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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern
Urteil verkündet am 29.07.2008
Aktenzeichen: 1 Sa 169/07
Rechtsgebiete: ETV Systemgastronomie, TVG


Vorschriften:

ETV Systemgastronomie
TVG § 1
Das Tarifmerkmal "Tätigkeiten, die ... im begrenzten Umfang eigene Entscheidungen erfordern" in Tarifgruppe 6 aus § 2 des Bundesentgelttarifvertrages für die Markengastronomie (seit Dezember 2007 als "Entgelttarifvertrag für die Systemgastronomie" bezeichnet) kann nur erfüllt sein, wenn dem Arbeitnehmer Entscheidungsbefugnisse im Zusammenhang mit der Betriebs- oder Unternehmensführung übertragen sind. Dies trifft auf eine Schichtführerin, der die Aufgabe obliegt, den reibungslosen Ablauf der von anderen Führungskräften durchgeplanten Schicht zu gewährleisten, nicht zu.
Tatbestand:

1. Die Berufung wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.

2. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten über die tarifgerechte Eingruppierung der Klägerin nach dem Bundesentgelttarifvertrag für die Markengastronomie (ETV).

Die 1960 geborene Klägerin ist aufgrund des Arbeitsvertrages vom 15.07.1996 seit diesem Tag bei der Beklagten bzw. deren Rechtsvorgängerin beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis finden auf Grund arbeitsvertraglicher Bezugnahme "der jeweilige Manteltarifvertrag und Entgelttarifvertrag für den Bereich der Systemgastronomie, der zwischen dem Bundesververband der Systemgastronomie e.V. und der Gewerkschaft NGG abgeschlossen ist" (§ 8 des Arbeitsvertrages), Anwendung. Der Stundenlohn ergibt sich aus der seit 01.04.2006 bzw. 01.01.2007 gültigen Entgelt-Tabelle der Beklagten, die zusätzlich eine freiwillige Lohnerhöhung berücksichtigt.

Die Klägerin war zunächst als Mitarbeiterin im Rotationssystem eingesetzt. Später arbeitete sie als Crewtrainerin. Zum 01.05.2002 übertrug ihr die Beklagte die Tätigkeit einer Vorarbeiterin und zahlte ihr die Vergütung der Tarifgruppe 4 ETV. Im Januar 2003 nahm die Klägerin mit Erfolg an einem Vorarbeiterkurs im xxxxxxxxxxxx Aus- und Weiterbildungsprogramm teil. Seit dem 01.02.2004 erhält sie die Vergütung der Tarifgruppe 5 ETV. Im Februar 2006 besuchte die Klägerin einen Refreshment-Kurs des xxxxxxxxxx Aus- und Weiterbildungsprogramms.

Die Klägerin wird von der Beklagten als Schichtleiterin ("shift leader") in verschiedenen Lokalen eingesetzt. Jedes Restaurant wird von einem Restaurantleiter geführt. Des Weiteren sind dort über der Klägerin noch ein Erster Restaurantassistent tätig sowie mehrere Restaurantassistenten.

Als Schichtleiterin ist die Klägerin für den ordnungsgemäßen Ablauf ihrer Schicht verantwortlich. Sie führt und positioniert das ihr unterstellte Personal nach Maßgabe des - nicht von ihr aufgestellten - Schichtplans. Das umfasst die Verteilung der Mitarbeiter auf die einzelnen Arbeitsplätze in der Küche, an der Kasse sowie im Service- und Lobbybereich ("positioning") unter Berücksichtigung des jeweiligen Arbeitsanfalls und die Festlegung von Pausen. Außerdem hat sie die Möglichkeit in Abhängigkeit vom (prognostizierten) Gästeaufkommen nach Schichtplan eingeplantes Personal einvernehmlich vorzeitig erscheinen zu lassen oder vorzeitig nach Hause zu schicken.

