Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht München
Urteil verkündet am 31.01.2007
Aktenzeichen: 11 Sa 674/06
Rechtsgebiete: BGB, BAT


Vorschriften:

BGB § 626
BAT § 54
Einzelfallentscheidung: außerordentliche Kündigung.
LANDESARBEITSGERICHT MÜNCHEN IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

11 Sa 674/06

Verkündet am: 31. Januar 2007

In dem Rechtsstreit

hat die Elfte Kammer des Landesarbeitsgerichts München auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 19. Dezember 2006 durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Dr. Obenaus sowie die ehrenamtlichen Richter Hans-Georg Cmiel und Alfred Eibl für Recht erkannt:

Tenor:

1. Die Berufung des Klägers gegen das Endurteil des Arbeitsgerichts München vom 4.4.2006, Az.: 30 Ca 9034/05 wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.

2. Die Revision wird zugelassen

Tatbestand:

Die Parteien streiten in der Berufungsinstanz über die Rechtswirksamkeit einer außerordentlichen Kündigung vom 7. Juni 2005.

Der Auseinandersetzung liegt im Wesentlichen folgender Sachverhalt zu Grunde:

Der am 0.00.1955 geborene Kläger ist seit dem 1. September 1974 bei den Beklagten zuletzt als Sachgebietsleiter Rechnungswesen zu einem Bruttomonatsentgelt in Höhe von 5.201,51 € beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis findet kraft einzelvertraglicher Inbezugnahme der Bundesangestelltentarifvertrag (BAT) Anwendung.

Der Kläger beantragte für den 27. Mai 2005 Urlaub. Dieser wurde am 22.5.2005 von seinem Vorgesetzten, dem Zeugen B., abgelehnt, weil Abschlussarbeiten anstanden, die nach Ansicht der Beklagten keine Verzögerungen duldeten. Der Kläger legte am 25. Mai 2005 um 13:00 Uhr der zuständigen Gleitzeitbeauftragten eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung bis einschließlich 3.6.2005 vor und verließ um 13:01 Uhr den Betrieb. Am 27. Mai 2005 ist der Kläger nicht zur Arbeit erschienen.

Mit Schreiben vom 1. Juni 2005, das dem Kläger am 2. Juni 2005 zugegangen ist, wurde dem Kläger außerordentlich und fristlos gekündigt. Mit Schreiben vom 6. Juni 2005 hat der Prozessbevollmächtigte des Klägers diese Kündigung mit der Begründung zurückgewiesen, dass hier keine schriftliche Vollmacht im Original beigelegen habe.

Mit Schreiben vom 7. Juni 2005, das dem Kläger am 8. Juni 2005 zugegangen ist, kündigten die Beklagten erneut außerordentlich und fristlos.

Im Kündigungsschreiben führten die Beklagten u. a. folgendes aus:

"...

Der Kündigung liegt folgender Sachverhalt zugrunde:

Am 24.05.2005 stellten sie einen Urlaubsantrag für Freitag, den 27.05.2005. Angesichts der angespannten Arbeitssituation wurde der Urlaubsantrag am 25.05.2005 von Ihrem Vorgesetzten abgelehnt. In einem Gespräch, das um 10.15 Uhr stattfand, wurden Ihnen die Gründe der Ablehnung des Urlaubsantrages erläutert.

Daraufhin teilten Sie mit, dass Ihre Frau schon die Koffer für eine gemeinsame Reise packen würde. Nachdem Ihnen noch einmal erläutert wurde, dass Sie als Ansprechpartner wegen der noch nicht abgeschlossenen Jahresabschlüsse unabkömmlich wären, teilten Sie daraufhin Ihrem Vorgesetzten mit, dass Sie am kommenden Freitag (27.05.2005) wegen Krankheit nicht zur Arbeit kommen würden und Ihr Vorgesetzter sich noch wundern würde, wenn Sie dann 4 Tage in psychologischer Behandlung wären und noch länger ausfallen.

Danach erkundigten Sie noch sich bei G. und B., ob Ihre Anwesenheit an diesem Freitag notwendig wäre.

Um ca. 13.00 Uhr legten Sie bei der zuständigen Gleitzeitbeauftragten ein ärztliches Attest vor, das bis einschließlich 03.06.2005 Arbeitsunfähigkeit bescheinigt. Um 13.01 Uhr haben sie das Haus verlassen.

