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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht München
Urteil verkündet am 31.01.2005
Aktenzeichen: 11 Sa 712/04
Rechtsgebiete: JArbSchG, ArbGG, ZPO, BBiG, BGB


Vorschriften:

JArbSchG § 19
ArbGG § 64 Abs. 1
ArbGG § 64 Abs. 2 b
ArbGG § 64 Abs. 2 c
ZPO § 256 Abs. 1
ZPO § 269 Abs. 1
ZPO § 269 Abs. 2 Satz 1
BBiG § 3 Abs. 1
BBiG § 3 Abs. 2
BBiG § 3 Abs. 4
BBiG § 4
BBiG § 10 Abs. 1 Satz 1
BBiG § 12 Abs. 1 Nr. 2
BBiG § 15 Abs. 3
BBiG § 32
BGB § 126
BGB § 134
BGB § 139
BGB § 242
BGB § 615 Satz 1
BGB § 623
Zur Wirksamkeit eines Berufsausbildungsvertrages.
LANDESARBEITSGERICHT MÜNCHEN IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

11 Sa 712/04

Verkündet am: 31. Januar 2005

In dem Rechtsstreit

hat die Elfte Kammer des Landesarbeitsgerichts München auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 18. Januar 2005 durch den Richter am Arbeitsgericht Dyszak sowie die ehrenamtlichen Richter Ahl und Trautmann für Recht erkannt:

Tenor:

I. Auf die Berufung des Beklagten hin wird das Endurteil des Arbeitsgerichts Kempten vom 08.06.2004 - Az.: 1 Ca 1109/04 - unter Zurückweisung der Berufung im Übrigen in seiner Nr. 3, aufgrund der Teilklagerücknahme in seiner Nr. 2 abgeändert wie folgt:

"2. Es wird festgestellt, dass zwischen den Parteien vom 02.09.2003 bis 30.06.2004 ein Berufsausbildungsverhältnis zur Ausbildung der Klägerin zur Rechtsanwaltsfachangestellten bestand.

3. Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin Euro 3.186,67 brutto abzüglich Euro 300,00 netto zzgl. Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz aus Euro 386,67 brutto abzüglich Euro 300,00 netto seit 30.09.2003, aus jeweils Euro 400,00 seit dem 31.10.2003, 30.11.2003, 31.12.2003, 31.01.2004, 29.02.2004, 31.03.2004 und 30.04.2004 zu bezahlen."

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

II. Der Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten darüber, ob zwischen ihnen ein Berufsausbildungsverhältnis bestanden hat und die Klägerin hieraus Ausbildungsvergütung beanspruchen kann.

Die am 07.04.1988 geborene - und daher noch minderjährige - Klägerin war ab dem 02.09.2003 bis zum 11.06.2004 beim Beklagten, der sich als Rechtsanwalt betätigt, in dessen K. Kanzlei beschäftigt. Art und Umfang der Beschäftigung sind zwischen den Parteien streitig. Zwischen dem Beklagten und der Nebenintervenientin, der Rechtsanwaltskammer für den OLG-Bezirk M., sind seit geraumer Zeit Rechtsstreitigkeiten über einen von der Rechtsanwaltskammer beabsichtigten Entzug der Zulassung als Rechtsanwalt anhängig. Eine rechtskräftige Entscheidung ist bisher nicht ergangen.

Am 18.03.2003 unterzeichneten die Eltern der Klägerin als deren gesetzliche Vertreter und der Beklagte einen Formularvertrag über eine Ausbildung der Klägerin zur Rechtsanwaltsfachangestellten ab dem 02.09.2003. Wegen seines Inhalts wird auf die Anlage zur Sitzungsniederschrift vom 18.01.2005 Bezug genommen. Der Beklagte legte das Original dieses Vertrages in der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht vor, nachdem er einen vom Arbeitsgericht erlassenen Auflagenbeschluss noch missachtet hatte.