Außerdem ist die Klägerin dafür verantwortlich, dass die Vorgaben zum äußeren Erscheinungsbild des Lokals und zur Bedienung der Kunden erfüllt werden. Sollte es durch andere Personen zu Fehldispositionen beim Bestand gekommen sein, ist sie gehalten, fehlende Ware von anderen Restaurants zu beschaffen ("Storetransfer"). Bei Warenanlieferung zeichnet sie für die ordnungsgemäße Annahme der Ware verantwortlich. In Notfällen (beispielsweise Stromausfall) ist sie für die erforderlichen Maßnahmen zuständig. Sie macht den Tagesabschluss und übergibt, wenn sie die letzte Schicht am Abend hat, die Kasseneinnahmen dem Geldkurier.

Der Rechtsstreit der Parteien begann als Änderungsschutzklage, die die Klägerin im November 2006 erhoben hatte, weil die Beklagte die Klägerin auf Basis einer "Änderungsvereinbarung", die die Klägerin nicht unterschrieben hat, in die Entgeltstufe 4 zurückstufen wollte. Dieser Teil des Rechtsstreits ist von der Klägerin für erledigt erklärt worden. Mit Schriftsatz vom 29.01.2007 hat die Klägerin allerdings klageerweiternd die Feststellung begehrt, dass sie in der Tarifgruppe 6 ETV eingruppiert sei, und sie hat die entsprechende Differenzvergütung zur tatsächlich bezahlten Vergütung nach der Tarifgruppe 5 für die Monate August bis einschließlich Dezember 1996 geltend gemacht.

Das Arbeitsgericht Rostock hat diesen noch anhängigen Teil der Klage mit Urteil vom 8. Mai 2007 (1 Ca 2224/06) abgewiesen und den Streitwert auf 5.569,20 festgesetzt sowie die Berufung zugelassen. Auf dieses Urteil wird wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes vor dem Arbeitsgericht Bezug genommen. Das Urteil ist der Klägerin am 22. Mai 2007 zugestellt worden. Die hiergegen gerichtete klägerische Berufung vom 18.06.2007 ist beim Gericht am 19.06.1007 eingegangen. Sie ist mit Schriftsatz vom 20.07.2007, Gerichtseingang per Fax am selben Tag, begründet worden.

Die Klägerin verfolgt ihr Klageziel im Berufungsrechtszug im vollen Umfang weiter.

Die Klägerin ist der Ansicht, sie habe einen Anspruch auf die Vergütung nach der Tarifgruppe 6 ETV, da sie - wie in einem der Beispiele vorausgesetzt - drei Jahre als Vorarbeiterin tätig gewesen sei und damit bereits zum 1. Mai 2005 die Anforderungen erfüllt habe. Sie nehme Aufgaben einer Restaurantassistentin wahr. Das ergebe sich auch daraus, dass die Restaurantleitung nicht ständig, sondern regelmäßig nur während einer Schicht am Tag anwesend sei.

Die Klägerin beantragt unter Abänderung des arbeitsgerichtlichen Urteils

1. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, sie ab dem 01.08.2006 nach der Tarifgruppe 6 des Bundesentgelttarifvertrages für die Markengastronomie vom 01.07.2000 unter Berücksichtigung der freiwilligen Lohnerhöhungen zu vergüten, und

2. die Beklagte zu verurteilen, an sie für den Monat August 2006 einen Betrag von 171,79 brutto, September 2006 einen Betrag von 158,98 brutto, Oktober 2006 einen Betrag von 163,10 brutto, November 2006 einen Betrag von 154,70 brutto sowie für Dezember 2006 einen Betrag von 154,70 brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagte beantragt, die die Berufung zurückzuweisen.

