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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht München
Urteil verkündet am 26.09.2007
Aktenzeichen: 7 Sa 353/07
Rechtsgebiete: EGBGB


Vorschriften:

EGBGB Art. 229 § 6 Abs. 3
Für nach dem 01.01.2002 entstandene Ansprüche aus einem vor dem 01.01.2002 begründeten Dauerschuldverhältnis (hier: Arbeitsverhältnis), ist die Regelung des Art. 229 § 6 Abs. 3 EGBGB jedenfalls dann anzuwenden, wenn der Entstehungsprozess des Anspruchs zeitlich nah um den 01.01.2002 liegt.
LANDESARBEITSGERICHT MÜNCHEN IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

7 Sa 353/07

Verkündet am: 26.09.2007

In dem Rechtsstreit

hat die Fünfte Kammer des Landesarbeitsgerichts München auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 04.09.2007 durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Dr. Gericke sowie die ehrenamtlichen Richter Thomsen und Schmid für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das Endurteil des Arbeitsgerichts München vom 08.03.2007, Az.: 23 Ca 6560/06, wird kostenpflichtig zurückgewiesen. Für den Kläger wird die Revision zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten über die Frage, ob sich die Beklagte gegenüber dem Anspruch des Klägers auf den Rest der Erfolgsbeteiligung für das Geschäftsjahr 2001/2002 auf den Eintritt der Verjährung berufen kann und damit berechtigt ist, die Leistung zu verweigern oder verpflichtet ist, den Rest der Erfolgsbeteiligung an den Kläger nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit 01.02.2003 zu bezahlen.

Der Kläger ist bei der Beklagten, die ein vom Kalenderjahr abweichendes Geschäftsjahr vom 01.10. eines Jahres bis zum 30.09. des Folgejahres praktiziert, seit 1974 als Produkt-Manager beschäftigt und gehört ihrem mittleren Führungskreis an. Ihm steht als Mitglied des mittleren Führungskreises jährlich eine Erfolgsbeteiligung nach den Vertragsbestimmungen zu, wie sie in der "Synopse Vertragsbedingungen Außertariflicher Mitarbeiter" in der linken Spalte unter "alt" aufgeführt ist (Bl.8/9 d.A.).

Danach richtet sich die Höhe der Erfolgsbeteiligung nach der Dividende der Beklagten und einem Grundbetrag, der individuell vereinbart wird. Der individuelle Grundbetrag wird mit der Dividende, ausgedrückt in DM je Aktie im Nennwert von 50.- DM vervielfacht. Maßgebend ist zunächst die Dividende, die für das jeweils vorhergegangene Geschäftsjahr ausgeschüttet wurde. Beschließt jedoch die Hauptversammlung für das Geschäftsjahr, für das die Erfolgsbeteiligung gezahlt wird, eine höhere oder eine niedrigere Dividende, so erhöht oder vermindert sich die Erfolgsbeteiligung entsprechend.

Die Hauptversammlung der Beklagten hat die Dividende für das Geschäftsjahr 2001/2002 im Januar 2003 beschlossen.

Für das vom 01.10.2001 bis 30.09.2002 laufende Geschäftsjahr steht dem Kläger neben weiteren Beträgen, die er bislang nicht klageweise geltend gemacht hat, noch ein Restbetrag von 13.280,80 € zu.

Mit Schriftsatz seines Prozessbevollmächtigten vom 11.05.2006 erhob der Kläger unter anderem wegen dieses Anspruchs Klage zum Arbeitsgericht München. Die Beklagte beruft sich hinsichtlich des Anspruchs auf Erfolgsbeteiligung für das Geschäftsjahr 2001/2002 auf Verjährung. Hinsichtlich weiterer vom Kläger geltend gemachter Forderungen haben sich die Parteien am 04.07.2006 (Bl.18/20 d.A.) durch Teilvergleich geeinigt.

Der Kläger meint, die Verjährung berechne sich allein nach dem seit dem 01.01.2002 geltenden neuen Recht. Sein Anspruch auf die Erfolgsbeteiligung sei erst mit der Festlegung der Dividende für das Geschäftsjahr 2001/2002 durch den Aufsichtsrat der Beklagten im Januar 2003 entstanden. Daher sei die Vorschrift des Art. 229 § 6 Abs.3 EGBGB nicht anzuwenden. Die Verjährung habe mit dem Ende des Jahres 2003 begonnen und würde mit dem 31.12.2006 abgelaufen gewesen sein, wenn sie nicht durch die Klageerhebung am 11.05.2006 gehemmt worden wäre.

