Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht München
Beschluss verkündet am 21.09.2009
Aktenzeichen: 11 Ta 251/09
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 114
Ablehnung eines Gesuchs um Bewilligung von Prozesskostenhilfe wegen mutwilliger Klageerhebung. Der Kläger eines Kündigungsrechtsstreits hatte ca. zwei Wochen vor dem bereits anberaumten Kammertermin des Kündigungsverfahrens in einem getrennten Verfahren Verzugslohn in Höhe von knapp 90.000 EUR eingeklagt, um für die bevorstehende Kammerverhandlung Druck auf den Arbeitgeber bezüglich eines abzuschließenden Vergleichs auszuüben. Das Beschwerdegericht bestätigte die Entscheidung des Arbeitsgerichts, derzufolge die Verzugslohnklage mutwillig war.
Landesarbeitsgericht München BESCHLUSS

11 Ta 251/09

In dem Beschwerdeverfahren

hat das Landesarbeitsgericht München durch den Vorsitzenden der Kammer 11, Vorsitzender Richter am Landesarbeitsgericht Dr. Obenaus, ohne mündliche Verhandlung am 21. September 2009

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Beschwerde des Klägers gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Regensburg vom 04. Juni 2009, Az. 8 Ca 1304/09 wird zurückgewiesen.

Gründe:

I.

Gegenstand der sofortigen Beschwerde ist die Zurückweisung eines Prozesskostenhilfegesuchs des Klägers vom 16. April 2009 bezüglich einer Klage vom selben Tag, mit der er die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung von Verzugslohn in Höhe von 87.760,40 € begehrte.

Vor Erhebung der Klage war zwischen den Parteien bereits ein Rechtsstreit unter dem Az.: 3 Ca 7/07, betreffend eine fristlose Arbeitgeberkündigung vom 21. Dezember 2006 sowie eine ordentliche Arbeitgeberkündigung vom 30. Januar 2007, anhängig. Kündigungsgrund waren behauptete strafrechtliche Verfehlungen des Klägers. Mit Beschluss vom 16. März 2009 hat das Amtsgericht Kehlheim in der Strafsache gegen den Kläger die Eröffnung des Hauptsacheverfahrens abgelehnt. Mit Beschluss vom 06. April 2009, der dem Kläger am 14. April 2009 zugegangen ist, wurde im bezeichneten Kündigungsschutzverfahren (Az. 3 Ca 7/07) Termin zur Verhandlung vor der Kammer auf den 29. April 2009 bestimmt. In der mündlichen Verhandlung am 29. April 2009 schlossen die Parteien einen Vergleich, in dem unter anderem festgehalten wurde, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien aufgrund ordentlicher Arbeitgeberkündigung vom 21. Dezember 2006 zum 31. Juli 2007 endete. Die Beklagte verpflichtete sich in diesem Prozessvergleich zur Zahlung einer Abfindung für den Verlust des Arbeitsplatzes in Höhe von 30.000,- € brutto. Ferner verpflichtete sie sich, die Vergütung bis zum Ausscheiden abzurechnen und unter Berücksichtigung vom Kläger bezogener Sozialleistungen auszuzahlen.

Mit Beschluss vom 04. Juni 2009, der dem Kläger am 08. Juni 2009 zugestellt wurde, hat das Arbeitsgericht Regensburg den Prozesskostenhilfeantrag des Klägers vom 16. April 2009 zurückgewiesen und zur Begründung ausgeführt, der Kläger sei aufgrund vorhandenen Vermögens in der Lage, die Kosten der Prozessführung zu tragen. Darüber hinaus bestünden Bedenken gegen die klageweise Geltendmachung der Verzugslohnansprüche, solange nicht rechtskräftig feststehe, ob das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung vom 21. Dezember 2006 beendet worden sei.

Hiergegen wendet sich der Kläger mit seiner am 12. Juni 2009 zu Protokoll gegebenen sofortigen Beschwerde, die er damit begründet, dass im Hinblick auf eine Vielzahl von Pfändungen durch die im Vergleich vorgesehene Abfindungszahlung ein Vermögenszuwachs nicht stattgefunden habe. Die Klageerhebung bezüglich der Verzugslohnansprüche sei noch vor Abschluss des Kündigungsschutzverfahrens erfolgt, weil er dringend auf den Lohn angewiesen gewesen sei und weil er seinen Prozessbevollmächtigten unmissverständlich angewiesen habe, etwas zu tun, damit die Beklagte bereit sei, wenigstens einen Vergleich abzuschließen.