..."

Im zeitlichen Vorfeld der Kündigungen war der Personalrat mit Schreiben vom 31.5.2005 zur Kündigungsabsicht angehört worden (Blatt 68 und 69 d.A.). Dieser hatte gegen die geplante Kündigung keine Bedenken angemeldet (Blatt 70 d.A.). Mit Schreiben vom 7.6.2005 wurde der Personalrat erneut angehört (Bl. 71 f. d.A.). Mit handschriftlichem Vermerk auf dem Schreiben des Personalrats vom 1. Juni 2005 teilte der Personalrat am 7.6.2005 mit, dass dieser Beschluss auch nach neuen Erkenntnissen der Personalvertretung Bestand behalte.

Für die Beklagten gilt das Gesetz über das öffentliche Versorgungswesen (VersoG). Artikel 6 Absatz 2 Satz 1 VersoG lautet wie folgt:

Die Versorgungskammer führt die Geschäfte der Versorgung im organisatorischen, tatsächlichen und personellen Verwaltungsverbund und vertritt sie gerichtlich und außergerichtlich.

Art. 6 Abs. 5 Satz 1 VersoG hat folgenden Wortlaut:

Die Beamten der Versorgungskammer sind Staatsbeamte. Die Angestellten und Arbeiter sind Arbeitnehmer der Versorgungsanstalten.

Mit seiner beim Arbeitsgericht München am 21.6.2005 eingegangenen Klage vom 20.6.2005 hat der Kläger die gerichtliche Feststellung begehrt, dass sein Arbeitsverhältnis weder durch die Kündigung vom 1. Juni 2005 noch durch die Kündigung vom 7.6.2005 aufgelöst worden ist.

Zur Begründung hat er ausgeführt, die Kündigung vom 1.6.2005 sei bereits gemäß § 174 BGB unwirksam, weil eine Originalvollmacht nicht vorgelegen habe und die Kündigung deswegen unverzüglich zurückgewiesen worden sei.

Die weitere Kündigung vom 7.6. 2005 sei rechtsunwirksam, weil ein wichtiger Grund nicht vorliege. Außerdem sei die Personalratsanhörung nicht ordnungsgemäß durchgeführt worden.

Der Kläger hat in erster Instanz beantragt:

Es wird festgestellt, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis weder durch die außerordentliche und fristlose Kündigung vom 01.06.2005, zugestellt am 02.06.2005, noch durch die außerordentliche und fristlose Kündigung vom 06.07.2005, zugestellt am 08.06.2006, aufgelöst wurde und über den 08.06.2005 hinaus unverändert fortbesteht.

Die Beklagten haben beantragt,

die Klage abzuweisen

Zur Begründung haben sie vorgetragen, den streitgegenständlichen Kündigungen liege ein wichtiger Grund im Sinne von § 54 Absatz 1 BAT zu Grunde. Die Anwesenheit des Klägers am 27. Mai 2005 sei erforderlich gewesen, damit dieser für eventuelle Rückfragen zur Verfügung stehe. Nur so habe gewährleistet werden können, dass die Abschlussarbeiten noch rechtzeitig hätten vonstatten gehen können. Der Kläger habe nach Ablehnung des Urlaubs mit Krankheit gedroht, um den Urlaub zu erzwingen. Die Ankündigung einer zukünftigen Erkrankung durch den Arbeitnehmer für den Fall, dass der Arbeitgeber einem unberechtigten Verlangen auf Gewährung zusätzlichen bezahlten oder unbezahlten Urlaub nicht entsprechen sollte, sei jedoch ohne Rücksicht auf eine später tatsächlich auftretende Krankheit geeignet, einen wichtigen Grund zur außerordentlichen Kündigung nach § 54 Absatz 1 BAT abzugeben. Versuche der Arbeitnehmer auf diese Weise einen ihm nicht zustehenden Vorteil, hier eine Freistellung von der Arbeit, zu erreichen, verletze er bereits seine arbeitsvertragliche Rücksichtnahmepflicht, die es ihm verbiete, den Arbeitgeber auf diese Weise unter Druck zu setzen. Ein solches Verhalten beeinträchtige das Vertrauensverhältnis zum Arbeitgeber in ganz erheblicher Weise, weil der Arbeitnehmer seiner Rechte aus den Lohnfortzahlungsbestimmungen missbrauche, um einen unberechtigten Vorteil zu erreichen. In dieser Verletzung der arbeitsvertraglichen Rücksichtnahmepflicht liege eine konkrete Störung des Arbeitsverhältnisses. Diese wiege umso schwerer, als der Kläger zusätzlich seine Vorgesetztenstellung missachtet und in seiner Vorbildfunktion gegenüber den nachgeordneten Mitarbeitern völlig versagt habe. Er habe nicht nur gegenüber Herrn Bauhofer für den Fall der Nichtgewährung von Urlaub seine Erkrankung angedroht, sondern die entsprechende Äußerung unmittelbar danach auch gegenüber seinen nachgeordneten Mitarbeiterinnen wiederholt. Nachdem derartige Äußerungen die betriebliche Ordnung nachhaltig untergraben könnten, sei der Kläger aus diesem Grund für die Beklagte als Führungskraft und Mitarbeiter nicht mehr akzeptabel.

