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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht München
Urteil verkündet am 21.09.2004
Aktenzeichen: 11 Sa 29/04
Rechtsgebiete: InsO, UmwG, KSchG, BetrVG


Vorschriften:

InsO § 113 Abs. 1
UmwG § 323
KSchG § 1 Abs. 3
BetrVG § 102
1. Eine Betriebsvereinbarung gilt nach einer Ausgliederung auch dann kollektivrechtlich weiter, wenn der vorherige Betrieb nach der Ausgliederung mit gemeinsamer Leitung weiter geführt wird.

2. Die Schutzvorschrift des § 323 Abs. 1 UmwG macht eine in einer Betriebsvereinbarung aus der Zeit vor der Umwandlung enthaltene Beschäftigungsgarantie nicht "insolvenzfest".

3. Wird ein Betrieb eines beteiligten Unternehmens, das Teil eines Gemeinschaftsbetriebs war, stillgelegt, wird der Gemeinschaftsbetrieb aufgelöst mit der Folge, dass keine unternehmensübergreifende Sozialauswahl mehr veranlasst ist.

4. Der Begriff der kündigungsrechtlichen Stellung in § 323 Abs. 1 UmwG umfasst als Besitzstandsregelung nicht die kündigungsrechtliche Position "Soziale Auswahl" im Zeitpunkt der Spaltung.


LANDESARBEITSGERICHT MÜNCHEN IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

11 Sa 29/04

Verkündet am: 21. September 2004

In dem Rechtsstreit

hat die Elfte Kammer des Landesarbeitsgerichts München auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 7. September 2004 durch den Richter am Arbeitsgericht Holzer sowie die ehrenamtlichen Richter Stegmann und Jürgens für Recht erkannt:

Tenor:

1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Endurteil des Arbeitsgerichts München vom 28. Oktober 2003 - 18b Ca 2486/02 I - abgeändert und die Klage abgewiesen.

2. Die Klagepartei trägt die Kosten des Rechtsstreits.

3. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit der betriebsbedingten Kündigung vom 28.11.2002 zum 31.01.2003.

Die 40-jährige Klagepartei war seit dem 01.05.1995 bei der Fa. D. und A. (= früherer Arbeitgeber) in I. als Kontoristin im Druckereibereich zu einem Monatsbruttolohn in Höhe von zuletzt € 1230,-- beschäftigt.

Auf Grund eines Gesellschafterbeschlusses vom 13.08.2001 der früheren Arbeitgeberin wurden aus dem Unternehmen drei rechtlich selbstständige Tochterunternehmen nach dem Umwandlungsgesetz ausgegliedert. Die frühere Arbeitgeberin blieb als Holding - Gesellschaft bestehen. Es entstanden die Fa. D., die Fa. A. und für den Bereich der Druckerei, in dem die Klagepartei beschäftigt war, die Fa. C. (= Insolvenzschuldnerin) als eigenständige Unternehmen. Vor der Spaltung hatte die frühere Arbeitgeberin mit dem Betriebsrat am 25.04.2001 eine Betriebsvereinbarung Nr. 03/2001 zur Regelung der Arbeitszeit im Rahmen einer Jahresarbeitszeit im Bereich Akzidenz vereinbart. Diese hatte eine Laufzeit vom 01.10.2001 bis 30.06.2003 unter Ausschluss einer Nachwirkung.

Ziff. 7.) "Beschäftigungsgarantie" lautet:

" Den Arbeitnehmern, die unter den Geltungsbereich dieser Betriebsvereinbarung fallen, wird für die Dauer von zwei Jahren, beginnend mit dem Tag, an dem diese Betriebsvereinbarung in Kraft tritt, eine Beschäftigung garantiert. In dieser Zeit dürfen aus betriebsbedingten Gründen lediglich Änderungskündigungen ausgesprochen werden. Verhaltens- und personenbedingte Kündigungen bleiben uneingeschränkt zulässig. Eine Nachwirkung ist ausgeschlossen."

Auf Grund wirtschaftlicher Schwierigkeiten der Insolvenzschuldnerin musste am 19.09.2002 Insolvenzantrag gestellt werden. Der Beklagte wurde zum vorläufigen Insolvenzverwalter bestellt. Das Insolvenzverfahren wurde vom Amtsgericht I. vom 28.11.2002, 12.00 Uhr eröffnet und der Beklagte zum Insolvenzverwalter bestellt.

