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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht München
Beschluss verkündet am 25.01.2007
Aktenzeichen: 2 TaBV 102/06
Rechtsgebiete: BetrVG, WO


Vorschriften:

BetrVG § 19
WO § 6 Abs. 7
Die Ungültigkeit einer Vorschlagsliste entbindet den Wahlvorstand nicht von seiner Verpflichtung, Doppelkandidaten zu einer Erklärung aufzufordern, welche Bewerbungen sie aufrechterhalten (§ 6 Abs. 7 Satz 2 WO). Ein Verstoß des Wahlvorstandes gegen diese Verpflichtung macht die Wahl unwirksam (§ 19 Abs. 1 BetrVG).
LANDESARBEITSGERICHT MÜNCHEN IM NAMEN DES VOLKES BESCHLUSS

2 TaBV 102/06

Verkündet am: 25. Januar 2007

In dem Beschlussverfahren

hat die zweite Kammer des Landesarbeitsgerichts München auf Grund der mündlichen Anhörung vom 25. Januar 2007 durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Waitz sowie die ehrenamtlichen Richter Butzenberger und Krause beschlossen:

Tenor:

1. Die Beschwerden der Beteiligten zu 1 und 2 gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts München - Kammer Weilheim - vom 23.8.2006 - 29b BV 6/06 W - werden zurückgewiesen.

2. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Das Verfahren soll klären, ob die im Betrieb der Beteiligten zu 3 (Arbeitgeberin) am 19.04.2006 durchgeführte Betriebsratswahl rechtswirksam ist.

Der Antragsteller (Beteiligter zu 1) ist eine im Betrieb vertretene Gewerkschaft. Der Beteiligte zu 2 ist der am 19.04.2006 neu gewählte neunköpfige Betriebsrat.

In seinem Wahlausschreiben vom 01.03.2006 teilte der Wahlvorstand u. a. mit, dass Wahlvorschläge bis 16.03.2006, 24.00 Uhr eingereicht werden können. Bis zum Ablauf dieser Frist lagen dem Wahlvorstand zwei Wahlvorschlagslisten vor, nämlich die Liste des Listenführers V., die als Kandidaten sowohl Ärzte wie auch anderes Klinikpersonal aufführte, und die Liste des Antragstellers, auf der nur Ärzte aufgeführt waren. Die Liste des Antragstellers war kurz vor Einreichung geändert worden. Ein Kandidat war gestrichen, eine neue Bewerberin hinzugefügt und die Reihenfolge der Kandidaten geändert worden. Die Unterschriften der Unterzeichner der Liste waren vor diesen Änderungen geleistet worden.

Vier Bewerber (W., Wa., T. und S.) kandidierten auf beiden Listen.

Am 21.03.2006 beschloss der Wahlvorstand, die Liste des Antragstellers als ungültig zurückzuweisen. In einem vom Antragsteller am 05.04.2006 eingeleiteten Verfahren der einstweiligen Verfügung gab das Arbeitsgericht dem Wahlvorstand mit Beschluss vom 12.04.2006 auf, die Betriebsratswahl abzubrechen. Der Beschluss wurde in Anwesenheit des Wahlvorstandsvorsitzenden verkündet, dem Wahlvorstand aber erst am 20.04.2006 zugestellt. Der Wahlvorstand legte gegen den Beschluss Beschwerde beim Landesarbeitsgericht München ein.

Noch vor Zustellung des Beschlusses im einstweiligen Verfügungsverfahren fand die Betriebsratswahl am 19.04.2006 statt. Das Wahlergebnis wurde am 19.04.2006 bekannt gemacht. Die Kandidaten W., Wa., T. und S. - allesamt Ärzte - wurden in den Betriebsrat gewählt.