Nach Übersendung dieses Vertrages durch den Beklagten an die Rechtsanwaltskammer zur Eintragung in die Liste der Ausbildungsverhältnisse monierte die Rechtsanwaltskammer mit Schreiben vom 17.04.2003 (Bl. 47 d.A.), dass die Urlaubsdauer gem. § 19 Jugendarbeitsschutzgesetz für die zu Beginn des Kalenderjahres noch nicht 16 Jahre alte Klägerin mindestens 30 Werktage betragen und dies entsprechend in den Ausbildungsvertrag aufgenommen werden müsse.

Dies hatte der Beklagte bereits mit Schreiben vom 11.04.2003 auf einen telefonischen Hinweis seitens der Rechtsanwaltskammer abgelehnt und seine Ablehnung mit Schreiben vom 04.08.2003 wiederholt (Bl. 45 u. 49 d.A.).

In der Folge teilte der Beklagte in mehreren Schreiben der Rechtsanwaltskammer, u. a. mit Scheiben vom 24.10.2003 (Bl. 51 d.A.), mit, dass die Klägerin seit Anfang September 2003 die Berufsschule in Kempten besuche und als Azubi in seiner Kanzlei gemeldet sei, er aber mit der Klägerin keinen Ausbildungsvertrag abschließen könne, da die Rechtsanwaltskammer ihm die Zulassung entziehen wolle.

Nachdem die Rechtsanwaltskammer den Beklagten mit Schreiben vom 27.11.2003 unter Fristsetzung bis zum 15.12.2003 letztmals aufgefordert hatte, die vollständigen Ausbildungsverträge vorzulegen, antwortete der Beklagte hierauf mit Schreiben vom 28.11.2003 (Bl. 57 f. d.A.); darin führte er neben umfangreichen Vorwürfen u. a. auch folgendes aus:

"Heute ist der letzte Tag der Drei-Monats-Frist nach dem Standardvertrag um zu entscheiden, ob eine genehmigte Ausbildung durchgezogen oder abgebrochen wird. Der Vertrag ist zwar noch nicht genehmigt, doch werde ich mich vorsichtshalber an diese Frist halten, da ich die Rechtsprechung des Kemptener Arbeitsgerichts kenne.

Ich werde jener erklären, dass aufgrund des Verhaltens des Vorstandes der Anwaltskammer die Ausbildung nicht wahrgenommen werden kann und ihr raten, einen anderen Beruf zu wählen.

Ich kann hierauf nur eine letzte Frist auf

Heute, 12.00 Uhr

setzen, da der Nachmittag für die Verabschiedung freigehalten sein muss und Besprechungstermine angesetzt sind."

In der Folge war dann die Klägerin weiterhin in der Kanzlei des Beklagten tätig. Die Klägerin führte ein Ausbildungsnachweisheft, das vom Beklagten für die Zeit vom September 2003 bis Februar 2004 abgezeichnet wurde. Wegen der Einzelheiten wird auf das Nachweisheft (Anlage zur Sitzungsniederschrift vom 18.01.2005) Bezug genommen.

Außer einer im Oktober 2003 erfolgten Zahlung in Höhe von Euro 300,00 netto leistete der Beklagte keinerlei Zahlungen an die Klägerin.

Die Klägerin hat behauptet, sie sei seit Anfang September 2003 in die Kanzleiorganisation und den Ablauf und das Tätigkeitsfeld einer Rechtsanwaltsfachangestellten eingewiesen worden; dabei seien ihr u. a. Schreibarbeiten übertragen worden, sie sei unterwiesen worden, wie mit eingehender Post zu verfahren sei, ihr seien Fristen und deren Eintragung in den Fristenkalender vermittelt worden, ebenso der Umgang mit Mandanten in der Kanzlei und die Annahme von Telefonaten.

Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, dass die etwa fehlende Eintragung seitens der Rechtsanwaltskammer die Rechtswirksamkeit des geschlossenen Ausbildungsvertrages nicht berühre und ihr daher eine monatliche Ausbildungsvergütung gemäß den tariflichen Regelungen in Höhe von Euro 452,00 brutto zustünde.

Die Klägerin hat beantragt:

1. Es wird festgestellt, dass zwischen den Parteien seit 1. September 2003 ein Berufsausbildungsverhältnis zur Ausbildung der Klägerin als Rechtsanwaltsfachangestellte besteht.