Mit Schreiben vom 19.11.2002 - unterzeichnet vom Beklagten als vorläufigen Insolvenzverwalter sowie dem Geschäftsführer L. der Insolvenzschuldnerin - war der Betriebsrat zur beabsichtigten Kündigung aller Mitarbeiter wegen der geplanten Betriebsstilllegung zum 31.03.2003 angehört worden. Am 28.11.2002 schlossen der Beklagte als Insolvenzverwalter und der Betriebsrat der Insolvenzschuldnerin einen Interessenausgleich mit Namensliste, auf der auch die Klagepartei aufgeführt war.

§ 3 "Frühere Vereinbarungen" lautet:

" Es wird vorsorglich vereinbart, dass frühere Vereinbarungen, die dem Sinn und Zweck dieser Vereinbarung entgegenstehen, außer Kraft treten und durch diese Vereinbarung ersetzt werden."

Das auf den 28.11.2002 datierte Kündigungsschreiben wurde vom Beklagten unterzeichnet und am 29.11.2002 abgeschickt.

Wegen des unstreitigen Sachverhalts im Übrigen und des streitigen Vorbringens sowie der Anträge der Parteien im ersten Rechtszug wird auf den Tatbestand des Endurteils des Arbeitsgerichts München vom 28.10.2003 Bezug genommen.

Das Arbeitsgericht gab der Klage statt, weil die Kündigung gegen § 323 Abs. 1 UmwG verstoßen habe. Nach Meinung des Arbeitsgerichts sei für die Prüfung der sozialen Auswahl und der Weiterbeschäftigungsmöglichkeit auf den Zeitpunkt vor der Ausgliederung abzustellen. § 323 Abs. 1 UmwG sei als umfassendes gesetzliches Verschlechterungsgebot zu verstehen. Hiervon würden auch kollektivrechtliche Vereinbarungen, die den Kündigungsschutz verbessern würden, fallen. Damit hätte der Beklagte bei der sozialen Auswahl alle noch beschäftigten Arbeitnehmer des ursprünglichen vor der Ausgliederung bestehenden Betriebes mit einbeziehen müssen. Es sei zu keiner wirksamen Aufhebung des Kündigungsverbotes in der Betriebsvereinbarung vom 25.04.2001 gekommen. § 323 Abs. 1 UmwG gelte auch im Insolvenzfall. Somit sei die Kündigung wegen fehlender Sozialauswahl unwirksam.

Gegen dieses der Beklagten am 22.12.2003 zugestellte Endurteil hat diese mit einem am 12.01.2004 beim Landesarbeitsgericht München eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt. Diese wurde mit einem fristgerecht am 20.02.2004 eingegangenen Schriftsatz begründet.

Der Beklagte trägt vor, dass die Betriebsvereinbarung vom 25.04.2001 durch die Regelung in § 3 des Interessenausgleiches vom 28.11.2002 aufgehoben worden sei. Außerdem hätte das Kündigungsverbot wegen der Sonderregelungen in der Insolvenz nicht beachtet werden müssen, da der Insolvenzverwalter gem. § 113 InsO jedes Arbeitsverhältnis mit einer Höchstfrist von drei Monaten kündigen könne. Der Beklagte führt weiter aus, es könne auch im Zeitpunkt der Kündigung von keinem Gemeinschaftsbetrieb der verschiedenen Unternehmen mehr ausgegangen werden. Auf Grund Eröffnung der Insolvenz und der beabsichtigten Betriebsstilllegung sei der früher bestehende Gemeinschaftsbetrieb aufgelöst worden. Es habe deshalb keine übergreifende Sozialauswahl durchgeführt werden müssen. Dies könne auch nicht aus § 323 UmwG abgeleitet werden. Außerdem sei zu beachten, dass das Verschlechterungsgebot gem. § 323 Abs. 1 UmwG nur für solche Verschlechterungen gelte, die kausal auf die Umwandlung zurückzuführen seien. Dies sei im vorliegenden Fall zu verneinen. Die Betriebsstilllegung erfolge ausschließlich wegen der Insolvenz.

Der Beklagte beantragt:

Das Urteil des Arbeitsgerichts München - Kammer Ingolstadt - vom 28.10.2003 (Az.: 18b Ca 2486/02 I) wird abgeändert und nach den Schlussanträgen erster Instanz erkannt.

