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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht München
Urteil verkündet am 28.08.2007
Aktenzeichen: 5 Sa 735/07
Rechtsgebiete: TVG


Vorschriften:

TVG § 2 Abs. 1
1. Eine Einstweilige Verfügung kann auch zur Untersagung eines rechtswidrigen Streiks erlassen werden.

2. Zum wesentlichen Inhalt der mit einem Arbeitskampf verfolgten tariflichen Forderung gehört auch, wer auf Arbeitgeberseite Partner eines Tarifvertrages werden soll.

3. Eine Konzernobergesellschaft ist nur für ihre eigenen Arbeitnehmer tariffähig im Sinne des § 2 Abs. 1 TVG.

Ein Streik gegen ein abhängiges Unternehmen mit dem Ziel, das herrschende Unternehmen zum Abschluss eines Tarifvertrages im eigenen Namen zu zwingen, der ausschließlich für die bei den abhängigen Unternehmen beschäftigten Arbeitnehmer gelten soll, ist deshalb rechtswidrig.

4. Sowohl der Erlass als auch die Ablehnung des Erlasses einer Einstweiligen Verfügung schafft in der Regel, jedenfalls für das aktuelle Arbeitskampfgeschehen, irreversible Verhältnisse.

Ein Verfügungsgrund ist jedenfalls dann gegeben, wenn eine umfassende Interessenabwägung, wobei insbesondere das beiderseitige Schadensrisiko einzubeziehen ist, im Ergebnis eine zeitnahe gerichtliche Anordnung notwendig macht. Im zur Entscheidung stehenden Fall kann deshalb offenbleiben, ob ein Verfügungsgrund für eine gerichtliche Streikuntersagung im Verfahren der Einstweiligen Verfügung regelmäßig schon dann gegeben ist, wenn der Unterlassungsanspruch besteht.


LANDESARBEITSGERICHT MÜNCHEN IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

5 Sa 735/07

Verkündet am: 28. August 2007

In dem einstweiligen Verfügungsverfahren

hat die Fünfte Kammer des Landesarbeitsgerichts München auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 28. August 2007 durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Dr. Wanhöfer sowie die ehrenamtlichen Richter Frank und Schönauer für Recht erkannt:

Tenor:

I. Auf die Berufung der Verfügungsklägerin wird das Urteil des Arbeitsgerichts München vom 08.08.2007, Az. 39 Ga 159/07, geändert:

1. Der Verfügungsbeklagte wird verpflichtet, den Aufruf vom 30.07.2007 zu unbefristeten Streiks ab 31.07.2007 an allen deutschen Standorten der Verfügungsklägerin zu widerrufen.

2. Der Verfügungsbeklagte wird verpflichtet, durch einen Aufruf in gleicher Weise seine Mitglieder dazu aufzufordern, dem Streikaufruf vom 30.07.2007 nicht mehr Folge zu leisten.

3. Dem Verfügungsbeklagten wird untersagt, Maßnahmen zur Durchführung der Arbeitskampfmaßnahmen gemäß Streikaufruf vom 30.07.2007 vorzunehmen.

4. Dem Verfügungsbeklagten wird untersagt, zu Arbeitskampfmaßnahmen aufzurufen mit dem Ziel, mit dem A. e.V. einen Mantel- und einen Gehaltstarifvertrag abzuschließen.

5. Dem Verfügungsbeklagten wird für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen die Unterlassungspflichten gemäß den Ziffern 3 und 4 ein Ordnungsgeld von bis zu EUR 250.000,00 (i.W.: Zweihundertfünfzigtausend Euro), ersatzweise Ordnungshaft, zu vollziehen am Vorsitzenden des Vorstandes des Verfügungsbeklagten, angedroht.

6. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

II. Die Anschlussberufung des Verfügungsbeklagten wird zurückgewiesen.

III. Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Verfügungsbeklagte.

Tatbestand:

Die Parteien streiten über die Rechtmäßigkeit eines Streikaufrufs des Verfügungsbeklagten vom 30.07.2007. Die Verfügungsklägerin verfolgt im Wege der Einstweiligen Verfügung die Verpflichtung des Verfügungsbeklagten zum Widerruf des Streikaufrufs und zur Unterlassung von Arbeitskampfmaßnahmen.

Die Verfügungsklägerin, die eine 100 %ige Tochtergesellschaft des A. e.V. ist, führt bundesweit Einsätze im Rahmen der Luftrettung durch.

Der Verfügungsbeklagte ist ein eingetragener Verein, in dem sich das Cockpitpersonal von Luftverkehrsgesellschaften und Flugbetrieben zusammengeschlossen hat, um Tarifverträge abzuschließen.

Die Verfügungsklägerin beschäftigt ausschließlich Hubschrauberpiloten (103 Piloten und 2 Copiloten). Sie setzt neben den bei ihr angestellten Piloten 10 Piloten und 3 Copiloten der Fa. A1 GmbH ein. Die Fa. A1 GmbH ist eine 100 %ige Tochtergesellschaft der Fa. A2 GmbH, die ihrerseits eine 100 %ige Tochtergesellschaft des A. e.V. ist. Die Fa. A2 GmbH hat eine weitere Tochtergesellschaft, die Fa. E. GmbH & Co. KG, bei der 5 Piloten angestellt sind, die in der Flugrettung tätig sind. Keiner der im A. Konzern beschäftigten Piloten und Copiloten hat ein Arbeitsverhältnis mit dem A. e.V..

Im November 2006 bildete der Verfügungsbeklagte eine Tarifkommission mit dem Ziel, in Verhandlungen über den Abschluss von Tarifverträgen für die Hubschrauberpiloten einzutreten.

Am 22.01.2007 fand ein erstes Gespräch zwischen den Parteien statt. Mit Schreiben vom 28.02.2007 (Bl. 225 f. d.A.) forderte der Verfügungsbeklagte die Verfügungsklägerin auf, in Tarifverhandlungen einzutreten. In dem Schreiben heißt es unter anderem:

"Wir sprachen darüber, mit Ihnen in Tarifverhandlungen auf Basis von Haustarifverträgen einzusteigen, um ein einheitliches Regelwerk und Arbeits- und Vergütungsbedingungen für alle Hubschrauberpiloten zu schaffen, die unter dem Dach des A. e.V. (z.Zt. p. GmbH, E. GmbH und A1 GmbH) beschäftigt sind. ...

