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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern
Urteil verkündet am 10.01.2008
Aktenzeichen: 1 Sa 134/07
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 311
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

1. Das Urteil des Arbeitsgerichtes Rostock vom 03.04.2007 - 1 Ca 2148/06 - wird auf die Berufung des Beklagten teilweise abgeändert und der Tenor insoweit zur Klarstellung wie folgt neu gefasst:

a) Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 1.046,25 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 20.11.2006 zu zahlen.

b) Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

2. Der Kläger trägt zu 78 Prozent und der Beklagte zu 22 Prozent die Kosten des Rechtsstreits.

3. Die Revision gegen diese Entscheidung wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten um Zahlungsansprüche des Klägers gegen den Beklagten in seiner damaligen Funktion als vorläufiger - sogenannter schwacher - Insolvenzverwalter.

Der Kläger war auf der Grundlage des Arbeitsvertrages vom 21.06.1999 bei der Wxxxxxxxxxx Axxxxxx, Exxxxx und Rxxxxxx GmbH (künftig Gemeinschuldnerin) als Baggerfahrer beschäftigt. Dessen Geschäftsführer war am 05.09.1998 wegen Unzuverlässigkeit der Betrieb eines Gewerbes untersagt worden. Mit dem am 20.11.2002 bestandskräftigen Beschluss der Hansestadt Rostock vom 25.01.2002 war zudem gegenüber der Gemeinschuldnerin eine Gewerbeuntersagung ausgesprochen worden. Gleichwohl betrieb die Gemeinschuldnerin ihre Geschäfte fort. Ab April 2004 erhielt der Kläger keinen Lohn mehr.

Im Juni 2004 und Juli 2004 beantragten zwei Krankenkassen (offene Forderungen von insgesamt 99.846,43 EUR) die Einleitung eines Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Gemeinschuldnerin. Mit Beschluss vom 11.08.2004 beauftragte das Amtsgericht Rostock den Beklagten mit der Erstellung eines Gutachtens über die Massezulänglichkeit. Mit Beschluss vom 20.08.2004 bestellte das vorgenannte Gericht den Beklagten zum vorläufigen Insolvenzverwalter ohne Übertragung der Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis über das Vermögen der Gemeinschuldnerin (sogenannter schwacher vorläufiger Insolvenzverwalter; Blatt 45, Blatt 46 d. A.).

Anlässlich eines Gespräches am 12.08.2004 teilte der Geschäftsführer der Gemeinschuldnerin dem Beklagten mit, dass diese gewerblich gemeldet sei und es insgesamt keine Probleme gebe.

Am 23.08.2004 rief der Beklagte in seiner Funktion als vorläufiger Insolvenzverwalter eine Belegschaftsversammlung ein und erklärte, dass er die Geschäftstätigkeit angesichts der Auftragslage fortsetzten werde. Außerdem verteilte er das "Merkblatt für Arbeitnehmer im Insolvenzverfahren" (Blatt 47 d. A.) an die anwesenden Mitarbeiter und so auch an den Kläger, welches u. a. unter Ziffer 5 Abs. 2 und 3 wie folgt lautet:

"Soweit die Insolvenzmasse nicht ausreicht, um die Kosten des Insolvenzverfahrens nach § 54 InsO (Gerichtskosten und Vergütung des Insolvenzverwalters) zu decken oder die Insolvenzmasse nach Deckung der Kosten aufgebraucht ist, können auch die Löhne der Arbeitnehmer nach Verfahrenseröffnung nicht befriedigt werden.

Soweit die Masse nicht ausreicht, alle weiteren Masseverbindlichkeiten vollständig zu befriedigen, werden die weiteren Masseverbindlichkeiten und damit auch die Löhne der Arbeitnehmer nach Verfahrenseröffnung nur quotal (teilweise) befriedigt."

Mit Beschluss des Amtsgerichts Rostock vom 16.09.2004 erfolgte die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Gemeinschuldnerin nebst Bestellung des Beklagten zum Insolvenzverwalter.

Der Kläger erhielt für die Zeit vom 15.06.2004 bis zum 16.09.2004 Insolvenzgeld.

