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Gericht: Landesarbeitsgericht Köln
Beschluss verkündet am 21.02.2006
Aktenzeichen: 9 TaBV 34/05
Rechtsgebiete: BetrVG


Vorschriften:

BetrVG § 77 Abs. 1 S. 1
Ansprüche des Betriebsrats aufgrund einer Betriebsvereinbarung über die Einführung eines elektronischen Zeitdatenmanagement-Systems, dass die gespeicherten Daten über Arbeitsbeginn und Arbeitsende nicht zur Verhaltenskontrolle, insbesondere nicht zur Begründung von Abmahnungen, Versetzungen oder Kündigungen verwandt werden.
Tenor:

Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Köln vom 12.05.2005 - 6 BV 188/04 - abgeändert:

1. Der Antragsgegnerin wird aufgegeben, es künftig zu unterlassen, ohne Zustimmung des Antragstellers oder einen die Zustimmung ersetzenden Spruch der Einigungsstelle, die in dem Zeitdatenmanagement - System Tgespeicherten Daten zum Zwecke der Kontrolle des Verhaltens der Mitarbeiter/innen und zur Begründung von Abmahnungen, Versetzungen und/oder Kündigungen zu verwenden.

2. Der Antragsgegnerin wird für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen Ziffer 1 dieses Beschlusses ein Ordnungsgeld bis zu EUR 10.000,00 angedroht.

3. Die Rechtsbeschwerde gegen diesen Beschluss wird nicht zugelassen.

Gründe:

I. Die Beteiligten streiten um die Bedeutung einer zwischen ihnen abgeschlossenen Betriebsvereinbarung bei der Anwendung eines Zeitdatenmanagement-Systems.

Die Arbeitgeberin (Beteiligte zu 2) richtete in ihren Betrieben ein Zeitdatenmanagement-System mit der teilweise auf das Unternehmen angepassten Standardsoftware T ein, wobei das Trägersystem besteht aus einem in ihrem Rechenzentrum Kelsterbach installierten zentralen Rechner sowie aus den in den Betrieben eingerichteten Zeiterfassungsterminals und Bearbeitungsterminals der Zeitbeauftragten, die mit dem zentralen Rechner online verbunden sind.

Durch Spruch der Einigungsstelle vom 19. Januar 1998 kam eine Rahmenbetriebsvereinbarung zwischen der Arbeitgeberin und dem Gesamtbetriebsrat zustande, die für alle Mitarbeiter der Arbeitgeberin in Deutschland gilt, soweit sie in Gleitender Arbeitszeit, nach Schicht oder Dienstplänen oder nach flexiblen Arbeitszeitsystemen arbeiten.

Darin ist u. a. bestimmt, dass die Standorte und die Anzahl der Zeiterfassungsgeräte im Einvernehmen mit dem jeweiligen örtlichen Betriebsrat bestimmt werden. Es werden die Zeitpunkte "Kommt" und "Geht" erfasst. Tarifliche Pausen im Schichtdienst sind grundsätzlich zu stempeln, wobei mit dem örtlichen Betriebsrat eine abweichende Regelung getroffen werden kann. Bei Beginn und Ende der Schichten gilt eine Karenzzeit von jeweils 5 Minuten nach Schichtbeginn bzw. vor Schichtende. Minigleitregelungen können in Abstimmung mit den zuständigen Fach- und Personalbereichen auf betrieblicher Ebene zwischen Geschäftsleitung und Betriebsrat vereinbart werden, wobei dem örtlichen Betriebsrat ein Initiativrecht zusteht. Die Mitarbeiter sind bei der Einführung von T schriftlich darüber zu unterrichten, welche ihrer personenbezogenen Daten in T gespeichert, verarbeitet und genutzt werden. Die Information erstreckt sich auch darauf, wofür diese Daten verwandt werden, einschließlich der Schnittstellen. Außer den Schnittstellen "Stammdaten" und "Abrechnungsdaten" sind keine Schnittstellen zu anderen Systemen einzurichten, es sei denn, sie werden mit den zuständigen Arbeitnehmervertretungen vereinbart. Zu den "Abrechnungsdaten" heißt es, zur Auslösung der Vergütungsabrechnung würden die abrechnungsrelevanten Daten über eine automatisierte Schnittstelle an das Abrechnungssystem übergeben. Weiter heißt es, die in T gespeicherten Daten dürften ausschließlich zu den in der Gesamtbetriebsvereinbarung geregelten Zwecken verwendet werden. Eine Verhaltens- und Leistungskontrolle finde im Übrigen nicht statt. Die zuständigen Mitbestimmungsgremien haben das Recht, in die mit dem Arbeitszeitsystem verbundenen Vorgänge der Zeitdatenerfassung, Zeitdatenbearbeitung, Zeitdatenspeicherung und Zeitdatenausgabe Einblick zu nehmen. Über geplante Änderungen und Erweiterungen des Systems sind die zuständigen Mitbestimmungsgremien rechtzeitig und umfassend zu unterrichten, mit denen die Änderungen und Erweiterungen zu vereinbaren sind.