Der Gedanke, dass unterschiedliche Unternehmen, also die rein gesellschaftsrechtliche Betrachtung zugrunde gelegt, auch die unterschiedlichen Arbeits- und Vergütungsbedingungen unter dem Dach einer gemeinnützigen Vereinigung wie dem A. e.V. rechtfertigen würden, wird von uns nicht geteilt. Dass wir in der Lage sind, trotz vergleichbarer Konstellationen in bekannten Luftfahrtunternehmen (z.B. HLX/HLF unter dem Dach der TUI) einheitliche tarifliche Regelungen zu schaffen, haben wir erfolgreich nachgewiesen. Der Nutzen solcher Vereinheitlichungen liegen auf der Hand: Auch in diesen Unternehmen traten die Mitglieder an uns heran, insbesondere weil sie der gelebten "Zweiklassengesellschaft" ein Ende bereiten wollten. ....

Zwischenzeitlich hat die Tarifkommission ihre Arbeit fortgesetzt und Forderungen präzisiert, die in einem Tarifvertrag Vergütung und einem Manteltarifvertrag Eingang gefunden haben.

Wir fordern Sie daher auf, mit uns in Tarifverhandlungen einzutreten."

Die Verfügungsklägerin teilte mit Schreiben vom 27.03.2007 (Bl. 227 d.A.) dem Verfügungsbeklagten mit, "dass seitens der p. GmbH kein Interesse besteht, mit dem pp. e.V. auf dem Gebiet von Tarifverträgen zusammenzuarbeiten".

Am 09.05.2007 kam es dennoch zwischen den Parteien zu einem Informationstermin. Hierbei übergab der Verfügungsbeklagte die Entwürfe eines Manteltarifvertrages Nr. 1 (Bl. 95 ff. d.A.) und eines Vergütungstarifvertrages Nr. 1 (Bl. 119 ff. d.A.), "abgeschlossen zwischen dem A. e.V. und dem pp. e.V.". Der persönliche Geltungsbereich ist jeweils in § 1 der Tarifvertragsentwürfe definiert; danach gelten sie "für alle Hubschrauberpiloten des A. und angeschlossener (Luftfahrt-) Unternehmen".

Mit Schreiben vom 11.06.2007 (Bl. 228 d.A.) teilte der Verfügungsbeklagte der Verfügungsklägerin mit, "dass die A. VC-Tarifkommission am 04.06.2007 einen Antrag auf Durchführung von Arbeitskampfmaßnahmen der Piloten bei der p. GmbH, der E. GmbH & Co. KG und der Fa. A1 GmbH gestellt hat" und diesem Antrag stattgegeben worden sei. Die Verfügungsklägerin werde erneut aufgefordert, mit der Tarifkommission in Verhandlungen zu einem Mantel- sowie für einen Vergütungstarifvertrag einzutreten. Es werde vorsorglich darauf hingewiesen, dass ab sofort auch schon Arbeitskampfmaßnahmen durchgeführt werden könnten.

Mit Schreiben vom 11.07.2007 (Bl. 229 d.A.) lehnte die Verfügungsklägerin erneut Tarifverhandlungen mit dem Verfügungsbeklagten ab.

Am 30.07.2007 erging an "alle bei der p. GmbH, der E. GmbH & Co. KG und der Fa. A1 beschäftigten VC-Mitgliedern" ein unbefristeter Streikaufruf (Bl. 148 d.A.). Danach sollten die Piloten ab Beginn ihres Dienstes am 31.07.2007 ihre Tätigkeit ausschließlich auf die Durchführung von Rettungsmaßnahmen beschränken. Die einzelnen Streikmaßnahmen wurden vom Verfügungsbeklagten im Einzelnen definiert. Dem Streikaufruf ist als Anlage ein offener Brief an den Präsidenten sowie das Präsidium des A. e.V. beigefügt.

Die Verfügungsklägerin hat ausgeführt, der Verfügungsbeklagte verkenne bei den im Streikaufruf vorgesehen Streikmaßnahmen die hierdurch eintretenden Folgen. Eine Gefährdung von Menschenleben sei bei Umsetzung der Streikmaßnahmen unvermeidbar. Bei der Reduzierung der Dokumentation entstehe ein unklarer Zustand bzgl. der Lufttüchtigkeit der Hubschrauber. Würden Werkstatt- und Ferry-Flüge nicht vorgenommen, könne die Situation entstehen, dass an einer Station kein einsatzfähiger Helikopter zur Verfügung stehe. Mache sich ein Pilot erst nach Beginn des Bereitschaftsdienstes auf den Weg zur anfordernden Station, sei er für die Dauer der An- und Abreise nicht einsatzbereit. Ein Notfall könne es auch notwendig machen, dass die Durchführung einer Rettungsmaßnahme nicht anders gewährleistet werden könne, als durch eine kurzfristige Vertretung auch außerhalb der Bereitschaft. Weigerten sich die Piloten, der Festlegung von Ortstagen Folge zu leisten bzw. Ortstage zu verschieben, stehe beim Vorliegen wichtiger betrieblicher Belange kein Pilot zum Einsatz zur Verfügung. Entfalle die Teilnahme der Piloten an bestimmten Schulungen, könne das Luftfahrtbundesamt den Flugbetrieb einstellen. Die Maschinenpflege sei zum Teil zur Gewährleistung der technischen Sicherheit der Hubschrauber erforderlich. Insgesamt verletze der Streikaufruf das Verhältnismäßigkeitsgebot sowie die Arbeitskampfparität. Der Verfügungsbeklagte begehre mit der Arbeitskampfmaßnahme tariflich nicht regelbare Ziele. Sie könne sich selbst nicht mit eigenen Kampfmaßnahmen wehren, da eine Aussperrung unweigerlich zu einer massiven Gefährdung von Menschenleben führen würde. Der Verfügungsbeklagte begehre den Abschluss von Tarifverträgen mit dem A. e.V., der nicht Arbeitgeber der Piloten sei. Mit dem begehrten Ausgleich von Samstags-, Sonn- und Feiertagsarbeit diene der Streikaufruf der Durchsetzung arbeitsvertraglicher Ansprüche. Ein Verfügungsgrund liege vor, weil ihr durch die rechtswidrigen Kampfmaßnahmen erhebliche Nachteile drohten.

