kosten des Berufungsverfahrens tragen der Kläger zu 10 % und der Beklagte zu 90 %.

6. Die Revision gegen dieses Urteil wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger nimmt als Insolvenzverwalter über das Vermögen der M Bedachungen G (im folgenden: Schuldnerin) den Beklagten als faktischen Geschäftsführer der Schuldnerin gemäß § 64 Abs. 2 GmbHG auf Ersatz von Gehältern in Anspruch, die sich der Beklagte nach Eintritt der Insolvenzreife ausgezahlt haben soll.

Der Beklagte war Geschäftsführer der H -P M G , über deren Vermögen das Insolvenzverfahren eröffnet wurde. Gegen ihn wurde vom Amtsgericht Köln ein Strafbefehl wegen verschleppter Beantragung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen dieser Gesellschaft erlassen (AZ: 583 Cs 175/02 ).

Am 22. Februar 2002 erwarb auf Veranlassung des Beklagten seine am 13. Februar 1984 geborene Tochter, Frau A M , den ursprünglich auf DM 50.000,00 festgelegten Geschäftsanteil an der in Liquidation befindlichen R R - und A G aus dem Bezirk des Amtsgerichts H -S , zu einem Betrag in Höhe von EUR 2.560,00. Der Kaufpreis wurde mit Mitteln aus dem Privatvermögen des Beklagten beglichen. Zugleich wurde der Liquidationsbeschluss aufgehoben, das Stammkapital auf EUR 26.000,00 erhöht, die Ehefrau des Beklagten, Frau G M , zur alleinigen Geschäftsführerin bestellt und die Gesellschaft in "M Bedachungen G " umfirmiert. Der Sitz der Gesellschaft wurde nach E bei K verlegt. Die Gesellschaft, deren Bilanz per 31. Dezember 2001 einen durch Eigenkapital nicht gedeckten Fehlbetrag in Höhe von DM 11.545,83 sowie Verbindlichkeiten gegenüber Gesellschaftern in Höhe von DM 19.345,00 ausgewiesen hatte, wurde nicht mit Eigenkapital ausgestattet.

In der Folgezeit führte der Beklagte als faktischer Geschäftsführer die Schuldnerin, die sämtliche dem Dachdeckerhandwerk zuzurechnenden Arbeiten übernahm. Er zahlte sich ab April 2002 bis einschließlich März 2003 monatlich EUR 4.810,26 brutto als Gehalt aus. Als es zu Streitigkeiten zwischen dem Beklagten und seiner Ehefrau kam, veranlasste er seine Tochter A M , sich auch als Geschäftsführerin zu bestellen.

Mit Schreiben vom 2. Juni 2003 beantragte Frau A M als Geschäftsführerin der Schuldnerin beim Amtsgericht K die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Schuldnerin. In dem Schreiben heißt es, nachdem der Beklagte mit seinem früheren Unternehmen im Jahr 2002 "Pleite gegangen sei" und gegen ihn durch rechtskräftigen Strafbefehl eine Geldstrafe wegen Insolvenzdelikten verhängt worden sei, habe er sie veranlasst, den Geschäftsanteil zu erwerben. Sie habe sich als Schülerin nicht um die Geschäfte gekümmert, sondern dies ihrem Vater überlassen, der von ihr in unregelmäßigen Abständen die Unterzeichnung von Schriftstücken verlangt habe. Nach der Trennung ihrer Eltern habe sie erfahren, dass sie als Geschäftsführerin eine Bilanz erstellen müsse. Sie habe damit einen Rechtsanwalt beauftragt, der ihr am 2. Juni 2003 die Bilanz für das Jahr 2002 vorgelegt habe. Er habe ihr mitgeteilt, die Gesellschaft sei überschuldet, sie müsse einen Insolvenzantrag stellen. Sie habe keinen Überblick über die derzeitigen Forderungen und Verbindlichkeiten der Schuldnerin, da der Beklagte, der ihr Hausverbot erteilt habe, im Besitz der Geschäftsunterlagen sei. Sie habe das Bankkonto gesperrt und alle - sechs - Mitarbeiter fristlos gekündigt.

Die beigefügte Bilanz für das Jahr 2002 (Bl. 219 - 220 d. A.) wies einen durch Eigenkapital nicht gedeckten Fehlbetrag in Höhe von EUR 36.572,21 aus.