Durch Spruch der Einigungsstelle vom 6. April 2002 kam eine ergänzende Betriebsvereinbarung zwischen dem örtlichen Betriebsrat der Station K Flughafen (Beteiligter zu 1; im Folgenden: Betriebsrat) und der Arbeitgeberin zustande, die für alle Bodenmitarbeiter in der Station gilt. Darin ist bestimmt, dass das Zeitdatenmanagementsystem dazu dient, arbeitszeitrelevante An- und Abwesenheitsdaten zu erfassen, diese nach steuerlichen, tarifvertraglichen und sonstigen Regeln der Arbeitgeberin zu bewerten und zum Zwecke der Vergütungsabrechnung an das Abrechnungssystem zu übergeben. Es kommt dabei die mit dem Gesamtbetriebsrat vereinbarte Hard- und Software zum Einsatz. Die Standorte und die Anzahl der Zeiterfassungsterminals sind darin festgelegt worden. Weitere Regelungen betreffen u. a. die zu erfassenden Zeitpunkte "Kommt" und "Geht", die Pausenzeiten, Dienstreisen, Dienstgänge und sonstige Abwesenheitszeiten, Karenzzeiten, die Information der Mitarbeiter und den lesenden Zugriff des Betriebsrats.

Die Arbeitgeberin hörte mit Schreiben vom 3. September 2004 den Betriebsrat zu der beabsichtigten Kündigung eines Mitarbeiters an, dem sie vorwarf, er habe häufiger an einem Zeiterfassungsterminal bei Dienstbeginn zunächst "Kommt" gebucht und erst danach seinen Personenkraftwagen auf einem entfernten Parkplatz abgestellt und bei Dienstschluss zunächst den Personenkraftwagen von dem Parkplatz geholt und erst dann "Geht" gebucht. Daraufhin seien vom 26. Juli 2004 bis zum 25. August 2004 jeweils die Zeiten von dem Vorgesetzten notiert worden, zu denen der Mitarbeiter am Arbeitsplatz erschienen sei und zu denen er den Arbeitsplatz wieder verlassen habe. Diesen seien die elektronisch in T erfassten Ein- und Ausbuchungszeiten des Mitarbeiters gegenübergestellt worden (vgl. Aufstellung: Bl. 19 d. A.). Da das Zeiterfassungsterminal nur etwa 2 - 3 Gehminuten vom Arbeitsplatz des Mitarbeiters entfernt sei, die Zeitspanne zwischen der Buchung und dem Erscheinen bzw. Verlassen des Arbeitsplatzes aber erheblich größer gewesen sei, sei der Mitarbeiter an 3 Tagen beobachtet worden, wobei sich der Verdacht bestätigt habe, dass er nicht korrekt gebucht habe. Ihm seien bei seiner Anhörung Zeitdifferenzen von durchschnittlich 20 Minuten und in der Spitze von bis zu 30 bis 42 Minuten vorgehalten worden unter Hinweis auf die T -Buchungen und auf die von seinem Vorgesetzten am Arbeitsplatz notierten Uhrzeiten. Er habe nur für Einzelfälle Erklärungen abgegeben, wieso es zu den Zeitdifferenzen gekommen sein könne, aber ansonsten die Vorwürfe nicht ausräumen können.