Sie meint, die Tätigkeit der Klägerin erfülle nicht die Voraussetzungen der Tarifgruppe 6 ETV. Die Beklagte betont, die Klägerin habe zwar als Schichtleiterin eigene Entscheidungskompetenzen. Diese würden sich aber stets nur auf die jeweilige von der Klägerin betreute Schicht beziehen. Das tarifliche Merkmal der eigenen Entscheidungen begrenzten Umfangs sei damit nicht erfüllt. Dies treffe vielmehr erst auf das Führungspersonal zu, das Verantwortung für den Betriebsablauf habe, das also Entscheidungen zu treffen habe, die in ihrer Bedeutung über eine einzelne Schicht hinausgehen. Im Übrigen weist die Beklagte darauf hin, dass ein Storetransfer nur sehr selten zu veranlassen sei, im Zeitraum Januar 2007 bis Mitte April 2007 sei dies insgesamt nur fünf Mal vorgekommen. Frittierzeiten, Temperaturen, Rezepturen etc. seien vorgegeben. Fehllieferungen gebe es maximal zweimal im Jahr. Zwar überschneide sich die Tätigkeit der Assistenten zum Teil mit den Aufgaben der Schichtleiter; zusätzlich seien die Assistenten jedoch noch mit der Kostenkontrolle und -Optimierung, den Wareneinsatz- und Umsatzanalysen, der Auswertung von Kostenbereichen einschließlich Umsetzung auf die einzelnen Produktionsverfahren, der Bedarfsplanung der Mitarbeiter, der Erstellung von Trainingsplänen und den Instandhaltungsmaßnahmen befasst. Auch wenn nicht in jeder Schicht der Restaurantleiter oder Assistenten anwesend seien, so übernehme die Klägerin in dieser Zeit dennoch nicht deren Aufgabe.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die überreichten Schriftsätze nebst Anlagen sowie die Protokolle der mündlichen Verhandlung verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die der Beschwer nach statthafte Berufung, die auch im Übrigen keinen Zulässigkeitsbedenken unterliegt, hat in der Sache keinen Erfolg. Das Gericht folgt dem Arbeitsgericht im Ergebnis und in Teilen seiner Begründung.

I.

Die Klägerin hat keinen Anspruch auf die Vergütung nach der Tarifgruppe 6 ETV. Das Arbeitsverhältnis der Parteien unterliegt zwar aufgrund vertraglicher Inbezugnahme dem für die Eingruppierung maßgebenden ETV Markengastronomie (Kopie Blatt 14 ff; es wird Bezug genommen). Die Klägerin erfüllt aber nicht die dort vorgeschriebenen Voraussetzungen für die begehrte Eingruppierung.

1.

Der Bundesentgelttarifvertrag für die Markengastronomie abgeschlossen zwischen der Gewerkschaft NGG und dem Bundesverband der Systemgastronomie e.V. (ETV) hatte, soweit für den Rechtsstreit von Bedeutung, bis Dezember 2007 den folgenden Wortlaut:

"§ 2 Tarifgruppen

Für die Festlegung des tariflichen Entgelts werden folgende Tarifgruppen gebildet: ...

Tarifgruppe 2:

Tätigkeiten, die Kenntnisse oder Fertigkeiten voraussetzen, für die eine Anlernzeit erforderlich ist, z. B.: ...

Tarifgruppe 3:

Tätigkeiten, die weitergehende Kenntnisse und/oder Fertigkeiten erfordern, z. B.: ...

Tarifgruppe 4:

Tätigkeiten, die Kenntnisse und/oder Fertigkeiten erfordern, die über die Tarifgruppe 3 hinausgehen, z. B.: ...

- Vorarbeiter/in und Hilfsschichtführer/in in den ersten 12 Monaten dieser Tätigkeit ...

Tarifgruppe 5:

Tätigkeiten, die gründliche und/oder vielseitige Kenntnisse und Fertigkeiten erfordern, wie sie in der Regel durch eine abgeschlossene Berufsausbildung oder durch eine betriebliche Ausbildung bzw. entsprechende Berufserfahrung in Systemrestaurants erworben werden, z. B.:

- Vorarbeiter/in und Hilfsschichtführer/in nach mindestens 12monatiger Ausübung dieser Tätigkeit ...

Tarifgruppe 6:

Tätigkeiten, die vertiefte gründliche und vielseitige Kenntnisse voraussetzen und deren Ausführung im begrenzten Umfang eigene Entscheidungen erfordern, z. B.:

- Restaurant-Assistent/in im ersten Jahr der Tätigkeit

- Vorarbeiter/in nach mindestens 3jähriger Ausübung dieser Tätigkeit ...

Tarifgruppe 7:

Tätigkeiten, die umfassende Kenntnisse voraussetzen und deren Ausführung überwiegend eigene Entscheidungen und Verantwortung erfordern, z. B.:

- Restaurant-Assistent/in nach dem ersten Jahr dieser Tätigkeit ...