Mit Beschluss vom 21. Juli 2009 hat das Arbeitsgericht Regensburg der sofortigen Beschwerde des Klägers gegen die Versagung von Prozesskostenhilfe nicht abgeholfen und zur Begründung ausgeführt, die Abweisung des Antrags auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe werde nicht mehr darauf gestützt, dass im Prozessvergleich vom 29. April 2009 ihm eine Abfindung in Höhe von 30.000,- € zugesagt worden sei. Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe sei aber zurückzuweisen, da die Geltendmachung der Verzugslohnansprüche mit Schriftsatz vom 16. April 2009 mutwillig im Sinn des § 114 ZPO gewesen sei. Die Frage, ob der Kläger Anspruch auf einen Verzugslohn für den streitgegenständlichen Zeitraum gehabt habe, sei im wesentlichen von der Frage abhängig gewesen, ob die fristlose Kündigung vom 21. Dezember 2006 wirksam gewesen sei oder nicht. Darüber hinaus seien keine Einreden bzw. Einwendungen gegen die Annahmeverzugslohnforderungen vorgetragen worden. Aufgrund der Nichteröffnung des Hauptverfahrens gegen den Kläger sei zu erwarten gewesen, dass die fristlose Kündigung seitens der Beklagten nicht mehr aufrechterhalten werde und entsprechende Annahmeverzuglohnansprüche von der Beklagten auch abgerechnet und gezahlt würden. Dementsprechend hätten sich die Parteien im Vergleich vom 29. April 2009 auch dahingehend geeinigt, dass Lohnansprüche bis zum Ablauf der Kündigungsfrist am 31. Juli 2007 gezahlt würden.

II.

Die vom Kläger mit Niederschrift vom 12. Juni 2009 eingelegte sofortige Beschwerde ist zulässig, weil statthaft (§ 127 Abs.2 Satz 2 ZPO) form- (§ 569 Abs.2 S.1 ZPO) und fristgerecht (§§ 569 Abs. 1 S. 1; 127 Abs. 3 Satz 2 ZPO) eingelegt, jedoch unbegründet.

Die Beschwerde ist nicht begründet, weil die Voraussetzungen für eine Bewilligung von Prozesskostenhilfe nicht gegeben sind (§ 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO).

Gemäß § 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO erhält eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Das Arbeitsgericht hat zutreffend entschieden, dass die beabsichtigte Rechtsverfolgung mutwillig war und dass daher die Bewilligung von Prozesskostenhilfe zu versagen ist.

Das Beschwerdegericht nimmt ausdrücklich zur Begründung und zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug auf die zutreffenden Ausführungen des Arbeitsgerichts im Nichtabhilfebeschluss vom 28. August 2008. Die Argumente der sofortigen Beschwerde sind nicht geeignet, eine Abänderung des angegriffenen Beschlusses zu begründen.

Gemäß § 114 ZPO setzt die Bewilligung von Prozesskostenhilfe zum einen eine hinreichende Aussicht auf Erfolg der beabsichtigten Klage oder Rechtsverteidigung und zum anderen voraus, dass die Rechtsverfolgung nicht mutwillig erscheint.

Die Zahlungsklage bis einschließlich April 2009 hatte gemäß § 615 S. 1 und 2 BGB hinreichende Erfolgsaussicht. Die Prüfung der Erfolgsaussicht ist in einem summarischen Verfahren vorzunehmen. Hinreichende Erfolgsaussicht für die Rechtsverfolgung liegt dann vor, wenn der von einem Kläger vertretene Rechtsstandpunkt zumindest vertretbar erscheint und in tatsächlicher Hinsicht die Möglichkeit einer Beweisführung besteht (Zöller/Philippi, 27. Aufl., Rn. 19 zu § 114).