Der Betriebsrat widersprach der fristlosen Kündigung unter Hinweis auch auf die Sozialdaten des Mitarbeiters und führte aus, die Aufstellung zu den Zeitdifferenzen sei nicht aussagekräftig. Es stünden 3 Zeiterfassungsterminals an unterschiedlichen Stellen im Abfertigungsgebäude des Terminals 1 zur Verfügung, so dass schon von daher die Wegstrecke zum bzw. vom Arbeitsplatz unterschiedlich weit sein könne. Zudem stehe für ihn nicht fest, dass die in T verbuchte Uhrzeit mit der übereingestimmt habe, die auf anderen Zeitmessern im Flughafen abzulesen gewesen sei. Dies habe ein Vergleich mit den Flughafenuhren und Armbanduhren ergeben. Schließlich stehe für ihn nicht fest, dass der Vorgesetzte auch jeweils zutreffend notiert habe, wann der Mitarbeiter am Arbeitsplatz erschienen sei und wann er ihn verlassen habe. Ausdrücklich rügte der Betriebsrat, es habe eine nach der Gesamtbetriebsvereinbarung unzulässige Verhaltenskontrolle des Mitarbeiters stattgefunden.

Mit dem vorliegenden Antrag, der am 30. September 2004 beim Arbeitsgericht Köln eingegangen ist, verlangt der Betriebsrat von der Arbeitgeberin, es künftig zu unterlassen, ohne seine Zustimmung oder einen die Zustimmung ersetzenden Spruch der Einigungsstelle die im Zeitdatenmanagement-System gespeicherten Daten zum Zwecke der Kontrolle der Mitarbeiter und zur Begründung von Abmahnungen, Versetzungen und/oder Kündigungen zu verwenden. Zudem hat er verlangt, der Arbeitgeberin für jeden Fall der Zuwiderhandlung ein in das Ermessen des Gerichts gesetztes Zwangsgeld anzudrohen.

Er hat vorgetragen, die Arbeitgeberin habe unzulässigerweise die gebuchten Uhrzeiten mit den vom Vorgesetzten am Arbeitsplatz notierten Uhrzeiten verglichen. Nach der Gesamtbetriebsvereinbarung und der Betriebsvereinbarung dürften die gespeicherten personenbezogenen Daten nicht zum Zwecke der Verhaltens- und Leistungskontrolle der Mitarbeiter verwandt werden. Weder dürften diese Daten verwandt werden, verspätetes Kommen, verfrühtes Gehen oder unentschuldigtes Fehlen vorzuwerfen, noch ein zu frühes Einbuchen oder ein verspätetes Ausbuchen. Im Übrigen könne die Arbeitgeberin durch Beobachtung feststellen lassen, wann ein Arbeitnehmer ein Zeiterfassungsgerät bediene. Das Zeiterfassungsgerät diene ausschließlich zur vereinfachten Erstellung der Gehaltsabrechnungen.

Die Arbeitgeberin hat vorgetragen, es treffe zu, dass gemäß der Gesamtbetriebsvereinbarung und der Betriebsvereinbarung die Zeiterfassung zum Zwecke der Vergütungsabrechnung erfolge. Sie habe durch die Auswertung die Richtigkeit der "Kommt- und Gehtzeiten" überprüft. Es sei ihr Recht, sich Kenntnis darüber zu verschaffen, ob der Arbeitnehmer nach der Buchung ohne Verzögerung die zugesagte Arbeitsleistung erbringe. Das vereinbarte Verbot einer Verhaltenskontrolle müsse einschränkend ausgelegt werden.

Das Arbeitsgericht Köln hat durch Beschluss vom 12. Mai 2005 die Anträge zurückgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, der Betriebsrat habe nicht den von ihm geltend gemachten Unterlassungsanspruch, weil dem Begehren ein Einzelfall ohne einen kollektivrechtlichen Bezug zugrunde liege. Das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 Ziff. 6 BetrVG sei nicht verletzt. Nach den Betriebsvereinbarungen sei ausschließlicher Zweck der Zeiterfassung die Erstellung einer Vergütungsabrechnung, allerdings einer korrekten. Nur zu diesem Zweck seien die Daten auch ausgewertet worden. Die abweichende Ansicht des Betriebsrats sei geradezu grotesk und führe dazu, dass er versuche, einen Betrüger zu decken. Dies könne aber nicht Inhalt der Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats sein.