2. Der Beklagte wird dazu verpflichtet, an die Klägerin 3.600,93 Euro brutto abzüglich erhaltender 300,00 Euro netto zzgl. Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz

aus 436,93 Euro brutto abzüglich 300,00 Euro netto ab dem 30.09.2003,

aus weiteren 452,00 Euro brutto ab 31.10.2003,

aus weiteren 452,00 Euro brutto ab 30.11.2003,

aus weiteren 452,00 Euro brutto ab 31.12.2003,

aus weiteren 452,00 Euro brutto ab 31.01.2004,

aus weiteren 452,00 Euro brutto ab 29.02.2004,

aus weiteren 452,00 Euro brutto ab 31.03.2004,

aus weiteren 452,00 Euro brutto ab 30.04.2004

zu bezahlen.

Die Nebenintervenientin hat sich dem Antrag der Klägerin angeschlossen.

Der Beklagte hat beantragt:

Klageabweisung.

Der Beklagte hat die Auffassung vertreten, dass aufgrund der nicht erfolgten Eintragung seitens der Rechtsanwaltskammer ein Ausbildungsvertrag zwischen ihm und der Klägerin nicht zustande gekommen sei. Einer "echten" Ausbildung habe auch entgegengestanden, dass die Rechtsanwaltskammer ihn aus gesundheitlichen Gründen für eine Ausbildung als nicht geeignet ansehe. Er hat zum Beleg dafür, dass eine Ausbildung der Klägerin nicht erfolgt sei, im Termin vor dem Arbeitsgericht K. vom 13.05.2004 auf einen von der Klägerin unter dem 12.05.2004 gefertigten Schriftsatz und die dort enthaltenen Falschbezeichnungen Bezug genommen.

Mit Endurteil vom 08.06.2004, dem Beklagten am 11.06.2004 zugestellt, hat das Arbeitsgericht Kempten die Nebenintervention zugelassen und auch in der Sache nach den Klageanträgen erkannt. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, dass zwischen den Parteien mit Wirkung vom 02.09.2003 ein Berufsausbildungsverhältnis zustande gekommen sei, weil der übliche Formularvertrag ausgefüllt und von beiden Seiten unterzeichnet worden sei. Die infolge der Auseinandersetzungen mit der Nebenintervenientin ggf. zweifelhafte Berechtigung zur Ausbildung berühre die Wirksamkeit des Vertrages nicht. Auch die Eintragung in das Ausbildungsverzeichnis sei kein Wirksamkeitserfordernis. Ein Beendigungstatbestand sei nicht ersichtlich. Die Klägerin habe damit auch einen Zahlungsanspruch in monatlicher Höhe von Euro 452,00 brutto. Der Beklagte habe nicht substanziiert vorgetragen, dass die Klägerin ihren Verpflichtungen nicht nachgekommen sei. Mit dem Vorbringen, die Klägerin sei nicht oder nicht umfangreich ausgebildet worden, könne er wegen Rechtsmissbrauchs nicht gehört werden. Die Höhe der geltend gemachten Vergütung sei nicht hinreichend bestritten, insbesondere weil der beidseits unterzeichnete Ausbildungsvertrag nicht vorgelegt worden sei.

Wegen der Einzelheiten wird auf das angegriffene Endurteil (Bl. 94 ff. d.A.) Bezug genommen.

Nach der Entscheidung des Arbeitsgerichts Kempten verweigerte der Beklagte der Klägerin den Zutritt zur Kanzlei. Während der Verhandlung über eine von der Klägerin beantragte einstweilige Verfügung am 30.06.2004 erklärte die Klägerin die fristlose Kündigung des Ausbildungsverhältnisses.

