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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht München
Urteil verkündet am 15.09.2006
Aktenzeichen: 11 Sa 841/05
Rechtsgebiete: TV Ratio, KSchG, GewO


Vorschriften:

TV Ratio § 1 Abs. 2 Buchst. a)
TV Ratio § 3
TV Ratio § 3 Abs. 1
TV Ratio § 4
TV Ratio § 5
TV Ratio § 5 Abs. 1
TV Ratio § 5 Abs. 3
KSchG § 1 Abs. 3
KSchG § 2
GewO § 106
Einzelfallentscheidung zur Rechtswirksamkeit einer Versetzungsmaßnahme auf der Grundlage des Tarifvertrags "TV-Ratio" der Dt. Telekom AG.
LANDESARBEITSGERICHT MÜNCHEN IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

11 Sa 841/05

Verkündet am: 15. September 2006

In dem Rechtsstreit

hat die Elfte Kammer des Landesarbeitsgerichts München auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 8. August 2006 durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Dr. Obenaus sowie die ehrenamtlichen Richter Preibisch und Bianco für Recht erkannt:

Tenor:

1. Die Berufung des Klägers gegen das Endurteil des Arbeitsgerichts Kempten vom 22. Juni 2005, Az.: 5 Ca 1938/04 wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.

2. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Gegenstand der Auseinandersetzung ist eine von der Beklagten mit Datum vom 27.11.2003 zum 1.12.2003 ausgesprochene Versetzungsverfügung gegenüber dem Kläger.

Der Auseinandersetzung liegt im Wesentlichen folgender Sachverhalt zu Grunde:

Der Kläger ist seit 01.09.1987 bei der Beklagten als Kommunikationselektroniker mit einem Bruttoentgelt von zuletzt 2.836,00 Euro beschäftigt. Er war in der Serviceniederlassung L. mit dem Tätigkeitsort K. tätig. Die Parteien sind kraft beiderseitiger Organisationszugehörigkeit tarifgebunden. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien findet unter anderem der Tarifvertrag Rationalisierungsschutz und Beschäftigungssicherung (TV Ratio) vom 29.06.2002 in der Fassung vom 01.10.2003 Anwendung.

Mit Schreiben vom 27.11.2003 versetzte die Beklagte den Kläger von der TK-Niederlassung Süd zu V. Bei V. handelt es sich um einen Betrieb der Beklagten. Gemäß TV Ratio werden diejenigen Mitarbeiter, deren Arbeitsplätze im Zuge einer Rationalisierungsmaßnahme wegfallen, nicht betriebsbedingt gekündigt, sondern im neuen Betrieb V. der Beklagten beschäftigt. Der Geschäftsauftrag des Betriebes V. besteht darin, durch vermittlungsorientierte Qualifizierung und Arbeitsplatzsuche im Konzern und außerhalb des Konzerns den Mitarbeitern, die ihren Arbeitsplatz im Zuge einer Rationalisierungsmaßnahme verloren haben, schnellstmöglich wieder einen Dauerarbeitsplatz zu vermitteln. Bis zur erfolgreichen Weitervermittlung können bei Vivento beschäftigte Arbeitnehmer auch vorübergehend in Form von Leih- und Zeitarbeit innerhalb und außerhalb des Konzerns D. beschäftigt werden. Entsprechende Regelungen enthält der TV Ratio, auf den zur Ergänzung des Tatbestandes Bezug genommen wird.

Der Kreis der von einer Versetzung zu V. betroffene Mitarbeiter wird durch eine Clearingstelle in einem tarifvertraglich durch TV Ratio geregelten Verfahren ausgewählt. Die Clearingstelle ist paritätisch besetzt.

Nach seiner Versetzung wurde der Kläger weiterhin in Kempten beschäftigt.

Mit seiner beim Arbeitsgericht Kempten am 19.5.2004 eingegangenen Klage vom 18.5.2004 hat der Kläger die gerichtliche Feststellung begehrt, dass die Versetzung von 27 11. 2003 rechtsunwirksam ist.