Der Kläger beantragte im ersten Rechtszug:

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger EUR 13.280,80 brutto nebst 5 % Zinsen über dem Basiszins seit 01.02.2003 zu bezahlen.

Die Beklagte beantragte,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte trug vor, sie berufe sich gegenüber dem Erfolgsbeteiligungsanspruch des Klägers für das Geschäftsjahr 2001/2002 auf den Eintritt der Verjährung. Der Anspruch des Klägers habe bereits seit 01.10.2001 bestanden, so dass Art. 229 § 6 EGBGB und damit auch dessen Abs.3 zur Anwendung komme. Danach sei unter Anwendung der kurzen Verjährungsfrist des § 196 Nr.8 BGB a.F. der Anspruch des Klägers mit Ablauf des 31.12.2005 verjährt.

Das Arbeitsgericht hat mit Endurteil vom 08.03.2007, auf dessen Tatbestand, Entscheidungsgründe und rechtliche Erwägungen im Übrigen Bezug genommen wird, die Klage abgewiesen und seine Entscheidung damit begründet, dass der Anspruch des Klägers auf Erfolgsbeteiligung für das Geschäftsjahr 2001/2002 bereits mit Ablauf des 31.12.2005 verjährt sei. Die Klage vom 11.05.2006 habe somit nicht mehr eine laufende Verjährungsfrist hemmen können. Der Anspruch des Klägers habe bereits am 01.01.2001 mit Beginn des Geschäftsjahres bestanden, so dass Art. 229 § 6 EGBGB zur Anwendung komme. Nach dieser Vorschrift gelte zwar das neue Recht der Verjährung mit der dreijährigen Regelverjährung. Jedoch sei gemäß Art.229 § 6 Abs.3 die kürzere zweijährige Verjährungsfrist maßgeblich.

Der Kläger hat gegen dieses Urteil, das ihm am 22.03.2007 zugestellt wurde, am 20.04.2007 Berufung eingelegt und diese am 21.05.2007 begründet.

Der Kläger trägt im Berufungsverfahren vor, sein Anspruch auf die Restzahlung der Erfolgsbeteiligung für das Geschäftsjahr 2001/2002 sei nicht verjährt. Für die Verjährung gelte allein § 195 BGB in der seit 01.01.2002 geltenden Fassung. Der Anspruch sei erst mit Fälligkeit entstanden. Fällig sei der Anspruch aber nach übereinstimmender Meinung der Parteien erst im Februar 2003 geworden. Entgegen der Ansicht des Arbeitsgerichts habe der Anspruch des Klägers nicht bereits seit 01.10.2001 bestanden. Ein Anspruch bestehe erst nach seiner Entstehung, nämlich, wenn er vom Berechtigten geltend gemacht und erforderlichenfalls klageweise durchgesetzt werden könne. Dies sei aber erst nach der Entscheidung der Hauptversammlung der Beklagten über die Dividende im Januar 2003 möglich geworden.

Hinsichtlich des weiteren Vorbringens des Klägers im Berufungsverfahren wird auf den Inhalt seiner Schriftsätze vom 15.05.2007 (Bl.63/67 d.A.) und 28.08.2007 (Bl.82/83 d.A.) verwiesen.

Der Kläger beantragt im Berufungsverfahren:

I. Das Urteil des Arbeitsgerichts München (23 Ca 6560/06) vom 08.03.2007 wird in den Ziffern 1 und 2 abgeändert.

II. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger EUR 13.280,80 brutto nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit 01.02.2003 zu bezahlen.

III. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung kostenpflichtig zurückzuweisen.

Die Beklagte trägt zur Begründung vor, das Arbeitsgericht habe zutreffend festgestellt, dass der Anspruch des Klägers auf Resterfolgsbeteiligung für das Geschäftsjahr 2001/2002 bei Klageerhebung am 11.05.2006 bereits verjährt gewesen sei und nicht mehr durchgesetzt werden könne, weil sie sich auf die Verjährung der Forderung berufe. Der Anspruch des Klägers sei dem Grunde nach bereits mit Beginn des Geschäftsjahres am 01.10.2001 entstanden und am 01.01.2002 noch nicht verjährt gewesen. Somit gelte gemäß Art, 229 § 6 EGBGB zwar grundsätzlich das seit 01.01.2002 geltende Verjährungsrecht mit der regelmäßigen Verjährung von drei Jahren. Gemäß Art. 229 § 6 Abs.3 EGBGB sei jedoch auf derartige Fälle die kürzere Verjährungsfrist nach altem Recht anzuwenden.