Der Beklagte wendet sich gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Kempten vom 08.06.2004 mit seiner am 24.06.2004 eingelegten und am 11.08.2004 begründeten Berufung, zuletzt aber nicht mehr gegen die Zulassung der Nebenintervention. Neben umfangreichen Schilderungen seiner Schwierigkeiten mit der Nebenintervenientin und deren mutmaßlichen Hintergründen führt er aus, dass er während der im Standardausbildungsvertrag vorgesehenen Probezeit über die vollständige Durchführung der Ausbildung habe entscheiden wollen. Er vertritt weiter die Meinung, dass der Ausbildungsvertrag mit Verweigerung der Genehmigung endgültig unwirksam geworden sei. Beide Parteien hätten das Rechtsverständnis gehabt, dass das Ausbildungsverhältnis nur dann zustande komme, wenn der Vertrag genehmigt werde. Er habe sich wegen des Verhaltens der Nebenintervenientin veranlasst gesehen, künftig nicht mehr auszubilden, und dem Vater der Klägerin erklärt, dass mit der Kammer noch ein Punkt zu klären sei und der Vertrag solange nicht abgeschlossen und herausgegeben werden könne. Damit sei entweder kein Vertrag zustande gekommen oder durch konkludentes Handeln der Rücktritt vom Vertrag erklärt worden. Der in Aussicht genommene Vertrag sei hilfsweise auch konkludent gekündigt worden. Ferner sei von seiner konkludenten Aufhebung auszugehen.

Der Beklagte vertritt weiter die Auffassung, der unterzeichnete Vertrag sei auch dann nicht maßgeblich, wenn die Genehmigung keine Wirksamkeitsvoraussetzung darstelle. Denn dann stehe mangels Erteilung der Genehmigung ein Verstoß gegen ein gesetzliches Verbot fest, was zur Unwirksamkeit des Vertrages führe. Der Beklagte gibt schließlich zu bedenken, dass sich die Klägerin bzw. ihre Eltern auch treuwidrig im Sinne eines "venire contra factum proprium" verhielten, weil Einverständnis mit der von ihm gewählten Vorgehensweise angesichts seiner Probleme mit der Rechtsanwaltskammer bestanden habe.

Die Klägerin sei ab September 2003 in seiner Kanzlei nicht ausgebildet worden, sondern habe ein unbezahltes Praktikum leisten dürfen, was der Berufsschule auch mitgeteilt worden sei. Es sei erst nach dem Urteil des Arbeitsgerichts Kempten beendet worden. Die Unterschriften als Ausbildender im Ausbildungsnachweisheft der Klägerin habe er nur geleistet, damit es mit der Schule keinen Ärger gebe. Die Euro 300,00 netto habe er als Vorschuss schon im zweiten Monat geleistet.

Der Beklagte beantragt zuletzt:

1. Das Endurteil des Arbeitsgerichts Kempten - 1 Ca 1109/04 - vom 08.06.2004 wird aufgehoben.

2. Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin beantragt zuletzt:

1. Die Berufung wird zurückgewiesen.

2. Das Urteil des Arbeitsgerichts Kempten wird mit der Maßgabe aufrechterhalten, dass die Feststellung des Bestehens des Ausbildungsverhältnisses auf den 30.06.2004 beschränkt werde.

Im Übrigen werde die Klage zurückgenommen.

Der Beklagte stimmt der Teilklagerücknahme zu, die Nebenintervenientin schließt sich den Anträgen der Klägerin an.

Die Klägerin hält die angegriffene Entscheidung für zutreffend. Lediglich aufgrund ihrer Eigenkündigung zum 30.06.2004 sei die Klage teilweise zurückzunehmen gewesen. Das Feststellungsinteresse bestehe gleichwohl fort, weil sie den Beklagten auch auf Schadensersatz in Anspruch nehmen wolle. Sie behauptet, dass zu keiner Zeit die Rede davon gewesen sei, dass sie als Praktikantin tätig werde. Im Übrigen tritt sie den Ausführungen des Arbeitsgerichts bei. Ergänzend hat sie im Termin vor dem Berufungsgericht ihr Ausbildungsnachweisheft vorgelegt.

Die Nebenintervenientin beschränkt sich darauf, sich den Darlegungen des Arbeitsgerichts und der Klägerin anzuschließen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung hat nur zu einem geringen Teil Erfolg.

I.

Die (verbliebenen) Berufungsanträge sind gem. § 64 Abs. 1, Abs. 2 b, c ArbGG statthaft und auch im Übrigen zulässig; insbesondere wurde das Rechtsmittel fristgerecht eingelegt und begründet (§§ 66 Abs. 1, 11 Abs. 2, 64 Abs. 6 ArbGG; §§ 519, 520 ZPO).