§ 5 Allgemeine Bewertungsgrundsätze

...

2. Eingruppierungsverfahren

Die Arbeitnehmer/innen werden entsprechend der von ihnen überwiegend ausgeübten Tätigkeit in die Entgeltgruppen eingruppiert. ... Für die Eingruppierung ist nicht die berufliche oder betriebliche Bezeichnung, sondern allein die Tätigkeit des/der Arbeitnehmer(s)/in maßgebend. ...

Die Nennung von Tätigkeitsbeispielen in diesem Tarifvertrag verpflichtet den Betrieb/das Unternehmen nicht, diese in der ganzen Eingruppierungsbreite anzuwenden, wenn aufgrund fehlender Tätigkeitsfelder eine Eingruppierung nicht möglich ist bzw. die tatsächlich ausgeübten Tätigkeiten auf bestimmte Tarifgruppen begrenzt sind.

3. Bewertungskriterien

Die Zuordnung der Arbeitnehmer/innen in die Tarifgruppen erfolgt unter Anwendung der jeweiligen Bewertungskriterien in den Oberbegriffen sowie nach den Tätigkeitsbeispielen.

Die Beispiele der Tätigkeiten sind kein abschließender Katalog und dienen der Erläuterung. Maßgebend sind die Oberbegriffe.

Bei der Eingruppierung ist die Art der überwiegend ausgeübten Tätigkeit maßgeblich...."

Dieser Tarifvertrag ist während des Rechtsstreits mit Wirkung ab dem 1. Dezember 2007 in der Bezeichnung (jetzt "Entgelttarifvertrag für die Systemgastronomie"), in den Beispielen zu den Tarifgruppen und im Text der Bewertungsgrundsätze abgeändert worden (ETV 2007). In den Beispielen zur Tarifgruppe 6 ist die "Vorarbeiter/in nach mindestens 3jähriger Ausübung dieser Tätigkeit" nicht mehr aufgeführt. Auch der Einleitungssatz ist verändert worden. Er lautet nunmehr auszugsweise:

"Tätigkeiten, die ... voraussetzen und deren Ausführung ... erfordert, insbesondere:"

Die allgemeinen Bewertungsgrundsätze für die Eingruppierung sind jetzt in § 2 ETV 2007 aufgenommen. Soweit hier von Bedeutung lautet der Text auszugsweise:

"§ 2 Eingruppierung und Tarifgruppen

... (2) Die Beschäftigten werden entsprechend der von ihnen überwiegend ausgeübten Tätigkeit nach den Tätigkeitsbeispielen in die Tarifgruppen eingruppiert. Für die Eingruppierung in eine Tarifgruppe ist nicht allein die berufliche oder betriebliche Bezeichnung maßgebend. ...

(7) Die Eingruppierung erfolgt in die Tarifgruppen 1 bis 12 anhand der dort aufgeführten Tätigkeits- und Funktionsbeschreibungen nebst den benannten Beispielen. ..."

2.

Der klägerische Anspruch ist nicht begründbar.

§ 2 ETV charakterisiert die einzelnen Tarifgruppen jeweils durch einen allgemeinen Eingangssatz und nennt sodann Beispielstätigkeiten und -funktionen. Aus dem Wortlaut und dem Gesamtzusammenhang dieses Tarifvertrages ergibt sich, dass die Tarifvertragsparteien die Beispielstätigkeiten der einzelnen Vergütungsgruppen nur als Anhaltspunkt und als Auslegungshilfe in den Wortlaut des Tarifvertrages aufgenommen haben und es auch bei Erfüllung der Merkmale einer Beispielstätigkeit kumulativ auf die Erfüllung der allgemeinen Tätigkeitsmerkmale ankommen soll. Die Bewertungsgrundsätze in § 5 ETV bestimmen, dass für die Eingruppierung in die Entgeltgruppe die berufliche oder betriebliche Bezeichnung keine Rolle spielen. Es kommt allein auf die Tätigkeit des Arbeitnehmers an. Dort wird für die Zuordnung der Arbeitnehmer in die Tarifgruppen ausdrücklich auf die Anwendung der jeweiligen Bewertungskriterien in den Oberbegriffen des § 2 ETV hingewiesen; die Tätigkeitsbeispiele seien kein abschließender Katalog und dienten der Erläuterung (BAG, Urteil vom 28. September 2005 - 10 AZR 34/05 - APNr. 2 zu § 1 TVG Tarifverträge: Systemgastronomie).