Die Verfügungsklägerin hat beantragt:

1. Der Antragsgegner wird verpflichtet, den Aufruf vom 30. Juli 2007 zu Erzwingungsstreiks an allen deutschen Standorten der Antragsstellerin zu widerrufen.

2. Der Antragsgegner wird verpflichtet, mit allen verbandsrechtlich zulässigen Mitteln auf seine Mitglieder einzuwirken, um diese von einer Beteiligung an den Arbeitskampfmaßnahmen gemäß vorstehender Ziffer 1 abzuhalten.

3. Dem Antragsgegner wird es untersagt, Maßnahmen zur Durchführung der Arbeitskampfmaßnahmen gemäß vorstehender Ziffer 1 vorzunehmen.

4. Hilfsweise: Der Antragsgegner wird verpflichtet, den Aufruf zu nachfolgend bezeichneten Streikmaßnahmen zu widerrufen, mit allen verbandsrechtlich zulässigen Mitteln auf seine Mitglieder einzuwirken, um diese von einer Beteiligung an den Arbeitskampfmaßnahmen gemäß nachfolgend bezeichneten Streikmaßnahmen abzuhalten und keine Maßnahmen zur Durchführung nachfolgend bezeichneter Streikmaßnahmen vorzunehmen:

- Die Dokumentation wird auf das TEC-LOG, die Dienstpläne, die Tanknachweise sowie die Flugdienst-, Dienst- und Ruhezeit reduziert. Weitere Einträge im Luftrettungs-Informations- und Kommunikationssystem entfallen.

- Überstunden oder Zusatzdienste (Werkstattflüge, Ferry-Flüge, Schulungen - ausgenommen sind lizenzerhaltende Maßnahmen) werden nicht geleistet.

- Bereitschaftstage werden strikt eingehalten, d.h. die An- und Abreise sowie die Stationseinweisungen finden innerhalb des Bereitschaftsdienstes statt.

- Es findet keine kurzfristige Vertretung außerhalb der Bereitschaft statt.

- Ortstage werden strikt eingehalten und nicht verschoben.

- Dienstgeschäfte werden nicht außerhalb des Rufdienstes wahrgenommen (Briefings)

- Stationstätigkeiten (Maschinenpflege, Bearbeitung von Post) werden ausgesetzt.

5. Dem Antragsgegner wird es untersagt, zu weiteren Arbeitskampfmaßnahmen im Zusammenhang mit Gesprächen über den Abschluss eines Manteltarifvertrags und Gehaltstarifvertrags mit dem A. e.V. aufzurufen.

6. Dem Antragsgegner wird für den Fall der Nichtvornahme der Handlungspflichten gemäß den vorstehenden Ziffern 1 und 2 bzw. 4 ein Zwangsgeld in Höhe von EUR 25.000,--, ersatzweise Zwangshaft, zu vollziehen an dem Vorsitzenden seines Vorstandes, angedroht.

7. Dem Antragsgegner wird für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen die Unterlassungspflichten gemäß den vorstehenden Ziffern 3 bzw. 4 ein Ordnungsgeld in Höhe von EUR 250.000,--, ersatzweise Ordnungshaft, zu vollziehen an dem Vorsitzenden seines Vorstandes, angedroht.

Der Verfügungsbeklagte hat beantragt, die Anträge auf Erlass einer Einstweiligen Verfügung zurückzuweisen.

Der Verfügungsbeklagte hat ausgeführt, er beschränke sich mit seinem Streikaufruf ausschließlich auf administrative Abläufe, die von der Durchführung von Rettungsmaßnahmen getrennt werden könnten. Die luftverkehrsrechtlich vorgeschriebenen Aufzeichnungen im Bordbuch würden uneingeschränkt durchgeführt. Für Werkstatt und Ferry-Flüge beschäftige die Wartungsfirma eigene Piloten und könne jederzeit auf einen Pool an externen Freelance-Piloten zurückgreifen. Auch Piloten in der Funktion von Vorgesetzten, die sich nicht an den Streikmaßnahmen beteiligten, könnten solche Flüge ohne weiteres durchführen. Es bestehe keine Verpflichtung der Piloten, eine Anreise zum Bereitschaftsdienst während der im Dienstplan ausgewiesenen Freizeit anzutreten. Für kurzfristige Vertretungen seien die Bereitschaftsdienste vorgesehen. Kurzfristige Vertretungen außerhalb der Bereitschaft seien bei Ausschöpfung der Bereitschaftsdienste nicht erforderlich; notfalls stünden während der jetzigen Streikphase die lizenzierten und rettungsdiensterfahrenen Vorgesetzten zur Verfügung. Bei der Einhaltung von Ortstagen handele es sich um administrative Abläufe, da die Ortstage dienstplanerisch im Voraus festgelegt würden. Dienstgeschäfte und Vorträge außerhalb des Rettungsdienstes gehörten nicht zum originären Aufgabengebiet der Piloten. Durch das Aussetzen von Stationstätigkeiten sei die Einsatzbereitschaft für den Rettungseinsatz nicht gefährdet. Die Streikmaßnahmen würden insgesamt den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit nicht verletzten. Insbesondere sei weder eine Gefährdung von Menschenleben noch eine Gefährdung der öffentlichen Sicherheit gegeben. Die Arbeitskampfparität sei nicht gestört. Zu keinem Zeitpunkt sei der A. e.V. zu Tarifverhandlungen aufgefordert, noch sonst wie zum Ausdruck gebracht worden, dass die Tarifverträge mit dem Verein geschlossen werden sollten. Der Präsident des A. e.V. sei lediglich um Vermittlung im Konflikt gebeten worden. Das Deckblatt auf dem Entwurf des Manteltarifvertrages habe einzig und allein den Grund gehabt, klarzustellen, dass die Verfügungsklägerin "unter dem Dach des A. e.V." einheitliche Arbeitsbedingungen für die Piloten durchsetzen wolle. Weitere Ausgründungen, wie die Fa. A1 GmbH, sollten verhindert werden.

Wegen des unstreitigen Sachverhalts im Übrigen und des streitigen Vorbringens der Parteien im ersten Rechtszug wird auf den Tatbestand des angefochtenen Endurteils des Arbeitsgerichts München vom 08.08.2007 sowie das schriftsätzliche Vorbringen der Parteien im ersten Rechtszug nebst Anlagen Bezug genommen.