II.

Die Berufung ist im Wesentlichen unbegründet. Die verbliebene Feststellungsklage ist trotz der fristlosen Eigenkündigung der Klägerin zulässig und begründet. Hinsichtlich der Zahlungsklage hat das Rechtsmittel teilweise Erfolg, nämlich hinsichtlich der Forderungshöhe; denn es steht nunmehr fest, dass als monatliche Ausbildungsvergütung im ersten Ausbildungsjahr Euro 400,00 brutto vereinbart waren (§ 5 Nr. 1 des Berufsausbildungsvertrages v. 18.03.2003).

1. a) Das Feststellungsbegehren betrifft nur mehr den Zeitraum vom 02.09.2003 bis zum 30.06.2004, denn die Klägerin hat im Termin vom 18.01.2005 die Feststellungsklage im Übrigen mit Zustimmung des Beklagten und damit gem. § 269 Abs. 1, 2 Satz 1 ZPO wirksam zurückgenommen.

b) Die verbliebene Feststellungsklage ist zulässig. Insbesondere fehlt ihr nicht das Feststellungsinteresse gem. § 256 Abs. 1 ZPO.

Eine vergangenheitsbezogene Feststellungsklage ist zwar nur in engen Grenzen zulässig, nämlich nur dann, wenn sich aus der Feststellung noch Rechtsfolgen für die Gegenwart oder die Zukunft ergeben (so auch das Bundesarbeitsgericht in ständiger Rechtsprechung, vgl. Urteil v. 19.02.2003 - Az. 4 AZR 708/01 - unter I. der Entscheidungsgründe). Diesen Voraussetzungen ist hier aber genügt, weil die Klägerin unbestritten noch Schadensersatzansprüche gegen den Beklagten richten wird, die ersichtlich auf eine Verletzung der Ausbildungspflicht gestützt werden sollen. Dies rechtfertigt angesichts des Bestreitens des Beklagten, der lediglich von einem Praktikum ausgehen will, eine Klärung der Frage in der Sache.

c) Die Feststellungsklage ist auch begründet.

Mit der beiderseitigen Unterzeichnung des Vertrages vom 18.03.2003 wurde mit Wirkung zum 02.09.2003 ein Berufsausbildungsverhältnis zwischen den Parteien begründet, das die Ausbildung der Klägerin zur Rechtsanwaltsfachangestellten zum Inhalt hatte; es fand erst durch die fristlose Eigenkündigung der Klägerin zum 30.06.2004 sein Ende.

Das Berufungsgericht folgt den zutreffenden Erwägungen des Arbeitsgerichts unter III. 1. bis 3. der Entscheidungsgründe; hierauf wird Bezug genommen (§ 69 Abs. 2 ArbGG).

Die Berufungsangriffe geben lediglich Anlass zu folgenden Vertiefungen bzw. Ergänzungen:

aa) Zu Recht hat das Arbeitsgericht darauf hingewiesen, dass die sogenannte Genehmigung des Vertrages keine Wirksamkeitsvoraussetzung ist. Gem. § 3 Abs. 1 BBiG bedarf es zur Begründung eines Berufsausbildungsverhältnisses ausschließlich eines Vertragsschlusses. Die Ablehnung der Eintragung in das Verzeichnis gem. § 32 BBiG hat keine unmittelbaren Auswirkungen auf die Wirksamkeit dieses Berufsausbildungsvertrages (vgl. Leinemann/Taubert, Kommentar zum Berufsbildungsgesetz, 2002, § 32 Rn. 34 m.w.Nachw.).

