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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht München
Urteil verkündet am 26.08.2008
Aktenzeichen: 6 Sa 277/08
Rechtsgebiete: BGB, KSchG


Vorschriften:

BGB § 670
KSchG § 9
KSchG § 10
Abfindungen nach den §§ 9, 10 KSchG stellen Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit dar. Vereinbaren Parteien im Rahmen eines Auflösungsvergleichs die Zahlung einer Abfindung ohne Zusatz "brutto" oder "netto", hat der Arbeitnehmer die Steuern zu zahlen.
LANDESARBEITSGERICHT MÜNCHEN IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

6 Sa 277/08

Verkündet am: 26.08.2008

In dem Rechtsstreit

hat die Sechste Kammer des Landesarbeitsgerichts München auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 26.082008 durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Dr. Staudacher sowie die ehrenamtlichen Richter Dr. Schwarz und Kern für Recht erkannt:

Tenor:

1. Die Berufung des Beklagten vom 25. März 2008 gegen das Endurteil des Arbeitsgerichts München vom 14. November 2007 wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

2. Für den Beklagten wird die Revision zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten über die Frage, wer die Einkommensteuer für die in einem Prozessvergleich vereinbarte Abfindung zu tragen hat.

Der Kläger betreibt als eingetragener Verein das Krankenhaus der B. ... in T., in dem der Beklagte seit 1. September 1990 als Chefarzt beschäftigt gewesen war. Nach Ausspruch mehrerer Arbeitgeberkündigungen schlossen die Parteien im Rahmen eines Kündigungsschutzprozesses am 06. November 2002 beim Arbeitsgericht Trier (1 Ca 1218/02) einen Auflösungsvergleich zum 30. Juni 2002 gegen Zahlung einer Abfindung gemäß §§ 9/10 KSchG, § 3 Ziffer 9 EStG in Höhe von € 700.000,-- , fällig am 15. Dezember 2002.

Der Dienstgeber (Kläger im anhängigen Verfahren) hatte dem Chefarzt (Beklagter im anhängigen Verfahren) diese Abfindung ohne Abzüge ausbezahlt. Dabei wären für eine Abfindung von € 700.000,-- als Einkommensteuer € 285.293,40, als Solidaritätszuschlag € 15.665,40 und als evangelische Kirchensteuer € 28.316,-- an das Finanzamt abzuführen gewesen.

Als der Beklagte auf diesen Steuerbetrag nur € 127.555,37 zahlte, erließ das Finanzamt am 2. Juni 2006 gegen den Kläger einen Haftungsbescheid über € 201.719,43 und zog diesen Betrag - vom Beklagten zunächst bestritten - am 13. Juli 2006 vom klägerischen Konto ein.

Der Kläger als ehemaliger Arbeitgeber vertritt die Ansicht, der Beklagte sei Steuerschuldner dieser Abfindung und lässt gegen ihn Klage erheben auf Erstattung von € 201.719,43 nebst Zinsen, die vor dem angerufenen Arbeitsgericht München auch Erfolg hatte. Auf Tatbestand und Entscheidungsgründe seines Endurteils vom 14. November 2007 wird Bezug genommen.

Mit der am 25. März 2008 beim Landesarbeitsgericht München eingegangenen Berufung gegen diese seinen Prozessbevollmächtigten am 25. Februar 2008 zugestellte Entscheidung verfolgt der Kläger seinen Klageabweisungsantrag weiter. Die Begründung dazu ist am 24. April 2008 eingegangen. Darin wird dem Erstgericht vorgehalten, die Besonderheit des vorliegenden Falles nicht erkannt zu haben. Hier gehe es um den Fall, dass der Arbeitgeber an den Arbeitnehmer den vereinbarten Betrag vollständig ausgekehrt habe und nun geltend mache, es sei nur ein Nettobetrag vereinbart worden und eine Rückforderung geltend mache.