Der Beschluss ist dem Betriebsrat am 14. Juni 2005 zugestellt worden. Er hat hiergegen am 24. Juni 2005 sofortige Beschwerde einlegen und diese am 10. August 2005 begründen lassen.

Er trägt vor, ihm gehe es nicht um den Schutz eines "Betrügers", wobei der Tatvorwurf ohnehin nicht nachgewiesen sei, sondern um sein Mitbestimmungsrecht und insbesondere die Einhaltung der Betriebsvereinbarungen. Die für den Unterlassungsanspruch erforderliche Wiederholungsgefahr sei gegeben, da die Arbeitgeberin an der Kündigung festhalte und auch im vorliegenden Verfahren die Ansicht vertrete, sie sei zu entsprechenden Auswertungen der gespeicherten Daten befugt. Vor Erlass des Einigungsstellenspruchs am 6. April 2002 habe die Vorsitzende der Einigungsstelle ausdrücklich klargestellt, dass die Mitarbeiter mittels der elektronischen Daten nicht kontrolliert werden dürften, sondern die Daten ausschließlich zu Abrechnungszwecken genutzt werden dürften. Abgesehen davon habe er bei der Anhörung zu der beabsichtigten Kündigung auf verschiedene Fehlerquellen hingewiesen, die es nicht erlaubten, allein auf den Vergleich der gebuchten Uhrzeiten mit den am Arbeitsplatz notierten Uhrzeiten hinzuweisen.

Er habe in seiner Sitzung vom 6./7. September 2004 einstimmig beschlossen, seine jetzigen Verfahrensbevollmächtigten mit der Prüfung der Rechtslage und ggf. der Einleitung des vorliegenden Verfahrens zu beauftragen. Am 20. Juni 2005 habe er einstimmig beschlossen, sofortige Beschwerde gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Köln vom 12. Mai 2005 einzulegen.

Der Betriebsrat beantragt,

unter Abänderung des Beschlusses des Arbeitsgerichts Köln vom 12. Mai 2005 - 6 BV 188/04 -

1. der Arbeitgeberin aufzugeben, es künftig zu unterlassen, ohne seine Zustimmung oder einen die Zustimmung ersetzenden Spruch der Einigungsstelle die in dem Zeitdatenmanagement-System T gespeicherten Daten zum Zwecke der Kontrolle des Verhaltens der Mitarbeiter/innen und zur Begründung von Abmahnungen, Versetzungen und/oder Kündigungen zu verwenden,

2. der Arbeitgeberin für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen eine Entscheidung entsprechend dem Antrag zu 1. ein Ordnungsgeld, dessen Höhe in das Ermessen des Gerichts gesetzt wird, anzudrohen,

3. hilfsweise festzustellen, dass die Verwendung der im Zeitdatenmanagement-System T gespeicherten Daten zum Zwecke der Kontrolle des Verhaltens der Mitarbeiter/innen und zur Begründung von Abmahnungen, Versetzungen und/oder Kündigungen ohne seine Zustimmung oder einen die Zustimmung ersetzenden Spruch der Einigungsstelle unzulässig ist.