Die Klagepartei beantragt:

Die Berufung des Beklagten wird zurückgewiesen.

Sie trägt vor, dass das Arbeitsgericht zu Recht den § 323 Abs. 1 UmwG als Schutz vor einer Verschlechterung bei der Umwandlung angesehen habe. Es könne nicht davon ausgegangen werden, dass im Interessenausgleich vom 28.11.2002 die Betriebsvereinbarung vom 25.04.2001 wirksam aufgehoben werden habe können. Es sei auch nicht zutreffend, dass der bis zur Insolvenz bestehende gemeinsame Betrieb durch die beabsichtigte Stilllegung des Druckereibetriebes aufgelöst worden sei. Es habe vielmehr gerade wegen des Schutzes nach § 323 Abs. 1 UmwG auch im Insolvenzfall eine umfassende Sozialauswahl vorgenommen werden müssen. Da diese unterblieben sei, habe das Arbeitsgericht die Kündigung zu Recht als unwirksam angesehen.

Wegen des Sachvortrags der Parteien im Berufungsrechtszug wird im Übrigen Bezug genommen auf deren Schriftsätze sowie die Sitzungsniederschrift vom 07.09.2004.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung des Beklagten ist in der Sache erfolgreich.

I.

Die gem. § 64 Abs. 2 ArbGG statthafte Berufung ist form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden und daher zulässig (§§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 S. 1 ArbGG, 519, 520 ZPO).

II.

Die Berufung ist auch begründet. Das Arbeitsverhältnis der Klagepartei wurde durch die betriebsbedingte Kündigung vom 28.11.2002 rechtwirksam zum 31.01.2003 aufgelöst.

1. Die streitgegenständliche Kündigung vom 28.11.2002 ist sozial gerechtfertigt gem. § 1 Abs. 2 KSchG, weil sie durch betriebliche Gründe bedingt ist.

1.1 Die Kündigung ist nicht wegen der Beschäftigungsgarantie in Ziff. 7.) der Betriebsvereinbarung Nr. 03/2001 vom 25.04.2001 ausgeschlossen.

1.1.1 Die Betriebsvereinbarung vom 25.04.2001 zwischen der früheren Arbeitgeberin der Klagepartei und deren Betriebsrat bestand auch nach der Spaltung im Jahr 2001 kollektivrechtlich weiter. Unstreitig wurde nach der Ausgliederung der vorherige Betrieb mit gemeinsamer Leitung fortgeführt. Dies ergibt sich zum einen aus den Regelungen im Übernahmevertrag der beteiligten Unternehmen (Seite 21 ff.) sowie zum anderen aus § 322 BGB. Die Organisation des vorherigen Betriebes, insbesondere die Führungsstruktur, wurde nicht maßgeblich geändert. Deshalb blieb auch der vorherige Betriebsrat im Amt, da keine Neuwahl wegen einer Spaltung des Betriebes notwendig war. Es kam zu keiner individualrechtlichen Fortgeltung der Bestimmungen der Betriebsvereinbarung gem. § 613a Abs. 1 S. 2 BGB i. V. mit § 324 UmwG, weil die Betriebsvereinbarung auf Grund des Fortbestandes des Betriebes und Betriebsratsmandates kollektivrechtlich weiter galt.

Der Betriebsrat war berechtigt, mit dem Beklagten am 28.11.2002 einen Interessenausgleich abzuschließen, obwohl zu diesem Zeitpunkt kein gemeinsamer Betrieb mit den anderen Unternehmen mehr bestand (vgl. unten Ziff. 1.3.1). Auf Grund der Auflösung des gemeinsamen Betriebes behielt der bisherige Betrieb gem. § 21 b BetrVG ein Restmandat, das ihn zu allen Aufgaben im Zusammenhang mit der beabsichtigten Stilllegung berechtigte.