Der Antragsteller hat erstinstanzlich die Auffassung vertreten, die Betriebsratswahl sei nichtig, jedenfalls aber rechtsunwirksam. Der Wahlvorschlag der Liste V. sei ungültig gewesen, da die Doppelkandidaten entgegen § 6 Abs. 7 WO nicht zu einer Erklärung darüber aufgefordert worden seien, welche Bewerbung sie aufrecht erhielten. Außerdem sei die Liste des Antragstellers zu Unrecht zurückgewiesen worden, denn die vorgenommenen Änderungen hätten dem Willen der Kandidaten und der Bevollmächtigten entsprochen und es hätte eine dreitägige Frist zur Beibringung der entsprechenden Nachweise eingeräumt werden müssen.

Mit der am 02.05.2006 beim Arbeitsgericht eingegangenen Antragsschrift hat der Antragsteller beantragt, die Betriebsratswahl im Krankenhaus Weilheim vom 19.04.2006 für nichtig, jedenfalls für unwirksam zu erklären.

Dagegen hat der Betriebsrat zur Begründung seines Antrags auf Antragsabweisung vorgetragen, die Liste des Antragstellers sei zu Unrecht als ungültig gewertet worden. Infolge der Ungültigkeit dieser Vorschlagsliste habe dem Wahlvorstand nach Ablauf der Einreichungsfrist nur eine Wahlvorschlagsliste im Sinne des Betriebsverfassungsgesetzes vorgelegen. Demnach habe es auch keine Doppelkandidaten im Sinne des § 6 Abs. 7 WO gegeben. Eine Aufforderung an die Kandidaten, sich für eine Liste zu entscheiden, sei nicht erforderlich, ja sogar unzulässig gewesen.

Mit Beschluss vom 23.08.2006 hat das Arbeitsgericht die Betriebsratswahl im Krankenhaus Weilheim vom 19.04.2006 für unwirksam erklärt und im Übrigen den Antrag zurückgewiesen. Die Wahl sei zwar nicht nichtig, aber nach § 19 BetrVG wirksam angefochten worden. Ein möglicher Verstoß gegen § 6 Abs. 7 WO führe nicht dazu, dass die Betriebsratswahl nicht mehr den Anschein einer ordnungsgemäß durchgeführten Wahl habe, und damit nicht zur Nichtigkeit. Die Nichtigkeit der Wahl ergebe sich auch nicht aus der Nichtbeachtung des Beschlusses im Verfahren der einstweiligen Verfügung durch den Wahlvorstand. Der Beschluss sei nämlich bei Durchführung der Wahl nicht rechtskräftig gewesen und auch erst danach zugestellt worden. Die Wahl sei aber wirksam angefochten worden, da der Wahlvorstand gegen § 6 Abs. 7 WO verstoßen habe. Der Wahlvorschlag des Antragstellers sei zwar unheilbar ungültig gewesen (§ 8 Abs. 1 Nr. 3 WO). Diese Ungültigkeit habe den Wahlvorstand aber nicht von seiner Verpflichtung entbunden, die Doppelkandidaten zur Erklärung aufzufordern, welche Bewerbung sie aufrecht erhalten wollen. Dies ergebe sich bereits aus der Stellung des § 6 innerhalb der Wahlordnung. Diese Bestimmung knüpfe allein an die Existenz einer beim Wahlvorstand eingereichten Vorschlagsliste an. Auch der Grundsatz der Wahlklarheit spreche für die Verpflichtung des Wahlvorstandes, Doppelkandidaten in jedem Fall und unabhängig von der rechtlichen Gültigkeit einer Vorschlagsliste zur Erklärung nach § 6 Abs. 7 Satz 2 WO zu veranlassen. Die Bewerber müssten selbst entscheiden, auf welcher Liste sie kandidieren wollen. Dabei sei nicht auf die rechtliche Bewertung einer Vorschlagsliste abzustellen, sondern allein auf den Willen des Bewerbers. Es könne nicht ausgeschlossen werden, dass der Verstoß gegen § 6 Abs. 7 Satz 2 WO das Wahlergebnis beeinflusst habe. Das Wahlergebnis hätte sich schon dann geändert, wenn einer der Doppelkandidaten innerhalb von drei Arbeitstagen keine Erklärung abgegeben hätte, welche Bewerbung er aufrecht erhalten will. Es könne nicht unterstellt werden, dass alle vier Doppelbewerber die Bewerbung auf der Liste "V." aufrecht erhalten hätten.