Das Arbeitsgericht hat in seiner Entscheidung einzelne der von der Verfügungsklägerin im Hilfsantrag (Ziffer 4) benannten Streikmaßnahmen untersagt und im Übrigen die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat das Arbeitsgericht im Wesentlichen ausgeführt, dass der Aufruf zum Arbeitskampf des Verfügungsbeklagten nicht rechtswidrig sei. Es liege weder ein Verstoß gegen die Friedenspflicht oder den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit vor, noch verfolge der Arbeitskampf tariflich nicht regelbare Ziele; er sei auch nicht wegen Verstoßes gegen die Kampfparität unzulässig. Es sei nicht ersichtlich, dass der Verfügungsbeklagte den Abschluss der Tarifverträge allein mit dem A. e.V. begehre. Einzelne Streikmaßnahmen seien zu untersagen, da eine Gefährdung der Durchführung von Rettungseinsätzen gegeben sei (zur Begründung des Arbeitsgerichts im Einzelnen wird auf die Entscheidungsgründe des Urteils vom 08.08.2007 Bezug genommen).

Gegen diese Entscheidung wendet sich die Verfügungsklägerin mit ihrer gleichzeitig begründeten Berufung vom 14.08.2007. Sie wiederholt und vertieft hier ihren erstinstanzlichen Vortrag. Das Arbeitsgericht München habe die entscheidungserheblichen Tatsachen und Beweismittel zum Teil nicht gewürdigt, zum Teil widersprüchlich gewürdigt und seiner Entscheidung im Übrigen Tatsachen zugrunde gelegt, die nicht Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen seien. Einziger Prüfungsgegenstand sei der rechtswidrige Streikaufruf vom 30.07.2007, der sie in ihrem Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb verletze.

Die Verfügungsklägerin beantragt:

Das Urteil des Arbeitsgerichts München vom 8. August 2007, Az. 39 Ga 159/07, wird wie folgt abgeändert:

1. Der Berufungsbeklagte wird verpflichtet, den Aufruf vom 30. Juli 2007 zu Erzwingungsstreiks an allen deutschen Standorten der Antragsstellerin zu widerrufen.

2. Der Berufungsbeklagte wird verpflichtet, mit allen verbandsrechtlich zulässigen Mitteln auf seine Mitglieder einzuwirken, um diese von einer Beteiligung an den Arbeitskampfmaßnahmen gemäß vorstehender Ziffer 1 abzuhalten.

3. Dem Berufungsbeklagten wird es untersagt, Maßnahmen zur Durchführung der Arbeitskampfmaßnahmen gemäß vorstehender Ziffer 1 vorzunehmen.

4. Hilfsweise, soweit das Arbeitsgericht München die Klage abgewiesen hat: Der Antragsgegner wird verpflichtet, den Aufruf zu nachfolgend bezeichneten Streikmaßnahmen zu widerrufen, mit allen verbandsrechtlich zulässigen Mitteln auf seine Mitglieder einzuwirken, um diese von einer Beteiligung an den Arbeitskampfmaßnahmen gemäß nachfolgend bezeichneten Streikmaßnahmen abzuhalten und keine Maßnahmen zur Durchführung nachfolgend bezeichneter Streikmaßnahmen vorzunehmen:

- Die Dokumentation wird auf das TEC-LOG (Bordbuch), die Dienstpläne, die Tanknachweise sowie die Flugdienst-, Dienst- und Ruhezeit reduziert. Weitere Einträge im Luftrettungs-, Informations- und Kommunikationssystem entfallen.

- Überstunden oder Zusatzdienste (Werkstattflüge, Ferry-Flüge, Schulungen - ausgenommen sind lizenzerhaltende Maßnahmen) werden nicht geleistet.

- Bereitschaftstage werden strikt eingehalten, d.h. die An- und Abreise sowie die Stationseinweisungen finden innerhalb des Bereitschaftsdienstes statt.

- Dienstgeschäfte werden nicht außerhalb des Rufdienstes wahrgenommen (Briefings).

- Stationstätigkeiten (Maschinenpflege) werden ausgesetzt.

5. Dem Berufungsbeklagten wird es untersagt, zu weiteren Arbeitskampfmaßnahmen im Zusammenhang mit Gesprächen über den Abschluss eines Manteltarifvertrags und Gehaltstarifvertrags mit dem A. e.V. aufzurufen.

6. Dem Antragsgegner wird für den Fall der Nichtvornahme der Handlungspflichten gemäß den vorstehenden Ziffern 1 und 2 bzw. 4 ein Zwangsgeld in Höhe von EUR 25.000,00 ersatzweise Zwangshaft, zu vollziehen an dem Vorsitzenden seines Vorstandes, angedroht.

7. Dem Berufungsbeklagten wird für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen die Unterlassungspflichten gemäß den vorstehenden Ziffern 3 bzw. 4 ein Ordnungsgeld in Höhe von EUR 250.000,00 ersatzweise Ordnungshaft, zu vollziehen an dem Vorsitzenden seines Vorstandes, angedroht.

Der Verfügungsbeklagte hat mit Schriftsatz vom 22.08.2007 Anschlussberufung eingelegt und beantragt:

1. Die Berufung der Verfügungsklägerin zurückzuweisen.

2. Das Urteil des Arbeitsgerichts München abzuändern, soweit es dem Hilfsantrag stattgegeben hat und die Berufung insgesamt zurückzuweisen.

Die Verfügungsklägerin beantragt:

Die Anschlussberufung wird zurückgewiesen.

Der Verfügungsbeklagte verteidigt im Wesentlichen die Entscheidung des Arbeitsgerichts München. Zu Recht sei das Arbeitsgericht davon ausgegangen, dass die Arbeitskampfmaßnahmen rechtmäßig seien und die Verfügungsklägerin in ihrem Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb nicht verletzt würde.

Zum Sachvortrag der Parteien im zweiten Rechtszug im Übrigen wird Bezug genommen auf ihre schriftsätzlichen Ausführungen nebst Anlagen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung der Verfügungsklägerin hat im wesentlichen Erfolg.

Die Berufungsklägerin hat aus §§ 823 Abs. 1, 1004 BGB einen Verfügungsanspruch auf Widerruf des Streikaufrufs des Verfügungsbeklagten vom 30.07.2007, auf Einwirkung auf die Verbandsmitglieder, diesem Streikaufruf nicht mehr Folge zu leisten und auf Unterlassung von Arbeitskampfmaßnahmen aus diesem Streikaufruf.