Der Betriebsrat war deshalb befugt, die Betriebsvereinbarung vom 25.04.2001 einvernehmlich mit der Arbeitgeberseite aufzuheben. Zwischen den Parteien ist streitig, ob aus Ziff. 3.) des Interessenausgleiches vom 28.11.2002 eine solche Aufhebung der Betriebsvereinbarung samt Beschäftigungsgarantie gefolgert werden kann. Der mit dem Interessenausgleich verfolgte Zweck der Betriebsstilllegung spricht dafür, dass das frühere Verbot betriebsbedingter Kündigungen beseitigt werden sollte, da dieses einer Stilllegung mit der Kündigung aller Mitarbeiter entgegenstand. Letztlich kann diese Frage dahingestellt bleiben, weil die Beschäftigungsgarantie im Insolvenzverfahren nicht bestandsfest war.

1.1.2 Bei Fortbestehen der Beschäftigungsgarantie gem. Ziff. 7.) der Betriebsvereinbarung vom 25.04.2001 könnte sich die Klagepartei gegen § 113 S. 1 InsO darauf nicht berufen.

Die Kündigung wurde nach Insolvenzeröffnung am 28.11.2002, 12.00 Uhr vom Beklagten unterzeichnet und auch abgeschickt, nämlich am 29.11.2002.

Das Sonderkündigungsrecht des Insolvenzverwalters gem. § 113 InsO schließt nicht nur individualrechtlich vereinbarte Kündigungsverbote aus, vielmehr werden davon auch tarifrechtliche Kündigungsverbote sowie betriebsverfassungsrechtliche Kündigungsschutzregelungen erfasst (vgl. BAG, AP Nr. 3 und Nr. 5 zu § 113 InsO; MünchKommInso, Löwisch/Caspers, Rz. 17 ff. zu § 113 InsO; Kübler/Prütting/Moll, Rz. 56 a zu § 113 InsO).

1.1.3 Die Klagepartei kann sich auch nicht wegen der Schutzvorschrift des § 323 Abs. 1 UmwG auf eine "insolvenzfeste" Fortgeltung der Beschäftigungsgarantie bis zum 28.11.2002 berufen.

§ 323 Abs. 1 UmwG ist eine Besitzstandsregelung für die Arbeitnehmer, da deren kündigungsrechtliche Stellung im Falle einer Umwandlung (hier Ausgliederung) für die Dauer von zwei Jahren nicht verschlechtert werden soll.

Die kündigungsrechtliche Stellung i. S. d. § 323 Abs. 1 UmwG umfasst kündigungsrechtliche Rechtspositionen des Arbeitnehmers wie Kündigungsfrist, Anwendbarkeit des Kündigungsschutzgesetzes, Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten ebenso wie Kündigungsverbote (vgl. KR-Friedrich, Rz. 40 ff. zu §§ 322 ff. UmwG; Luther/Joost, Rz. 9 ff. zu § 323 UmwG).

Im vorliegenden Fall wäre damit auf den Zeitpunkt der Ausgliederung im August 2001 abzustellen. Damals konnte sich die Klagepartei auf die Beschäftigungsgarantie berufen. Diese kündigungsrechtliche Position bleibt dem Arbeitnehmer grundsätzlich für die Dauer von zwei Jahren ab Wirksamwerden der Umwandlung erhalten.

Die Klagepartei kann sich jedoch auf den Besitzstand der Beschäftigungsgarantie wegen der Insolvenz ihrer letzten Arbeitgeberin nicht mehr berufen. Das Sonderkündigungsrecht des Insolvenzverwalters gem. § 113 Abs. 1 InsO geht der Besitzstandsregelung gem. § 323 Abs. 1 UmwG vor. Die Verschlechterung der kündigungsrechtlichen Rechtsposition der Klagepartei - hier Verlust der Beschäftigungsgarantie - wurde nicht durch die Ausgliederung im Jahr 2001 verursacht, vielmehr erst durch die Insolvenz.

§ 113 S. 1 InsO verdrängt nicht die Schutzbestimmung des § 323 UmwG allgemein, vielmehr nur insoweit, als diese kündigungsrechtlichen Rechtspositionen des Arbeitnehmers dem Kündigungsrecht des Insolvenzverwalters entgegenstehen. Dies ist beispielsweise für die Positionen Kündigungsverbot oder Dauer einer Kündigungsfrist zu bejahen. Die kündigungsrechtliche Rechtsposition der Klagepartei wäre auch ohne Ausgliederung im Jahr 2001, also bei Fortgeltung der Beschäftigungsgarantie, bei einer Insolvenz der früheren Arbeitgeberin wegen § 113 InsO in Wegfall geraten . § 323 Abs. 1 UmwG soll jedoch lediglich Verschlechterungen auf Grund der Umwandlung vermeiden. Vorliegend erfolgte die Verschlechterung nicht wegen der Ausgliederung, vielmehr wegen der späteren Insolvenz. Somit geht bei einem bestehenden Kündigungsverbot die Sonderegelung des § 113 S. 1 InsO der Besitzstandsregelung des § 323 Abs. 1 UmwG vor.