Der Kläger hat in erster Instanz erwidert, die Verweigerung des Urlaubs sei willkürlich gewesen. Auch habe er nicht versucht, den Urlaub mit der Ankündigung einer Erkrankung zu erzwingen. Er habe lediglich erwähnt, dass dann, wenn er krank wäre, die Beklagten auch ohne ihn auskommen müssten. Darin liege keine Drohung. Darüber hinaus sei die Personalratsanhörung nicht ordnungsgemäß. Der Kläger hat weiter vorgetragen, er sei am 27. Mai 2005 nicht zur Arbeit erschienen, weil er arbeitsunfähig erkrankt gewesen sei. Er habe einige Zeit nach dem Gespräch, bei dem der Urlaub abgelehnt worden sei, das Haus verlassen. Dabei sei ihm schlecht geworden. Er habe erhebliche Probleme mit dem Kreislauf bekommen. Deswegen sei er zum Arzt gegangen, der ihn bis zum 3.6.2005 krankgeschrieben habe.

Bezüglich des weiteren erstinstanzlichen Vorbringens der Parteien wird auf die von den Parteien gewechselten Schriftsätze vom 20.7.2005 (Blatt 1 ff), 1. August 2005 (Blatt 25 ff d.A.), 22.9.2005 (Blatt 79 ff d.A.) sowie 25.10.2005 (Blatt 111 d.A.) ergänzend Bezug genommen.

In erster Instanz wurde Beweis erhoben durch Einvernahme der Zeugen B., L. und L.. Bezüglich des Beweisbeschlusses sowie des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschrift vom 16.3.2006 (Blatt 146 d.A.) Bezug genommen.

Mit Endurteil vom 4. April 2006, das dem Kläger am 5.5.2006 zugestellt worden ist, hat das Arbeitsgericht München festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis nicht durch die Kündigung vom 1. Juni 2005, sondern erst durch die Kündigung vom 7.6.2005 beendet worden ist. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat das Arbeitsgericht ausgeführt, die Personalratsanhörung sei wirksam. Insbesondere seien die für den Arbeitgeber wesentlichen Umstände des Kündigungssachverhaltes mitgeteilt worden. Die Beklagten hätten den Sachverhalt weder bewusst unrichtig noch irreführend mitgeteilt. Die Behauptung des Klägers, die Reaktion des Personalrats sei möglicherweise nicht durch einen Beschluss des Personalrats gedeckt gewesen, sei eine völlig unsubstanziierte Vermutung. Selbst wenn sie zutreffe, berühre sie die Wirksamkeit der Anhörung nicht, da es sich um einen Fehler in der Sphäre des Personalrats handele.

