Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht München
Urteil verkündet am 20.07.2009
Aktenzeichen: 11 Sa 298/09
Rechtsgebiete: ArbGG, ZPO


Vorschriften:

ArbGG § 66
ZPO § 222
ZPO § 233
ZPO § 522
Keine Wiedereinsetzung bei Versäumung der Berufungsbegründungsfrist wegen fehlerhafter Eingabe der Telefaxnummer des Berufungsgerichts durch den Prozessbevollmächtigten der Berufungsführerin.
Landesarbeitsgericht München

11 Sa 298/09

In Sachen

erlässt das Landesarbeitsgericht München durch den Vorsitzenden der Kammer 11, Vorsitzender Richter am Landesarbeitsgericht Dr. Obenaus, ohne mündliche Verhandlung folgenden

Beschluss:

Tenor:

1. Die Berufung der Klägerin gegen das Endurteil des Arbeitsgerichts München vom 25.2.2009, Az.: 35 Ca 17547/07, wird auf Kosten der Klägerin als unzulässig verworfen.

2. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Mit Schriftsatz vom 9. April 2009, beim Landesarbeitsgericht München eingegangen am selben Tag, hat die Klägerin gegen das ihr am 9. März 2009 zugestellte Endurteil des Arbeitsgerichts München vom 25. Februar 2009, Az.: 35 Ca 17547/07, Berufung eingelegt.

Mit Schriftsatz vom 11. Mai 2009, der am selben Tag beim Landesarbeitsgericht München eingegangen ist, hat die Klägerin um Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist um zwei Wochen gebeten. Mit Beschluss vom 12. Mai 2009 wurde die Frist zur Berufungsbegründung antragsgemäß bis 25. Mai 2009 verlängert.

Innerhalb der verlängerten Berufungsbegründungsfrist (§ 66 Abs. 1 Satz 1, 2. Halbsatz; Satz 2 ArbGG) ist eine Berufungsbegründungsschrift beim Landesarbeitsgericht München nicht eingegangen. Vielmehr ist beim Landesarbeitsgericht am 27. Mai 2009 ein Berufungsbegründungsschriftsatz der Klägerin vom 25. Mai 2009 eingegangen. Mit weiterem Schriftsatz vom 27. Mai 2009 bat der Prozessbevollmächtigte der Klägerin, die Verspätung der Berufungsbegründung zu entschuldigen. Beim Versenden des Schriftsatzes am 25. Mai 2009 sei am automatischen Einzug am Fax-Gerät eine unerwartete Störung aufgetreten. Diese habe sich trotz mehrerer Versuche nicht beheben lassen. Es sei dann der Schriftsatz Blatt für Blatt einzelnen mittels Wahlwiederholung gefaxt worden. Hierbei sei unbemerkt ein Fehler aufgetreten.

Am 28. Mai 2009 erließ der Kammervorsitzende folgenden Beschluss:

1. Die Klägerin wird darauf hingewiesen, dass ihre Berufungsbegründung am 27. Mai 2009, also nicht innerhalb der bis 25. Mai 2009 verlängerten Berufungsbegründungsfrist beim Landesarbeitsgericht München eingegangen ist.

2. Das Gericht interpretiert den Schriftsatz der Klägerin vom 27. Mai 2009 als Wiedereinsetzungsgesuch im Sinne der §§ 233 ff. ZPO. Auf § 236 Abs. 2 Satz 1 ZPO wird hingewiesen. Danach müssen Tatsachen vorgetragen werden, die das Wiedereinsetzungsgesuch begründen können. Ferner sind diese glaubhaft zu machen.

3. Der Schriftsatz vom 27. Mai 2009 lässt nicht mit hinreichender Deutlichkeit erkennen, was im Einzelnen passiert ist und wer in diesem Zusammenhang in welcher Weise tätig geworden ist. Auch fehlt es an einer Glaubhaftmachung.