Die Arbeitgeberin beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Sie bestreitet, dass der Betriebsrat ordnungsgemäß beschlossen hat, das vorliegende Beschlussverfahren durch seine Verfahrensbevollmächtigten einzuleiten. Sie habe die elektronischen Daten in einem nach den Betriebsvereinbarungen zulässigen Rahmen und nur in einem Einzelfall benutzt. Sie sei nicht gehalten, die gebuchten Daten bei der Vergütungsabrechnung "blind" zu übernehmen. Es könne ihr auch nicht verwehrt sein, bei einem Arbeitszeitbetrug weitergehende Konsequenzen zu ziehen als nur eine Korrektur der Abrechnung. Im Übrigen seien neben den elektronischen Daten auch die Erkenntnisse aus der Observation des Mitarbeiters verwandt worden. Abgesehen davon fehle die für einen Unterlassungsanspruch erforderliche Wiederholungsgefahr. Ein grober Verstoß im Sinne des § 23 Abs. 3 BetrVG liege selbst nach dem Vortrag des Betriebsrats nicht vor. Für den hilfsweise gestellten Feststellungsantrag fehle das erforderliche Feststellungsinteresse. Er sei auch nicht hinreichend bestimmt.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt verwiesen.

II. A. Die Beschwerde ist zulässig.

Sie ist gemäß § 87 Abs. 1 ArbGG statthaft und wurde innerhalb der in § 66 Abs. 1 S. 1 ArbGG in Verbindung mit § 87 Abs. 2 S. 1 ArbGG vorgeschriebenen Fristen eingelegt und begründet. Der Betriebsrat hat mit Schriftsatz vom 9. Dezember 2005 dargetan, dass er am 20. Juni 2005 einstimmig beschlossen hat, die vorliegende Beschwerde einlegen zu lassen.

B. Die Beschwerde ist auch begründet.

1. Der vom Betriebsrat gestellte Unterlassungsantrag ist zulässig.

a. Der Unterlassungsantrag des Betriebsrats ist nicht etwa wegen Fehlens eines entsprechenden Beschlusses über die Einleitung des vorliegenden Verfahrens unzulässig.

aa. Ein von einem Verfahrensbevollmächtigten namens des Betriebsrats gestellter Antrag in einem arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahren bedarf einer ordnungsgemäßen Beschlussfassung des Kollegialorgans über die Einleitung des Verfahrens. Fehlt es hieran, ist der Antrag als unzulässig abzuweisen. Die Wirksamkeit eines Betriebsratsbeschlusses setzt voraus, dass er in einer Betriebsratssitzung gefasst worden ist, zu der die Mitglieder des Betriebsrats gemäß § 29 Abs. 2 S. 3 BetrVG rechtzeitig unter Mitteilung der Tagesordnung geladen worden sind (vgl. BAG, Beschluss vom 29. April 2004 - 1 ABR 30/02 -).

bb. Ausweislich des vom Betriebsrat (auszugsweise) vorgelegten Protokolls seiner Sitzung vom 6./7. September 2004 und der Teilnehmerliste waren alle Betriebsratsmitglieder zur Sitzung erschienen und mit einer Abstimmung über die Einleitung des vorliegenden Beschlussverfahrens einverstanden. Denn sie haben einstimmig sowohl der Einleitung als auch der Beauftragung der jetzigen Verfahrensbevollmächtigten zugestimmt. Bedenken gegen die Rechtzeitigkeit der Ladung bestehen nicht und könnten zudem angesichts des vollständig versammelten Betriebsrats und des einstimmig gefassten Beschlusses ohnehin nicht erheblich sein (vgl. dazu: Fitting, Betriebsverfassungsgesetz, 21. Aufl., § 30 Rdn. 68).

b. Der Betriebsrat ist antragsbefugt. Er macht eigene betriebsverfassungsrechtliche Rechte mit dem auf § 77 Abs. 1 S. 1 BetrVG gestützten Unterlassungsanspruch geltend. Denn er leitet sie aus der durch Spruch der Einigungsstelle zwischen ihm und der Arbeitgeberin zustande gekommenen Betriebsvereinbarung her, mit der die in der Gesamtbetriebsvereinbarung festgelegten Grundsätze über die Einführung des Zeitdatenmanagement-Systems näher ausgestaltet worden sind.

c. Der Unterlassungsantrag ist auch nicht etwa wegen fehlender Bestimmtheit unzulässig.

Unter entsprechender Anwendung des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO muss der Antrag auch im Beschlussverfahren so bestimmt sein, dass die eigentliche Streitfrage mit Rechtskraftwirkung zwischen den Beteiligten entschieden werden kann. Im Falle einer dem Antrag stattgebenden Entscheidung muss für den in Anspruch genommenen Beteiligten eindeutig erkennbar sein, was von ihm verlangt wird bzw. was er zu unterlassen hat (vgl. BAG, Beschlüsse vom 29. April 2004 - 1 ABR 30/02 - und vom 25. August 2004 - 1 AZB 41/03 -).