Ergänzend wird zum Vorbringen der Beklagten im Berufungsverfahren auf deren Schriftsatz vom 25.06.2007 verwiesen (Bl.79/81 d.A.).

Entscheidungsgründe:

Die Berufung des Klägers gegen das Endurteil des Arbeitsgerichts München vom 19.04.2007 ist zwar zulässig, aber unbegründet. Das Arbeitsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen.

1. Die Beklagte ist gemäß § 214 Abs.1 BGB berechtigt, die Leistung zu verweigern, weil der Anspruch des Klägers auf den Rest der Erfolgsbeteiligung für das Geschäftsjahr 2001/2002 bereits mit Ablauf des Jahres 2005 verjährt war und nicht erst mit Ablauf des Jahres 2006 verjährt wäre, so dass seine Klageerhebung am 11.05.2006 nicht mehr gemäß § 204 Abs.1 Nr.1 BGB zur Hemmung der Verjährung mit der Folge des § 209 BGB und damit zur Durchsetzbarkeit seines Anspruchs gegenüber der Beklagten führen konnte.

1.1. Der Anspruch des Klägers ist mit Ablauf des Jahres 2005 verjährt, weil die gegenüber § 195 BGB n.F. kürzere Verjährungsfrist des § 196 Nr.8 BGB in der bis zum 31.12.2001 geltenden Fassung wegen des gemäß Art. 229 § 6 Abs.3 EGBGB vorzunehmenden Fristenvergleichs für die Verjährung des Anspruchs maßgeblich ist.

1.1.1. Zu diesem Ergebnis kommt die Kammer entgegen der Ansicht der Beklagten nicht bereits deswegen, weil der Anspruch des Klägers im Sinne von Art. 229 § 6 Abs.1 S.1 EGBGB am 01.01.2002 bereits bestanden hat und noch nicht verjährt war.

1.1.2. Nach Auffassung des Gerichts ist die Vorschrift bereits aufgrund Auslegung nach dem möglichen Wortsinn nur in der Weise zu verstehen, dass das Bestehen eines Anspruchs seinem Entstehen folgt. Folge des Begriffsverständnisses der Beklagten wäre hingegen, dass ein Anspruch bestehen könnte, obwohl er noch gar nicht entstanden wäre.

1.1.3. Der Begriff des Entstehens eines Anspruchs ist durch höchstrichterliche Rechtsprechung geklärt, der sich die Kammer anschließt, vgl. BAG vom 10.12.1973 - 3 AZR 318/73 = AP Nr.7 zu § 196 BGB, BGH vom VIII ZR 4/70 = BGHZ 55, 340. Danach ist ein Anspruch entstanden, wenn erstmals die Möglichkeit seiner Geltendmachung und erforderlichenfalls Durchsetzung im Wege der Klage besteht. In der zitierten Entscheidung hat das BAG festgehalten, dass die Verjährung einer Jahresumsatzprovision erst nach Ablauf des für die Entstehung des Provisionsanspruchs maßgeblichen Jahres beginnt. Denn erst nach Ablauf des letzten Tages des Berechnungszeitraumes stehe fest, wie sich der Provisionsanspruch errechne.

1.1.4. Der Auffassung der Beklagten, nach der ein Anspruch im Sinne dieser Vorschrift bereits bestehen soll, wenn er dem Grunde nach gegeben, etwa, weil zwischen den Parteien vereinbart worden ist, der Arbeitnehmer solle jährlich Anspruch auf eine Erfolgsprämie haben, deren Höhe zu Beginn des Geschäftsjahres, für die sie vereinbart sei, noch nicht einmal bestimmbar ist, erweist sich auch bei systematischer Auslegung des Art. 229 § 6 Abs.1 S.1 EGBGB als unzutreffend. Die Anwendung dieses Auslegungskriteriums führt widerspruchsfrei zu demselben Ergebnis wie die Wortlautauslegung. Der Begriff des Entstehens eines Anspruchs wird in Rechtsprechung und Literatur im Zusammenhang mit der Verjährung von Ansprüchen diskutiert. Art. 229 § 6 EGBGB ist eine Vorschrift, die sich mit der Verjährung von Ansprüchen befasst. Es ist davon auszugehen, dass der Gesetzgeber bei der Konzeption dieser Vorschrift in Kenntnis des Begriffs des Entstehens eines Anspruchs den des Bestehens in die Vorschrift aufgenommen hat.