Durch Beschluss vom 31. Juli 2003 wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Schuldnerin wegen Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung eröffnet und der Kläger zum Insolvenzverwalter ernannt. Er hatte als vorläufiger Insolvenzverwalter unter dem 23. Juli 2003 ein Gutachten u. a. darüber erstellt, ob ein Grund für die Eröffnung des Insolvenzverfahrens vorlag und welche Aussichten für eine Fortführung des Unternehmens der Schuldnerin gegeben waren. Darin heißt es, der Beklagte habe die Schuldnerin benutzt, um die nachteiligen Folgen aus dem Strafbefehlsverfahren zu umgehen und seinen früheren Dachdeckerbetrieb fortzusetzen. Die kaufmännische Geschäftsführung habe bei weitem nicht den Anforderungen genügt. Das Unternehmen habe im Jahr 2002 einen Gesamtumsatz von EUR 167.000,00 erzielt und Löhne und Gehälter in Höhe von EUR 74.000,00 ausgezahlt. Die Schuldnerin sei mit EUR 53.765,88 rechnerisch überschuldet. Die Gesellschafterin sei nicht bereit, kurzfristig liquide Mittel zur Fortführung zur Verfügung zu stellen. Der Beklagte als faktischer Unternehmensträger strebe eine Unternehmensfortführung nicht an. Die Schuldnerin sei zudem zahlungsunfähig, da sie ab März/April 2003 nicht mehr ihren Verbindlichkeiten nachkomme. Es stünden zumindest teilweise noch Löhne und Gehälter aus. Es seien Leistungen an die Sozialversicherungsträger nicht mehr erbracht worden und Steuerverbindlichkeiten nicht beglichen worden. Der Betrieb sei am 2. Juni 2003 eingestellt worden.

Mit der vorliegenden Klage, die am 13. Mai 2004 beim Arbeitsgericht K eingegangen ist, verlangt der Kläger zuletzt von dem Beklagten Erstattung der an sich ausgezahlten Gehälter in Höhe von EUR 57.724,32 samt Arbeitgeberbeiträgen zur Sozialversicherung, insgesamt EUR 62.350,00.

Zudem hat er von zwei weiteren Personen Rückzahlung erhaltener Löhne nach insolvenzrechtlichen Bestimmungen gefordert.

Durch Teilurteil vom 30. September 2004 hat das Arbeitsgericht Köln u. a. die Klage gegen den Beklagten abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, der Beklagte sei nicht zur Erstattung der an sich ausgezahlten Bruttogehälter nach § 143 Abs. 1 InsO verpflichtet, weil der Kläger die Zahlungen nicht wirksam nach §§ 129 ff. InsO angefochten habe. Eine Benachteiligung der übrigen Gläubiger habe nicht vorgelegen, weil die Erbringung seiner Arbeitsleistung eine gleichwertige Gegenleistung des Beklagten darstelle. Es sei nicht unverhältnismäßig gewesen, wenn der Beklagte an sich als Geschäftsführer EUR 4.800,00 pro Monat ausgezahlt habe. Auch scheide ein Anspruch nach §§ 64, 84 GmbHG aus, da sich aus dem Vorbringen des Klägers nicht ergebe, dass die Insolvenzschuldnerin bereits vor dem Antrag vom 2. Juni 2003 überschuldet oder zahlungsunfähig gewesen sei. Schließlich sei der Anspruch nicht nach § 30 Abs. 1 GmbHG gerechtfertigt, da diese Vorschrift nur die Auszahlung von Vermögensbestandteilen, die zur Erhaltung des Stammkapitals erforderlich seien, an einen Gesellschafter betreffe.

Das Teilurteil ist dem Kläger am 17. Dezember 2004 zugestellt worden. Er hat hiergegen am 17. Januar 2005 Berufung einlegen und diese - nach Verlängerung der Begründungsfrist bis zum 17. März 2005 - am 17. März 2005 begründen lassen.