Die Kündigung sei - so das Arbeitsgericht weiter - wirksam, weil ein wichtiger Grund im Sinne von § 54 BAT vorliege. Das Bundesarbeitsgericht habe entschieden, dass die Ankündigung einer zukünftigen Erkrankung durch den Arbeitnehmer für den Fall, dass der Arbeitgeber einem unberechtigten Verlangen auf Gewährung zusätzlichen bezahlten Urlaubs nicht entsprechen sollte, einen wichtigen Grund im Sinn von § 626 BGB darstellen könne. Dies gelte auch dann, wenn der Arbeitnehmer anschließend tatsächlich erkranke. Der Arbeitnehmer gebe damit zu erkennen, sich die erstrebte Arbeitsfreistellung notfalls auch ohne tatsächliche Arbeitsunfähigkeit verschaffen zu wollen. Die arbeitsvertragliche Rücksichtnahmeverpflichtung verbiete es, den Arbeitgeber auf diese Art und Weise unter Druck zu setzen. Die Beweisaufnahme habe übereinstimmend bestätigt, dass der Kläger nach Ablehnung seines Urlaubswunsches damit gedroht habe, dass er dann eben am 27.5.2005 krank sei. Dieses Verhalten habe auch zu einer konkreten Störung im Betrieb geführt, so dass das Vertrauensverhältnis zwischen den Parteien massiv beeinträchtigt gewesen sei.

Eine Abmahnung sei zwar nicht erfolgt. Sie sei aber auch entbehrlich gewesen. Zwar habe das Bundesarbeitsgericht anerkannt, dass auch bei Störungen im so genannten Vertrauensbereich eine Abmahnung nicht per se entbehrlich sei. Bei besonders schweren Verstößen sei jedoch auch in diesem Bereich eine Abmahnung entbehrlich, weil der Arbeitnehmer von vornherein nicht mit der Billigung seines Tuns habe rechnen können. Es handele sich zwar um eine erstmalige Verfehlung, der Kläger sei jedoch über die Gründe der Ablehnung informiert gewesen. Angesichts seiner Vorgesetztenstellung habe ihm deshalb klar sein müssen, dass der Wunsch nach Anwesenheit an diesen Tag für die Beklagte großes Gewicht gehabt habe. Auch die Interessenabwägung führe nicht zu einer Unwirksamkeit der Kündigung. Zu Gunsten des Klägers wirke sich zwar aus, dass das Arbeitsverhältnis 31 Jahre ungestört bestanden habe und dass seine Ehefrau derzeit arbeitslos sei. Andererseits sei zu berücksichtigen, dass die Verweigerung des Urlaubs nicht willkürlich gewesen sei.

Gegen die teilweise Klageabweisung wendet sich der Kläger mit seiner Berufung vom eine 30.5.2006, die am 2.6.2006 beim Landesarbeitsgericht München eingegangen ist.

Unter Vertiefung und teilweise Wiederholung seines erstinstanzlichen Vortrags macht der Kläger geltend, er sei am 25. Mai 2005 bereits arbeitsunfähig erkrankt gewesen. Er habe daher nicht mit einer zukünftigen Art Erkrankung drohen können. Er habe seine Arbeitsunfähigkeit aus falsch verstandenem Pflichtbewusstsein verdrängt gehabt.

Der Personalrat der Beklagten sei nur einseitig informiert worden. Insbesondere sei er nicht über die entlastenden Umstände aufgeklärt worden. Die zweite Anhörung habe nicht einmal den Anschein in der Ordnungsgemäßheit. Es sei für jedermann offenkundig, dass zwischen der zweiten Anhörung des Personalrats und dessen angeblicher Zustimmung keine Beschlussfassung habe liegen können. Im Übrigen weiche die vorgetragene Wahrnehmung der vernommenen Zeugen teilweise erheblich von seiner Wahrnehmung ab. Außerdem bestehe der Verdacht, dass sich die Zeuginnen abgesprochen hätten. Die Beklagten wollten ihn, den Kläger, einfach billig entsorgen.

Der Kläger moniert, die Beklagten hätten keine sorgfältige Interessenabwägung vorgenommen. Sie hätten insbesondere außer Acht gelassen, dass sie selbst sich um den Personalnotstand nicht gekümmert hätten, unter dem der Kläger zu leiden gehabt habe, dass sie den Kläger vor Ausspruch der Kündigung nicht angehört hätten, dass der Kläger noch kurz vorher eine Ehrenurkunde des Freistaates Bayern erhalten habe, dass es erst durch die gezielte Provokation des Zeugen B. zum Zusammenbruch des Klägers gekommen sei, dass in Anbetracht des langjährig beanstandungsfreien Verhaltens des Klägers damit zu rechnen gewesen sei, dass sich nach Ausspruch einer Abmahnung das beanstandete Verhalten nicht wiederhole, dass der Sohn des Klägers kurz vor dem 25. Mai 2005 Führerschein und Arbeitsplatz verloren gehabt habe, dass die Frau des Klägers arbeitslos sei, schließlich dass er bei Aufrechterhaltung der Kündigung sein Reihenhaus verkaufen müssen.