Der Beklagte lässt seinen Einsatz in diesem Krankenhaus darstellen und spricht den Vergleich an. Ursprünglich habe er für sein Ausscheiden aus dieser Chefarztposition eine Abfindung in Höhe von € 1.400.000,-- gefordert. Die Abfindungsvereinbarung sei in Anwesenheit des kaufmännischen Direktors des Klägers geschlossen worden. Der Beklagte geht davon aus, dass die in Höhe von € 700.000,-- vereinbarte Abfindung schon angesichts der ursprünglich von ihm geforderten € 1.400.000,-- einen Nettobetrag darstellen sollte. Sein damaliger anwaltschaftlicher Vertreter habe dementsprechend mit Schreiben vom 5. Dezember 2002 den Kläger wörtlich aufgefordert, die vereinbarte Abfindung von € 700.000,-- ohne Abzüge auf dessen Konto anzuweisen. Und dieser Aufforderung sei der Kläger auch nachgekommen.

In der Folgezeit habe die Finanzverwaltung vom Beklagten die Versteuerung der erhaltenen € 700.000,-- verlangt. Zur Vermeidung von Zwangsmaßnahmen seitens der Finanzverwaltung sei von ihm daraufhin auch ein Betrag von € 127.555,37 geleistet worden.

Mit Schreiben vom 2. Juni 2006 habe die Finanzverwaltung dann auch vom Kläger verlangt, einen anteiligen Lohnsteuerbetrag in Höhe von € 201.719,43 zu zahlen, nachdem das Finanzamt Trier bereits am 21. Dezember 2005 gegen den Kläger einen Haftungsbescheid über € 329.274,80 erlassen hatte. Dazu sei es gekommen, weil der Beklagte gegenüber dem Finanzamt geltend gemacht habe, nicht er sondern der Kläger sei der richtige Steuerschuldner.

Ein Briefwechsel zwischen den Parteien habe keine Annäherung gebracht. Darin sei vom Kläger die Ansicht vertreten worden, die Auszahlung des Gesamtbetrages beruhe auf einem Irrtum im Hause. Der Vergleich sei nicht in die Personalabteilung gelangt, weshalb man weder eine Abrechnung erstellt noch Abzüge für Steuern vorgenommen habe. Der Beklagte bestreitet das, ebenso, dass das Finanzamt die € 201.719,43 vom Konto des Klägers eingezogen habe. Das Vorlegen einer Kopie vom Kontoauszug, aus dem sich die Einziehung des streitigen Betrages ergeben solle, könne als hinreichender Beweisantritt nicht genügen. Weitere Beanstandungen am Ersturteil schließen sich an und so lauten die Berufungsanträge:

Das Urteil des Arbeitsgerichts München vom 14. November 2007, Az. 12a Ca 18104/06, wird nach Maßgabe des Folgenden abgeändert.

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger lässt beantragen:

die Berufung zurückzuweisen.

Den Überlegungen des Erstgerichts pflichtet er bei, den Ausführungen in der Berufungsbegründung tritt er entgegen. Über das Zustandekommen des Vergleichs besteht zwischen den Parteien kein Streit. Zur Zahlung der € 700.000,-- an den Beklagten wird die Ansicht vertreten, dies habe dem Wortlaut des Vergleichs entsprochen, eine weitergehende Bedeutung komme dieser Zahlung nicht zu.

Ergänzend dazu lässt der Kläger vortragen, dass er dem Beklagten eine "Besondere Lohnsteuerbescheinigung" für das Kalenderjahr 2002 erteilt habe, in der neben dem Lohn des Beklagten für das Jahr 2002 auch die Abfindungssumme von € 700.000,-- bescheinigt worden sei (Blatt 200 der Akte). Diese Bescheinigung habe der Beklagte wohl in seine Steuererklärung für das Jahr 2002 aufgenommen, was dazu geführt habe, dass das Finanzamt die Abfindung in die Steuerberechnung für das Jahr 2002 einbezogen habe. Der Beklagte sei offensichtlich nicht in der Lage gewesen, die gesamte Steuerschuld zu bezahlen, und so sei es dann zu seiner Zahlung in Höhe von € 127.555,37 gekommen. Dass das Finanzamt damals der Meinung gewesen war, vom Beklagten mehr fordern zu können, folgt nach Ansicht des Klägers daraus, dass das Finanzamt am 7. Oktober 2005 eine Zwangssicherungshypothek auf den Grundbesitz des Beklagten in Höhe von € 100.000,-- habe eintragen lassen.