Zur Begründung hat der Kläger in erster Instanz vorgetragen, eine Versetzung nach § 3 TV Ratio habe schon deshalb nicht erfolgen können, da sein Arbeitsplatz nicht weggefallen sei im Sinn von § 3 Absatz 1 TV Ratio. In dem Arbeitsbereich, in dem er vor der Versetzung in K. beschäftigt gewesen sei, habe die Beklagte einen anderen Arbeitnehmer neu eingesetzt. Dieser dort neu eingesetzte Arbeitnehmer sei aus anderen Bereichen in den vormaligen Arbeitsbereich des Klägers versetzt worden und habe von diesem angelernt werden müssen. Auch sei der Kläger ab 1.2.2004 durch Vivento an seinen alten Arbeitsplatz vorläufig bis 30.6.2004 zurück vermittelt worden. Außerdem seien die Verfahrensregelungen des TV Ratio bezüglich der Clearingstelle nicht eingehalten worden. Insbesondere habe die Clearingstelle nicht die im Raum Landshut und im Raum Traunstein beschäftigten Kommunikationselektroniker in das Clearingverfahren einbezogen.

Der Kläger hat in erster Instanz beantragt,

festzustellen, dass die von der Beklagten gegenüber dem Kläger mit Datum vom 27.11.2003 zum 1.12.2003 ausgesprochene Versetzung von der Serviceniederlassung L. zu V. rechtsunwirksam ist.

Die Beklagte hat in erster Instanz beantragt,

Die Klage abzuweisen.

Zur Begründung hat sie in erster Instanz vorgetragen, die Versetzung des Klägers sei entsprechend den Bestimmungen des TV Ratio erfolgt. Die Beklagte habe einen Rahmeninteressenausgleich (Rahmen-ZIA) für spezielle Rationalisierungsmaßnahmen geschlossen. Eines dieser Vorhaben sei das Rationalisierungsvorhaben NICE (Netzinfrastruktur und Service). Für diesen Bereich sei ein zentraler Interessenausgleich und Sozialplan (ZIA NICE) abgeschlossen worden. Dieser sehe vor, dass bei der Service- Niederlassung L. 2003/2004 beim Außendienstcenter technischer Kundendienst (ACTK) K. neu Personalposten abzubauen seien. Dies betreffe die Arbeitsplätze 16.317 (Servicetechniker) und 16.318 (Servicemonteur). Hiervon sei auch der Kläger betroffen.

Die Beklagte hat weiterhin vorgetragen, es liege eine Änderung der Aufbauorganisation vor, die zum Wegfall des Arbeitsplatzes des Klägers geführt habe. Die bisherigen Tätigkeiten des Klägers würden von den verbleibenden Mitarbeitern miterledigt. Dies sei möglich, weil die Arbeitsmenge ohnehin rückläufig sei.

Der Kläger werde im Übrigen seit 1.2.2004 zwar wieder in K. eingesetzt, allerdings nur temporär auf einem Personalposten Monteur AT Nummer 37329. Dabei handele es sich nicht um den alten Arbeitsplatz des Klägers. Dieser habe nämlich bisher Tätigkeiten der Vergütungsgruppe T 5 verrichtet. Nunmehr würde demgegenüber der Kläger aushilfsweise in K. mit Tätigkeiten der Vergütungsgruppe T 3 beschäftigt.

Zur Durchführung des Clearingverfahrens hat die Beklagte in erster Instanz vorgetragen, auch die Kommunikationselektriker, die im Raum Landshut und Traunstein beschäftigt seien, seien einbezogen worden. Ergebnis des Clearingverfahrens sei jedoch gewesen, dass der Kläger zu versetzen sei.

Das Arbeitsgericht Kempten hat mit Endurteil vom 22. Juni 2005 die Klage abgewiesen.

Zur Begründung hat das Gericht ausgeführt, die Versetzungsmaßnahme sei wirksam, weil die Voraussetzungen des § 5 TV Ratio erfüllt seien. Aufgrund der Zeugenaussage des Zeugen O. stehe fest, dass der Arbeitsplatz des Klägers aufgrund einer Organisationsanweisung weggefallen sei, dass der Wegfall der Arbeitsplätze durch Umorganisation ermöglicht worden sei und dass dieser Wegfall nicht konjunkturbedingt aufgrund Auftragsrückgangs eingetreten sei, sondern lediglich Ergebnis einer Organisationsentscheidung.

