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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Köln
Beschluss verkündet am 14.08.2009
Aktenzeichen: 9 Ta 264/09
Rechtsgebiete: GewO


Vorschriften:

GewO § 106
Die Wiederherstellung des Betriebsfriedens an einer Schule kann die Versetzung einer Lehrkraft rechtfertigen.
Tenor:

1. Die sofortige Beschwerde der Klägerin gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Köln vom 14. Juli 2009 - 2 Ga 101/09 - wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

2. Streitwert: EUR 4.000,00.

Gründe:

I.

Die Klägerin, geboren am 26. März 1953, ist seit 1993 bei dem beklagten Land als Grundschullehrerin beschäftigt und seit längerem an der Gemeinschaftsgrundschule A in K als Klassenlehrerin mit den Fächern Mathematik und Sport tätig.

Auf das Arbeitsverhältnis finden kraft einzelvertraglicher Bezugnahme der BAT und der diesen ersetzende TV-L Anwendung. Die Parteien haben am 28. Dezember 2006 Altersteilzeit im Blockmodell für die Zeit ab dem 1. August 2008 bis zum 31. Juli 2015 vereinbart, wobei die Arbeitsphase vom 1. August 2008 bis zum 31. Januar 2012 dauern soll.

Durch Bescheid vom 2. Juli 2009 teilte das beklagte Land der Klägerin mit, sie werde im Einvernehmen mit dem Personalrat mit Wirkung vom 1. August 2009 an die Gemeinschaftsgrundschule K in K -M versetzt. Als Grund gibt das beklagte Land im vorliegenden Verfahren an, das Lehrerkollegium an der Gemeinschaftsgrundschule A sei zerstritten. Auf diesen Hintergrund seien zahlreiche Versetzungsanträge von Lehrkräften gestellt worden. Es sei nach verschiedenen Kriterien, vor allem aber auch der Teamfähigkeit, entschieden worden, mehrere Lehrkräfte, darunter die Klägerin, an eine andere Schule zu versetzen, um eine sachgerechte Unterrichtserteilung an der Gemeinschaftsgrundschule A zu sichern.

Dagegen wendet sich die Klägerin mit dem vorliegenden Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung, der am 14. Juli 2009 beim Arbeitsgericht Köln eingegangen ist. Sie begehrt, das beklagte Land anzuhalten, sie über den 1. August 2009 hinaus bis zum rechtskräftigen Abschluss der Hauptsache zu unveränderten Arbeitsbedingungen an der Gemeinschaftsgrundschule A zu beschäftigen.

Die Klägerin macht geltend, die Versetzung sei nicht aus dienstlichen Gründen gerechtfertigt. Es sei weder notwendig noch ratsam, sie als Klassenlehrerin der dritten Klasse in der Gemeinschaftsgrundschule A abzulösen und durch eine neue Lehrkraft zu ersetzen. Es komme den Schülern zugute, wenn sie von ihr bis zum Ende ihrer Grundschulzeit unterrichtet würden. Dies entspreche auch dem Wunsch der Eltern dieser Kinder. Für sie bringe die Versetzung eine erhebliche Mehrbelastung mit sich, da sie sich auf einen neuen Einsatz, eine neue Schule und neue Schüler einstellen müsse. Sie bestreitet, dass das Lehrerkollegium an der Gemeinschaftsgrundschule A zerstritten ist und ihr die Teamfähigkeit fehlt. In einem Brief an die Klassenpflegschaftsvorsitzende habe das beklagte Land selbst erklärt, dass die Versetzungen nicht als Schuldzuweisung an die betroffenen Lehrkräfte zu verstehen seien.

Das Arbeitsgericht Köln hat durch Beschluss vom 14. Juli 2009 den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung mit der Begründung zurückgewiesen, es fehle der erforderliche Verfügungsgrund. Die Versetzung bringe für die Klägerin keine persönlichen Nachteile mit sich, zumal sich der Anfahrtsweg zur Arbeit noch verkürze.