Der Streikaufruf vom 30.07.2007 ist rechtswidrig, da der Verfügungsbeklagte hiermit auch das Arbeitskampfziel verfolgt, einen Manteltarifvertrag und einen Vergütungstarifvertrag mit dem A. e.V. oder zumindest unter Einbeziehung des A. e.V. abzuschließen. Der A. e.V. ist für einen auf die Hubschrauberpiloten bezogenen Tarifvertrag aber nicht tariffähig im Sinne des § 2 Abs. 1 TVG, denn er ist nicht Arbeitgeber der Piloten. Die Verfügungsklägerin hat deshalb aus §§ 823 Abs. 1, 1004 BGB auch einen Anspruch auf Unterlassung von Arbeitskampfmaßnahmen gegen die Verfügungsklägerin mit dem Ziel, mit dem A. e.V. einen Mantel- und einen Gehaltstarifvertrag abzuschließen.

Zur Abwendung wesentlicher Nachteile für die Verfügungsklägerin ist der Erlass einer Einstweiligen Verfügung erforderlich (Verfügungsgrund).

Die zulässige Anschlussberufung des Verfügungsbeklagten, die sich gegen die streikbeschränkenden Verfügungen des Arbeitsgerichts richtet, ist dementsprechend zurückzuweisen.

Im Einzelnen:

I. Eine Einstweilige Verfügung nach §§ 935 ff. ZPO kann auch zur Untersagung eines rechtswidrigen Streiks erlassen werden (ganz h.M. vgl. nur Germelmann/Matthes/Prütting/Müller-Glöge, ArbGG, § 62 Rn. 91 mit ausführlichen Nachweisen aus Rechtspr. und Lit.).

Sie ist nicht verfassungsrechtlich ausgeschlossen, denn Art. 9 Abs. 3 GG mit seiner Gewährleistung der Arbeitskampffreiheit schützt nur den rechtmäßigen Arbeitskampf, während eine Einstweilige Verfügung nur zur Verhinderung eines rechtswidrigen Arbeitskampfes ergehen kann (LAG München vom 19.12.1979 - 9 Sa 1015/79, NJW 1980, Seite 957; - auch das BAG geht, obgleich im Verfahren der Einstweiligen Verfügung kein Rechtsmittelgericht, § 72 Abs. 4 ArbGG, wie selbstverständlich von der Zulässigkeit der Einstweiligen Verfügung auf Aussetzung eines rechtswidrigen Arbeitskampfes aus, Urteil vom 21.03.1978 - 1 AZR 11/76, AP Nr. 62 Art. 9 GG Arbeitskampf).

Sowohl der Erlass als auch die Ablehnung des Erlasses einer Einstweiligen Verfügung schafft in der Regel, jedenfalls für das aktuelle Arbeitskampfgeschehen, irreversible Verhältnisse. Auch wenn es sich deshalb für die Zeit ihrer Geltung in der Regel um eine sog. Leistungsverfügung (§ 940 ZPO) handelt, bedeutet dies nicht, dass der Erlass einer Einstweiligen Verfügung nur in Ausnahmefällen in Betracht kommt. Auch die Verfügungsklägerin hat Anspruch auf effektiven Rechtsschutz, zumal auch für diese, sollte sie einem rechtswidrigen Streik ausgesetzt sein, irreversible Folgen eintreten, obwohl der Arbeitskampf gar nicht hätte durchgeführt werden dürfen. Der Verweis auf etwaige Schadensersatzansprüche kann den Rechtsschutz gegen die Verletzungshandlung selbst nicht ersetzen.

Für die Voraussetzungen einer Einstweiligen Verfügung, also das Vorliegen eines Verfügungsanspruchs und die Notwendigkeit einer gerichtlichen Streikuntersagung oder Streikbeschränkung im Wege des Einstweiligen Rechtsschutzes (Verfügungsgrund), gilt folgendes:

Eine Streikmaßnahme kann im Einstweiligen Verfügungsverfahren untersagt werden, wenn sie rechtswidrig und dies glaubhaft gemacht ist. Die beantragte Untersagungsverfügung muss zum Schutz des Rechts an eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb (§ 823 Abs. 1 BGB) und zur Abwendung drohender wesentlicher Nachteile geboten und erforderlich sein. Zur Prüfung, ob eine auf Unterlassung eines Arbeitskampfes gerichtete Einstweilige Verfügung im Sinne des § 940 ZPO zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig ist, hat eine Interessenabwägung stattzufinden, in die sämtliche in Betracht kommenden materiell-rechtlichen und vollstreckungsrechtlichen Erwägungen sowie die wirtschaftlichen Auswirkungen für beide Seiten einzubeziehen sind (vgl. LAG München vom 15.06.2005 - 6 Sa 602/05; Hess-LAG vom 22.07.2004 - 9 SaGa 593/04).

Nicht erforderlich ist eine offensichtliche Rechtswidrigkeit (Baur in Dunkl/Moeller/Baur/Feldmeier, Handbuch des vorläufigen Rechtsschutzes, Teil B Rn. 208; - so aber LAG Köln vom 12.12.2005, 2 Ta 457/05, NZA 2006, Seite 62).

II. Der Verfügungsanspruch der Verfügungsklägerin aus §§ 823 Abs. 1, 1004 BGB ist gegeben.

Die Verfügungsklägerin ist durch den Streikaufruf vom 30.07.2007 und die hierdurch ausgelösten und weiter drohenden Streikmaßnahmen in ihrem nach § 823 Abs. 1 BGB geschützten Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb verletzt.

1. Die Verfügungsklägerin kann auch als gemeinnütziges Unternehmen das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb als "absolutes Recht" im Sinne des § 823 Abs. 1 BGB für sich in Anspruch nehmen. Dieses schützt nicht allein eine gewerbliche und auf Gewinnerzielung gerichtete Betätigung, sondern auch am Gemeinwohl orientierte Betätigungen (LAG Hamm vom 16.01.2007 - 8 Sa 74/07).

2. Der Arbeitskampf als Instrument zur Sicherung der Tarifautonomie ist verfassungsrechtlich durch Art. 9 Abs. 3 GG gewährleistet. Das Recht der Koalitionen zum Arbeitskampf schützt allerdings nur den rechtmäßigen Arbeitskampf. Insbesondere ist ein Arbeitskampf nur dann gerechtfertigt, wenn das hiermit verfolgte Regelungsziel seinerseits rechtmäßig ist.