Die Eingruppierungs- und Zahlungsklage könnte demnach nur Erfolg haben, wenn sich feststellen lässt, dass der Klägerin Aufgaben übertragen sind, die sich unter den Einleitungssatz zur Tarifgruppe 6 subsumieren lassen. Diese Feststellung kann nicht getroffen werden.

a)

Im Gegensatz zum Arbeitsgericht geht das Landesarbeitsgericht allerdings davon aus, dass die Klägerin über die dort vorausgesetzten "vertieften gründlichen und vielseitigen Kenntnisse" verfügt.

"Vertiefte gründliche und vielseitige Kenntnisse" sind Kenntnisse, die weitergehend sind als die Kenntnisse und Fertigkeiten, die im Rahmen einer Berufsausbildung vermittelt werden. Das lässt sich indirekt aus der Tarifgruppe 5 erschließen, in der lediglich "gründliche und/oder vielseitige Kenntnisse und Fertigkeiten" gefordert werden, zu denen es dort ergänzend heißt "wie sie in der Regel durch eine abgeschlossene Berufsausbildung ... erworben werden". Während der Begriff vielseitig die Breite des Wissens markiert, meinen die Begriffe "gründlich" und "vertieft" die Tiefe des Wissens, also das Wissen um mehr Details und um die Behandlung von nicht alltäglich auftretenden außergewöhnlichen Situationen. Den im Tarifwortlaut zur Tarifgruppe 5 zusätzlich erwähnten Fertigkeiten kommt keine entscheidende andere Bedeutung zu. Denn unter Fertigkeit ist lediglich die Fähigkeit zu verstehen, die vorhandenen Kenntnisse auch umsetzen zu können.

Die Klägerin verfügt über vertiefte gründliche Kenntnisse im Sinne der Merkmale der Tarifgruppe 6 des ETV. Denn die Klägerin hat einen ordentlichen Lehrgang zur Vorarbeiterin abgelegt, was ihr die Tarifgruppe 5 vermittelt hat, und hat danach sowohl durch die praktische berufliche Tätigkeit ihre Kenntnisse vertieft (Berufsroutine) als auch durch den Besuch von Fortbildungsveranstaltungen. Dem Vordergericht und der Beklagten kann nicht zugestimmt werden, wenn sie diesen Veranstaltungen keinen Bildungseffekt zubilligen. Da der Tarifvertrag nur die Vertiefung des Kenntnisstandes voraussetzt, kann der Bildungseffekt nicht mit dem Hinweis darauf verneint werden, die Klägerin habe dort nichts Neues gelernt, sondern der Kurs habe lediglich der Auffrischung der vorhandenen Kenntnisse gedient. Selbst wenn diese Feststellung zutreffend sein sollte - was allerdings angesichts des inzwischen abgereichten umfangreichen Materials zweifelhaft erscheint ("shift into overdrive", Blatt 325 - 385) - würde die Überlegung des Arbeitsgerichts sogar ausreichen, um die geforderte Vertiefung des Kenntnisstandes zu bejahen. Denn gerade durch den Wechsel zwischen der praktischen Anwendung der erworbenen Kenntnisse und der danach erfolgenden neuerlichen Wiederholung der theoretischen Kenntnisse werden diese vertieft; insofern handelt es sich um eine allgemein anerkannte didaktische Methode.

Mehr kann nach Sinn und Zweck der Merkmale zur Tarifgruppe 6 nicht verlangt werden. Die Tarifgruppe 6 ist die erste Steigerungsstufe gegenüber der Tarifgruppe 5, in der die Arbeitnehmer mit ordnungsgemäßer Berufsausbildung eingereiht sind. Es ist also eine Tarifgruppe, die typischerweise der Beförderung bewährter und guter Facharbeiterinnen und Facharbeiter dient. Es wäre daher zu viel verlangt, bereits auf dieser ersten Steigerungsstufe zum Facharbeiter Bildungsvoraussetzungen zu verlangen, die über das erlernte Berufsbild hinausgehen.