Nach Überzeugung des Arbeitsgerichts steht weiterhin fest, dass der Kläger nach seiner Versetzung in seinem alten Arbeitsbereich nur noch mit 20% seiner Arbeitszeit unterstützend tätig sei. Im Übrigen beziehe sich seine Tätigkeit im Wesentlichen auf das Schalten am Hauptverteiler, eine Tätigkeit die in die Vergütungsgruppe T 3 einzugruppieren sei. Auch wenn die Beklagte den Kläger nach der Versetzung mit anderen Tätigkeiten im Bereich Kempten beschäftigt habe, so komme sie nur ihrer Verpflichtung gemäß der Protokollnotiz zu § 5 Absatz 1 TV Ratio nach, wonach die Arbeitnehmer nach ihrer Versetzung zwar dezentral der nächstgelegenen Organisationseinheiten Vivento zugeordnet würden, bezüglich der räumlichen Auswirkung aber so zu stellen seien, als würde ihr bisheriger Arbeitsort erhalten.

Die Auswahl des Klägers zur Versetzung aufgrund des Arbeitsplatzwegfalles gemäß § 3 TV Ratio durch die Clearingstelle gemäß § 4 TV Ratio sei auch nicht zu beanstanden. Der hierfür darlegungs- und beweispflichtige Kläger habe nicht dargelegt, dass die Clearingstelle ihre Entscheidung nicht im tariflich vorgesehenen Verfahren getroffen habe.

Die Regelungen des TV Ratio verstoße auch nicht gegen höherrangiges Recht. Dafür spreche zum einen die Richtigkeitsgewähr der Tarifverträge. Zum anderen verstoße das durch den TV Ratio dem Arbeitgeber eingeräumte Versetzungsrecht auch nicht gegen die Vorschriften des Kündigungsschutzgesetzes. Die Tarifvertragsparteien hätten im TV Ratio das Direktionsrecht der Beklagten so ausgestaltet, dass eine Änderung der Arbeitstätigkeit durch den Arbeitgeber nicht voraussetzungslos einseitig vorgenommen werden könne. Vielmehr sei durch die paritätisch besetzte Clearingstelle und das umfangreiche Verfahren der Auswahl eine ganze Reihe von Prozessschritten normiert, die Voraussetzung für die Versetzung des einzelnen Mitarbeiters zu Vivento bildeten. Dem Arbeitgeber werde jedoch kein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht eingeräumt, mit dem er einseitig in den durch das Kündigungsschutzgesetz geschützten Kernbereich des Arbeitsverhältnisses eingreifen könne.

Mit seiner beim Landesarbeitsgericht München am 10. August 2005 eingegangenen Berufung vom selben Tag begehrt der Kläger die Aufhebung des Endurteils des Arbeitsgerichts Kempten vom 22.6.2005 sowie die gerichtliche Feststellung, dass die streitgegenständliche Versetzung unwirksam ist, ferner - klageerweiternd in der Berufungsinstanz - die Verurteilung der Beklagten zur Weiterbeschäftigung des Klägers in seiner früher bei der Beklagten innegehabten Position.

In Vertiefung und Ergänzung seines erstinstanzlichen Vortrags trägt der Kläger vor, die Aufgaben, die er vor Änderung der Aufbauorganisation wahrgenommen habe, seien nicht entfallen. Insbesondere habe die Änderung der Aufbauorganisation als solche nicht dazu geführt, dass die Tätigkeiten, die von ihm wahrgenommen worden seien, nicht mehr angefallen wären. Die Tätigkeiten, die er vor seiner Versetzung ausgeübt habe, seien auch nach der Versetzung vorhanden. Er sei jedenfalls teilweise mit Tätigkeiten betraut, die denen entsprächen, die er vor seiner Versetzung wahrgenommen habe.

Zur Frage der Ordnungsmäßigkeit des Verfahrens vor der Clearingstelle trägt der Kläger vor, in das Auswahlverfahren seien nicht alle vergleichbaren, zum Zeitpunkt der Versetzung vorhandenen Arbeitnehmer aus dem Raum Landshut und Traunstein einbezogen worden. Nach der tariflichen Regelung würden die Clearing-Stellen in den Organisationseinheiten eingerichtet, in denen es um den Wegfall von Arbeitsplätzen gehe. Die Auswahl der zu ersetzenden Arbeitnehmer sei jedoch aus dem Kreis der vom Arbeitsplatzwegfall betroffenen Arbeitnehmer vorgenommen worden. Diese Vorgehensweise, wie sie von der Beklagten beschrieben worden sei, widerlege, dass in die Auswahlentscheidung alle vergleichbaren Arbeitnehmer, auch aus anderen Organisationseinheiten der Beklagten, miteinbezogen worden seien. Das Clearing Verfahren sei damit nicht ordnungsgemäß durchgeführt worden.