3. Der Arbeitskampf des Verfügungsbeklagten gemäß Streikaufruf vom 30.07.2007 ist rechtswidrig, denn er verfolgt unzulässige Streikziele.

a) Da der Arbeitskampf den Zweck hat, den Abschluss eines Tarifvertrages mit einem konkreten Inhalt zu erreichen, ist die Forderung dem Arbeitskampfgegner gegenüber zu konkretisieren (Kissel, Arbeitskampfrecht, § 24 Rn. 12). Das Kampfziel muss so klar formuliert sein, dass die Gegenseite sinnvoll reagieren kann und auch eine Rechtmäßigkeitskontrolle möglich ist (Dieterich im ErfKomm, Art. 9 GG, Rn. 112).

b) Maßgeblich für den Inhalt der mit einem Streik verfolgten Ziele sind in erster Linie die dem Gegner in Form des konkreten von den dazu legitimierten Gremien der Gewerkschaft getroffenen Streikbeschlusses übermittelten Tarifforderungen (BAG vom 24.04.2007 - 1 AZR 252/06).

Der von der Verfügungsklägerin angegriffene Streikbeschluss vom 30.07.2007 enthält zwar keine ausdrücklich formulierten inhaltlichen Tarifforderungen. Nach dem Streikbeschluss soll die "Verweigerungshaltung", dass die "Geschäftsführungen der p. GmbH, der E. GmbH & Co. KG, der Fa. A1 GmbH sowie das Präsidium des A. e.V. die Aufnahme von Tarifverhandlungen ablehnen" nicht länger hingenommen werden.

Nach den Gesamtumständen kämpft der Verfügungsbeklagte im Rahmen des Streikaufrufs aber nicht nur abstrakt um die Aufnahme von Verhandlungen, sondern um inhaltlich bereits in Einzelheiten konkretisierte tarifliche Ziele, die in ausformulierten Texten eines Manteltarifvertrages und eines Vergütungstarifvertrages niedergelegt sind. Diese Entwürfe wurden der Verfügungsklägerin von der beim Verfügungsbeklagten gebildeten Tarifkommission übergeben, nachdem schon im Schreiben vom 28.02.2007 darauf hingewiesen worden war, dass die Tarifkommission "Forderungen präzisiert" habe, "die in einem Tarifvertrag Vergütung und in einem Manteltarifvertrag Eingang gefunden haben".

Dass diese inhaltlichen Forderungen im Rahmen des Streikaufrufs vom Tisch sein sollen, ist weder objektiv, noch aus subjektiver Sicht des Kampfgegners erkennbar.

c) Bei der Beurteilung der Rechtmäßigkeit eines Arbeitskampfes findet allerdings in aller Regel eine inhaltliche Kontrolle der tariflichen Forderungen nicht statt. Da das mit dem Streikbeschluss verfolgte Kampfziel nur die Verhandlungsgrundlage der Gewerkschaft für die zu führenden Verhandlungen betrifft, führen selbst weit überzogene Forderung regelmäßig nicht zur Rechtswidrigkeit des Arbeitskampfes (Dieterich im ErfKomm, Art. 9 GG, Rn. 112). Die Gerichte für Arbeitssachen sind nicht berufen, Forderungen der in ihrer Betätigungsfreiheit nach Art. 9 Abs. 3 GG verfassungsrechtlich geschützten Koalitionen im Rahmen der Beurteilung einer Rechtmäßigkeit des Arbeitskampfes auf ihre sozialpolitische und wirtschaftliche Vernunft zu überprüfen.

Etwas anderes gilt, wenn die mit dem Arbeitskampf verfolgten tariflichen Ziele rechtswidrige Forderungen enthalten. Nur wenn das umstrittene Regelungsziel rechtmäßig ist, kann es auch den Arbeitskampf rechtfertigen (Dieterich im ErfKomm, Art. 9 GG, Rn. 111a).

d) Ein wesentlicher Inhalt der tariflichen Forderung ist auch, wer auf Arbeitgeberseite Partner des Tarifvertrages werden soll.

Im Normalfall ergeben sich hierzu keine Besonderheiten. Im Rahmen eines Arbeitskampfes um einen Firmentarifvertrag soll in aller Regel der bestreikte Arbeitgeber auch Partner des abzuschließenden Tarifvertrages werden.

Abweichend hiervon bestreikt der Verfügungsbeklagte aber die Verfügungsklägerin mit dem Ziel, (zumindest auch) mit dem A. e.V. als dem das bestreikte Unternehmen beherrschenden Unternehmen sowohl den angestrebten Manteltarifvertrag, als auch den Vergütungstarifvertrag abzuschließen.

Das ergibt sich allerdings nicht aus den Aufforderungen des Verfügungsbeklagten zur Aufnahme von Verhandlungen; diese ergingen an die Verfügungsklägerin (und die E. GmbH & Co. KG sowie die Fa. A1 GmbH).

Die inhaltliche Zielsetzung, den A. e.V. unmittelbar tarifvertraglich zu binden, ergibt sich aber aus den vom Verfügungsbeklagten der Verfügungsklägerin vorgelegten Entwürfen eines Mantel- und eines Vergütungstarifvertrages. Der A. e.V. ist hier jeweils im Vertragsrubrum als Vertragsschließender und am Ende als Unterschreibender benannt. Der Geltungsbereich (jeweils § 1) bezieht sich ebenfalls nicht auf das einzelne Arbeitgeberunternehmen, sondern erfasst werden sollen "alle Hubschrauberpiloten des A. und angeschlossener Luftfahrtunternehmen" (§ 1 des Vergütungstarifvertrages).

Dass einheitliche Arbeitsbedingungen für alle unter dem Dach des A. tätigen Hubschrauberpiloten ein erklärtes Ziel der tariflichen Auseinandersetzung ist, hat der Verfügungsbeklagte gegenüber der Verfügungsklägerin und auch den eigenen Mitgliedern mehrfach zum Ausdruck gebracht.

Mit Schreiben vom 28.02.2007 an die Verfügungsklägerin weist der Verfügungsbeklagte darauf hin, dass "der Gedanke, dass unterschiedliche Unternehmen ... auch die unterschiedlichsten Arbeits- und Vergütungsbedingungen unter dem Dach einer gemeinnützigen Vereinigung wie dem A. e.V. rechtfertigen würde", von ihm nicht geteilt würde. Weiter heißt es hier: "Dass wir in der Lage sind, trotz vergleichbarer Konstellationen in bekannten Luftfahrtunternehmen einheitliche tarifliche Regelungen zu schaffen, haben wir erfolgreich nachgewiesen."