Zweck einer Spaltung ist die Fortführung eines Betriebes bzw. Betriebsteiles in neuer gesellschaftsrechtlicher Form als eigenständiges Unternehmen. Die spätere Zahlungsunfähigkeit dieses neuen Unternehmens steht deshalb im Regelfall in keinem kausalen Zusammenhang mit der vorherigen Umwandlung.

Soweit die Klagepartei dies hier auf Grund der zeitlichen Abfolge anders sieht, konnte sie dies nicht hinreichend konkretisieren. Die genannten gesetzlichen Folgen des § 113 S. 1 InsO gegenüber § 323 Abs. 1 UmwG würden auch dann eingreifen, wenn - wie von der Klagepartei behauptet - bereits im Zeitpunkt der Ausgliederung die spätere Insolvenz des ausgegliederten Unternehmens "geplant" gewesen wäre. Ein solches treuwidriges bzw. rechtsmissbräuchliches Verhalten der früheren Arbeitgeberin im Zusammenhang mit der Beschäftigungsgarantie der Betriebsvereinbarung vom 25.04.2001 könnte jedoch zu Schadensersatzansprüchen führen.

1.2 Der Arbeitsplatz der Klagepartei ist auf Grund der Betriebsstilllegung zum 31.03.2003 endgültig weggefallen. Es liegen dringende betriebliche Erfordernisse gem. § 1 Abs. 2 S. 1 KSchG vor, die die Kündigung sozial rechtfertigen.

1.2.1 Die Stilllegung des Betriebes der Insolvenzschuldnerin durch den Beklagten zum 31.03.2003 wurde von der Klagepartei nicht substantiiert bestritten. Auf Grund der Stilllegung der Akzidenzdruckerei sind sämtliche Arbeitsplätze weggefallen. Es gab somit für die Klagepartei keine Weiterbeschäftigungsmöglichkeit mehr.

1.2.2 Es ist darüber hinaus zu beachten, dass auf Grund des vorliegenden Interessenausgleiches mit Namensliste vom 28.11.2002 gem. § 125 Abs. 1 S. 1 Ziff. 1 InsO vermutet wird, dass die Kündigung der namentlich bezeichneten Arbeitnehmer durch dringende betriebliche Erfordernisse bedingt ist. Zwar kann diese Vermutung durch den Arbeitnehmer widerlegt werden, doch hierzu erfolgte kein maßgeblicher Vortrag der Klagepartei.

1.3 Der Beklagte musste für die Kündigung der Klagepartei keine Sozialauswahl gem. § 1 Abs. 3 KSchG vornehmen. Da allen betroffenen Arbeitnehmern der Insolvenzschuldnerin gekündigt wurde, war eine Sozialauswahl entbehrlich.

1.3.1 Entgegen der Meinung der Klagepartei musste keine Sozialauswahl für einen gemeinsamen Betrieb mit den anderen Unternehmen, der D. sowie der A., durchgeführt werden.

Wie oben bereits ausgeführt wurde, führte die Ausgliederung im August 2001 zwar zur Gründung neuer Unternehmen, nicht jedoch zu einer Spaltung des vorherigen Betriebes. Da die Betriebs- und Leitungsstrukturen erhalten blieben, wurde auch nach 2001 von den beteiligten Unternehmen ein gemeinsamer Betrieb fortgeführt. Eine entsprechende Vermutung ergibt sich bereits aus § 322 UmwG, außerdem erfolgte eine entsprechende Verpflichtung im Übernahmevertrag der beteiligten Unternehmen. Eine Vermutungsregelung enthält § 1 Abs. 2 Ziff. 2 BetrVG. Demzufolge blieb auch der vorherige Betriebsrat im Amt.

Dieser gemeinsame Betrieb wurde jedoch durch die Insolvenzeröffnung und die Einleitung der Betriebsstilllegung aufgelöst.