Gegen diesen den Verfahrensbevollmächtigten der Beteiligten zu 1 und 2 am 25.08.2006 zugestellten Beschluss haben diese beiden Beteiligten am 25.09.2006 Beschwerde eingelegt. Die Beschwerde des Beteiligten zu 1 ist am 27.11.2006 begründet worden, nachdem die Beschwerdebegründungsfrist bis zu diesem Tag verlängert worden war. Die Beschwerdebegründung des Beteiligten zu 2 ist am 25.10.2006 eingegangen.

Der Antragsteller hält die Wahl weiter für nichtig. Mit der Durchführung der Wahl habe der Wahlvorstand gegen die gerichtliche Entscheidung im Verfahren der einstweiligen Verfügung und damit gegen die bestehende Rechtsordnung verstoßen.

Der Antragsteller beantragt,

den angefochtenen Beschluss abzuändern und die Betriebsratswahl im Krankenhaus Weilheim vom 19.04.2006 für nichtig zu erklären.

Der Betriebsrat beantragt,

die Beschwerde des Antragstellers zurückzuweisen.

Er ist der Auffassung, der Wahlvorstand habe bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung an seiner Rechtsauffassung festhalten können. Außerdem sei der Beschluss erst nach der durchgeführten Wahl vollstreckbar gewesen.

Er ist weiter der Auffassung, das Arbeitsgericht habe die sich aus den Streichungen und Änderungen auf der Liste des Antragstellers ergebenden Konsequenzen verkannt. Der Vorschlag des Antragstellers sei kein Wahlvorschlag im Sinne des Betriebsverfassungsgesetzes mehr gewesen (BAG vom 15.12.1972 - 1 ABR 8/72 - AP Nr. 1 zu § 14 BetrVG 1972). Damit habe nur noch eine Vorschlagsliste vorgelegen und denknotwendig sei eine Doppelkandidatur nicht mehr möglich gewesen. § 6 Abs. 7 WO regle nicht, dass im Fall von ungültigen Vorschlagslisten eine Aufforderung an mehrfach aufgeführte Bewerber erfolgen müsse. Auch eine Auslegung dieser Norm führe nicht zu einer entsprechenden Verpflichtung des Wahlvorstandes. Den Regelungen der Wahlordnung könne keine Reichenfolge entnommen werden, wie der Wahlvorstand bei der Prüfung von Wahlvorschlägen vorgehen müsse. Folge man der Rechtsauffassung des Arbeitsgerichts, wären Doppelkandidaten noch vor Bestätigung des Erhalts des Wahlvorschlags gemäß § 7 Abs. 1 WO zu einer Erklärung aufzufordern. Eine solche unsystematische Verfahrensweise sei der Wahlordnung jedoch nicht zu entnehmen. Jedenfalls gehe das Gericht zu Unrecht davon aus, dass durch das Unterlassen der Aufforderung das Wahlergebnis beeinflusst werden konnte. Bei Durchführung des Verfahrens gemäß § 6 Abs. 7 WO wäre es zu demselben Wahlergebnis gekommen. Der Wahlvorstand hätte dann nämlich die Kandidaten gleichzeitig darüber unterrichtet, dass die Liste des Antragstellers als ungültig zurückzuweisen sei. Dann hätten sich die Kandidaten dafür entschieden, auf der einzig vorhandenen, gültigen Liste vertreten zu sein. Hierfür spreche auch, dass alle vier Kandidaten die Wahl angenommen hätten.