In den "Informationen für die Hubschrauberpiloten im A." vom 18.07.2007, in dem die Tarifkommission um gute Erreichbarkeit bittet, da die Tarifauseinandersetzung nun eine neue Stufe erreicht habe, wird unter anderem beklagt, dass die von der Verfügungsklägerin gesuchte Lösung auf betriebsverfassungsrechtlicher Ebene weder die Fa. A1 GmbH noch die E. GmbH & Co. KG umfasse.

Wie der Verfügungsbeklagte sich die Umsetzung der Zielsetzung einheitlicher Arbeitsbedingungen für alle Hubschrauberpiloten unter dem Dach des A. vorstellt, hat er im Entwurf des Mantel- und des Vergütungsvertrages konkretisiert. Angestrebte Lösung ist eine unmittelbare Einbindung des A. e.V. als herrschendem Unternehmen in die tarifvertragliche Verpflichtung.

Die Gründung weiterer Unternehmen als Arbeitgeber für Hubschrauberpiloten soll für den A. e.V. nämlich sinnlos werden. Das hat der Verfügungsbeklagte in seinem Klageerwiderungsschriftsatz vom 07.08.2007 noch einmal ausdrücklich betont (dort Seite 4 und Seite 15: "Weitere Ausgründungen, wie der Fa. A1 GmbH sollten verhindert werden"). Die Gründung von Tochter- oder Enkelunternehmen des A. e.V. als Arbeitgeber von Hubschrauberpiloten kann aber nicht die Verfügungsklägerin verhindern, sondern nur der A. e.V. selbst unterlassen. Eine vertragliche Einbindung des A. e.V. ist deshalb aus Sicht des Verfügungsbeklagten notwendig.

Schließlich - und auch insofern ist ein Zusammenhang der Einbindung des A. e.V. mit dem Streik hergestellt - ist dem Streikaufruf vom 30.07.2007 auch ein offener Brief selben Datums an das Präsidium des A. e.V. beigefügt.

e) Ein Arbeitskampf gegen die Verfügungsklägerin, der sich darauf richtet, den A. e.V. zu zwingen, bezüglich der Hubschrauberpiloten allein oder zusammen mit den Tochterunternehmen als Partner eines Tarifvertrages aufzutreten, ist rechtswidrig. Der A. e.V. ist insoweit nicht tariffähig nach § 2 Abs. 1 TVG, denn er ist nicht Arbeitgeber der Hubschrauberpiloten.

Auch als Konzernobergesellschaft kann der A. e.V. nur tariffähiger Arbeitgeber für die bei ihm arbeitsvertraglich beschäftigten Arbeitnehmer sein. Die Konzernobergesellschaft ist nicht Arbeitgeber der bei den Konzernunternehmen Beschäftigten. Der Konzern selbst als Zusammenschluss von Unternehmen unter einheitlicher Leitung ist als solcher ebenfalls nicht tariffähig (Franzen im ErfKomm, § 2 TVG Rn. 24).

Dass es Lösungsmöglichkeiten gibt, in konzernverbundenen Unternehmen auch mit Hilfe eines Tarifvertrages einheitliche Arbeitsbedingungen herzustellen, soll damit nicht in Abrede gestellt werden (vgl. etwa zum Abschluss eines mehrgliedrigen Tarifvertrages, Windbichler, Arbeitsrecht im Konzern, Seite 463 ff.; zu Lösungsansätzen auch Däubler, TVG, § 2 Rn. 93 ff.). Eine Konzernmutter als Partnerin von tarifvertraglichen Inhaltsnormen, die sich auf gar nicht bei ihr beschäftigte Arbeitnehmer beziehen, geht aber jedenfalls nicht. Ein solcher Tarifvertrag wäre mit dem TVG nicht vereinbart und damit rechtswidrig.

f) Ein Arbeitskampf gegen die Verfügungsklägerin mit dem Ziel, den Eintritt des A. e.V. in einen Tarifvertrag für die bei der Verfügungsklägerin beschäftigten Hubschrauberpiloten zu erzwingen, ist aus einem weiteren Grund rechtwidrig.

In einem solchem Arbeitskampf würde die kampfführende Gewerkschaft nämlich von dem bekämpften Arbeitgeberunternehmen etwas verlangen, was dieses eigenständig nicht leisten kann. Die Verfügungsklägerin hat keinerlei Handhabe, den A. e.V. zum Eintritt in einen Tarifvertrag zu zwingen. Ein vom Streikgegner nicht erfüllbares Streikziel ist aber rechtswidrig. Das gilt insbesondere auch dann, wenn der bestreikte Arbeitgeber beim Abschluss auch für weitere Unternehmen handeln soll, bzw. auch diese den Tarifabschluss unterzeichen sollen (LAG Köln vom 26.06.2000 - 7 Ta 160/00, NZA - RR 2001, Seite 41; Kissel, Arbeitskampfrecht, § 24 Rn. 13).

4. Der Anspruch aus § 1004 Abs. 1 BGB geht auf Beseitigung der rechtswidrigen Beeinträchtigung (Satz 1).

Die Beseitigung des Streikaufrufs vom 30.07.2007 hat deshalb durch Widerruf und Einwirkung auf die Mitglieder des Verfügungsbeklagten, dem Streikaufruf nicht mehr Folge zu leisten, zu erfolgen.

Die Kammer hält die Einwirkungsklage gemäß Ziffer 2 des Klageantrages bei allen Bedenken im Hinblick auf die Bestimmtheit des Klageantrages (§ 253 Abs. 2 Ziffer 2 ZPO) für zulässig (vgl. BAG vom 29.04.1992 - 4 AZR 423/91, NZA 1992, Seite 846). Die Klage ist aber nicht begründet im beantragten Umfang.