Ein gemeinsamer Betrieb mehrerer Unternehmen liegt vor, wenn die in einer Betriebsstätte vorhandenen materiellen und immateriellen Betriebsmittel für einen einheitlichen arbeitstechnischen Zweck zusammengefasst, geordnet und gezielt eingesetzt und der Einsatz der menschlichen Arbeitskraft von einem einheitlichen Leitungsapparat gesteuert werden. Voraussetzung ist weiter zumindest die stillschweigende Absprache der beteiligten Unternehmen zu einer gemeinsamen Führung. Außerdem muss sich die einheitliche Leitung auf die wesentlichen Funktionen eines Arbeitgebers in sozialen und personellen Angelegenheiten erstrecken (so ständige Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, vgl. nur BAG EzA Nr. 11 zu § 11 BetrVG 1972).

Bei der betriebsbedingten Kündigung eines Arbeitnehmers hat sich die Sozialauswahl auf den gesamten gemeinsamen Betrieb zu erstrecken (dazu kritisch. Annuß/Hohenstatt, Betriebsidentität und Sozialauswahl beim gemeinsamen Betrieb, NZA 2004, 420 ff.). Wird jedoch ein Betrieb eines beteiligten Unternehmens, das Teil dieses Gemeinschaftsbetriebes war, stillgelegt, wird der Gemeinschaftsbetrieb aufgelöst und damit entfällt die "gemeinsame Klammer", die eine unternehmensübergreifende Sozialauswahl veranlasst hat (so BAG AP Nr. 14 zu § 17 KSchG). Dasselbe gilt, wenn im Zeitpunkt der Kündigung ein Betrieb eines Unternehmens zwar noch nicht stillgelegt ist, auf Grund unternehmerischer Entscheidung aber bereits feststeht, dass der Betrieb bei Ablauf der Kündigungsfrist des Arbeitnehmers stillgelegt sein wird, insbesondere gleichzeitig ausgesprochene Massenkündigungen zu dieser Betriebsstilllegung führen sollen. Damit hat die unternehmerische Entscheidung der Betriebsstilllegung bereits greifbare Formen angenommen. Die vorherige Leitungsstruktur eines gemeinsamen Betriebes wird beseitigt. Eine übergreifende Sozialauswahl ist nicht mehr vorzunehmen, weil es somit schon im Kündigungszeitpunkt für eine Sozialauswahl zwischen den Arbeitnehmern des ursprünglichen Gemeinschaftsbetriebes zumindest an der Vergleichbarkeit fehlt (so BAG a. a. O., ebenso BAG AP Nr. 64 zu § 1 KSchG 1969).

Im vorliegenden Fall erfolgte die Kündigung aller Arbeitnehmer durch den IBeklagten wegen der zum 31.03.2003 beabsichtigten Betriebsstilllegung. Auf Grund dieses Entschlusses und des anschließenden Vollzuges durch Ausspruch der Kündigungen wurde der bis dahin bestehende gemeinsame Betrieb aufgelöst. Bis zur Insolvenzeröffnung lag dem gemeinsamen Betrieb die Verfolgung eines einheitlichen arbeitstechnischen Zwecks zu Grunde. Entschließt sich jedoch ein Unternehmen, seinen am gemeinsamen Betrieb beteiligten Betriebsteil nicht mehr zu Verfolgung des vorherigen arbeitstechnischen Zwecks einzubringen, endet die gemeinsame Betriebsführung. Dies ist der Fall, wenn die Stilllegung des Betriebs(teiles) eines Unternehmens beschlossen und mit deren Durchführung begonnen wird. Vorliegend ist dies spätestens mit Insolvenzeröffnung und Ausspruch der Kündigungen aller Arbeitnehmer - einschließlich der Klagepartei - am 28.11.2002 der Fall eingetreten.

1.3.2 Der Beklagte musste auch nicht wegen § 323 Abs. 1 UmwG eine umfassende Sozialauswahl für den früheren gemeinsamen Betrieb durchführen.

Der Begriff der kündigungsrechtlichen Stellung der Besitzstandsregelung des § 323 Abs. 1 UmwG umfasst nicht die kündigungsrechtliche Rechtsposition "Soziale Auswahl" im Zeitpunkt der Spaltung.