Ergänzend ist festzustellen, dass sich das Merkmal "vertieft" aus der Tarifgruppe 6 seinem Sinn nach nur auf die Gründlichkeit der geforderten Kenntnisse beziehen kann und nicht gleichzeitig auch auf deren Vielseitigkeit. Es wäre bereits sprachlich etwas holperig, von einer "vertieften Vielseitigkeit" zu sprechen. Mit der Vielseitigkeit der Kenntnisse wird im Allgemeinen die Verwendungsbreite des Arbeitnehmers angesprochen. Erwirbt der Arbeitnehmer weitere Kenntnisse hinzu, die seine Verwendungsbreite erweitern, würde man im allgemeinen Sprachgebrauch von erweiterten Kenntnissen sprechen oder würde gar von "umfassenden" Kenntnisse sprechen, wie das in der Tarifgruppe 7 des ETV der Fall ist. Die Erwähnung der umfassenden Kenntnisse in der Tarifgruppe 7 zeigt, dass die Tarifvertragsparteien an den allgemeine Sprachgebrauch anknüpfen wollten, weshalb das Merkmal vertieft nur eine Eigenschaft der Gründlichkeit der Kenntnisse sein kann.

b)

Der Klage bleibt der Erfolg dennoch versagt, weil nicht festgestellt werden kann, dass die Klägerin über die nach dem Tarifvertrag zur Tarifgruppe 6 vorausgesetzten Entscheidungsbefugnisse verfügt.

Eigene Entscheidungen im Sinne der Tarifgruppe 6 ETV kann der Arbeitnehmer nur treffen, wenn ihm ein entsprechender Entscheidungsspielraum, mag dieser auch nur begrenzt sein, eingeräumt ist. Ihm muss es somit möglich sein, sich in bestimmten Situationen für eine von mehreren Varianten zu entscheiden. Die Entscheidung darf nicht vorgegeben sein, sondern muss auf eigenen Überlegungen und Erwägungen beruhen. Dieses Merkmal ist nach Überzeugung des Gerichts nur dann erfüllt, wenn sich die Entscheidungsbefugnis der Führungskraft auf einen größeren umfassenderen Bereich des Betriebsablaufs bezieht als nur auf eine Schicht. Dieser eingeschränkte Sinn des Tarifmerkmals ergibt sich durch Auslegung der Norm.

aa)

Die Auslegung des normativen Teils eines Tarifvertrages erfolgt nach den für die Auslegung von Gesetzen geltenden Regeln. Auszugehen ist zunächst vom Tarifwortlaut. Zu erforschen ist der maßgebliche Sinn der Erklärung, ohne am Buchstaben zu haften. Dabei sind der wirkliche Wille der Tarifvertragsparteien und damit der von ihnen beabsichtigte Sinn und Zweck der Tarifnorm mit zu berücksichtigen, soweit sie in den tariflichen Normen ihren Niederschlag gefunden haben. Auch auf den tariflichen Gesamtzusammenhang ist abzustellen. Verbleiben noch Zweifel, können weitere Kriterien wie Tarifgeschichte, praktische Tarifübung und Entstehungsgeschichte des jeweiligen Tarifvertrages ohne Bindung an eine bestimmte Reihenfolge berücksichtigt werden. Im Zweifel ist die Tarifauslegung zu wählen, die zu einer vernünftigen, sachgerechten, zweckorientierten und praktisch brauchbaren Lösung führt (BAG 28. September 2005 - 10 AZR 34/05 - a. a. O.; 24. November 2004 - 10 AZR 221/04 - EzA TVG § 1 Bankgewerbe Nr. 4; 20. April 1994 - 10 AZR 276/93 - AP BAT §§ 22, 23 Zulagen Nr. 11).

bb)