Da der Beklagte weitere Zahlungen an das Finanzamt nicht leistete, habe dieses gegen den Kläger den Haftungsbescheid vom 2. Juni 2006 (Blatt 208/209 der Akte) erlassen und mit Schreiben vom 2. Juni 2006 (Blatt 210 der Akte) auch Zahlung verlangt.

Der Auslegung des Vergleichs durch den Beklagten tritt der Kläger entgegen. Er lässt auf § 38 Abs. 2 und 3 EStG hinweisen in Verbindung mit § 42 d EStG. Darauf werde das Klagebegehren gestützt.

Zur Ergänzung des Parteivorbringens im Berufungsverfahren wird Bezug genommen auf die Berufungsbegründung vom 24. April 2008 (Blatt 167 bis 108 der Akte) mit Anlagen, auf die Berufungsbeantwortung vom 15. Mai 2008 (Blatt 191 bis 199 der Akte) mit Anlagen, auf den Schriftsatz der klägerischen Prozessbevollmächtigten vom 15. Mai 2008 (Blatt 219 bis 221 der Akte) mit Anlage, auf den Schriftsatz der Prozessbevollmächtigten des Beklagten vom 20. August 2008 (Blatt 230 bis 242 der Akte) sowie auf die Sitzungsniederschrift vom 26. August 2008 (Blatt 243/244 der Akte).

Entscheidungsgründe:

Die statthafte (§ 64 Abs. 2 ArbGG) und auch sonst zulässige Berufung (§ 66 Abs. 1 ArbGG, §§ 519, 520 ZPO, § 11 Abs. 2 ArbGG) mit dem Ziel, die Klage abgewiesen zu bekommen, muss erfolglos bleiben. Die angefochtene Entscheidung ist rechtlich nicht zu beanstanden.

Das Erstgericht hat die Rechtsgrundlage für diesen Anspruch (§ 670 BGB) zutreffend dargestellt und auch die richtigen Folgen daraus gezogen. Seiner dazu gegebenen Begründung schließt sich die Berufungskammer an (§ 69 Abs. 2 ArbGG); dem ist eigentlich nichts mehr hinzuzufügen.

Der Wortlaut des gerichtlichen Vergleichs vom 6. November 2002 ist eindeutig formuliert worden unter Mitwirkung von zumindest 5 Volljuristen, darunter 2 auf Seiten des damaligen Klägers und jetzigen Beklagten. Dass auf eine Abfindung in dieser Höhe Steuern zu zahlen sein werden, muss allen damals Beteiligten bekannt gewesen sein. Die Abfindungssumme ohne den Zusatz: "netto" in den Vergleich aufzunehmen bedeutet nach betrieblichen Gepflogenheiten und in der gerichtlichen Praxis, die Parteien haben eine Bruttoabfindung vereinbart, die Steuern zahlt der Arbeitnehmer. Abfindungen nach den §§ 9, 10 KSchG stellen Einkünfte aus nicht selbständiger Tätigkeit dar.

Wer etwas anderes will, insbesondere eine Nettozahlung und die Verpflichtung des Arbeitgebers, die darauf anfallenden Steuern zu zahlen, muss das ausdrücklich vereinbaren. Das ist hier nicht geschehen. Die damalige Motivationslage beim Beklagten, seine Leistungen im und für das Krankenhaus der B. in T., können einen solchen Vergleichswortlaut weder verändern noch ergänzen. Der Vergleich war vorgelesen und von den Parteien genehmigt worden. Der protokollierte Vergleichswortlaut hat die Vermutung der Richtigkeit und Vollständigkeit auf seiner Seite.

Dass der Kläger die Steuern vor Auszahlung der Abfindung nicht bereits abgezogen hatte, beeinflusst den Vergleichswortlaut damit ebenfalls nicht. Ein Arbeitgeber kann eine solche Leistung "brutto" auszahlen und die Versteuerung dem Arbeitnehmer überlassen. Als Haftungsschuldner (§ 42 d EStG) bleibt er dem Finanzamt in solchen Fällen stets erhalten, die Steuerschuld des Arbeitnehmers wird davon nicht berührt.

Die eingelegte Berufung war mit der Kostenfolge aus § 97 Abs. 1 ZPO als unbegründet zurückzuweisen.

Für den Beklagten wird die Revision zugelassen (§ 72 Abs. 2 ArbGG).

Ende der Entscheidung

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