§ 323 Abs. 1 UmwG findet Anwendung, falls auf Grund einer Spaltung eines Betriebes die vorherigen kündigungsrechtlichen Rechtspositionen verschlechtert werden. Dies kann sich auch dadurch ergeben, dass zuerst nur eine Spaltung von Unternehmen ohne Spaltung des Betriebes durchgeführt wird, somit der vorherige Betrieb fortbesteht (§ 322 UmwG) und erst später dieser gemeinsame Betrieb mehrerer Unternehmen aufgelöst wird. Auch in diesem Fall wird die Regelung des § 323 Abs. 1 UmwG zur Anwendung kommen.

Entgegen den Ausführungen der Klagepartei umfasst die kündigungsrechtliche Stellung i. S. d. § 323 Abs. 1 UmwG nicht die Rechtsposition der Sozialauswahl bei einer Abspaltung (so auch Wilhelmsen/Hohenstatt/Schreibert, Umstrukturierung und Übertragung von Unternehmen, H 154 m. w. N.; ebenso Luther/Joost, UmwG, 2. Aufl., Rn. 18 ff. zu § 323 UmwG; Schmitt/Hörtnagl/Stratz, 3. A., Rn. 10 zu § 323 UmwG; Kallmeyer/Willemsen, Rz. 10 zu § 323 UmwG; Willemsen, Arbeitsrecht im UmwG, Zehn Fragen aus der Sicht der Praxis, NZA 1996, 791 ff., 800; APS-Steffan, Rz. 7 zu § 323 UmwG; a. A. KR-Friedrich, Rz. 42 zu §§ 322 ff. UmwG; v. Hoyningen-Huene/Link, Rz. 9e zu § 323 UmwG; Düwell, Umwandlung von Unternehmen und arbeitsrechtliche Folgen, NZA 1996, 393 ff., 397).

Die kündigungsrechtliche Rechtsposition einer bestimmten Sozialauswahl ist nicht statisch, vielmehr ist sie auf Grund der personellen Fluktuation sowie innerbetrieblicher Veränderungen potenziell einem ständigen Wandel unterworfen. Bei einer Einbeziehung der Rechtsposition "Sozialauswahl" in den Besitzstand des § 323 Abs. 1 UmwG müsste deshalb auf eine Sozialauswahl zu einem bestimmten Zeitpunkt abgestellt werden. Dies kann nicht eine Sozialauswahl zum Zeitpunkt der Spaltung des Unternehmens, vielmehr nur die - fiktive - Sozialauswahl sein, die sich zum Zeitpunkt der aktuell bevorstehenden Kündigung ohne die Spaltung ergeben hätte. Dadurch ist die erforderliche Kausalität zwischen der Spaltung und der möglichen Verschlechterung im Zeitpunkt der Kündigung gegeben.

Die Einbeziehung der Rechtsposition "Sozialauswahl" ist jedoch abzulehnen, weil nach der Spaltung des Betriebes das neue Unternehmen als alleiniger Arbeitgeber keinen Einfluss mehr auf die Arbeitsplätze im Betrieb der anderen Unternehmen hat. Normzweck des § 1 Abs. 3 KSchG ist kein allgemeines Kündigungsverbot bei einem betriebsbedingten Wegfall von Arbeitsplätzen, vielmehr soll bei mehreren vergleichbaren Arbeitnehmern, die für eine Kündigung in Betracht kommen, die Entscheidung, wer gekündigt wird, primär nach sozialen Gesichtspunkten erfolgen.

Bei einer nur "fiktiven" Sozialauswahl ohne tatsächliche Einwirkungsmöglichkeiten des jetzigen Arbeitgebers auf die Arbeitnehmer in einem zwischenzeitlich anderen Betrieb wäre die Kündigung auf Grund des sozialen Besitzstandes im Ergebnis ausgeschlossen. Der Arbeitgeber wäre rechtlich nicht in der Lage, einen vergleichbaren weniger sozial schutzwürdigen Arbeitnehmer des nunmehr anderen Betriebes eines anderen Unternehmens zu kündigen. Eine solche weitgehende Folge ist durch die Normzweck des § 323 Abs. 1 UmwG nicht gewollt.