Am 08.10.2004 erhielt der Beklagte positive Kenntnis von der Gewerbeuntersagung hinsichtlich der Gemeinschuldnerin. Mit Schreiben vom 25.10.2004 kündigte er das Arbeitsverhältnis des Klägers zum 31.12.2004 und stellte ihn wegen Stilllegung des Geschäftsbetriebes zum 31.10.2004 mit Wirkung ab dem 01.11.2004 von der Erbringung der Arbeitsleistung frei. In der Zeit vom 01.11. 2004 bis zum 31.12.2004 bezog der Kläger Arbeitslosengeld in Höhe von 23,25 EUR täglich. Arbeitsentgelt für die Zeit vom 17.09.2004 bis zum 31.10.2004 erhielt der Kläger nicht.

Mit Zwischenbericht vom 03.06.2005 zeigte der Beklagte gegenüber dem Amtsgericht Rostock Masseunzulänglichkeit hinsichtlich der Gemeinschuldnerin an.

Das Arbeitsgericht Rostock hat über die Behauptung des Klägers, der Beklagte habe während der Belegschaftsversammlung am 23.08.2004 auf die Frage des Arbeitnehmers Kxxx, ob die Lohnzahlung bei Fortsetzung der Tätigkeit tatsächlich gesichert sei, erklärt, dass der Lohn auf jeden Fall gezahlt werde und er als Insolvenzverwalter gut versichert sei, in der mündlichen Verhandlung vom 03.04.2007 Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugen Jxxxxxxx, Kxxx, Schxxxx, Gxxxxxxx, Dxxxxx und Sxxxxxxxx. Wegen des Inhalts der Beweisaufnahme wird auf das Sitzungsprotokoll (Blatt 121 bis 130 d. A.) Bezug genommen.

Der Kläger hat beantragt,

den Beklagten zu verurteilen, an ihn

1. für die Zeit vom 16.09.2004 bis zum 29.10.2004 Schadensersatz in Höhe von 2.536,00 EUR brutto zuzüglich Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit und

2. für die Zeit vom 30.10.2004 bis zum 31.12.2004 3.681,00 EUR brutto, vermindert um bezogenes Arbeitslosengeld in Höhe von 1.418,25 EUR netto zuzüglich Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Mit Urteil vom 03.04.2007 hat das Arbeitsgericht Rostock der Klage vollumfänglich stattgegeben. Es hat im Wesentlichen ausgeführt, aufgrund des Ergebnisses der Beweisaufnahme sei davon auszugehen, dass der Beklagte auf Nachfrage anlässlich der Belegschaftsversammlung vom 23.08. 2004 hinsichtlich der Verlässlichkeit zukünftiger Lohnzahlungen auf eine persönliche Versicherung verwiesen habe. In diesem Zusammenhang sei dem Beklagten bewusst gewesen, dass eine verlässliche Absicherung des künftigen Arbeitsentgeltes für die Arbeitnehmer der Gemeinschuldnerin von herausragender Wichtigkeit gewesen sei. Deshalb sei aus Sicht eines neutralen Erklärungsempfängers die Äußerung des Beklagten im Sinne einer persönlichen Einstandspflicht zu verstehen. Dieser Umstand begründe die Verpflichtung des Beklagten zur Zahlung des Arbeitsentgeltes für die Zeit vom 17.09.2004 bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses am 31.12.2004 gemäß erklärtem Schuldbeitritt in Verbindung mit § 611 BGB.

Gegen diese ihm am 19.04.2007 zugegangene Entscheidung richtet sich die am 25.04.2007 beim Landesarbeitsgericht eingegangene Berufung des Beklagten nebst - nach entsprechender gerichtlicher Fristverlängerung - am 19.07.2007 bei dem Landesarbeitsgericht eingegangener Berufungsbegründung.

Der Beklagte hält an seiner Behauptung fest, er habe lediglich im Zusammenhang mit der Frage nach der Verlässlichkeit der Angaben in dem übergebenen Merkblatt auf seine persönliche Versicherung verwiesen. Der erstinstanzlich vorgenommenen Beweiswürdigung könne nicht gefolgt werden.