Der Beschluss ist der Klägerin am 17. Juli 2009 zugestellt worden. Sie hat hiergegen am 28. Juli 2009 Beschwerde einlegen und diese zugleich auch begründen lassen.

Die Klägerin vertritt weiterhin die Ansicht, die Versetzung sei offensichtlich unwirksam, weil es an einem berechtigten Grund fehle. Es sei ihr nicht zuzumuten, in der bis zum Beginn der Freistellungsphase verbleibenden Zeit an einer neuen Schule ihre Arbeit zu verrichten.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Akteninhalt verwiesen.

II.

A. Die sofortige Beschwerde der Klägerin ist zulässig.

Sie ist statthaft und form- und fristgerecht eingelegt worden.

B. Die sofortige Beschwerde der Klägerin ist aber nicht begründet.

Zu Recht hat das Arbeitsgericht den Erlass der begehrten einstweiligen Verfügung wegen des fehlenden Verfügungsgrundes abgelehnt.

Nach § 940 ZPO erfordert der Erlass einer Regelungsverfügung, dass sie zur Abwendung wesentlicher Nachteile erforderlich ist. Dabei hat die antragstellende Partei den Verfügungsgrund darzulegen und ggf. glaubhaft zu machen.

1. Wesentliche Nachteile sind bei der summarischen Überprüfung der Weisungen des Arbeitgebers nur in Ausnahmefällen anzunehmen. Allein der Umstand, dass eine möglicherweise vertragswidrige Beschäftigung des Arbeitnehmers nicht mehr rückgängig gemacht werden kann, reicht hierfür nicht aus (vgl. LAG Köln, Urteil vom 26. August 1992 - 2 Sa 624/92 - und Beschluss vom 14. Mai 2008 - 3 SaGa 3/08 -). Vielmehr erfordert die Bejahung eines Verfügungsgrundes für eine einstweilige Verfügung gegen Weisungen des Arbeitgebers zu Inhalt, Ort und Art der Arbeitsleistung, ein deutlich gesteigertes Abwehrinteresse des Arbeitnehmers, wie es allenfalls bei erheblichen Gesundheitsgefahren, einer drohenden irreparablen Schädigung des beruflichen Ansehens oder bei schweren Gewissenskonflikten bestehen kann. Daneben erkennt die Rechtsprechung lediglich in Fällen einer offenkundigen Rechtswidrigkeit der arbeitgeberseitigen Maßnahme das Bestehen eines Verfügungsgrundes an (vgl. LAG Hamm, Urteil vom 5. Februar 2008 - 11 SaGa 4/08 -; LAG Köln a.a.O.; LAG Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 12. Mai 2009 - 5 SaGa 4/08 - ).

2. Entgegen der Ansicht der Klägerin ist die Anweisung des beklagten Landes, ab Beginn des neuen Schuljahres 2009/2010 ihren Dienst in der Gemeinschaftsgrundschule K in K -M zu verrichten, nicht offenkundig rechtswidrig.

a. Nach dem schriftlichen Arbeitsvertrag vom 15./26. Juli 1993 kann die Klägerin nicht verlangen, ausschließlich an einer bestimmten Gemeinschaftsgrundschule beschäftigt zu werden. Eine derartige Festlegung ist in dem Arbeitsvertrag nicht erfolgt. Vielmehr ist ausdrücklich die Geltung des Bundesangestelltentarifvertrages vereinbart worden und damit auch die Geltung des tariflichen Weisungsrechts nach § 8 Abs. 2 BAT. Dieses Weisungsrecht ergibt sich nach der Ersetzung des BAT durch den TVöD aus § 106 GewO. Es gilt auch für den Einsatz von Lehrkräften (vgl. BAG, Urteil vom 17. Januar 2006 - 9 AZR 226/05 - ).