Der Betriebsrat beantragt,

den Beschluss des Arbeitsgerichts München - Kammer Weilheim - vom 23.08.2006 - Aktenzeichen 29b BV 6/06 W - aufzuheben und die Anträge des Beteiligten zu 1.) zurückzuweisen.

Der Antragsteller beantragt,

die Beschwerde des Betriebsrats zurückzuweisen.

Er hält die Entscheidung des Arbeitsgerichts bzgl. der Wahlanfechtung für zutreffend. Außerdem weist er darauf hin, dass die Belegschaft über die Entscheidung des Arbeitsgerichts im Verfahren der einstweiligen Verfügung informiert worden sei. Eine große Anzahl von Wahlberechtigten sei davon ausgegangen, dass die Wahl nicht stattfinden werde bzw. wegen Verstoßes gegen die arbeitsgerichtliche Verfügung keine Gültigkeit habe und sei daher der Wahl ferngeblieben.

Wegen weiterer Einzelheiten des Sachvortrags im Beschwerdeverfahren wird auf die Schriftsätze des Antragstellers vom 27.11.2006, 08.12.2006 und 09.01.2007 sowie des Betriebsrats vom 25.10.2006 und 03.01.2007 Bezug genommen, außerdem auf die Sitzungsniederschrift vom 25.01.2007.

II.

Beide Beschwerden sind unbegründet, weil das Arbeitsgericht zu Recht angenommen hat, dass die am 19.04.2006 durchgeführte Betriebsratswahl zwar nicht nichtig, aber rechtsunwirksam ist. Das Arbeitsgericht hat seine Entscheidung nicht nur gründlich, sondern nach Ansicht der Beschwerdekammer auch in jeder Hinsicht zutreffend und überzeugend begründet. Die folgenden Ausführungen stellen daher in weiten Teilen eine Wiederholung der Argumentation des Arbeitsgerichts dar, wobei schwerpunktmäßig auf die Angriffe in beiden Beschwerden eingegangen wird.

1. Die Beschwerde des Antragstellers ist unbegründet, weil die Betriebsratswahl nicht nichtig ist.

Das Arbeitsgericht hat zu Recht angenommen, dass ein möglicher Verstoß gegen § 6 Abs. 7 WO nicht zur Nichtigkeit der Wahl führt. Auch der Antragsteller macht im Beschwerdeverfahren nicht mehr geltend, dieser Verstoß beseitige den Anschein einer ordnungsgemäß durchgeführten Wahl.

Entgegen der Auffassung des Antragstellers kann die Nichtigkeit nicht damit begründet werden, die Wahl sei trotz des gerichtlichen Verbots im Verfahren der einstweiligen Verfügung durchgeführt worden. Der arbeitsgerichtliche Beschluss war nämlich dem Wahlvorstand bei Durchführung der Betriebsratswahl noch nicht zugestellt und damit nicht vollstreckbar. Die vom Antragsteller genannten §§ 917, 935 ZPO sprechen zwar dafür, dass Entscheidungen im Verfahren der einstweiligen Verfügung sofort vollstreckbar sind, machen aber die allgemeinen Vollstreckungsvoraussetzungen nicht entbehrlich. Hierzu gehört insbesondere die Zustellung des Titels, aus dem vollstreckt werden soll. Das Ignorieren einer nicht vollstreckbaren gerichtlichen Entscheidung ist jedenfalls kein so schwerwiegender Verstoß, dass der Anschein einer dem Gesetz entsprechenden Wahl nicht mehr bestand.

Ein anderes Ergebnis ergibt sich nicht aus dem Rechtsgedanken des § 161 Abs. 1 BGB. Die Verkündung des Beschlusses im Verfahren der einstweiligen Verfügung führte nicht zu einem Schwebezustand, der vergleichbar ist mit dem Zustand, der besteht, wenn jemand unter einer aufschiebenden Bedingung über einen Gegenstand verfügt. Vielmehr tritt eine Vollstreckbarkeit der gerichtlichen Entscheidung erst ein, wenn die Voraussetzungen der Zwangsvollstreckung vorliegen. Es ist nicht ersichtlich, warum der Antragsteller nicht dem Wahlvorstand vor dem 19.04.2006 eine abgekürzte vollstreckbare Ausfertigung des Beschlusses hätte zustellen können.