Zur tarifrechtlichen Rechtsgrundlage der streitgegenständlichen Versetzungsmaßnahme trägt der Kläger vor, die Bestimmungen des TV Ratio beinhalteten eine dauerhafte und erhebliche Umgestaltung der arbeitsvertraglichen Pflichten des von der Zuordnung zu Vivento betroffenen Arbeitnehmers. Dies sei ein Eingriff in den kündigungsschutzrechtlich gesicherten Kernbereich des Arbeitsverhältnisses.

Der Kläger beantragt:

1. Das Endurteil des Arbeitsgerichts Kempten vom 22.6.2005, Az.: 5 Ca 1938/04, wird aufgehoben.

2. Es wird festgestellt, dass die von der Beklagten gegenüber dem Kläger mit Datum vom 27.11.2003 zum 1.12.2003 ausgesprochene Versetzung von der Service-Niederlassung L. zu V. rechtsunwirksam ist.

3. Die Beklagte wird verpflichtet, den Kläger als Kommunikationselektroniker bei der Service-Niederlassung L., Tätigkeitsort K., weiter zu beschäftigen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Zur Begründung trägt sie vor, der Kläger räume selbst ein, dass die Aufbauorganisation der Beklagten geändert worden sei. Die Unternehmerentscheidung könne auch darin liegen, künftig auf Dauer mit weniger Personal zu arbeiten. Der rationelle Einsatz des Personals sei Sache der Unternehmerentscheidung. Der Zeuge O. habe glaubhaft ausgesagt, dass der Kläger nach seiner Versetzung in seinem ursprünglichen Tätigkeitsbereich nur noch unterstützend beschäftigt werde. Diese Unterstützungstätigkeit nehme lediglich 20% der Arbeitszeit des Klägers in Anspruch. Im Wesentlichen habe sich die Tätigkeit des Klägers nach seiner Versetzung auf das Schalten am Hauptverteiler bezogen, eine Tätigkeit, die in die Vergütungsgruppe T 3 und somit deutlich unterhalb der ehemaligen Tätigkeit des Klägers einzugruppieren sei. Dabei basiere die Aussage des Zeugen auf den vom Kläger selbst verfassten Tätigkeitsnachweisen. Der vom Kläger genannte Mitarbeiter Angele übe eine Tätigkeit nach Tarifgruppe T 4 aus. Der Kläger habe demgegenüber vor der Versetzung einer Mischtätigkeit mit Eingruppierung in die Tarifgruppe T 5 ausgeübt.

Zur Frage der Ordnungsmäßigkeit des Clearingverfahrens argumentiert die Beklagte, der Kläger habe nicht substantiiert vorgetragen, woraus sich ergebe, dass vergleichbare Arbeitnehmer des Raums Landshut sowie Traunstein nicht erfasst worden seien. Tatsächlich seien die vergleichbaren Arbeitnehmer des Raums Landshut und Traunstein mit erfasst worden, wie sich aus dem Protokoll der konstituierenden Sitzung der Clearingstelle vom 27.8.2003 ergebe. Der Kläger verkenne, dass ihn die Darlegungs- und Beweislast für die Richtigkeit seiner Behauptungen treffe.