Weitere Voraussetzung für das Eingreifen des § 323 Abs. 1 UmwG ist die Kausalität zwischen der Umwandlung und der Verschlechterung der kündigungsrechtlichen Position. Es ist darauf abzustellen, ob im Zeitpunkt der aktuellen Kündigung die kündigungsrechtliche Position des betroffenen Arbeitnehmers ohne die frühere Spaltung besser gewesen wäre. Im vorliegenden Fall hätte die frühere Arbeitgeberin der Klagepartei ohne Ausgliederung weiter einen einheitlichen Betrieb geführt, d. h. sie hätte bei der Stilllegung eines Betriebsteiles eine abteilungsübergreifende Sozialauswahl für den Gesamtbetrieb vornehmen müssen. Dies hätte auch für den Fall der Insolvenz - bei Stilllegung eines Betriebsteils - gegolten.

Letztlich kommt es auf die Frage der Kausalität nicht an, da die Rechtsposition der Sozialauswahl nicht von der kündigungsrechtlichen Stellung im Sinne des § 323 Abs. 1 UmwG erfasst wird.

2. Der Betriebsrat wurde gem. § 102 Abs. 1 BetrVG ordnungsgemäß angehört.

2.1 Die Klagepartei hat innerhalb der Klagefrist des § 4 S. 1 KSchG Kündigungsschutzklage erhoben und kann sich deshalb auch gem. § 113 Abs. 2 S. 1 InsO auf die angebliche Unwirksamkeit der Kündigung wegen fehlerhafter Betriebsratsanhörung berufen.

2.2 Der Betriebsrat wurde jedoch rechtzeitig und umfassend vor Ausspruch der streitgegenständlichen Kündigung informiert.

Das Anhörungsschreiben an den Betriebsrat vom 19.11.2002 wurde vom damals noch vorläufigen Insolvenzverwalter und dem Geschäftsführer unterzeichnet. Die Insolvenzschuldnerin wäre vor Insolvenzeröffnung berechtigt gewesen, mit Zustimmung des vorläufigen Insolvenzverwalters entsprechend dem Zustimmungsvorbehalt nach § 21 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 2 InsO Kündigungen auszusprechen (vgl. BAG AP Nr. 1 zu § 21 InsO). Es ist deshalb nicht zu beanstanden, dass die Anhörung des Betriebsrats als Vorbereitung der späteren Kündigungen gemeinsam durch den damaligen Geschäftsführer und vorläufigen Insolvenzverwalter erfolgte. Es war wegen der Insolvenzeröffnung am 28.11.2002 keine erneute Anhörung erforderlich. Zu diesem Zeitpunkt war die einwöchige Anhörungsfrist des Betriebsrates gem. § 102 Abs. 2 S. 1 BetrVG bereits abgelaufen. Die Beendigung des Anhörungsverfahrens wurde vom Betriebsrat im Interessenausgleich vom 28.11.2002 im § 4 Ziff. 2.) ausdrücklich bestätigt.

Die Information des Betriebsrates war ausreichend. Er wusste unstreitig bereits auf Grund verschiedener Gespräche von den Einzelheiten der beabsichtigten Betriebsstilllegung. Im Anhörungsschreiben vom 19.11.2002 wurde ihm nochmals die beabsichtigte Stilllegung des Betriebes zum 31.03.2003 mitgeteilt. Er wurde darüber informiert, dass auf Grund der Kündigung aller Arbeitnehmer keine Sozialauswahl stattfinden werde. Aus der Anlage zum Anhörungsschreiben mit den Namen aller betroffenen Arbeitnehmer war für ihn zu ersehen, zu welchem Kündigungstermin die einzelnen Arbeitnehmer auf Grund der unterschiedlichen Kündigungsfristen entlassen werden sollten.

Somit erfolgte die Anhörung des Betriebsrates ordnungsgemäß nach § 102 Abs. 1 BetrVG.

Da die Kündigung vom 28.11.2002 - entgegen der Ansicht des Arbeitsgerichts - das Arbeitsverhältnis mit der Klagepartei aufgelöst hat, war das Endurteil des Arbeitsgerichts vom 28.10.2003 abzuändern und die Klage abzuweisen.

III.

Die Klagepartei hat die Kosten des Rechtsstreites zu tragen (§ 91 Abs. 1 ZPO).

IV.

Da dem Rechtsstreit gem. § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG grundsätzliche Bedeutung zukommt, ist die Revision zuzulassen.

Ende der Entscheidung

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