Mit Schriftsatz vom 8. Juni 2008 hat der Klägerinvertreter mitgeteilt, er wiederhole seinen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Zur Präzisierung seines Begehrens trägt er vor, er arbeite ohne Mitarbeiter. Der Schriftsatz habe gegen 23:45 Uhr gefaxt werden sollen. Es sei von ihm im Faxgerät die richtige Nummer des Gerichts eingegeben und auch am Display kontrolliert worden. Die Zeit von 15 Minuten sei bei weitem ausreichend für die Faxübermittlung. Das Faxgerät sei bisher in Ordnung gewesen und es sei bereits einige Stunden vorher ordnungsgemäß ein Fax an die Firma G. GmbH, eine Mandantin, versendet worden. Als der Schriftsatz nach Wahl der Nummer habe eingelesen werden sollen, habe das Gerät unvorhergesehen und unvorhersehbar einen Papierstau im Leseeinzug bekommen. Dieser habe behoben werden können. Weitere Versuche zu faxen seien aber ergebnislos verlaufen, da sich offensichtlich die Justierung verstellt gehabt habe. Es sei dann nur noch möglich gewesen, die Blätter einzeln auf die Vorlage des Gerätes zu legen und die Seiten einzeln zu faxen. Dies sei auch geschehen. Zur Vereinfachung habe er die Wahl mittels Wahlwiederholung ausgeführt. Beim Blick auf die oberhalb des Gerätes stehende Analog-Uhr, die funkgesteuert sei, habe er gesehen, dass er ziemlich genau um 24.00 Uhr den Schriftsatz übertragen gehabt habe. Das Protokoll habe "oK" gezeigt. Am Abend des 26. Oktober 2009 habe er im Zusammenhang mit einem Telefongespräch mit dem Geschäftsführer der G. GmbH davon Kenntnis erhalten, dass das Berufungsbegründungs-Fax statt beim Landesarbeitsgericht bei der Mandantin eingegangen sei. Die Verspätung sei letztendlich auf das Versagen eines technischen Gerätes zurückzuführen, das nicht vorhersehbar gewesen sei. Das Gerät funktioniere normalerweise einwandfrei. Es sei auch jetzt wieder in Ordnung, nachdem der Einzug wieder eingerichtet sei.

Der Beklagte hat sich hierzu dahingehend geäußert, der Vortrag des Prozessbevollmächtigten der Klägerin sei widersprüchlich und nicht nachvollziehbar und darüber hinaus auch nicht geeignet, ein fehlendes Verschulden an der Fristversäumung zu begründen. Die vom Klägerinvertreter vorgelegte Faxkopie VON 7 Seiten weise eine Übertragungszeit von nur 2 Minuten und eine durchgehende Nummerierung von Seiten 1/7 bis 7/7 auf. Nach dem Vortrag des Prozessbevollmächtigten der Klägerin habe jedoch der Mandant nicht ein Fax mit 7 Seiten, sondern 7 Einzelfaxe erhalten müssen. Im übrigen habe nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, des Bundesgerichtshofs und des Bundesarbeitsgerichts der Prozessbevollmächtigte der Klägerin nicht darauf vertrauen dürfen, einen mehrseitigen Schriftsatz zur Berufungsbegründung noch rechtzeitig und fristgerecht per Telefax übermitteln zu können, wenn mit der Übertragung erst 15 Minuten vor Fristablauf begonnen werde. Allein bereits aus dem Umstand, dass erfahrungsgemäß bei Übertragung unmittelbar vor 24.00 Uhr das gerichtliche Faxgerät durch andere Sendungen belegt sei, habe der Prozessbevollmächtigte der Klägerin einen zeitlichen Sicherheitszuschlag einplanen müssen. Im Übrigen sei ihm auch ausreichend Zeit verblieben, den Berufungsbegründungsschriftsatz fristgerecht zu übersenden. Die Übertragung des Schriftsatzes habe nach den vorgelegten Faxkopien insgesamt 2 Minuten gedauert, so dass eine vollständige Übertragung selbst dann noch möglich gewesen sei, als der Prozessbevollmächtigte der Klägerin gegen 23.45 Uhr bemerkt habe, dass die Übertragung mit automatischen Blatteinzug nicht ordnungsgemäß funktioniere. Anstatt mehrfach und erfolglos über circa 15 Minuten zu versuchen, den automatischen Blatteinzug zu justieren, habe bereits gegen 23:55 Uhr die Übertragung mittels Einzelblatteinzug durchgeführt werden können und müssen. Letztendlich sei die vorliegende Fristversäumung jedoch auch darauf zurückzuführen, dass der Versand offensichtlich nicht an die Faxnummer des Berufungsgerichts, sondern an einen Kunden erfolgt sei. Die Eingabe der zutreffenden Telefaxnummer stelle jedoch eine der wesentlichen Sorgfaltspflichten der Übermittlung eines fristgebundenen Schriftsatzes per Telefax erst kurz vor Ablauf der Frist dar. Gerade bei kurzfristigem Versand müsse daher besonders darauf geachtet werden, dass die zutreffende Telefaxnummer des Gerichts präzise eingegeben werden, zumal ein Fehler dabei regelmäßig den Vorwurf der Fahrlässigkeit rechtfertige.