Die Regelungen des TV Ratio - so die Beklagte weiter - stünden auch im Einklang mit geltendem Kündigungsschutzrecht, insbesondere mit § 2 KSchG. Das Bundesarbeitsgericht habe den Tarifparteien eine Änderung des arbeitsrechtlichen Pflichten-Gefüges zugebilligt, sofern die Änderung der Arbeitsbedingungen dem Erhalt der Arbeitsplätze und damit einhergehend dem Ausschluss betriebsbedingter Kündigungen durch Tarifvertrag diene. Der TV Ratio verhindere sonst unvermeidliche betriebsbedingte Beendigungskündigungen und sichere Arbeitsplätze. Hierdurch werde den Tarifparteien die Möglichkeit eröffnet, Arbeitsbedingungen zu ändern, zu senken und die aktive Beschäftigung temporär auszusetzen. Erforderlich sei, dass der Tarifvertrag selbst die Merkmale festlege, unter denen der Arbeitgeber zum einseitigen Eingriff in die Arbeitsbedingungen befugt sei. Diese richterrechtlich gesetzten Grenzen halte der TV Ratio ein. Entgegen der Auffassung des Klägers verliere er durch die Versetzung nicht seinen Kündigungsschutz.

Der Kläger verkenne das der Versetzungsermächtigung zu Grunde liegende kollektive Regelungssystem und die sich daraus ergebenden Folgen. Die Versetzungsermächtigung selbst sowie die die Versetzung auslösenden Tatsachen beruhten nahezu vollständig auf kollektiven Entscheidungen. Insofern unterscheide sich der vorliegende Fall vom "Normalfall" einer Versetzung auf der Grundlage von § 106 Gewerbeordnung. Im vorliegenden Fall sei der Arbeitgeber durch die erwähnten kollektivrechtlichen Regularien und Vorgaben in seiner Versetzungs-Entscheidung gebunden und unterliege Maßgaben, die unter Beteiligung von Arbeitnehmervertretern und der Gewerkschaft gesetzt worden seien.

Die Vorschriften des TV Ratio seien im Hinblick auf § 2 KSchG auch deshalb unproblematisch, weil die Voraussetzungen des § 5 Absatz 1, Absatz 3 TV Ratio ersichtlich an den Prüfungsmaßstäben des Kündigungsschutzgesetzes ausgerichtet seien. Das von den Tarifvertragsparteien geschaffene Schutzsystem verstärke den arbeitneh-merseitigen Bestandsschutz, indem es den betroffenen Arbeitnehmern trotz des weggefallenen Beschäftigungsbedarfs eine weitere Tätigkeit bei der Beklagten bis mindestens zum 31.12.2008 garantiere.

Das tariflich in Anlage 1 zu § 3 TV Ratio geregelte Auswahlverfahren sei der Sozialauswahl nach § 1 Absatz 3 KSchG angenähert. Das bedeute aber gerade nicht, dass - wie der Kläger meine - eine Sozialauswahl im Sinn von § 1 Absatz 3 KSchG durchzuführen sei.

Schließlich - so die Beklagte - komme auch eine ultima-ratio-Betrachtung zu keinem anderen Ergebnis.

Der Kläger fordere letztlich einen stärkeren Inhaltsschutz gegenüber dem Beendigungsschutz. Die Versetzung sei jedoch der schwächere Eingriff gegenüber der sich sonst als Alternative aufdrängenden betriebsbedingten Beendigungskündigung. Entgegen der Auffassung des Klägers führe die tarifliche Versetzungsermächtigung auch nicht zur dauerhaften Zuweisung nicht vertragsgerechter Tätigkeiten. Dies zeigten die zwischenzeitlichen Vermittlungserfolge der V.

Der Kläger erwidert, er übe jetzt im Wesentlichen Tätigkeiten der Tarifgruppen T 3 bis T. 5 aus. Das was er vorher gemacht habe, nämlich Tätigkeiten T 3 bis T 6 mache jetzt Herr A.. Die Behauptung der Beklagten, der Kläger habe 20% seiner Arbeitszeit mit Unterstützungs- Tätigkeiten für Herrn A. geleistet, treffe nur für die Zeit bis kurz vor dem mündlichen Verhandlungstermin erster Instanz zu. Nach dem Clearingprozess sei Herr A. in den Bereich A. gekommen und habe die Aufgaben, die bis dahin der Kläger wahrgenommen hatte, übertragen bekommen.

Hinsichtlich des weiteren Sach- und Rechtsvortrags der Parteien in zweiter Instanz wird auf die von den Parteien gewechselten Schriftsätze vom 11.10.2005 (Blatt 357 d.A.), vom 19.12.2005 (Blatt 372 d.A.), vom 1.8.2006 (Blatt 535 d.A.) sowie vom 2.8.2006 (Blatt 537 d.A.) ergänzend Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist zulässig, jedoch unbegründet.