So werde die abweichende Aussage des Zeugen Sxxxxxxx nicht hinreichend gewürdigt. Außerdem seien die Aussagen der übrigen Zeugen nicht gleichlautend. Es seien insoweit erhebliche Abweichungen in der Sachverhaltsdarstellung festzustellen. Die zum Teil bei den Zeugen zutage getretenen Erinnerungslücken seien durch das Arbeitsgericht Rostock im Rahmen der Prüfung der Glaubwürdigkeit der Zeugenaussagen nicht ausreichend berücksichtigt worden. Deshalb sei das Arbeitsgericht Rostock zu einer fehlerhaften Tatsachenfeststellung gelangt, zumal der unstreitige Umstand der Übergabe des Merkblattes ebenfalls unberücksichtigt geblieben sei.

Selbst wenn man jedoch die Richtigkeit der Tatsachenfeststellung unterstelle, so folgere daraus nicht die Abgabe einer Willenserklärung durch den Beklagten im Sinne eines selbstständigen Schuldbeitritts. Es sei weder eine entsprechende Willenserklärung abgegeben worden noch könne eine solche im Wege der Auslegung aus Sicht eines objektiven Erklärungsempfängers ermittelt werden. Die Bejahung eines Schuldbeitritts erfordere schließlich ein eigenes wirtschaftliches Interesse auf Seiten des Erklärenden, was in der Person des Beklagten als vorläufigem Insolvenzverwalter ohne eigene Verwaltungs- und Vermögensbefugnis über das Vermögen der Gesamtschuldnerin nicht gegeben sei. Für die Annahme eines Schuldbeitritts ohne eigenes wirtschaftliches Interesse fehle es am notwendigen Schriftformerfordernis.

Auch komme eine Schadensersatzverpflichtung des Beklagten nicht in Betracht. Zum einen sei mit der Entscheidung des LAG Düsseldorf vom 27.01.2004 die Haftung eines vorläufigen Insolvenzverwalters gänzlich auszuschließen. Zum anderen sei der vom Arbeitsgericht Rostock festgestellte Sachverhalt nicht ausreichend, um eine Schadensersatzverpflichtung des Beklagten annehmen zu können. Insbesondere habe der Beklagte mit der vom Arbeitsgericht Rostock zu Unrecht unterstellten Äußerung in der Belegschaftsversammlung vom 23.08.2004 nicht in dem erforderlichen Umfang einen Vertrauenstatbestand geschaffen, der eine Haftung des Beklagten nach § 311 BGB in Verbindung mit § 280 BGB rechtfertigen könne.

Der Beklagte beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichtes Rostock - Geschäftsnummer 1 Ca 2148/06 - abzuändern und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Hilfsweise beantragt der Kläger,

den Beklagten zu verurteilen, Schadensersatz in Höhe von 1.046,25 EUR netto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 20.11.2006 zu zahlen.

Der Beklagte beantragt auch insoweit Klageabweisung.

Der Kläger verteidigt die angefochtene Entscheidung. Die durch das Arbeitsgericht Rostock im Wege der Beweiserhebung zutreffend festgestellte Aussage des Beklagten anlässlich der Belegschaftsversammlung vom 23.08.2004 habe dem Kläger den Eindruck vermittelt, der Beklagte werde gegebenenfalls auch persönlich für die Auszahlung der zukünftigen Gehälter einstehen. Ansonsten hätte der Kläger - insoweit unstreitig - aufgrund der ohnehin bestehenden wirtschaftlichen Schwierigkeiten und aufgrund der erheblichen Lohnrückstände das Arbeitsverhältnis fristlos gekündigt.

Selbst wenn jedoch ein selbstständiger Schuldbeitritt des Beklagten abzulehnen sei, so haftet der Beklagte jedenfalls im Rahmen eines Schadensersatzanspruches auf Ersatz des Schadens in Höhe des entgangenen Arbeitslosengeldes für die Zeit vom 17.09.2004 bis zum 31.10.2004 in Höhe von täglich 23,25 EUR und mithin in Höhe von 1.046,25 EUR, worauf sich der hilfsweise gestellte Antrag beziehe. Der Kläger habe das Arbeitsverhältnis lediglich im Vertrauen auf die vom Beklagten zugesagte tatsächliche Bezahlung der zukünftigen Löhne fortgesetzt.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die zwischen den Parteien in der Berufungsinstanz gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung des Beklagten ist hinsichtlich des Hauptantrages des Klägers begründet, bezüglich des Hilfsantrages ist sie unbegründet.