Die Verfügungsklägerin kann von dem Verfügungsbeklagten nicht verlangen, dass er mit allen denkbaren verbandsrechtlich zulässigen Mitteln auf seine Mitglieder einwirkt. Verbandsrechtlich zulässige Mittel lassen sich viele vorstellen. Das bedeutet nicht - auch nicht nach einem rechtswidrigen Streikaufruf -, dass die Verfügungsklägerin den Anspruch hätte, dass der Verfügungsbeklagte jedes einzelne dieser Mittel tatsächlich ergreift. Geboten, aber auch ausreichend, ist eine Einwirkung in der Form, die der Verband gewählt hat, um seine Mitglieder zum Streik aufzurufen. Die Kammer verpflichtet den Verfügungsbeklagten deshalb nur dazu, durch einen Aufruf in gleicher Weise (wie der Streikaufruf) auf seine Mitglieder einzuwirken, dem Streikaufruf vom 30.07.2007 nicht mehr Folge zu leisten. Im Übrigen ist der Antrag zurückzuweisen.

5. Der Anspruch aus § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB geht auf Unterlassung der Durchführung von Arbeitskampfmaßnahmen aus dem rechtswidrigen Streikaufruf vom 30.07.2007; weitere Beeinträchtigungen der Verfügungsklägerin aus dem Streikaufruf sind zu besorgen.

Ein weiterer Aufruf zu Arbeitskampfmaßnahmen gegen die Verfügungsklägerin mit dem Ziel, nicht mit dieser, sondern mit dem A. e.V. einen auf die bei der Verfügungsklägerin angestellten Hubschrauberpiloten bezogenen Tarifvertrag abzuschließen, wäre nach derzeitiger Konstellation rechtswidrig und ist deshalb zu unterlassen.

III. Ein Verfügungsgrund ist gegeben, denn eine zeitnahe gerichtliche Anordnung ist zur Abwendung wesentlicher Nachteile für die Verfügungsklägerin notwendig (§ 940 ZPO).

Bei Arbeitskämpfen besteht die Besonderheit, dass effektiver Rechtsschutz angesichts der Aktualität des Arbeitskampfgeschehens in aller Regel nur durch eine einstweilige Regelung erreichbar ist. Wird ein rechtswidriger Arbeitskampf nicht untersagt und deshalb durchgeführt, nützt es dem Arbeitskampfbetroffenen wenig, wenn später in einem etwaigen Hauptsacheverfahren die Rechtswidrigkeit festgestellt wird. Auf der anderen Seite ist zu berücksichtigen, dass durch Erlass einer Einstweiligen Verfügung regelmäßig die tatsächliche Befriedigung des Anspruchs eintritt. Die aktuelle Führung des Arbeitskampfes wird durch Erlass einer Einstweiligen Verfügung erst einmal unterbunden.

Es kann offen bleiben, ob ein Verfügungsgrund für das Handlungsverbot deshalb regelmäßig schon dann gegeben ist, wenn der strittige Unterlassungsanspruch besteht (so LAG München vom 19.12.1979 - 9 Sa 1015/79, NJW 1980, Seite 957; ausführlich zum Meinungsstand Baur in Dunkl/Moeller/Baur/Feldmeier, Handbuch des vorläufigen Rechtsschutzes Teil B, Rn 240 ff.). Auch nach einer Interessenabwägung, in deren Rahmen es auf eine Gesamtbewertung der Situation ankommt, wobei insbesondere das beiderseitige Schadensrisiko abzuwägen ist (vgl. Kissel, Arbeitskampfrecht, § 65 Rn. 31 ff., insbesondere Rn. 37), bejaht die Kammer das Vorliegen eines Verfügungsgrundes.

Vorliegend ist zu berücksichtigen, dass mit Erlass der Einstweiligen Verfügung dem Verfügungsbeklagten nicht etwa generell ein Arbeitskampf gegen die Verfügungsklägerin untersagt wird.

Die Kammer teilt nicht die Auffassung der Verfügungsklägerin, Streikmaßnahmen der Hubschrauberpiloten seien wegen fehlender Arbeitskampfparität von vorneherein unzulässig. Der Verfügungsbeklagte muss sich im Hinblick auf Art. 9 Abs. 3 GG, § 77 Abs. 3 BetrVG auch nicht auf Vereinbarungen mit dem Betriebsrat verweisen lassen. Bei Streikmaßnahmen stellen sich gerade im Hinblick auf die für Dritte lebenswichtige Tätigkeit der Piloten in der Luftrettung allenfalls die zwischen den Parteien ausführlich diskutierten Fragen der Verhältnismäßigkeit einzelner Streikmaßnahmen.

Untersagt wird der Arbeitskampf - wie ausgeführt - ausschließlich im Hinblick auf das Arbeitskampfziel einer tarifvertraglichen Bindung des A. e.V.. Der Verfügungsbeklagte ist deshalb nicht daran gehindert, seine Tarifforderung anzupassen und bei einer fortgesetzten Verweigerungshaltung der Verfügungsklägerin, Tarifverhandlungen aufzunehmen, einen entsprechend aktualisierten Streikaufruf zu erlassen. Das bedeutet im Ergebnis für den Verfügungsbeklagten eine Verschiebung des Arbeitskampfes um einige Wochen und nicht eine Totaluntersagung von Arbeitskampfmaßnahmen gegen die Verfügungsklägerin.

Angesichts dessen muss die Verfügungsklägerin - unabhängig davon, ob durch einzelne Streikmaßnahmen tatsächlich, wie von der Verfügungsklägerin geltend gemacht, die Einsatzbereitschaft von Rettungshubschraubern gefährdet ist - einen rechtswidrigen Arbeitskampf auch nicht vorübergehend erdulden. Ihr droht gerade wegen des rechtswidrigen Streikziels die Situation, dass der Arbeitskampf, selbst wenn sie Verhandlungen aufnimmt und Bereitschaft signalisiert, selbst einen Tarifvertrag abzuschließen, fortgesetzt wird, solange der A. e.V. nicht durch konzernrechtliche Einflussnahme einheitliche tarifliche Arbeitsbedingungen der Hubschrauberpiloten "unter dem Dach des A." sicherstellt.

IV. Ordnungsmittel sind nur für die Unterlassungsansprüche anzudrohen.

Ziffer 1 und Ziffer 2 des Tenors beziehen sich auf eine nicht vertretbare Handlung im Sinne von § 888 ZPO. Gemäß § 888 Abs. 2 ZPO findet eine Androhung der Zwangsmittel hier nicht statt.

V. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 92 Abs. 2 Ziffer 1, 97 Abs. 1 ZPO.

VI. Die Revision ist nicht gegeben, da die Entscheidung den Antrag auf Erlass einer Einstweiligen Verfügung zum Gegenstand hat (§ 72 Abs. 4 ArbGG).

Ende der Entscheidung

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