I.

Das Arbeitsgericht Kempten hat zutreffend und mit sorgfältiger Begründung entschieden, dass die streitgegenständliche Versetzungsmaßnahme rechtswirksam ist.

Die Berufungskammer schließt sich den sorgfältigen Erwägungen des Arbeitsgerichts an.

Zum Berufungsvorbringen wird ergänzend bemerkt:

1. Die Beklagte hat nachvollziehbar und schlüssig vorgetragen, dass der Arbeitsplatz des Klägers aufgrund einer Änderung der Aufbauorganisation entsprechend § 1 Absatz 2 Buchst. a) TV Ratio weggefallen ist. Dabei ist der Wegfall des Arbeitsplatzes unmittelbare Folge der unternehmerischen Entscheidung. Diese wiederum unterliegt der gerichtlichen Überprüfung allenfalls insoweit, ob und inwieweit sie willkürlich getroffen worden ist. Hierfür liegen Anhaltspunkte jedoch nicht vor, nachdem die getroffene Versetzungsentscheidung Ergebnis einer Willensbildung der paritätisch besetzten Clearingstelle gemäß § 4 TV Ratio ist.

Dem steht auch nicht entgegen, dass der Kläger behauptet, der aus einem anderen Arbeitsbereich (Infrastruktur) nunmehr seinem früheren Arbeitsbereich zugeordnete Mitarbeiter A. führe Tätigkeiten aus, die er, der Kläger, früher wahrgenommen habe. Die Beklagte hat hierzu nachvollziehbar vorgetragen, dass die Zuordnung des Mitarbeiters Angele zum früheren Arbeitsbereich des Klägers Ergebnis einer betrieblichen Neugliederung sei, die es mit sich gebracht habe, dass das Tätigkeitsfeld des früheren Arbeitsbereichs Infrastruktur nunmehr dem Arbeitsbereich zugeschlagen worden sei, in dem der Kläger vor seiner Versetzung gearbeitet habe. Bei den Tätigkeiten, die von Herrn A. ausgeführt würden, handele es sich um Tätigkeiten, die gegenüber den früher vom Kläger wahrgenommenen Tätigkeiten mit Tarifgruppe T 4 niedriger bewertet seien.

Im Hinblick auf diese Darlegungen der Beklagten steht auch zur Überzeugung des Berufungsgerichts fest, dass der Arbeitsplatz des Klägers aufgrund der unternehmerischen Entscheidung der Beklagten weggefallen ist. Hieran ändert es nichts, das nach wie vor Tätigkeiten anfallen und von Mitarbeitern ausgeführt werden, die den Tätigkeiten entsprechen, die der Kläger vor seiner Versetzung ausgeführt hat.

2. Die Berufungskammer folgt auch der Bewertung des Arbeitsgerichts dahingehend, dass das Clearingverfahren ordnungsgemäß verlaufen ist. Der Kläger hat in der zweiten Instanz keine Tatsachen vorgetragen, aus denen sich schließen lässt, dass nicht alle vergleichbaren Arbeitnehmer der Organisationseinheit, für die das Clearingverfahren durchgeführt wurde, in die Auswahl einbezogen wurden. Das Arbeitsgericht hat bereits in seinem Endurteil auf das von der Beklagten vorgelegte Protokoll der Clearingstellen-Sitzung vom 22. bis 24. September 2003 Bezug genommen.

3. Die Regelungen des TV Ratio verstoßen auch nicht gegen höherrangiges Recht. Das Berufungsgericht schließt sich insoweit den zutreffenden Erwägungen des Arbeitsgerichts Kempten an. Der Kläger hat im Übrigen in seiner letzten schriftsätzlichen Äußerung vom 2. August 2006 auch die Auffassung vertreten, es gehe nicht um die Frage der grundsätzlichen Zulässigkeit von Versetzungsmaßnahmen zu Vivento. Vielmehr gehe es lediglich um die Frage, ob konkret in seinem Fall unter Berücksichtigung der tatsächlichen Situation im geclearten Bereich die Versetzungsmaßnahme unwirksam gewesen sei oder nicht.

II.

Die Kostenfolge ergibt sich aus den §§ 97 Absatz 1; 516 Absatz 3 ZPO.

Ende der Entscheidung

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