Er stützt zuletzt seinen Anspruch auf § 64 Abs. 2 GmbHG und trägt vor, die Gemeinschuldnerin sei seit Beginn ihrer Geschäftstätigkeit im Jahr 2002 überschuldet und zahlungsunfähig gewesen, was der Beklagte gewusst habe. Gesellschaftsvermögen sei nicht vorhanden gewesen. Die ursprüngliche Stammeinlage sei aufgezehrt gewesen. Es sei nicht beabsichtigt gewesen, die auf EUR 26.000,00 erhöhte Stammeinlage aufzubringen. Dennoch habe der Beklagte, der seine Familienangehörigen nur vorgeschoben habe, keinen Insolvenzantrag gestellt, sondern sich überhöhte Gehälter ausgezahlt. Allenfalls wäre die Zahlung eines monatlichen Gehalts in Höhe von EUR 2.000,00 ortsüblich und angemessen gewesen. Gegen den Beklagten werde zwischenzeitlich wegen mehrerer Straftatbestände im Zusammenhang mit seiner faktischen Geschäftsführertätigkeit ermittelt.

Der Kläger beantragt,

unter teilweiser Abänderung des Teilurteils des Arbeitsgerichts Köln vom 30. September 2004 - 22 Ca 4926/04 - den Beklagten zu verurteilen, an ihn EUR 62.530,00 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 6. Januar 2004 zu zahlen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er trägt vor, er habe sich nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der H -P M G von einem Steuerberater und einem Rechtsanwalt darüber beraten lassen, wie er mit seiner beruflichen Tätigkeit neu starten könne, um den Familienunterhalt zu sichern. Diese hätten ihm erklärt, gegen eine Übernahme eines GmbH-Mantels sei weder rechtlich noch steuerlich etwas einzuwenden. Sie hätten ihm auch erklärt, es sei rechtlich nicht zu beanstanden, wenn seine Tochter den Geschäftsanteil erwerbe und seine Ehefrau zur Geschäftsführerin bestellt werde. Er habe deshalb keine Bedenken gehabt, unter der Firma der Schuldnerin seine Dachdeckertätigkeit wieder aufzunehmen. Er habe sich kein überhöhtes Gehalt ausgezahlt, da für angestellte Dachdeckermeister der Beschäftigungsgruppe T 5 bereits ein Tarifgehalt in Höhe von EUR 3.866,46 brutto gelte. Er habe in erheblichem Umfang gearbeitet, was sich bereits aus dem in der Zeit von April 2002 bis Juni 2003 erzielten Gesamtumsatz in Höhe von DM 622.590,59 ergebe. Im Übrigen bezieht er sich auf von ihm gefertigte Aufstellungen, aus denen sich ergebe, dass im Juni 2003 den Verbindlichkeiten der Schuldnerin in Höhe von EUR 22.560,00 Forderungen der Schuldnerin in Höhe von EUR 19.290,00 gegenüber gestanden hätten.

Wegen des übrigen Vorbringens der Parteien wird auf die von ihnen gewechselten Schriftsätze samt Anlagen verwiesen.

Entscheidungsgründe:

I. Die Berufung ist zulässig.

Sie ist gemäß § 64 Abs. 2 b ArbGG statthaft und wurde innerhalb der in § 66 Abs. 1 S. 1 ArbGG vorgeschriebenen Fristen eingelegt und begründet.

II. Die Berufung des Klägers hat in der Sache auch überwiegend Erfolg.

Der Beklagte ist verpflichtet, an den Kläger EUR 57.724,32 zu zahlen.

Nach § 64 Abs. 2 GmbHG ist der Geschäftsführer der Gesellschaft zum Ersatz von Zahlungen verpflichtet, die nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft oder nach Feststellung ihrer Überschuldung geleistet werden. Dies gilt nicht von Zahlungen, die auch nach diesem Zeitpunkt mit der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmanns vereinbar sind.

1. Nach der Rechtsprechung hat sich auch der faktische Geschäftsführer wie ein Organmitglied nach § 64 Abs. 2 GmbHG zu verantworten. Entscheidend ist dabei, dass der Betreffende die Geschicke der Gesellschaft - über die interne Einwirkung auf die satzungsmäßige Geschäftsführung hinaus - durch eigenes Handeln im Außenverhältnis, das die Tätigkeit des rechtlichen Geschäftsführungsorgans nachhaltig prägt, maßgeblich in die Hand genommen hat (ständige Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, zuletzt: BGH, Urteil vom 11. Juli 2005 - II ZR 235/03 -).