Der Kläger und Berufungsführer beantragt,

unter Abänderung des angefochtenen Urteils die Berufungsbeklagten nach dem Klageantrag zu verurteilen.

Die Beklagten beantragen,

die Berufung zurückzuweisen.

Zur Begründung tragen sie vor, auf die tatsächliche Situation einer Erkrankung komme es nicht an. Vielmehr sei ausschlaggebend, dass der Kläger mit einem unlauteren Mittel, nämlich der Drohung mit der Krankschreibung, Druck auf den Arbeitgeber in unzulässiger Weise habe ausüben wollen. Allein die Zweck-Mittel-Relation sei ausschlaggebend. Sowohl die erste wie auch zweite Personalratsanhörung seien in Ordnung. Auch die Einvernahme und Beweiswürdigung durch das Erstgericht hielten eine Überprüfung stand. Es werde bestritten, dass sich die Beklagten des Klägers hätten entledigen wollen. Tatsächlich hätten die Beklagten die Stelle des Klägers nachbesetzen müssen. Auch die Interessenabwägung sei zutreffend. Insbesondere falle ins Gewicht, dass dem Kläger als Führungskraft eine besondere Verantwortung zugekommen sei und dass das beanstandete Verhalten in Anwesenheit von nachgeordneten Mitarbeiterinnen wiederholt worden sei.

Hinsichtlich des weiteren Vorbringens der Parteien in der Berufungsinstanz wird auf die gewechselten Schriftsätze (Blatt 190 ff, 235 ff d.A.) ergänzend Bezug genommen

Entscheidungsgründe:

I.

Die Berufung ist zulässig. Sie ist statthaft nach § 64 Abs. 1 und 2 c ArbGG ferner in der richtigen Form und Frist eingelegt und begründet worden (§ 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG i.V.m. §§ 519 Abs. 2, 520 Abs. 3 ZPO, § 66 Abs. 1 Sätze 1,2,5 ArbGG i.V.m. § 222 ZPO).

II.

Die Berufung ist unbegründet.

Das Arbeitsgericht hat zu Recht und mit zutreffender Begründung die Feststellungsklage abgewiesen, soweit sie die Wirksamkeit der außerordentlichen Kündigung vom 7. Juni 2005 zum Gegenstand hat. Die außerordentliche Kündigung vom 7. Juni 2005 ist rechtswirksam und hat das Arbeitsverhältnis zum 8. Juni 2005 beendet.

Das Berufungsgericht schließt sich der sorgfältigen Begründung des Erstgerichts an. Ergänzend wird im Hinblick auf das Berufungsvorbringen folgendes bemerkt:

1. Die Personalratsanhörung ist wirksam.

Gemäß Artikel 77 Absatz 4 BayPersVG ist eine Kündigung unwirksam, wenn der Personalrat nicht beteiligt worden ist. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts liegt ein Fall der "Nichtbeteiligung" auch dann vor, wenn die Anhörung des Personalrats nicht ordnungsgemäß war.

a) Gemäß Art. 69 Abs. 2 Satz 1 BayPersVG ist der Personalrat vor einer Kündigung zu hören. Nach Art. 69 Abs. 2 Satz 2 BayPersVG sind hierbei die Gründe, auf die sich die beabsichtigte Kündigung stützen soll, vollständig anzugeben. Gemäß Art. 77 BayPVG wirkt der Personalrat bei der ordentlichen Kündigung durch den Arbeitgeber mit und kann Einwendungen erheben. Nach Art. 77 Abs. 4 ist eine Kündigung unwirksam, wenn der Personalrat nicht beteiligt worden ist. Die ordnungsgemäße Anhörung des Personalrats ist nach dieser landesgesetzlichen Vorschrift Wirksamkeitsvoraussetzung für die Kündigung.

b) Vorliegend ist der Personalrat über die Kündigungsgründe mit Schreiben vom 7. Juni 2005 unterrichtet worden. Nach einhelliger Auffassung ist der Personalrat umfassend zu informieren. Der Dienststellenleiter hat dem Personalrat die Person des Arbeitnehmers, die Art der Kündigung, den Kündigungstermin sowie die Gründe für die beabsichtigte Kündigung mitzuteilen (vgl. Ballerstedt/Schleicher/Faber, Bay-PersVG, Stand Febr. 2005, Rz. 57). Für den Umfang der Unterrichtungspflicht gelten hierbei die Grundsätze, die die Rechtsprechung im Rahmen von § 102 BetrVG entwickelt hat.