Diesen Anforderungen genügt der zuletzt von dem Betriebsrat gestellte Antrag. Danach soll die Arbeitgeberin die im Zeitdatenmanagement-System gespeicherten Daten der Arbeitnehmer ausschließlich zu den in der Gesamtbetriebsvereinbarung und der Betriebsvereinbarung genannten Abrechnungszwecken verwenden, nicht aber zu einer Kontrolle des Verhaltens des Arbeitnehmer und zur Begründung von Abmahnungen, Versetzungen und/oder Kündigungen.

2. Der Unterlassungsantrag ist auch begründet.

Der Anspruch des Betriebsrats ergibt sich aus § 2 der Betriebsvereinbarung in Verbindung mit der in der Gesamtbetriebsvereinbarung festgelegten Verwendung der Daten und dem darin festgelegten Verbot einer Verhaltens- und Leistungskontrolle.

a. Nach § 77 Abs. 1 Satz 1 BetrVG hat der Arbeitgeber rechtswirksame Betriebsvereinbarungen im Betrieb durchzuführen. Der Betriebsrat hat einen Anspruch gegen den Arbeitgeber auf Durchführung der getroffenen Vereinbarung und auf Unterlassung vereinbarungswidriger Maßnahmen (vgl. BAG, Beschluss vom 29. April 2004 - 1 ABR 30/02 -; Fitting, a.a.O., § 77 Rdn. 7 m.w.N.).Der Anspruch des Betriebsrats auf Unterlassung bestimmter Handlungen des Arbeitgebers aus einer Betriebsvereinbarung steht neben einem etwaigen Anspruch des Betriebsrats auf Unterlassung mitbestimmungswidrigen Verhaltens (vgl. BAG, Beschluss vom 13. Oktober 1987 - 1 ABR 51/86 -).

Anhaltspunkte für eine Unwirksamkeit der Betriebsvereinbarung oder der Gesamtbetriebsvereinbarung sind weder vorgetragen noch sonst ersichtlich. Nach § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG hat der Betriebsrat mitzubestimmen bei der Einführung und Anwendung von technischen Einrichtungen, die dazu bestimmt sind, das Verhalten oder die Leistung der Arbeitnehmer zu überwachen. Es entspricht der gesetzlich festgelegten Kompetenzverteilung, wenn mit dem Gesamtbetriebsrat eine Rahmen-Gesamtbetriebsvereinbarung zu elektronisch gesteuerten Datenverarbeitungssystemen abgeschlossen wird, in der den einzelnen Betriebsräten die nähere Ausgestaltung von vereinbarten Grundsätzen überlassen wird (vgl. Fitting, a.a.O., § 50 Rdn. 28).

b. Nach § 2 der Betriebsvereinbarung dient das Zeitdatenmanagement-System dazu, arbeitszeitrelevante An- und Abwesenheitsdaten zu erfassen, diese nach steuerlichen, tarifvertraglichen Regeln der Arbeitgeberin zu bewerten und zum Zwecke der Vergütungsabrechnung an das Abrechnungssystem zu übergeben. Damit wurde angeknüpft an die ohnehin die Arbeitgeberin und den Betriebsrat bindende Grundsatzregelung in der Gesamtbetriebsvereinbarung über den Verwendungszweck. Sie wurde damit auch Inhalt der Betriebsvereinbarung. Dies ergibt sich ferner aus dem Einleitungssatz zu der Betriebsvereinbarung, in dem es heißt, die Regelungen in der Betriebsvereinbarung seien "in Erfüllung" der Gesamtbetriebsvereinbarung getroffen worden.

c. Nach § 11 S. 1 der Gesamtbetriebsvereinbarung darf die Arbeitgeberin die elektronisch gespeicherten Daten ausschließlich zu den in dieser Vereinbarung geregelten Zwecken verwenden. Durch § 11 S. 2 der Gesamtbetriebsvereinbarung wird die Arbeitgeberin verpflichtet, eine Verhaltens- und Leistungskontrolle zu anderen Zwecken zu unterlassen.

