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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Köln
Beschluss verkündet am 15.05.2008
Aktenzeichen: 9 Ta 91/08
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 164 Abs. 1
ZPO § 319 Abs. 3
ZPO § 567
Wird der Text eines protokollierten gerichtlichen Vergleichs, der in der mündlichen Verhandlung vorgelesen und genehmigt worden ist, nachträglich wegen eines Rechenfehlers abgeändert, so kann dagegen analog § 319 Abs. 3 ZPO sofortige Beschwerde eingelegt werden.
Tenor:

1. Auf die Beschwerde der Beklagten wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Köln vom 5. Februar 2008 - 9 Ca 5048/07 - abgeändert:

Der Antrag auf Berichtigung des Vergleichs vom 19. Dezember 2007 - 9 Ca 5048/07 Arbeitsgericht Köln -wird zurückgewiesen.

2. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt der Kläger.

3. Beschwerdewert: EUR 2.859,80

4. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

Gründe:

I. Die Parteien haben in der mündlichen Verhandlung vor dem Arbeitsgerichts Köln am 19. Dezember 2007 einen Vergleich protokolliert, in dem es u. a. heißt:

...

2. Die Beklagte zahlt an den Kläger EUR 38.090,00 brutto an restlichem Lohn für die Zeit von November 05 bis 31.05.2007 (monatlich EUR 5.010,00 brutto, für November 05 EUR 1.687,00 brutto, abzüglich Zwischenverdienst/Arbeitslosengeld EUR 50.917,20). Von dem Gesamtbetrag sind EUR 25.000,00 netto (Teilvergleich vom 23.07.2007) abzuziehen.

...

5. Die Beklagte zahlt an den Kläger EUR 850,00 brutto (Weihnachtsgeld à EUR 425,00 brutto 2005 und 2006) sowie einen Betrag in Höhe von EUR 1.300,00 brutto (Urlaubsgeld à EUR 650,00 brutto 2006 und 2007).

...

Der Vergleichstext ist ausweislich des Protokolls vorgelesen und genehmigt worden.

Auf Antrag des Klägers hat das Arbeitsgericht Köln durch Beschluss vom 5. Februar 2008 den Vergleichstext dahin berichtigt, dass es anstelle "EUR 38.090,00" nunmehr "EUR 40.949,80" heißt. Zur Begründung hat es ausgeführt, aus dem Klammerzusatz ergebe sich klar, dass ein Rechenfehler vorgelegen habe.

Der Kläger hatte zu diesem Rechenfehler ausgeführt, das Arbeitsgericht sei bei der Berechnung des genannten Betrages offenbar von 17 Monatsverdiensten (statt richtig: 18 Monatsverdiensten + Restbetrag für November 2005) ausgegangen und habe Weihnachtsgeld und Urlaubsgeld hinzuaddiert, die unter Ziffer 5 des Vergleichs gesondert geregelt worden seien.

Die Beklagte hatte der Berichtigung mit der Begründung widersprochen, der Vergleichstext sei ausführlich erörtert worden und anschließend vorgelesen und genehmigt worden. Im Übrigen werde ein Vergleich dadurch charakterisiert, dass er ein gewisses Nachgeben der Parteien zum Inhalt habe. Der Kläger hätte anstelle des Berichtigungsantrages von dem ihm eingeräumten Recht auf Widerruf des Vergleichs bis zum 31. Dezember 2007 Gebrauch machen können.

Gegen den Beschluss vom 5. Februar 2008 hat die Beklagte am 20. Februar 2008 sofortige Beschwerde beim Arbeitsgericht Köln eingelegt.

Das Arbeitsgericht hat es durch Beschluss vom 31. März 2008 abgelehnt, der sofortigen Beschwerde abzuhelfen.