I.

Der Beklagte ist rechtlich nicht aus einem erklärten Schuldbeitritt in Verbindung mit § 611 Abs. 1 BGB zur Zahlung des Arbeitsentgelts für die Zeit vom 17.09.2004 bis zum 31.12.2004 gegenüber dem Kläger verpflichtet (1.). Demgegenüber hat der Kläger gegen den Beklagten entsprechend seinem Hilfsantrag einen Anspruch auf Zahlung des entgangenen Arbeitslosengeldes für die Zeit vom 17.09.2004 bis zum 31.10.2004 in Höhe von 1.046,25 EUR (45 Tage x 23,25 EUR) gemäß §§ 311 Abs. 3, 280 Abs. 1 Satz 1, 249 Abs. 1 BGB (2.). Ob zudem eine Haftung des Beklagten gemäß §§ 21 Abs. 2 Nr. 1, 60, 61 InsO in Betracht kommt, bleibt unentschieden (3.).

1.

Der Kläger hat gegenüber dem Beklagten keinen Anspruch auf Zahlung des Arbeitsentgeltes für die Zeit vom 17.09.2004 bis zum 31.12.2004 aus erklärtem Schuldbeitritt in Verbindung mit § 611 BGB. Zwar folgt das erkennende Gericht uneingeschränkt der in der angefochtenen Entscheidung vorgenommenen Beweiswürdigung (a), jedoch vermag die Kammer der rechtlich daraus gezogenen Schlussfolgerung eines erklärten Schuldbeitritts durch den Beklagten nicht zu folgen (b).

a)

Soweit das Arbeitsgericht Rostock nach vorgenommener Beweiserhebung im Wege der Beweiswürdigung zu der Tatsachenfeststellung gelangt ist, der Beklagte habe anlässlich der Belegschaftsversammlung vom 23.08.2004 auf entsprechende Nachfrage im Zusammenhang mit künftigen Lohnforderungen bei Fortsetzung der Tätigkeit auf seine persönliche Versicherung verwiesen, so schließt sich das erkennende Gericht diesem Ergebnis an. Zum einen kann diesbezüglich auf die zutreffenden Erwägungen in der angefochtenen Entscheidung Bezug genommen werden. Zum anderen vermögen die Ausführungen des Beklagten in der Berufungsinstanz rechtserhebliche Zweifel an der Richtigkeit der vorgenommenen Beweiswürdigung nicht zu belegen.

Zwar weist der Beklagte zutreffend darauf hin, dass die Aussagen der Zeugen Jxxxxxxxx, Gundlach, Dxxxxx, Schxxxx und Kxxx hinsichtlich der streiterheblichen Fragestellung nicht detailgenau übereinstimmen. Jedoch folgen daraus - wie in der mündlichen Verhandlung vom 10.01.2008 erörtert - keinesfalls Zweifel an der Glaubwürdigkeit der vorbenannten Zeugen bzw. an der Glaubhaftigkeit der Aussagen. Denn den Kernbereich - Erwähnung der persönlichen Versicherung im Zusammenhang mit der Frage nach der Erfüllung künftiger Lohnforderungen - der streitigen Fragestellung haben die oben genannten Zeugen übereinstimmend bestätigt. Demhingegen sprechen diese nicht gegen, sondern - worauf das Arbeitsgericht Rostock mit zutreffender Begründung hinweist - für die Glaubwürdigkeit der Aussagen.