Die zulässigen Zwecke ergeben sich aus Ziff. 10 der Gesamtbetriebsvereinbarung. Zum Einen ist darin bestimmt, dass Stammdaten an das Zeitdatenmanagement-System übertragen werden dürfen, um Datenredundanzen zu vermeiden. Zum Anderen ist geregelt, dass die für die Abrechnung relevanten Daten, also auch die elektronisch erfassten "Kommt- und Gehtzeitpunkte", ausschließlich an das Abrechnungssystem übergeben werden. Eine Verwendung durch die Arbeitgeberin zu anderen Zwecken als der Erstellung der Abrechnung ist auch in den anderen Regelungen in der Gesamtbetriebsvereinbarung nicht vorgesehen. Insbesondere ist nicht bestimmt, dass damit das Verhalten von Arbeitnehmern kontrolliert werden soll und sich ggf. arbeitsrechtliche Sanktionen gegen Arbeitnehmer anschließen dürfen.

Entgegen der Ansicht der Arbeitgeberin ergibt auch die Auslegung der Betriebsvereinbarung nach Sinn und Zweck kein anderes Ergebnis.

Sofern Betriebsvereinbarungen auszulegen sind, hat dies wegen der normativen Wirkung der Regeln nach den Grundsätzen über die Auslegung von Gesetzen zu erfolgen. Auszugehen ist daher zunächst vom Wortlaut. Über den reinen Wortlaut hinaus ist der wirkliche Wille der Betriebsparteien zu berücksichtigen, soweit er in den Vorschriften seinen Niederschlag gefunden hat. Dabei sind insbesondere der Gesamtzusammenhang sowie der Sinn und Zweck der Regelung zu beachten. Bleiben hiernach noch Zweifel, so können ohne Bindung an eine bestimmte Reihenfolge weitere Kriterien wie die Entstehungsgeschichte oder auch eine tatsächliche Übung ergänzend herangezogen werden. Zudem ist die Praktikabilität denkbarer Auslegungsergebnisse zu berücksichtigen. Im Zweifel gebührt derjenigen Auslegung der Vorzug, welche zu einer vernünftigen, sachgerechten, praktisch brauchbaren und gesetzeskonformen Regelung führt (ständige Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, vgl. Beschluss vom 1. Juli 2003 - 1 ABR 22/02 -).

Nicht nur der bereits aufgezeigte Wortlaut, sondern auch der Zusammenhang der Regelung mit dem Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 Ziff. 6 BetrVG und der sich daraus ergebende Sinn und Zweck sprechen gegen die Ansicht der Arbeitgeberin.

Die Überwachung und Kontrolle durch technische Einrichtungen im Sinne des § 87 Abs. 1 Ziff. 6 BetrVG kann sich in 3 Phasen vollziehen: Ermittlungsphase, Verwertungsphase (Auswertungsphase) und Beurteilungs-/Bewertungsphase (vgl. Fitting, a.a.O., § 87 Rdn. 217). Das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 Ziff. 6 BetrVG besteht auch dann, wenn nur ein Teil des Überwachungsvorgangs mittels einer technischen Einrichtung erfolgt. Da die Mitbestimmung dem Persönlichkeitsschutz des einzelnen Arbeitnehmers dient, unterfallen ihr gerade auch solche Überwachungsmaßnahmen, die einem bestimmten Arbeitnehmer zugeordnet werden können (vgl. Fitting, a.a.O., § 87 Rdn. 219).

Daraus folgt, dass eine Regelung, wonach elektronische Daten ermittelt und ausgewertet werden dürfen, nichts darüber aussagt, ob und ggf. zu welchen Bewertungen sie herangezogen werden dürfen. Es obliegt vielmehr den Betriebsparteien, gerade dies ausdrücklich zu regeln.