Dass eine Einigung der Parteien zum wirksamen Vertragsabschluss ausreicht, ist auch § 4 BBiG zu entnehmen, der tatbestandlich die Möglichkeit voraussetzt, dass ein Ausbildungsvertrag wirksam ohne Einhaltung einer Form begründet werden kann.

bb) Unbeachtlich ist auch der Hinweis des Beklagten auf den Streit mit der Nebenintervenientin über den Entzug seiner Anwaltszulassung. Denn nach § 3 Abs. 4 BBiG berührt ein Mangel in der Berechtigung, auszubilden, die Wirksamkeit eines Berufsausbildungsvertrages nicht.

cc) An einem wirksamen Berufsausbildungsvertrag fehlt es auch nicht deshalb, weil er unter der aufschiebenden Bedingung einer Genehmigung durch die Rechtsanwaltskammer geschlossen wurde und diese nicht eingetreten ist (§ 158 Abs. 1 BGB); denn die Parteien haben keine entsprechende Abrede getroffen. Der Text des schriftlichen Vertrages enthält keine Bedingung. Insbesondere ist unter § 11 ("Sonstige Vereinbarung") lediglich eine von § 1 Abs. 2 abweichende Dauer der Probezeit nebst Regelung der Kündigungsfrist enthalten. Der Beklagte behauptet auch keine ergänzende mündliche Vereinbarung, sondern weist lediglich auf ein entsprechendes "Rechtsverständnis" der Parteien hin. Dies ist unbehelflich, denn ein gemeinsamer Rechtsirrtum über die Bedeutung der Genehmigung stellt noch keine rechtsgeschäftliche Abrede dar (§§ 133, 157 BGB).

dd) Unzutreffend ist auch die Erwägung des Beklagten, mit Verweigerung der Eintragung stehe ein gesetzlicher Verstoß und somit die Nichtigkeit des unterzeichneten Vertrages gem. § 134 BGB fest. Eine Unwirksamkeit des von der Rechtsanwaltskammer beanstandeten § 6 Nr. 2 des Ausbildungsvertrages führt nicht zur Gesamtnichtigkeit. Denn für den Berufsausbildungsvertrag gilt wie für den Arbeitsvertrag (§ 3 Abs. 2 BBiG), dass § 139 BGB keine Anwendung findet, weil hierdurch der bezweckte Schutz des Auszubildenden bzw. des Arbeitnehmers zunichte gemacht würde (vgl. nur Schaub, Arbeitsrechtshandbuch, 11. Aufl. 2005, § 35 Rn. 12).

ee) Der somit wirksam zustandegekommene Berufsausbildungsvertrag wurde vor der Eigenkündigung der Klägerin nicht aufgelöst. Es fehlt mangels schriftlicher Willenserklärungen, die auch der Beklagte nicht behauptet, an einem wirksamen Beendigungstatbestand. Konkludentes Handeln vermag keine Wirkungen zu entfalten (§ 125 Satz 1 BGB), weil § 15 Abs. 3 BBiG für Kündigungen und § 3 Abs. 2 BBiG i.V.m. § 623 BGB für Aufhebungsverträge Schriftform gem. § 126 BGB vorsehen (vgl. Leinemann/Taubert, § 15 BBiG, Rn. 3 u. Rn. 122).

ff) Soweit der Beklagte auf eine Beendigung durch konkludent erklärten Rücktritt abstellen will, übersieht er bereits, dass dieses Rechtsinstitut bei Dauerschuldverhältnissen durch die Kündigung verdrängt wird (vgl. APS - Preis, 2. Aufl. 2004, Grundlagen K, Rn. 73).

gg) Auch die Rüge des venire contra factum proprium verhilft dem Rechtsmittel nicht zum Erfolg.

§ 242 BGB verbietet widersprüchliches Verhalten nur dann, wenn für den anderen Teil ein Vertrauenstatbestand geschaffen wurde oder wenn andere besondere Umstände die Rechtsausübung als treuwidrig erscheinen lassen (vgl. nur Palandt-Heinrichs, 64. Aufl. 2005, § 242 BGB, Rn. 55 m.w.Nachw.). Schutzwürdiges Vertrauen des Beklagten konnte hier schon deshalb nicht entstehen, weil Arbeitnehmer und Auszubildende in der Probezeit regelmäßig vor rechtlichen Auseinandersetzungen mit ihrem Vertragspartner zurückscheuen. Umstände, die einen Verstoß gegen § 242 BGB gleichwohl begründen würden, sind vom Beklagten nicht vorgetragen.