Der weitere Vortrag des Beklagten, eine Beweiswürdigung der Aussage des Zeugen Sxxxxxxxx sei unterblieben, ist - wie bereits in der mündlichen Verhandlung vom 10.01.2008 erläutert - nicht nachvollziehbar, denn zwischen den Parteien ist unstreitig, dass der Begriff der "Versicherung" durch den Beklagten gefallen ist. Streitig ist allein, in welchem Zusammenhang dies geschehen ist. Wenn nun fünf Zeugen glaubwürdig den streitigen Zusammenhang im Kernbereich übereinstimmend schildern und ein weiterer Zeuge sich nicht daran erinnern kann, dass der Begriff der Versicherung überhaupt gefallen ist, so ist nicht ersichtlich, weshalb eine solche Aussage die Glaubwürdigkeit der übrigen Aussagen infrage stellen soll. Genau auf diesen Umstand hat das Arbeitsgericht Rostock in der angefochtenen Entscheidung zutreffend hingewiesen.

Der Auffassung des Beklagten, aufgrund der emotionalen Betroffenheit der Zeugen Jxxxxxxxx, Gxxxxxxx, Dxxxxx, Schxxxx und Kxxx stehe insgesamt die Glaubwürdigkeit der Zeugen in Frage, vermag sich das erkennende Gericht nicht anzuschließen. Das Arbeitsgericht Rostock hat in diesem Zusammenhang bereits zutreffend darauf hingewiesen, dass dieser Umstand im Rahmen der zentralen wirtschaftlichen Bedeutung im Gegenteil die plausible Erklärung für das Erinnerungsvermögen der vorbenannten Zeugen darstellt und gerade nicht der Glaubwürdigkeit der Zeugen entgegensteht. Diesen zutreffenden Erwägungen ist nichts hinzuzufügen.

Der Vollständigkeit halber ist noch darauf hinzuweisen, dass der unstreitige Umstand der Übergabe des Merkblattes weder für noch gegen die Glaubhaftigkeit der Aussagen der oben genannten Zeugen spricht.

b)

Der danach gegebene Hinweis des Beklagten auf eine persönliche Versicherung im Zusammenhang mit der Frage nach der Erfüllung künftiger Lohnforderungen vermag nach Auffassung der Kammer entgegen der Ansicht des Arbeitsgerichtes Rostock jedoch eine Verpflichtung des Beklagten zur Zahlung des Lohnes für die Zeit vom 17.09.2004 bis zum 31.12.2004 gemäß erklärtem Schuldbeitritt in Verbindung mit § 611 BGB nicht zu begründen.

aa)

Die Ausführungen des Arbeitsgerichtes Rostock zu den Grundsätzen der Auslegung von Willenserklärungen gemäß §§ 133, 157 BGB sind rechtlich nicht zu beanstanden, weshalb insoweit auf die angefochtene Entscheidung Bezug genommen wird.

bb)

Das erkennende Gericht vermag sich jedoch dem in Anwendung der zutreffenden Auslegungsgrundsätze geschlussfolgerten Ergebnis nicht anzuschließen.

Diesbezüglich ist zunächst zu berücksichtigen, dass die Inanspruchnahme des Insolvenzverwalters aus Eigenhaftung auf vertraglicher Grundlage nur im Falle besonderer Einzelfallumstände gerechtfertigt erscheint, da ein Eigeninteresse des Insolvenzverwalters im Falle der Unternehmensfortführung in aller Regel zu verneinen ist (BAG vom 21.03.1991, 8 AZR 322/89 - Juris; LAG Düsseldorf vom 27.10.2004, 12 (13) Sa 1348/04 - Juris; OLG Rostock vom 04.10.2004, 3 U 158/03 - Juris; a. A. OLG Celle vom 21.10.2003, 16 U 95/03 - Juris).

Die vorstehenden Erwägungen gelten für den vorläufigen - schwachen - Insolvenzverwalter - wie hier gegeben - erst recht. Hinsichtlich einer vertraglichen Haftung des Beklagten aus einem erklärten Schuldbeitritt in Verbindung mit § 611 BGB liegen derartige besondere Einzelfallumstände nicht vor.