2. Auch die Beschwerde des Betriebsrats ist unbegründet, weil das Arbeitsgericht zu Recht angenommen hat, dass die Wahl rechtsunwirksam ist und wirksam angefochten wurde (§ 19 BetrVG).

Der Wahlvorstand hat § 6 Abs. 7 WO nicht beachtet. Danach haben Personen, die auf mehreren Vorschlagslisten als Kandidaten aufgeführt sind, auf Aufforderung des Wahlvorstands vor Ablauf von drei Arbeitstagen zu erklären, welche Bewerbung sie aufrecht erhalten.

Hier war die Vorschlagsliste des Antragstellers zwar unheilbar ungültig, wie das Arbeitsgericht und der Betriebsrat übereinstimmend und zu Recht annehmen. Die Ungültigkeit der Vorschlagsliste entband den Wahlvorstand aber nicht von seiner Verpflichtung nach § 6 Abs. 7 WO. Er hätte die Doppelkandidaten zur Erklärung auffordern müssen, welche Bewerbung sie aufrecht erhalten wollen. Dies ergibt sich - wie vom Arbeitsgericht angenommen - bereits aus der Reihenfolge der Bestimmungen der §§ 6 bis 8 WO. Es ist keineswegs unsystematisch, wenn der Wahlvorstand zunächst prüft, ob Doppelkandidaturen vorliegen und erst dann in die Prüfung der Vorschlagslisten nach § 7 WO einsteigt. Insbesondere knüpft § 6 WO allein an die Existenz einer beim Wahlvorstand eingereichten Vorschlagsliste an. Dagegen gibt es keine Regelung, dass der Wahlvorstand Vorschlagslisten so behandeln darf, als gebe es sie gar nicht. So hat sich der Wahlvorstand aber hier verhalten, wenn er annahm, es gebe gar keine Doppelkandidaten.

Aus den vom Betriebsrat herangezogenen Beschluss des Bundesarbeitsgerichts (15.12.1997 - 1 ABR 8/72 - AP Nr. 1 zu § 14 BetrVG 1972) kann eine Befugnis des Wahlvorstands, einen Wahlvorschlag als nicht existent zu betrachten, nicht abgeleitet werden. In dem dieser Entscheidung zugrunde liegenden Fall hatte der Wahlvorstand eine Liste, bei der nachträglich Streichungen vorgenommen worden waren, zurückgewiesen. Das Bundesarbeitsgericht hat den Antrag auf Feststellung, dass die Entscheidung des Wahlvorstands rechtsunwirksam war, zurückgewiesen und zur Begründung u. a. ausgeführt, bei dem eingereichten Wahlvorschlag handle es sich nicht um einen Wahlvorschlag im Sinn des Betriebsverfassungsgesetzes. Die Entscheidung des Wahlvorstands, den Wahlvorschlag zurückzuweisen, wurde also bestätigt. Dagegen sagt das Bundesarbeitsgericht nicht, dass der Wahlvorstand den Wahlvorschlag als nicht existent behandeln durfte. In dem vom Bundesarbeitsgericht entschiedenen Fall hat der Wahlvorstand auch nicht so gehandelt, als gebe es den ungültigen Wahlvorschlag nicht.