2. Die Zahlungsklage ist nur zum Teil begründet. Der Beklagte schuldet der Klägerin Euro 3.186,67 brutto abzüglich bezahlter Euro 300,00 netto nebst gesetzlichen Verzugszinsen.

a) Der Anspruch findet seine Grundlage in § 5 des Ausbildungsvertrages i.V.m. § 10 Abs. 1 Satz 1 BBiG, ab dem 11.06.2004 i.V.m. § 615 Satz 1 BGB.

Dieser findet - ungeachtet des § 12 Abs. 1 Nr. 2 BBiG - auf Ausbildungsverhältnisse Anwendung, wenn der Ausbildende eine unwirksame Kündigung erklärt hat (vgl. BAG, Urteil v. 15.03.2000 - Az. 5 AZR 622/98). Nichts anderes kann gelten, wenn der Ausbildende einen wirksam geschlossenen Vertrag außer Vollzug setzt, etwa indem er - wie hier - den Zutritt zum Betrieb verweigert.

Ohne Erfolg wendet der Beklagte ein, die Klägerin sei nur als Praktikantin, nicht aber als Auszubildende tätig geworden. Dieser Vortrag ist schon angesichts des vom Beklagten abgezeichneten Ausbildungsnachweisheftes nicht nachzuvollziehen. Letztlich geht das Vorbringen des Beklagten nicht über die Behauptung hinaus, er habe sich nicht mit der früher gezeigten Intensität um die Vermittlung von Kenntnissen bemüht.

b) Die Höhe des Anspruchs beträgt nach § 5 Nr. 1 des Ausbildungsvertrages monatlich 400,00 Euro brutto, weil der streitgegenständliche Zeitraum in das erste Ausbildungsjahr fällt.

Diese Klausel ist nicht gem. § 139 BGB in Verbindung mit § 10 Abs. 1 Satz 1 BBiG unwirksam; sie sieht keine unangemessen geringe Vergütung vor. Die Abweichung von der tariflichen Vergütung gem. § 4 Nr. 1 des Tarifvertrages vom 01.12.1992 über Gehälter/Ausbildungsentgelte in Rechtsanwaltskanzleien im OLG-Bezirk M., die 885,00 DM (entsprechend Euro 452,49) beträgt, ist noch hinzunehmen, weil sie ausreicht, das Bestreiten der Lebenshaltungskosten zu unterstützen und eine Mindestentlohnung für die Leistungen der Klägerin zu gewährleisten (vgl. Leinemann/Taubert, § 10 BBiG, Rn. 10 m.w.Nachw.). Eine Ersetzung der Vertragsklausel durch die tarifliche Regelung kommt somit nicht in Betracht; insoweit war das Endurteil des Arbeitsgerichts abzuändern und die weitergehende Klage abzuweisen.

Der Vortrag des Beklagten zur vereinbarten Höhe der Ausbildungsvergütung konnte trotz des Umstands, dass er erst im Termin vor dem Berufungsgericht erfolgte, nicht unberücksichtigt bleiben. Eine Zurückweisung nach § 67 Abs. 2, Abs. 3 oder Abs. 4 ArbGG war schon deshalb ausgeschlossen, weil der Rechtsstreit nicht verzögert wurde. Die §§ 530 und 531 ZPO finden trotz § 64 Abs. 6 ArbGG keine Anwendung, weil § 67 ArbGG eine abschließende Sonderregelung darstellt.

c) Der Zinsanspruch ergibt sich aus § 288 Abs. 1 BGB.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. Trotz des teilweisen Unterliegens der Klägerin waren die Kosten nach dem Gedanken des § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO nicht nach § 92 Abs. 1 ZPO aufzuteilen.

IV.

Die Zulassung der Revision war nicht veranlasst, weil die Voraussetzungen von § 72 Abs. 2 ArbGG nicht vorliegen.

Das Rechtsmittel der Revision ist daher nur statthaft, wenn es vom Bundesarbeitsgericht, Hugo-Preuss-Platz 1, 99084 Erfurt zugelassen wird. Auf die Möglichkeit der Nichtzulassungsbeschwerde gem. § 72 a ArbGG wird der Beklagte hingewiesen.

Ende der Entscheidung

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