Zwar ist nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme davon auszugehen, dass der Beklagte anlässlich der Belegschaftsversammlung vom 23.08.2004 auf entsprechende Nachfrage hin auf seine persönliche Versicherung als Gewähr für die Auszahlung künftiger Gehälter im Falle der Betriebsfortführung hingewiesen hat. Jedoch kann aus Sicht eines objektiven Dritten, der mit den Verhältnissen betraut ist, allein aus einer solchen Erklärung nicht entnommen werden, der Beklagte wolle über seine Stellung als vorläufiger Insolvenzverwalter bzw. als späterer Insolvenzverwalter hinaus in eigener Person und mit eigenem Vermögen für offene Forderungen gegen die von ihm vertretene Gemeinschuldnerin haften.

Den in der Belegschaftsversammlung anwesenden Arbeitnehmern der Gemeinschuldnerin - und mithin auch dem Kläger - war die Eröffnung des vorläufigen Insolvenzverfahrens unstreitig ebenso bekannt wie die Stellung des Beklagten als vorläufiger Insolvenzverwalter.

Der Hinweis des Beklagten auf eine persönliche Versicherung kann sich aus Sicht eines verständigen Erklärungsempfängers lediglich auf eine Versicherung beziehen, welche für Handlungen des Beklagten in seiner Funktion als vorläufiger Insolvenzverwalter bzw. als späterer Insolvenzverwalter besteht.

Weshalb der Hinweis auf eine Versicherung, welche der Insolvenzverwalter als Absicherung für Handlungen in eben dieser Funktion abgeschlossen hat, aus Sicht eines verständigen Dritten das Verständnis der Zusage einer persönlichen Haftung des Insolvenzverwalters mit eigenem Vermögen für Forderungen gegen die Gemeinschuldnerin bei fehlendem eigenen Interesse begründen soll, erschließt sich dem erkennenden Gericht nicht.

Soweit das Arbeitsgericht Rostock in der angefochtenen Entscheidung ausführt, der Hinweis des Beklagten auf eine persönliche Versicherung sei deshalb als persönliche Einstandspflicht zu verstehen, weil eine solche Voraussetzung für die Versicherungsleistung sei, so vermag die Kammer dem nicht zu folgen.

Zum einen ist eine vertragliche Einstandspflicht eben gerade nicht ausschließliche Voraussetzung für den Eintritt von Versicherungsleistungen. Vielmehr setzen Versicherungsleistungen jedenfalls auch bei Schadensherbeiführungen ohne vertragliche Grundlage ein. Zum anderen ist nicht ersichtlich, weshalb etwaige Leistungen aus einer Versicherung, welche ein Insolvenzverwalter eben zur Absicherung von Tätigkeit in dieser Funktion abgeschlossen hat, von einer persönlichen - vertraglichen - Haftung mit eigenem Vermögen abhängig sein soll.

Im Ergebnis lässt sich mithin eine persönliche vertragliche Haftung des Beklagten mit eigenem Vermögen für Lohnzahlungsverbindlichkeiten der Gemeinschuldnerin zu Gunsten des Klägers nicht feststellen.

2.

Entgegen der Auffassung des Beklagten verfügt der Kläger aber über einen Zahlungsanspruch in Höhe von 1.046,25 EUR wegen vorvertraglicher Pflichtverletzung gemäß § 311 Abs. 3 BGB in Verbindung mit §§ 280 Abs. 1 Satz 1, 249 Abs. 1 BGB.

a)

Zwar ist dem Beklagten darin beizupflichten, dass auch eine persönliche Haftung des vorläufigen Insolvenzverwalters nach § 311 BGB ohne Hinzutreten weiterer besonderer Umstände grundsätzlich abzulehnen ist. Insoweit kann dem vorläufigen Insolvenzverwalter in der Regel nicht die Stellung eines "Sachwalters" beigemessen werden (BGH vom 24.05.2005, IX ZR 114/01 - Juris).

b)

Die Haftung eines vorläufigen Insolvenzverwalters gemäß § 311 Abs. 3 BGB in Verbindung mit § 280 Abs. 1 Satz 1 BGB kommt allerdings u. a. dann in Betracht, wenn er einen Vertrauenstatbestand geschaffen hat, an dem er sich festhalten lassen muss.