II.

Die Berufung ist unzulässig.

Gemäß den §§ 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG i.V.m. 522 Abs. 1 ZPO hat das Berufungsgericht von Amts wegen zu prüfen, ob die Berufung an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung als unzulässig zu verwerfen (§ 522 Abs. 1. Satz 2 ZPO).

Die Berufung ist nicht innerhalb der gesetzlichen Frist begründet worden und daher unzulässig.

Gemäß § 66 Abs. 1 Sätze 1 und 2 ArbGG beträgt die Frist für die Begründung der Berufung zwei Monate, beginnend mit dem Tag der Zustellung, hier mit dem 9. März 2009. Diese Frist wäre am Montag, den 11. Mai 2009, abgelaufen (§§ 222 Abs. 1 und 2 ZPO; 187 Abs. 1; 188 Abs. 2, 1. Alt. BGB). Auf Antrag der Klägerin, der am 11. Mai 2009 beim Landesarbeitsgericht München eingegangen ist, wurde die Frist gemäß § 66 Abs. 1 Satz 5 ArbGG bis 25. Mai 2009 verlängert. Der Berufungsbegründungsbegründungsschriftsatz vom 25. Mai 2009 ist erst am 27. Mai 2009 beim Landesarbeitsgericht München eingegangen, so dass die Berufungsbegründungsfrist nicht gewahrt ist.

Der Klägerin war auch nicht die beantragte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Zwar kann gemäß § 233 ZPO einer Partei, die ohne ihr Verschulden gehindert war, die Frist zur Begründung der Berufung zu wahren, auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt werden. Ein solcher unverschuldeter Hinderungsgrund bestand jedoch nicht.

Nach § 233 ZPO darf wegen der Versäumung der Berufungsbegründungsfrist Wiedereinsetzung nur gewährt werden, wenn die Partei ohne ihr Verschulden verhindert war, die Frist einzuhalten. Aus dem Vortrag des Prozessbevollmächtigten der Klägerin zu den Umständen, die zu der Versäumung der Frist geführt haben, ergibt sich aber, dass ihn hieran ein Verschulden trifft.

Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin trägt selbst vor, dass er erst 15 Minuten vor Ablauf der Frist mit dem Versuch begonnen hat, die Berufungsbegründungsschrift per Telefax zu übermitteln. Zwar durfte der Prozessvertreter der Klägerin bei der Erstellung und Übermittlung der Berufungsbegründung die ihm dafür eingeräumte Frist bis zuletzt ausnutzen. In dieser Situation musste er jedoch besonders darauf achten, dass bei der Übermittlung kein Fehler passiert. Insbesondere musste er besonders darauf achten, die Telefaxnummer des Gerichts richtig einzugeben. Dass ihm dabei ein Fehler unterlaufen ist, rechtfertigt den Vorwurf der Fahrlässigkeit. Der Fall ist vergleichbar mit der falschen Adressierung eines Schriftstücks, die im Rahmen des § 233 ZPO ebenfalls als Verschulden des Anwalts angesehen wird.

Jedenfalls hätte der Prozessbevollmächtigte den Fehler bemerken müssen, als er feststellte, dass die Übermittlung nicht gelang und er - was nach den vorgelegten Faxkopien wegen der durchlaufenden Nummerierung nicht einmal nachvollziehbar ist - eine Übersendung im Einzelblattverfahren durchführte. Hier war es geboten, die Empfängernummer jeweils zu überprüfen. Dass ihm beim Vorgang des zweiten Versendungsversuchs im Einzelblatteinzug der Fehler nicht aufgefallen ist, rechtfertigt den Vorwurf fahrlässigen Verhaltens (vgl. BGH, Beschluss vom 30.10.2002, Az.: XII ZB 18/01, FamRZ 2003, 667). Dabei steht das Verschulden des Prozessbevollmächtigten gemäß § 85 Abs. 2 ZPO dem Verschulden der Partei gleich.

Die Berufung war daher gemäß §§ 66 Absatz 1 i.V.m. Abs. 2 Satz 2 ArbGG (in der ab 1.4.08 geltenden Fassung) in Verbindung mit § 522 Abs. 2 ZPO durch Beschluss des Vorsitzenden als unzulässig zu verwerfen.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

IV.

Gegen diesen Beschluss ist kein Rechtsmittel gegeben. Für die Zulassung der Rechtsbeschwerde besteht kein gesetzlich begründeter Anlass (§§ 77 Satz 2, 72 Abs. 2 ArbGG).

München, den 20.07.2009

Ende der Entscheidung

Zurück