Es ist zwischen den Parteien nicht streitig, dass der Beklagte in sämtlichen Bereichen der Schuldnerin - Erwerb des Geschäftsanteils, Bestellung der Geschäftsführerin, Verlagerung des Gesellschaftssitzes, Führung des kaufmännischen, finanziellen und technischen Geschäftsbereichs einschließlich Personalentscheidungen - die Geschicke der Schuldnerin auch nach außen hin wesentlich bestimmt hat. Seine Tochter war nicht in der Lage, die Aufgaben einer Gesellschafterin, geschweige denn einer Geschäftsführerin der Gesellschaft tatsächlich zu übernehmen. Sie hat in ihrem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens vom 2. Juni 2003 ausdrücklich ausgeführt, sie sei Schülerin und habe sich nie um die Geschäfte der Gesellschaft kümmern können. Vielmehr habe sich ihre Aufgabe darauf beschränkt, Schreiben zu unterzeichnen, die ihr der Beklagte vorgelegt habe.

2. Die Schuldnerin war bereits bei Aufnahme der Geschäfte im April 2002 überschuldet.

a. Die Schuldnerin war rechnerisch überschuldet. Als der auf DM 50.000,00 festgelegte Geschäftsanteil an der in der Liquidation befindlichen Schuldnerin zu einem Betrag in Höhe von (nur) EUR 2.560,00 übernommen wurde, war das Stammkapital aufgezehrt. Schon in der Bilanz für 2001 war ein Fehlbetrag in Höhe von DM 11.545,83 ausgewiesen worden. Zudem bestanden Verbindlichkeiten gegenüber den Gesellschaftern in Höhe von DM 19.345,00. Über Vermögenswerte verfügte die Gesellschaft nicht. Der Geschäftsanteil wurde ausschließlich zu dem Zweck erworben, dass der Beklagte unter der Firma der Schuldnerin weiterhin sein Dachdeckerhandwerk betreiben konnte. Es war nicht beabsichtigt, die Gesellschaft mit dem auf EUR 26.000,00 erhöhten Stammkapital auszustatten.

b. Für die Schuldnerin bestand bereits damals keine positive Fortbestehensprognose mehr.

Aus der rechnerischen Überschuldung der Gesellschaft folgt die widerlegbare Vermutung, dass es bereits in diesem Zeitpunkt an einer Fortbestehensprognose fehlt. Der Grund für diese Verteilung der Darlegungslast liegt darin, dass der Geschäftsführer weit besser als ein außenstehender Gläubiger in der Lage ist, die aus der damaligen Sicht für eine positive Zukunftsprognose sprechenden Tatsachen im Prozess darzulegen. Ihm obliegt von Gesetzes wegen die wirtschaftliche Beobachtung des Unternehmens und - bei ersten Anzeichen für eine Krise - die Erstellung einer Überschuldungsbilanz (vgl. BGHZ 126, 181, 200).

Der Beklagte hat keine Gründe vorgetragen, die ihn trotz der rechnerischen Überschuldung der Gesellschaft, der fehlenden Stammkapitalausstattung sowie der negativen Erfahrung mit dem zuvor geführten Dachdeckerbetrieb zu einer positiven Bewertung gelangen lassen konnten. Gerade das Insolvenzverfahren über das Vermögen der H -P M G hatte die geschäftlichen Risiken aufgezeigt. Zu berücksichtigen ist auch, dass die Gesellschafterin A M von vornherein weder willens noch fähig war, etwaige Verluste - zumindest in der Anfangszeit - auszugleichen. Es konnte daher nicht überraschend sein, dass die Überschuldung nach 9-monatiger Geschäftstätigkeit Ende Dezember 2002 bereits auf EUR 36.571,21 angestiegen war. Dieser Fehlbetrag wird in der Bilanz für das Jahr 2002 ausgewiesen. Der Beklagte hat die Richtigkeit der im Auftrag der früheren Geschäftsführerin per 31. Dezember 2002 erstellten Bilanz nicht bestritten.

3. Gleichwohl hat der Beklagte in Kenntnis der Überschuldung Verbindlichkeiten begründet und Zahlungen geleistet und dadurch den Insolvenzgläubigern in der Zeit zwischen Insolvenzreife und Insolvenzantrag Schaden zugefügt.

Der Beklagte hat sich für die Monate April 2002 bis März 2003 Gehälter in Höhe von EUR 57.724,32 brutto auszahlen lassen.

Die Zahlungen waren nicht mit der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmanns im Sinne des § 64 Abs. 2 S. 2 GmbHG vereinbar. Denn der Beklagte hat sich - wie bereits ausgeführt - von vornherein nicht ausreichend um die finanzielle Situation der Schuldnerin gekümmert, sondern war nur daran interessiert, Familieneinkommen zu erzielen (vgl. dazu: OLG Düsseldorf, Urteil vom 30. Juli 1992 - 6 U 251/91 -).