b. Eine Konkretisierung der vereinbarten Tätigkeit ausschließlich auf einen Einsatz an der Gemeinschaftsgrundschule A kommt nicht in Betracht. Eine solche Konkretisierung setzt voraus, dass dem Arbeitnehmer über lange Zeit aus dem Spektrum der vertraglich möglichen Bereiche lediglich ein Teilbereich zugewiesen worden ist und er unter Berücksichtigung der besonderen Umstände annehmen darf, der Arbeitsvertrag beschränke sich lediglich auf diesen Ausschnitt (vgl. BAG, Urteil vom 17. Januar 2006 - 9 AZR 226/05 - ). Derartige besondere Umstände liegen nicht vor. Auch durch den Abschluss des Altersteilzeitvertrages am 28. Dezember 2006 konnte ein derartiges Vertrauen der Klägerin nicht begründet werden. Grundsätzlich unterliegen die Arbeitnehmer in der Arbeitsphase der Altersteilzeit, die im vorliegenden Fall noch mehrere Jahre dauert, unverändert dem Direktionsrecht des Arbeitgebers.

c. Es liegen keine begründeten Anhaltspunkte dafür vor, dass die bei der Ausübung des Direktionsrechts gebotene Interessenabwägung offensichtlich rechtswidrig erfolgt ist. Das beklagte Land begründet die Versetzung damit, an der Gemeinschaftsgrundschule A sei das Lehrerkollegium derart zerstritten, dass die ordnungsgemäße Unterrichtserteilung gefährdet sei. Nur durch Versetzung eines Teils der Lehrkräfte sei die volle Leistungsfähigkeit der Schule wieder herzustellen. Es habe nach mehreren Gesichtspunkten, u. a. auch der Teamfähigkeit, die zu versetzenden Lehrkräfte, darunter auch die Klägerin, ausgewählt. Die Wiederherstellung des Betriebsfriedens ist ein anzuerkennendes Interesse das Arbeitgebers bei der Überprüfung der Wirksamkeit der Versetzungsentscheidung (vgl. dazu: HWK-Lembke, 2. Aufl., § 106 GewO Rdn. 120 m.w.N.). Zugunsten der Klägerin spricht der Umstand, dass sie bereits seit längerer Zeit an der Gemeinschaftsgrundschule A unterrichtet. Dagegen kann sie die arbeitsrechtliche Unwirksamkeit der Versetzung nicht begründen mit dem nach ihrer Ansicht bestehenden Interesse der Schüler an einer weiteren Unterrichtserteilung durch sie. Außer dem Mehraufwand durch die Einarbeitung an der neuen Schule ergeben sich für sie keine weiteren persönlichen Belastungen. Die Klägerin hat selbst ausgeführt, dass sich der Anfahrtsweg von zuhause sogar verkürzt. Ob unter dem von der Beklagten dargelegten Gesichtspunkt und/oder ggf. weiteren Umständen tatsächlich die Klägerin trotz ihrer langjährigen Tätigkeit ermessensfehlerfrei versetzt worden ist, kann nur im Hauptsacheverfahren geklärt werden. Schon jetzt sei allerdings darauf hingewiesen, dass selbst bei einer ausschließlich betriebsbedingt veranlassten Versetzung nicht die Grundsätze zur sozialen Auswahl bei einer betriebsbedingten Kündigung gelten (vgl. dazu: BAG, Urteil vom 21. Januar 2004 - 6 AZR 583/02 - ).

d. Es ist auch nicht offensichtlich das Mitbestimmungsrecht des Personalrats nach 72 Abs. 1 Nr. 5 LPVG bei der Versetzung verletzt worden. In der Versetzungsmitteilung ist vielmehr ausdrücklich ausgeführt worden, die Maßnahme erfolge im Einvernehmen mit dem zuständigen Personalrat.

3. Begründete Umstände, die nach den vorstehend aufgezeigten Grundsätzen ein gesteigertes Abwehrinteresse der Klägerin begründen, sind nicht erkennbar.

Demnach war die Beschwerde zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO, die Streitwertfestsetzung auf § 3 ZPO.

Gegen diese Entscheidung ist ein Rechtsmittel nicht zulässig.

Ende der Entscheidung

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