Ein Überwachungsvorgang "Verdacht auf Arbeitszeitbetrug", bei der die Auswertung der elektronisch erfassten Kommt- und Gehtzeiten ein Bestandteil ist, ist in der Gesamtbetriebsvereinbarung an keiner Stelle vorgesehen. Vielmehr ist eine Beurteilung/Bewertung ausschließlich zu Abrechnungszwecken zugelassen und jegliche Verhaltens- und Leistungskontrolle ausgeschlossen worden. Erkennbar soll mit der ohnehin nur durch Spruch der Einigungsstelle zustande gekommenen Vereinbarung gerade vermieden werden, dass elektronische Daten zur Verhaltenskontrolle eines Arbeitnehmers verwandt werden. Ob dabei die vom Betriebsrat aufgezeigten Fehlerquellen (z. B. Abweichungen bei der Uhrzeit) Einfluss hatten, ist unerheblich. Angesichts dieses generellen Verwendungsausschlusses kann auch nicht erheblich sein, ob der Verhaltensverstoß eines Mitarbeiters unter Ausnutzung von Manipulationsmöglichkeiten erfolgt ist, die sich erst durch die elektronische Zeiterfassung ergeben haben, z. B. verfrühtes Einbuchen oder verspätetes Ausbuchen oder Buchen durch eine andere Person, oder ob dies nicht der Fall ist.

d. Die Arbeitgeberin hat abrechnungsrelevante Daten zu einem Zweck verwandt, der nach in der Gesamtbetriebsvereinbarung nicht zulässig ist. Denn sie hat die elektronisch gespeicherten Daten zusammen mit Ergebnissen aus einer Observation benutzt, um einem Mitarbeiter einen Arbeitszeitbetrug nachzuweisen.

e. Die Wiederholungsgefahr, die zur Verurteilung auf Unterlassung künftigen Verhaltens erforderlich ist (vgl. BAG, Beschluss vom 13. Oktober 1987 - 1 ABR 51/86 -), liegt vor. Erforderlich ist eine ernstliche, sich auf Tatsachen gründende Besorgnis weiterer Eingriffe zur Zeit der letzten mündlichen Verhandlung. Dafür besteht allerdings grundsätzlich eine tatsächliche Vermutung, es sei denn, dass z. B. die tatsächliche Entwicklung einen neuen Eingriff unwahrscheinlich macht (vgl. BAG, Beschluss vom 29. Februar 2000 - 1 ABR 4/99 -).

Es kann nicht davon ausgegangen werden, dass es sich um einen einmaligen Vorfall handelt. Denn es ist nicht auszuschließen, dass auch andere Arbeitnehmer in den Verdacht geraten, nicht korrekt ihre Arbeitszeit zu buchen, und die Arbeitgeberin sich veranlasst sieht, dies - wie geschehen - zu überprüfen. Aus dem Grund ist bei der mündlichen Anhörung am 10. Januar 2006 mit den Beteiligten eine Regelung erörtert und für eine vergleichsweise Beilegung des Verfahrens vorgeschlagen worden, die eine vorherige Einschaltung des Betriebsrats vorsieht. Die Arbeitgeberin hat aber letztlich ihren Standpunkt nicht aufgegeben, dass aus der Betriebsvereinbarung der vom Betriebsrat geltend gemachte Unterlassungsanspruch nicht hergeleitet werden kann. Mit einem neuen vergleichbaren Vorgehen der Arbeitgeberin ist angesichts dieser Umstände durchaus zu rechnen ist.

Nach alledem ist der geltend gemachte Unterlassungsanspruch gegeben.

3. Der Arbeitgeberin ist auch, wie beantragt, gemäß § 890 Abs. 2 ZPO für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen die Unterlassungsverpflichtung ein Ordnungsgeld anzudrohen. Dabei war die sich - mittelbar - aus § 23 Abs. 3 S. 5 BetrVG ergebende Obergrenze von EUR 10.000,00 zu beachten (vgl. dazu: BAG, Beschluss vom 27. Januar 2004 - 1 ABR 7/03 -).

Die Rechtsbeschwerde war nicht zuzulassen. Die sich bei der Entscheidung stellenden Rechtsfragen sind höchstrichterlich geklärt.

Ende der Entscheidung

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