1.1.5. Auch bei Betrachtung der vertraglichen Regelung in der "Synopse Vertragsbedingungen Außertariflicher Mitarbeiter" kann nicht etwa vom Bestehen auch nur eines Teilanspruchs bereits am 01.01.2002 die Rede sein. Zwar war zu diesem Datum bereits ein Viertel der Laufzeit des Geschäftsjahres 2001/2002 vergangen, jedoch stand am 01.01.2002 nicht einmal die Dividende für das vorausgegangene Geschäftsjahr 2000/2001 fest, die mangels anderweitiger Regelungen Grundlage für die Erfolgsbeteiligung des Geschäftsjahres 2001/2002 sein könnte, dies aber keineswegs sein musste. Die Hauptversammlung hätte im Januar 2002 für das Geschäftsjahr 2000/2001 oder im Januar 2003 für das Geschäftsjahr 2001/2002 auch beschließen können, es gebe keine Dividende für das jeweilige Geschäftsjahr. Der Anspruch des Klägers war vor der Entscheidung des Aufsichtsrats über die Dividende schlicht nicht bezifferbar.

1.2.1 Jedoch kommt das Gericht der Rechtsprechung des BGH folgend für den erst nach dem 01.01.2002 entstandenen und somit bestehenden Anspruch des Klägers auf Erfolgsbeteiligung für das Geschäftsjahr 2001/2002 zur Anwendung des Art. 229 § 6 EGBGB, weil der Anspruch aus einem vor dem 01.01.2002 vereinbarten Arbeitsverhältnis stammt, vgl. BGH vom 26.10.2005 VIII ZR 359/04 = NJW 2006, 44. Danach ist Art. 229 § 6 Abs.1 S.1, Abs.3 EGBGB für Ansprüche aus vor dem 01.01.2002 geschlossenen Schuldverhältnissen auch dann anzuwenden, wenn sie erst nach diesem Tag entstanden sind. Der BGH argumentiert überzeugend mit dem Gedanken des Schuldnerschutzes. Das Gericht schließt sich der Meinung des BGH an.

1.2.2 Die zitierte Rechtsprechung des BGH ist nach Auffassung der Kammer auch nicht für Ansprüche aus Dauerschuldverhältnissen unanwendbar. Der Einwand der dortigen Revision, eine derartige Fortgeltung der alten Verjährungsvorschriften sei bei Dauerschuldverhältnissen wegen der dadurch bedingten langen Fortgeltung der alten Verjährungsfristen nicht gesetzeskonform, hat der BGH damit unbeachtet lassen können, weil es sich bei dem zu entscheidenden Fall nicht um ein Dauerschuldverhältnis gehandelt hat, sondern um einen Kaufvertrag.

1.2.3. Jedenfalls für Ansprüche, deren Wurzel noch in der Zeit vor dem Inkrafttreten des neuen Verjährungsrecht liegt wie bei dem hier zu entscheidenden Anspruch auf die Erfolgsbeteiligung für das Geschäftsjahr 2001/2002, besteht kein Unterschied in der Interessenlage der Vertragsparteien zwischen Dauerschuldverhältnis und punktuellem Schuldverhältnis wie dem Kaufvertrag. Der BGH und das BAG haben zu Dauerschuldverhältnissen die Anwendbarkeit des Art. 229 § 6 EGBGB für gegeben erachtet, nämlich der BGH für einen Mietvertrag hinsichtlich Gewährleistungsansprüchen nach Herausgabe der Mietsache, vgl. BGH 19.01.2005 VIII ZR 114/04 = NJW 2005, 739, und das BAG für einen Aufhebungsvertrag, vgl. BAG vom 15.06.2004 9 AZR 513/03 = NZA 2005, 295-297.

2. Der Kläger hat die Kosten seiner erfolglosen Berufung zu tragen, 97 Abs. 1 ZPO.

Ende der Entscheidung

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