Dieser Umstand ist dann gegeben, wenn er im Rahmen rechtsgeschäftlicher Verhandlungen für die Gemeinschuldnerin dem Vertragspartner über das normale Verhandlungsvertrauen hinaus eine zusätzliche, gerade von ihm persönlich ausgehende Gewähr für Bestand und Erfüllung des in Aussicht genommenen Rechtsgeschäfts bietet (BGH vom 24.05.2005, a. a. O., bezogen auf die Haftung eines Konkursverwalters; OLG Rostock vom 04.10.2004 a. a. O.).

Die vorgenannten Voraussetzungen sind hier unter Berücksichtigung des festgestellten Ergebnisses der Beweisaufnahme nach Ansicht der Kammer erfüllt.

Zwar ist auch aus Sicht eines verständigen Dritten grundsätzlich davon auszugehen, dass der vorläufige Insolvenzverwalter in dieser Funktion rechtsgeschäftliche Handlungen für die Gemeinschuldnerin vornehmen will und als solche ausschließlich die Masse betreffen sollen. Eine persönliche Einstandspflicht wird damit in der Regel nach außen nicht dokumentiert.

Dies gilt umso mehr, wenn der vorläufige Insolvenzverwalter - wie hier der Beklagte in dem verteilten Merkblatt für Arbeitnehmer - im Rahmen der Verteilung von Informationsmaterial ausdrücklich auf den vorgenannten Umstand hinweist.

Vorliegend schuf der Beklagte jedoch durch die Abgabe einer zusätzlichen Erklärung gegenüber dem Kläger einen besonderen Vertrauenstatbestand.

Der Hinweis des Beklagten auf seine persönliche Versicherung als vorläufiger Insolvenzverwalter als Gewähr für die Absicherung der zukünftigen Gehälter des Klägers suggerierte auch aus Sicht eines verständigen Erklärungsempfängers die Absicherung der Vertragserfüllung abweichend von der Masse, und zwar auf einer Grundlage - persönliche Versicherung -, die nicht vom Wohl und Wehe der Gemeinschuldnerin abhängen sollte, sondern den Beklagten persönlich für Handlungen als vorläufiger Insolvenzverwalter bezeichnete.

Damit vermittelte der Beklagte nach Auffassung des erkennenden Gerichtes abweichend von den von ihm erteilten Informationen in dem Merkblatt für Arbeitnehmer den Eindruck, dass die Auszahlung der künftigen Löhne des Klägers eben nicht ausschließlich von der bei der Gemeinschuldnerin vorhandenen Masse abhängig sein würde, sondern vielmehr durch seine persönliche Versicherung - unabhängig von der Masse - gewährleistet sei.

c)

Die Schadensersatzverpflichtung des Beklagten ist gemäß § 249 Abs. 1 BGB auf das negative Interesse beschränkt. Das heißt, der Kläger ist so zu stellen, als wenn das schädigende Ereignis nicht eingetreten wäre. Der Kläger selbst führt insoweit unstreitig aus, dass er das Arbeitsverhältnis ohne die Zusicherung des Beklagten mit sofortiger Wirkung beendet hätte mit der Folge des Arbeitslosengeldbezuges für die Zeit vom 17.09.2004 bis zum 31.10.2004 in Höhe von 23,25 EUR täglich (insgesamt 45 Tage). Daraus resultiert der Zahlungsanspruch des Klägers gegen den Beklagten in der austenorierten Höhe von 1.046,25 EUR.

d)

Der Zinsanspruch resultiert aus §§ 291, 288 Abs. 1 Satz 2 BGB.

3.

Ob der Beklagte daneben auch gemäß §§ 21 Abs. 2 Nr. 1, 60, 61 InsO haftet, bleibt unentschieden. Denn auch insoweit wäre eine Haftung auf das negative Interesse begrenzt (OLG Rostock vom 04.10.2004, a. a. O.), so dass jedenfalls eine weitergehende Haftung als nach §§ 311 Abs. 3, 280 Abs. 1 Satz 1, 249 Abs. 1 BGB nicht in Betracht kommt.

II.

Die vorgenommene Kostenquotelung resultiert aus § 46 Abs. 2 ArbGG in Verbindung mit § 92 Abs. 1 Satz 1 ZPO.

III.

Die Revision war wegen grundsätzlicher Bedeutung zuzulassen (§ 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG).

Ende der Entscheidung

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