Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht München
Beschluss verkündet am 12.06.2007
Aktenzeichen: 10 Ta 229/05
Rechtsgebiete: ZPO, RVG


Vorschriften:

ZPO § 121
RVG § 33
RVG § 56
1. Ein auswärtiger Rechtsanwalt kann im Wege der Prozesskostenhilfe nur unter den Bedingungen eines am Gerichtsort ansässigen Rechtsanwalts beigeordnet werden.

2. Enthält der Beiordnungsbeschluss keine Einschränkung, ist dennoch davon aus- zugehen, dass dem auswärtigen Rechtsanwalt Terminsreisekosten gegen die die Staatskasse nicht zu erstatten sind.

3. Die Beiordnung eines Verkehrsanwalts kommt nur bei einer schreibungewandten Partei oder bei großer Entfernung zwischen Gerichtssitz und Wohnort der Partei in Betracht.


LANDESARBEITSGERICHT MÜNCHEN BESCHLUSS

10 Ta 229/05

In Sachen

hat die 10. Kammer des Landesarbeitsgerichts München durch den Vizepräsidenten Moeller am 12. Juni 2007 ohne mündliche Verhandlung beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde des Prozessbevollmächtigten des Klägers gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts München vom 10.05.2005 (Az. 26 Ca 17362/04) wird zurückgewiesen.

Gründe:

I.

Die Beteiligten streiten im Kostenfestsetzungsverfahren über die Höhe der dem Prozessbevollmächtigten des Klägers aus der Staatskasse zu erstattenden Vergütung.

Der in wohnhafte Kläger war seit 06.10.2003 bei der Beklagten, die in ein Transportunternehmen betreibt, als Kraftfahrer beschäftigt.

Dem Kläger ist für eine Kündigungsschutzklage auf Feststellung der Beendigung des Arbeitsverhältnisses statt dem 15.10.2004 erst am 30.10.2004 sowie eine Klage auf Bezahlung von € 4.774,50 brutto vor dem Arbeitsgericht München durch Beschluss des Arbeitsgerichts vom 02.02.2005 Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlung bewilligt und sein in niedergelassener Rechtsanwalt beigeordnet worden. Das Verfahren hat durch einen Vergleich gemäß § 278 Abs. 6 ZPO vom 09.03.2005 sein Ende gefunden.

Mit Schriftsatz vom 14.04.2005 hat der Prozessbevollmächtigte des Kläger die Festsetzung der ihm aus der Staatskasse zu erstattenden Gebühren aus dem vom Gericht festgesetzten Streitwert von € 5.619,50 auf € 1.094,46 beantragt. Die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle hat dem Antrag nur in Höhe von € 936,70 entsprochen. Die Festsetzung vom Prozessbevollmächtigten geltend gemachter Fahrtkosten in Höhe von € 96,-- sowie Tage- und Abwesenheitsgeld in Höhe von €40,-- nebst Mehrwertsteuer hat sie abgelehnt.

Dagegen hat der Prozessbevollmächtigte des Klägers mit einem am 02.05.2005 beim Arbeitsgericht München eingegangenen Schriftsatz Erinnerung eingelegt. Zur Begründung hat er vorgetragen, er sei nicht zu den Bedingungen eines beim Prozessgericht zugelassenen Rechtsanwalts beigeordnet worden. Dazu sei er auch nicht befragt worden. Daher seien seine Reisekosten zu erstatten.

Das Arbeitsgericht München hat durch Beschluss vom 10.05.2005 die Erinnerung des Prozessbevollmächtigten des Klägers zurückgewiesen und die sofortige Beschwerde zugelassen.

Gegen den dem Prozessbevollmächtigten des Klägers am 13.05.2005 zugestellten Beschluss hat dieser mit einem am 19.05.2005 beim Arbeitsgericht München eingegangenen Schriftsatz sofortige Beschwerde eingelegt, der die Kammervorsitzende des Arbeitsgerichts nicht abgeholfen und sie dem Beschwerdegericht zur Entscheidung vorgelegt hat.

II.

1. Die Beschwerde des Prozessbevollmächtigten des Klägers gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts München vom 10.05.2005 ist gemäß § 56 Abs. 2 RVG i. V. m. § 33 Abs. 3 RVG statthaft und auch sonst zulässig (§ 33 Abs. 3 Satz 3 RVG). Zwar wird der Wert des Beschwerdegegenstands von € 200,-- offensichtlich nicht erreicht. Das Arbeitsgericht hat die sofortige Beschwerde jedoch zugelassen (§ 33 Abs. 3 Satz 2 RVG). Daran ist das Beschwerdegericht gebunden (§ 33 Abs. 4 Satz 4 RVG).

2. Die Beschwerde ist jedoch unbegründet.

Das Arbeitsgericht hat die Erinnerung des Prozessbevollmächtigten des Klägers zu Recht zurückgewiesen. Denn, dass die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle des Arbeitsgerichts es abgelehnt hat, Reisekosten und Abwesenheitsgeld für die Wahrnehmung eines Termins in München festzusetzen, ist nicht zu beanstanden.