Dabei gilt, dass eine Kündigung nach § 102 Abs. 3 BetrVG nicht nur dann unwirksam ist, wenn der Arbeitgeber gekündigt hat, ohne den Betriebsrat zuvor überhaupt beteiligt zu haben, sondern auch dann, wenn der Arbeitgeber seiner Unterrichtungspflicht nach § 102 Abs. 1 BetrVG nicht richtig, insbesondere nicht ausführlich genug nachkommt. Dabei handelt es sich um eine analoge Anwendung des § 102 Abs. 1 Satz 3 BetrVG , der nach seinem Wortlaut die Sanktion der Unwirksamkeit der Kündigung nur ausspricht, falls überhaupt keine Anhörung des Betriebsrats erfolgt. Diese erst durch das Betriebsverfassungsgesetz 1972 eingeführte Rechtsfolge soll nach Sinn und Zweck des Anhörungsverfahrens auch für den Fall "nicht ordnungsgemäßer" Anhörung gelten (vgl. BAG, Urt. vom 22.09.1994, Az.:2 AZR 31/94, NZA 1995, 363).

Aus diesem Sinn und Zweck der Anhörung folgt für den Arbeitgeber die Verpflichtung, die Gründe für seine Kündigungsabsicht derart mitzuteilen, dass er dem Betriebsrat eine nähere Umschreibung des für die Kündigung maßgeblichen Sachverhalts gibt. Diese Kennzeichnung des Sachverhalts muss einerseits so genau und umfassend sein, dass der Betriebsrat ohne zusätzliche eigene Nachforschungen in der Lage ist, selbst die Stichhaltigkeit der Kündigungsgründe zu prüfen und sich ein Bild zu machen. Der Arbeitgeber genügt daher der ihm obliegenden Mitteilungspflicht nicht, wenn er den Kündigungssachverhalt nur pauschal, schlagwort- oder stichwortartig umschreibt oder lediglich ein Werturteil abgibt, ohne die für seine Bewertung maßgeblichen Tatsachen mitzuteilen.

Da die Betriebsratsanhörung nach § 102 BetrVG aber nicht darauf abzielt, die Wirksamkeit der beabsichtigten Kündigung zu überprüfen, sondern sich darauf beschränkt, im Vorfeld der Kündigung auf die Willensbildung des Arbeitgebers Einfluss zu nehmen, sind an die Mitteilungspflicht des Arbeitgebers im Anhörungsschreiben nicht dieselben Anforderungen zu stellen wie an die Darlegungslast im Kündigungsschutzprozess. Das Bundesarbeitsgericht leitet aus § 102 BetrVG den Grundsatz der so genannten "subjektiven Determinierung" ab, demzufolge der Betriebsrat immer dann ordnungsgemäß angehört worden ist, wenn der Arbeitgeber ihm die aus seiner Sicht tragenden Umstände unterbreitet hat (BAG a.a.O. m.w.N.). Um keine Frage der subjektiven Determinierung handelt es sich, wenn der Arbeitgeber dem Betriebsrat den Sachverhalt bewusst irreführend schildert, damit sich die Kündigungsgründe als möglichst überzeugend darstellen.