Nach der im Jahr 2006 geltenden Wahlordnung sind Vorschlagslisten ungültig, die bei Einreichung nicht die erforderliche Zahl von Unterschriften aufweisen (§ 8 Abs. 1 Nr. 3 WO). Dies war bei der Vorschlagsliste des Antragstellers der Fall, denn die eingereichte Liste war aufgrund der nachträglichen Änderungen nicht mehr von den Unterschriften gedeckt. Ein ungültiger Wahlvorschlag oder ein Wahlvorschlag, der nicht dem Betriebsverfassungsgesetz entspricht, kann vom Wahlvorstand nicht einfach ignoriert werden. Dies ergibt sich auch aus § 7 Abs. 2 Satz 2 WO, wonach der Wahlvorstand bei Ungültigkeit oder Beanstandung einer Liste die Listenvertreterin oder den Listenvertreter zu unterrichten hat.

Der Umstand, dass ein Wahlvorschlag ungültig war, hatte entgegen der Auffassung des Betriebsrats nicht zur Folge, dass eine Doppelkandidatur nicht mehr möglich war. Vielmehr gab es eine gültige und eine ungültige Vorschlagsliste. Die Ungültigkeit einer Liste hat nicht zur Folge, dass die Kandidatur auf dieser Liste gegenstandslos ist.

Vielmehr weist das Arbeitsgericht zu Recht darauf hin, dass nach § 6 Abs. 7 WO die Bewerber selbst entscheiden sollen, auf welcher Liste sie letztlich kandidieren wollen. Dies verlangt auch der Grundsatz der Wahlklarheit. Es muss klar sein, auf welcher Liste ein Kandidat antritt. Abzustellen ist dabei nicht auf die rechtliche Bewertung einer Vorschlagsliste durch den Wahlvorstand, sondern auf den Willen des Bewerbers. Die Auffassung des Wahlvorstands und des Betriebsrats kann dazu führen, dass der Wille eines Bewerbers missachtet wird. Es ist nämlich durchaus denkbar, dass ein Bewerber sich für die Kandidatur auf der Liste entscheidet, die der Wahlvorstand für ungültig hält. Dies ist etwa denkbar, wenn der Bewerber die Auffassung des Wahlvorstands für unzutreffend hält oder er die für ungültig erachtete Liste deutlich vorzieht.

Schließlich nimmt das Arbeitsgericht zu Recht an, dass nicht ausgeschlossen werden kann, dass die fehlende Aufforderung an die Doppelkandidaten das Wahlergebnis beeinflusst hat.

Nach § 19 Abs. 1 letzter Halbsatz BetrVG berechtigen Verstöße gegen wesentliche Wahlvorschriften nur dann nicht zur Anfechtung der Betriebsratswahl, wenn durch den Verstoß das Wahlergebnis nicht geändert oder beeinflusst werden konnte. Das ist der Fall, wenn bei einer hypothetischen Betrachtungsweise eine Wahl ohne den Verstoß unter Berücksichtigung der konkreten Umstände zwingend zu demselben Wahlergebnis geführt hätte (BAG vom 13.10.2004 - 7 ABR 5/04 - DB 2005, 675).

Die Ausführungen des Betriebsrats zum Verhalten der vier Doppelkandidaten laufen letztlich auf eine Spekulation hinaus. Es ist keineswegs zwingend, dass alle vier Doppelkandidaten Erklärungen für die Liste "V." abgegeben und nicht vielleicht die Frist versäumt hätten, wären sie vom Wahlvorstand zu einer Erklärung aufgefordert worden.

Da schon die Nichtbeachtung der Vorschrift des § 6 Abs. 7 WO durch den Wahlvorstand zur Rechtsunwirksamkeit der Betriebsratswahl führt, kann offen bleiben, ob eine weiterer Unwirksamkeitsgrund vorliegt und der Bewerber W. die Vorschlagsliste "V." unterschrieben hat.

III.

Diese Entscheidung ist unanfechtbar, da kein Grund für die Zulassung der Rechtsbeschwerde (§ 92 Abs. 1 i. V. m. § 72 Abs. 2 ArbGG) vorliegt. Auf § 92a ArbGG (Nichtzulassungsbeschwerde) wird hingewiesen.

Ende der Entscheidung

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