Es liegt auch Verschulden vor. Der Beklagte kannte die rechnerische Überschuldung. Er wusste selbst, welches Geschäftsrisiko mit der Aufnahme eines Dachdeckerbetriebes verbunden war. Ihm war auch aus dem vorangegangenen Insolvenzverfahren über das Vermögen der H -P M G bekannt, dass bei Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung ein Insolvenzantrag durch den Geschäftsführer der Gesellschaft zu stellen ist. Angesichts dessen kann dahinstehen, ob ihm seine Berater erklärt hatten, er könne "problemlos" mit der Schuldnerin einen Neustart unternehmen. Eine solche Beratung kann das Verschulden des Klägers nicht entfallen lassen, da er die maßgeblichen Umstände selbst kannte und auch würdigen konnte.

4. Der Beklagte hat die an sich gezahlten Bruttogehälter ungekürzt der Insolvenzmasse zu erstatten.

Der Kläger hat anhand der Gehaltsabrechnungen dargetan, dass sich der Beklagte den geltend gemachten Betrag in Höhe von EUR 57.742,32 brutto ausgezahlt hat.

Dagegen hat der Kläger nicht schlüssig dargetan, dass der Beklagte EUR 8.658,65 als Arbeitgeberzuschläge an die zuständigen Sozialversicherungsstellen abgeführt hat. Er hat weder erläutert, wie er zu der von ihm geltend gemachten "pauschalen Bemessung der Zuschläge mit 15 %" gekommen ist, noch dargelegt, in welcher Höhe tatsächlich Arbeitgeberbeiträge abgeführt worden sind.

5. Der Zinsanspruch ist nach § 288 Abs. 1 BGB gerechtfertigt.

6. Dem Beklagten war im Urteil vorzubehalten, seinen Anspruch auf Vergütung für die Zeit von April 2002 bis März 2003 in Höhe von EUR 57.742,32 nach Erstattung der erhaltenen Zahlungen gegen den Kläger zu verfolgen.

Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist zur Vermeidung einer Bereicherung der Masse dem erstattungspflichtigen Geschäftsführer im Urteil vorzubehalten, seinen Gegenanspruch, der sich nach Rang und Höhe mit dem Betrag deckt, den er oder ein anderer begünstigter Gesellschaftsgläubiger im Insolvenzverfahren erhalten hätte, nach Erstattung an die Masse gegen den Insolvenzverwalter zu verfolgen. Dafür bedarf es keines ausdrücklichen Antrags, weil § 64 Abs. 2 GmbHG stets die Konstellation zugrunde liegt, dass das auch für diesen Ersatzanspruch eigener Art sinngemäß geltende schadensrechtliche Bereicherungsverbot letztendlich eine Reduzierung der Haftung um die sich am Schluss des Insolvenzverfahrens etwa ergebende Insolvenzquote erfordert (vgl. zuletzt: BGH, Urteil vom 11. Juli 2005 - II ZR 235/03 -).

Der Beklagte hat als Angestellter für die Schuldnerin in der Zeit von April 2002 bis März 2003 gearbeitet. Es ist davon auszugehen, dass dem sich dafür zugestandenen Gehalt eine gleichwertige Arbeitsleistung gegenüberstand. Der Beklagte hat als faktischer Geschäftsführer den Betrieb in kaufmännischer, finanzieller und technischer Hinsicht allein geleitet. Er hat damit eine erheblich höhere Verantwortung, auch in haftungsrechtlicher Hinsicht, wahrgenommen als ein Meister, der einen Dachdeckerbetrieb nach Weisung leitet, und dafür ab dem 3. Berufsjahr nach der Gehaltstabelle für das Dachdeckerhandwerk EUR 3.688,46 brutto erhält. Dies rechtfertigt die um etwa 25 % höhere Vergütung. Der Kläger hat keine begründeten Anhaltspunkte vorgetragen, die zu einer anderen Bewertung führen müssen.

7. Über die Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens hat das Arbeitsgericht im Schlussurteil zu entscheiden. Die Kostenentscheidung für das Berufungsverfahren beruht auf § 92 Abs. 1 ZPO.

Ende der Entscheidung

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