a) Die für Kostensachen zuständige Beschwerdekammer des Landesarbeitsgerichts München hat bereits in ihrem Beschluss vom 20.02.2002 (Az.: 10 Ta 325/00 = MDR 2002, 1277) im Einzelnen begründet, dass ein vor dem Arbeitsgericht postulationsfähiger Rechtsanwalt, der seine Kanzlei nicht am Gerichtsort hat, keinen Anspruch auf Erstattung von Reisekosten für die Fahrten zwischen Kanzlei und Gerichtssitz hat, auch wenn er auf Wunsch der Partei im Wege der Prozesskostenhilfe beigeordnet ist. Dies muss nicht im Bewilligungsbeschluss festgestellt werden, da sich diese Rechtsfolge unmittelbar aus dem Gesetz ergibt. Die Erstattung der Kosten, auf die der Anwalt schon nach dem Gesetz keinen Anspruch hat, bedarf nicht des Ausschlusses im Bewilligungsbeschluss. Entgegen der Auffassung des Prozessbevollmächtigten des Klägers ist dazu auch keine ausdrückliche Zustimmung des Prozessbevollmächtigten erforderlich. Denn der für den Fall der Bewilligung von Prozesskostenhilfe gestellte Beiordnungsantrag eines nicht beim Prozessgericht niedergelassenen Rechtsanwalts enthält regelmäßig ein konkludentes Einverständnis mit einer dem Mehrkostenverbot des § 121 Abs. 3 ZPO entsprechenden Einschränkung der Beiordnung nur zu den Bedingungen eines am Prozessgericht zugelassenen Rechtsanwalts (vgl. BGH Rpfl. 2007, 83). Wenn ein auswärtiger Rechtsanwalt seine Beiordnung beantragt, muss er davon ausgehen, dass seinem Antrag nur im gesetzlich zulässigen Umfang stattgegeben wird (vgl. BAG NJW 2005, 3083; LAG Rheinland-Pfalz NZA-RR 2006, 213).

b) Auch wenn der Beiordnungsbeschluss keine ausdrückliche Beschränkung enthält, schließt dies einen Anspruch auf Terminsreisekosten gegen die Staatskasse aus. Die Beschwerdekammer sieht auch hier weiterhin keinerlei Anlass, von dieser Auffassung, die in der Entscheidung vom 20.02.2002 im Einzelnen unter Fortführung der bisherigen Rechtsprechung nochmals ausführlich begründet wurde und in den Beschlüssen vom 15.03.2006 (10 Ta 333/04), 02.11.2005 (10 Ta 196/04), 30.04.2004 (10 Ta 86/04), 09.05.2003 (10 Ta 27/03) und 26.09.2003 (10 Ta 347/03) nochmals bestätigt wurde, abzuweichen. Diese Auffassung der Kammer wird - auch in neuester Zeit - von großen Teilen der Rechtsprechung (vgl. z.B. KG Beschl. vom 07.04.2005 - 16 WF 21/05; OLG Schleswig MDR 2005, 538; OLG Naumburg MDR 2002, 177; LAG Hamm MDR 2001, 1322; OLG Celle MDR 2000, 1038; OLG Brandenburg RPfl. 2000, 279) und in der Literatur (vgl. MünchKomm - ZPO/Wax 2. Aufl. § 121 Rz. 11; Kalthoener/Büttner/Wrobel-Sachs Prozesskostenhilfe und Beratungshilfe 3. Aufl. Rn. 744) geteilt. Dabei wird nicht verkannt, dass - auch in neuerer Zeit - eine gegenteilige Auffassung vertreten wird (vgl. z.B. KG MDR 2004, 474; LAG Sachsen-Anhalt NZA-RR 2004, 211; OLG Oldenburg JurBüro 2004, 324). Dieser Auffassung kann jedoch nicht gefolgt werden. Sie ist weder mit dem Wortlaut von § 121 Abs. 3 ZPO noch mit dem Sinn der Kostenerstattung im Prozesskostenhilfeverfahren vereinbar. Sie beruht zudem auf dem tief greifenden Missverständnis einer Bindung an den Bewilligungsbeschluss. Dies hat das Beschwerdegericht zuletzt noch in seinem Beschluss vom 02.11.2005 (10 Ta 196/04) ausführlich begründet. Daran wird festgehalten.

c) Zwar ist nach der neueren höchstrichterlichen Rechtsprechung stets zu prüfen, ob besondere Umstände vorliegen, nach denen der Partei ein Anwalt zur Vermittlung des Verkehrs mit dem Prozessbevollmächtigten gemäß § 121 Abs. 4 ZPO beigeordnet werden kann (vgl. BGH Rpfl. 2007, 83; BAG NJW 2005, 3083). Dies ist der Fall, wenn die Partei schreibungewandt ist und ihr auch eine Informationsreise zu einem Rechtsanwalt am Sitz des Prozessgerichts nicht zugemutet werden kann oder wenn der Partei eine schriftliche Information wegen des Umfangs, der Schwierigkeit und der Bedeutung der Sache nicht zuzumuten ist und eine persönliche Information unverhältnismäßigen Aufwand verursacht (vgl. Madert/Müller-Rabe NJW 2006, 1928), etwa bei größerer Entfernung zwischen Wohnort der Partei und dem Gericht (vgl. BAG NZA 2005, 1078). Derartige besondere Umstände sind hier jedoch zu verneinen. Dagegen, dass der Kläger nicht in der Lage wäre, wegen Schreibungewandtheit seinen Prozessbevollmächtigten zu informieren, spricht bereits sein vorgerichtliches Schreiben an die Beklagte vom 18.10.2004 (Bl. 5 d. A.). Dagegen, dass dem Kläger eine Informationsreise zu einem Rechtsanwalt am Sitz des Prozessgerichts unzumutbar wäre, spricht bereits, dass die Entfernung von seinem Wohnort zum Prozessgericht kürzer ist, als die Entfernung vom Wohnort zum Sitz des Arbeitsgerichts. Daher muss es dabei verbleiben, dass die Reisekosten nicht zu erstatten sind.

3. Das Verfahren ist kostenfrei (§ 56 Abs. 2 Satz und 3 RVG). Die Entscheidung ist unanfechtbar (§ 56 Abs. 2 Satz 1 RVG i. V. m. § 33 Abs. 4 Satz 3 RVG).

Ende der Entscheidung

Zurück