c) Bei Anwendung dieser Grundsätze ist das Berufungsgericht - dem Arbeitsgericht folgend - zu der Auffassung gelangt, dass die Wirksamkeit der streitgegenständlichen Kündigung nicht an einer Fehlerhaftigkeit der Personalratsanhörung scheitert. Die Beklagten haben die Personalvertretung zunächst mit Schreiben vom 31. Mai.2005 zur geplanten außerordentlichen Kündigung des Klägers angehört. Mit Schreiben vom 1.6.2006 hat der Personalrat den Beklagten mitgeteilt, dass gegen die geplante außerordentliche Kündigung des Klägers keine Bedenken bestünden. Bezüglich der daraufhin am selben Tag ausgesprochenen außerordentlichen Kündigung ist durch das nunmehr insoweit rechtskräftige Endurteil des Arbeitsgerichts München vom 4.4.2006 festgestellt worden, dass diese das Arbeitsverhältnis nicht beendet hat. Mit weiteren Schreiben vom 7. Juni 2005, das inhaltlich dem Schreiben vom 31.5.2005 im Wesentlichen entspricht, haben die Beklagten erneut den Personalrat zu einer weiteren außerordentlichen Kündigung des Klägers angehört. Mit handschriftlichem Vermerk des Personalratsvorsitzenden vom 7.6.2005 konstatierte dieser, dass der Beschluss des Personalrats vom 1.6.2005 " auch nach neueren Erkenntnissen der PV Bestand" behalte.

Die Beklagten haben in dem Anhörungsschreiben vom 7.6.2005 die für sie wesentlichen Eckpunkte der Kündigungsbegründung dargelegt. Anhaltspunkte dafür, dass sie hier den Sachverhalt bewusst irreführend geschildert haben, um die Kündigungsgründe als möglichst überzeugend darzustellen, sind nicht ersichtlich.

Das Arbeitsgericht hat auch zutreffend darauf hingewiesen, dass die Vermutung des Klägers, die Reaktion des Personalrats sei nicht durch einen Beschluss des Personalrats gedeckt, die Wirksamkeit der Anhörung nicht infrage stellen kann, nachdem es sich insoweit allenfalls um einen Fehler in der Sphäre des Personalrats handelt, der den Beklagten nicht zugerechnet werden kann. Die Beklagten sind lediglich verpflichtet, das ihrerseits im Rahmen der Anhörung Erforderliche zu tun.

2. Vorliegen eines wichtigen Grundes im Sinne von § 54 BAT

Das Arbeitsgericht hat im Ergebnis zutreffend das Verhalten des Klägers am 25 Mai 2005 als einen wichtigen Grund für eine außerordentliche Kündigung gewertet. Es ist aufgrund des Ergebnisses der Beweisaufnahme zu der Überzeugung gelangt, dass der Kläger am 25. Mai 2005 gegen 10:15 Uhr nach Ablehnung seines Urlaubswunsches damit gedroht hat, dass er dann eben am 27. Mai 2005 krank sei. Sämtliche Zeugen hätten dies übereinstimmend bestätigt. An der Glaubwürdigkeit der Zeugen bestünden keine Zweifel.

Soweit die Berufung die Beweiswürdigung des Erstgerichts angreift, vermag das Berufungsgericht dem nicht zu folgen. Rechtsfehler bei der Beweiserhebung sind ebenso wenig zu erkennen wie Verstöße gegen Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze. Das Arbeitsgericht ist aufgrund der ihm obliegenden freien Beweiswürdigung (§ 286 Absatz 1 ZPO) beanstandungsfrei zu dem Ergebnis gelangt, dass sich der Geschehensablauf in der beschriebenen Weise zugetragen hat. Der Kläger hat keine greifbaren Umstände vorgetragen, die die Wertung des Erstgerichts in Frage stellen.

Mit seinem Verhalten hat der Kläger seine arbeitsvertragliche Rücksichtnahmepflicht gröblich verletzt, die es verbietet, den Arbeitgeber dahin gehend unter Druck zu setzen, dass er für den Fall, dass der Arbeitgeber sich seinem unberechtigten Verlangen auf Gewährung von Urlaub für den Brückentag nicht entsprechen sollte, eine künftige Arbeitsunfähigkeit androht.

Dem steht auch nicht der vom Kläger in zweiter Instanz erhobene Einwand entgegen, er sei im Zeitpunkt des Geschehens bereits arbeitsunfähig gewesen.