II. Die sofortige Beschwerde ist statthaft und auch fristgerecht binnen 2 Wochen (§ 569 ZPO) eingelegt worden.

1. Nach § 567 Abs. 1 Nr. 1 und 2 ZPO findet die sofortige Beschwerde nur statt, wenn dies entweder im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder es sich um solche eine mündliche Verhandlung nicht erfordernde Entscheidungen handelt, durch die ein das Verfahren betreffendes Gesuch zurückgewiesen worden ist.

a. Unrichtigkeiten des Protokolls können nach § 164 Abs. 1 ZPO jederzeit berichtigt werden. Dabei muss es sich nicht um eine offenbare Unrichtigkeit handeln. Das Gericht muss vielmehr jede förmliche oder inhaltliche Unvollständigkeit oder sonstige Unrichtigkeit beseitigen (vgl. Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 66. Aufl., § 164 Rdn. 5). Anders als § 319 Abs. 3 ZPO für den Fall der Urteilsberichtigung sieht § 164 ZPO jedoch kein Rechtsmittel gegen eine Berichtigung des Protokolls vor.

b. Durch die Berichtigung ist nicht ein das Verfahren betreffendes Gesuch zurückgewiesen, sondern ihm stattgegeben worden, so dass eine sofortige Beschwerde auch nicht nach § 567 Abs. 1 Nr. 2 ZPO zulässig ist.

c. Darüber hinaus lehnt die herrschende Meinung die Statthaftigkeit der Beschwerde gegen eine sachliche Berichtigung des Protokolls mit der Begründung ab, das Beschwerdegericht sei mangels einer Teilnahme an der Sitzung zu einer Überprüfung nicht imstande. Dies entspreche auch dem Willen des Gesetzgebers (vgl. dazu: BGH, Beschluss vom 14. Juli 2004 - XII ZB 268/03 - m.w.N.).

2. Ob eine Anfechtung der Berichtigung durch eine Beschwerde unter dem Gesichtspunkt einer greifbaren Gesetzeswidrigkeit oder einer Verletzung wesentlicher Verfahrensgrundrechte erfolgen kann, ist streitig. Überwiegend wird sie seit dem Inkrafttreten des Zivilprozessreformgesetzes abgelehnt. Tragender Gesichtspunkt dieser Rechtsprechung ist das aus dem Rechtsstaatsprinzip abgeleitete verfassungsrechtliche Gebot der Rechtsmittelklarheit, gegen das die Zulassung in den Verfahrensgesetzen nicht vorgesehener Rechtsmittel verstößt (vgl. BVerfG, Plenarbeschluss vom 30. April 2003 - 1 PBvU 1/02 - NJW 2003,1924, 1928; BGH, Beschluss vom 14. Juli 2004 - XII ZB 268/03 -; zur Unzulässigkeit einer außerordentlichen Beschwerde auch: BAG, Beschluss vom 8. August 2005 - 5 AZB 31/05 - ). Zutreffend hat allerdings der Bundesgerichtshof in seinem Beschluss vom 4. Juli 2007 - VII ZB 28/07 - ausgeführt, weder aus der genannten Plenarentscheidung des Bundesverfassungsgerichts noch aus dem daraufhin verabschiedeten Anhörungsrügegesetz vom 9. Dezember 2004 (BGBl. I S. 3230) folge, dass künftig bei der Verletzung anderer Verfahrensgrundrechte als der des Anspruchs einer Partei auf rechtliches Gehör außerordentliche Rechtsbehelfe wie die außerordentliche Beschwerde ausgeschlossen sein sollten.

3. Sofern es um die Berichtigung eines im Protokoll enthaltenen Vergleichs geht, gilt für die Zulässigkeit der sofortigen Beschwerde Folgendes:

a. Grundsätzlich ergibt sich keine Besonderheit aus dem Umstand, dass es sich um die Berichtigung eines Prozessvergleichs handelt. Vielmehr entspricht der Ausschluss der Anfechtungsmöglichkeit auch in diesem Fall dem Willen des Gesetzgebers (vgl. BGH, Beschluss vom 14. Juli 2004 - XII ZB 268/03 -).