Hieran gemessen, hatte die Zahlungsklage sowohl dem Grunde als auch der Höhe nach hinreichende Aussicht auf Erfolg. Die hinreichende Erfolgsaussicht für den Anspruchsgrund folgt einerseits aus der Tatsache, dass das Hauptverfahren wegen der der Kündigung zugrunde liegenden behaupteten strafrechtlichen Verfehlungen nicht eröffnet wurde und andererseits aus der Tatsache, dass die Beklagte dem Kläger nach Ablauf der Kündigungsfrist keinen funktionsfähigen Arbeitsplatz zur Verfügung gestellt hat und sich somit in Annahmeverzug befand.

Die Rechtsverfolgung war jedoch mutwillig. Eine Rechtsverfolgung ist dann mutwillig, wenn eine verständige, nicht hilfsbedürftige Partei ihre Rechte nicht in gleicher Weise verfolgen würde (Zöller/Philippi, a.a.O., Rn. 30 zu § 114 m. div. Rspr.-Nachw.). Mutwillig kann beispielsweise die Erweiterung einer Kündigungsschutzklage um Entgeltansprüche aus dem Gesichtspunkt des Verzuges für einen Zeitraum nach Ablauf der Kündigungsfrist sein, wenn dieser Betrag zwischen den Parteien unstreitig und auch nicht zweifelhaft ist, dass der Verzugslohn vom Arbeitgeber im Falle des Unterliegens gezahlt werden würde (Germelmann, ArbGG, 6. Aufl., Rn 109 zu § 11 a). Etwas anders gilt, wenn die Ansprüche einer tariflichen Ausschlussfrist unterliegen und ein Abwarten bis zum rechtskräftigen Ausgang des Kündigungsschutzverfahrens zum Untergang der Verzugslohnansprüche führen würde. Letztlich darf dem Hilfsbedürftigen nicht verwehrt werden, den sichersten Weg zur Durchsetzung seiner Ansprüche zu gehen (Zöller/Philippi, a.a.O., Rn. 33 zu § 114). Insbesondere bei drohender Zahlungsunfähigkeit oder Insolvenz des Arbeitgebers kann es dem Arbeitnehmer nicht zugemutet werden, seine Verzugslohnansprüche erst nach dem rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsrechtsstreits einzuklagen. In diesen Fällen ist gerade nicht unzweifelhaft, dass der Arbeitgeber im Falle des Unterliegens die Verzugslohnansprüche auch erfüllen kann und wird. Bei drohender Zahlungsunfähigkeit oder Insolvenz des Arbeitgebers ist es mithin nicht mutwillig i. S. v. § 114 ZPO, wenn der Arbeitnehmer nach einem erstinstanzlich obsiegenden Urteil in einem Kündigungsrechtsstreit Verzugslohnansprüche geltend macht, obwohl der Arbeitgeber gegen das Urteil in dem Kündigungsrechtstreit Berufung eingelegt hat.

Bei Anwendung dieser Grundsätze ist das Beschwerdegericht mit dem Arbeitsgericht der Auffassung, dass eine nicht hilfsbedürftige Partei ihre Rechte nicht in der Weise wie der Kläger geltend gemacht hätte. Gerade die Tatsache, dass der Termin zur Verhandlung vor der Kammer für eine Zeit von weniger als zwei Wochen nach der Klageerhebung angesetzt war, hätte eine nicht hilfsbedürftige Partei davon abgehalten, eine entsprechende Verzugslohnklage zu erheben. Vielmehr hätte eine nicht hilfsbedürftige Partei zunächst den Verlauf der bevorstehenden Verhandlung abgewartet, um dann zu entscheiden, ob eine Klageerweiterung angeraten ist. Eventuelle Verzugslohnansprüche waren zwischen den Parteien weder der Höhe nach streitig noch standen Ausschlussfristen im Raum und es drohte auch keine Zahlungsunfähigkeit der Beklagten. Die rein strategische Überlegung des Klägers, mit der zusätzlichen Klageerhebung Druck auf die Beklagte auszuüben, führt nicht dazu, dass die Mutwilligkeit verneint werden könnte.

Gegen diesen Beschluss wird die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen, weil die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat (§78 S. 2 i.V.m. § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG)

Dieser Beschluss ist daher nicht anfechtbar.

Ende der Entscheidung

Zurück