Es ist zwar richtig, dass die vom Bundesarbeitsgericht zu diesem Themenkreis in den Entscheidungen vom 17.6.2003 (Az.: 2 AZR 423/02, NZA 2004, 564) sowie vom 5.11.1992 (Az.: 2 AZR 147/92, NZA 1993,308) entwickelten Grundsätze von einer Fallkonstellation ausgingen, in der der Arbeitnehmer im Zeitpunkt der Androhung noch nicht krank war. Dies spielt aus Sicht des Berufungsgerichts jedoch keine entscheidende Rolle, weil der Vertrauensbruch des Arbeitnehmers darin liegt, dass er bei seinem Arbeitgeber die Vorstellung erzeugt, dass er in Reaktion auf die Verweigerung der Freistellung diese durch Vorlage eines Attests erzwingen werde.

3. Entbehrlichkeit einer Abmahnung

Das Arbeitsgericht hat zutreffend angenommen, dass eine Abmahnung im vorliegenden Fall entbehrlich war. Der Kläger konnte in keinem Fall mit einer Billigung seines Verhaltens rechnen und musste sich bewusst sein, dass er seinen Arbeitsplatz aufs Spiel setzte. Der Kläger war über die Gründe, die zur Ablehnung seines Urlaubs Gesuchs geführt hatten, informiert. Ihm war auch bewusst, dass der Wunsch nach Anwesenheit an dem bevorstehenden Fenstertag für die Beklagten großes Gewicht hatte.

4. Interessenabwägung

Die Entscheidung des Arbeitsgerichts beruht auch auf einer zutreffenden Interessenabwägung. Das Arbeitsgericht hat in seine Überlegungen einbezogen, dass das Arbeitsverhältnis ungestört über 31 Jahre bestanden hat und Pflichtverstöße in der Vergangenheit nicht vorgetragen worden sind, ferner dass die Ehefrau des Klägers derzeit arbeitslos ist, so dass Unterhaltspflichten möglich erscheinen. Andererseits hat das Arbeitsgericht berücksichtigt, dass die Verweigerung des Urlaubs nicht willkürlich war und unter Berücksichtigung der Zeugenaussagen die Mitarbeiter des Klägers zum damaligen Zeitpunkt nicht in der Lage waren, den Kläger vollständig zu ersetzen. Entscheidend hat das Arbeitsgericht in diesem Zusammenhang darauf abgestellt, dass die Beklagten gerade bei Abschlussarbeiten unbedingt auf eine Anwesenheit von Wissensträgern angewiesen sind, um diese zeitgerecht abschließen zu können und dass eine folgenlose Hinnahme oder eine nur mildere Sanktion des Klägers die Gefahr begründeten, dass künftig andere Mitarbeiter ähnlich handelten und sich so zu Lasten der arbeitenden Kolleginnen und Kollegen ungerechtfertigte Urlaubsvorteile verschafften. In diesem Zusammenhang ist aus Sicht des Berufungsgerichts zusätzlich erschwerend zu berücksichtigen, dass der Kläger seine Drohung nicht nur unter vier Augen gegenüber seinem Vorgesetzten geäußert hat, sondern darüber hinaus auch nachgeordnete Mitarbeiterinnen hierüber informiert hat, was als schwerwiegende Pflichtverletzung im Rahmen seiner Vorgesetztenstellung zu werten ist. Vor dem Hintergrund dieser Gesamtwürdigung führt auch die Berücksichtigung des vom Kläger ins Feld geführten Umstands, dass sein Sohn kurz vor dem streitgegenständlichen Vorfall Führerschein und Arbeitsplatz verloren gehabt habe, ferner dass er bei Aufrechterhaltung der Kündigung sein Reihenhaus verkaufen müsse, nicht zu einer veränderten Beurteilung. Es geht nicht um die Frage einer Bestrafung des Klägers für ein bestimmtes Verhalten, sondern darum, ob den Beklagten im Hinblick auf den geschehenen Vertrauensbruch des Klägers eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unter Berücksichtigung aller Umstände zugemutet werden kann. Dieses ist im Hinblick auf den vom Berufungsgericht in Übereinstimmung mit dem Erstgericht angenommenen Geschehensablauf nicht der Fall.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO.

Gegen dieses Urteil kann der Kläger Revision einlegen.

Für die Beklagten ist gegen dieses Urteil kein Rechtsmittel gegeben.

Die Revision muss innerhalb einer Frist von einem Monat eingelegt und innerhalb einer Frist von zwei Monaten begründet werden.

Beide Fristen beginnen mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber mit Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung des Urteils.

Ende der Entscheidung

Zurück