b. Eine sofortige Beschwerde wird allerdings in der Literatur unter Verweis auf frühere Rechtsprechung für statthaft gehalten, wenn ein Vergleich berichtigt wird, obwohl der berichtigte Wortlaut nicht vorgelesen und genehmigt wurde, also durch den Vermerk "v.u.g." nicht gedeckt ist (vgl. Thomas-Putzo-Reichold, ZPO, 28. Auflage, § 165 Rdn. 4 unter Hinweis auf OLG Hamm MDR 83, S. 410; Zöller-Stöber, ZPO, 26. Aufl., § 164 Rdn. 11; Zimmermann, ZPO, 8. Aufl., § 165 Rdn. 3). Begründet wird dies mit einer analogen Anwendung von § 319 Abs. 3 ZPO. Zutreffend hat das OLG Hamm dazu ausgeführt, es gehe in solchen Fällen wie bei § 319 Abs. 3 ZPO nicht um den Inhalt, sondern um die Unzulässigkeit der Berichtigung (vgl. dazu auch: OLG Frankfurt MDR 1986, S. 153; LG Göttingen, Beschluss vom 4. November 2002 - 6 T 45/02 -).

c. Sofern eine sofortige Beschwerde auch in solchen Fällen nicht für statthaft gehalten wird, bleibt zwar die Möglichkeit zur Gegenvorstellung. Sie führt allerdings nur dazu, dass das Gericht, das entschieden hat, seine Entscheidung aus übersehenen oder neuen tatsächlichen und rechtlichen Gründen ändern kann. Eine Kontrolle durch eine höhere Instanz findet gerade nicht statt.

d. Der Bayerische Verfassungsgerichtshof hat einen mit der Verfassungsbeschwerde zu rügenden Verstoß gegen das verfassungsrechtliche Willkürverbot angenommen, wenn ein unbekannt gebliebener Rechenfehler, der einem vorgelesenen und von den Parteien genehmigten und ordnungsgemäß protokollierten Vergleich zugrunde liegt, berichtigt wird (vgl. dazu: Bayerischer Verfassungsgerichtshof, Beschluss vom 6. Oktober 2004 - Vf. 33-VI-03 -).

4. Das Beschwerdegericht schießt sich der Ansicht an, dass eine unzulässige Berichtigung eines vorgelesenen und genehmigten Prozessvergleichs analog § 319 Abs. 3 ZPO der sofortigen Beschwerde unterliegt.

Zutreffend hat das OLG Hamm in der genannten Entscheidung ausgeführt, dass in der Sache kein Unterschied besteht zwischen der Berichtigung eines Urteilstenors und der Berichtigung eines Vergleichstextes, der ebenfalls einen vollstreckbaren Titel darstellt bzw. die Rechtsbeziehungen feststellend oder gestaltend regelt und regelmäßig den Rechtsstreit beendet. Dies gebietet, die Anfechtbarkeit einer Vergleichsberichtigung analog § 319 ZPO zuzulassen, wenn und soweit die Berichtigung unzulässig ist. Es geht nicht darum, den Inhalt der Berichtigung zu überprüfen. Vielmehr geht es darum, eine Falschbeurkundung zu beseitigen. Der Text in der berichtigten Fassung ist gerade nicht "vorgelesen und genehmigt" worden.

III. Die sofortige Beschwerde ist nach den vorstehenden Ausführungen auch begründet.

Den Parteien ist der Vergleich mit einem gemäß Ziffer 2 zu zahlenden Betrag in Höhe von EUR 38.090,00 brutto vorgelesen worden, den sie danach genehmigt haben. Es mag sein, dass diesem Betrag ein damals sowohl dem Gericht als auch den Parteien unerkannt gebliebener Rechenfehler zugrunde liegt. Für einen Rechenfehler spricht in der Tat der erläuternde Klammerzusatz.

Jedoch kann dieser Rechenfehler nicht durch Korrektur des Vergleichstextes beseitigt werden. Vielmehr ist der Kläger darauf zu verweisen, notfalls durch eine weitere Klage den Mehrbetrag in Höhe von EUR 2.859,80 (EUR 40.949,80 abzüglich von der Beklagten nicht bestrittener EUR 38.090,00) geltend zu machen (vgl. dazu: OLG Frankfurt MDR 1986, S. 153).

Die Rechtsbeschwerde war wegen der grundsätzlichen Bedeutung zuzulassen.

Ende der Entscheidung

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