Der Wortlaut des Tarifvertrages gibt hier nur einen schwachen Hinweis auf den gemeinten Sinn. Fest steht lediglich, dass das Attribut "in begrenztem Umfang" das Objekt "Entscheidungen" genauso näher charakterisiert wie das ebenfalls angeführte Eigenschaftswort "eigene". Das führt zu einer Relativierung der Anforderungen. Es bedarf also keiner Aufgaben, deren Erfüllung im umfassenden Sinne "eigene Entscheidungen" erfordern; ausreichend ist es vielmehr, wenn dies "in begrenztem Umfang" der Fall ist.

cc)

Dass der "Umfang" der "eigenen Entscheidungen" an den Entscheidungsbefugnissen des Arbeitnehmers gemessen werden muss, ergibt sich jedoch aus Sinn und Zweck der Tarifvorschrift und aus dem tariflichen Zusammenhang.

Denn der von den Tarifvertragsparteien verwendete Begriff "Entscheidung" oder auch die Wendung "eigene Entscheidung" hat an sich praktisch keinen Aussagewert. Auch ein einfaches Crewmitglied, dass auf einen Signalton hin sich auf den Weg zur Fritteuse begibt und dort den Korb aus dem heißen Fett nimmt, trifft beispielsweise zuvor die Entscheidung dies zu tun, und diese Entscheidung ist auch eine "eigene Entscheidung" des Mitarbeiters. Da man nicht annehmen kann, dass die Tarifvertragsparteien solche alltäglichen Routineentscheidungen, die jeder täglich zu Hunderten trifft, gemeint haben, muss ermittelt werden, welche Vorstellung von dem Begriff "Entscheidungen" dem Tarifvertrag zu Grunde liegt. Es muss ein vom allgemeinen Sprachgebrauch abweichendes Begriffsverständnis sein, da er Begriff sonst nicht dazu taugen würde, die Anforderungen an eine Tarifgruppe zu charakterisieren, die sogar oberhalb der Tarifgruppe für Arbeitnehmer mit abgeschlossener Berufsausbildung liegt.

In den zur Tarifgruppe 6 angeführten Beispielen und in denen zur Tarifgruppe 7, in deren Obersatz ebenfalls der Begriff "Entscheidungen" vorkommt, sind unter anderem Führungskräfte des Arbeitgebers aufgeführt, nämlich der Restaurantassistent und - worauf sich die Klägerin beruft - die Vorarbeiterin. Führungskräfte zeichnen sich dadurch aus, dass der Arbeitgeber auf sie eigene Entscheidungsbefugnisse delegiert hat, die er selbst wahrnehmen müsste, wenn er gänzlich ohne zwischengeschaltete Arbeitnehmer mit Führungsaufgaben arbeiten würde. Daraus ist zu folgern, dass die im Tarifvertrag erwähnten Entscheidungen solche sind, die ihrer Natur nach Entscheidungen des Arbeitgebers zur Führung des Betriebes oder gar des Unternehmens sind, die er auf seine Führungskräfte delegiert hat. Es geht also nicht darum, dass der Arbeitnehmer überhaupt Entscheidungen trifft, sondern er muss sie im Rahmen der ihm als Führungskraft übertragenen Entscheidungsbefugnis fällen.

dd)

Die für die Erfüllung der Tarifgruppe 6 erforderlichen Führungsentscheidungen brauchen jedoch nicht umfassend zu sein, es reicht vielmehr, wenn es sich um Führungsentscheidungen "im begrenzten Umfang" handelt. Was damit im hiesigen Zusammenhang gemeint ist, ergibt sich aus dem allgemeine Sprachgebrauch und aus dem tariflichen Zusammenhang.

Im allgemeinen Sprachgebrauch gehört die Wendung "begrenzter Umfang" zu einer räumlichen Betrachtungsweise; der "begrenzte Umfang" bezeichnet einen Raum oder auch eine Fläche, die sich von anderen Räumen oder Flächen abgrenzt. Die Wendung wird im allgemeinen Sprachgebrauch im übertragenen Sinne jedoch auch für die zeitliche Dimension verwendet; man kann zum Beispiel auch freie Zeit nur "in begrenztem Umfang" haben. In noch weiterer Entfernung vom ursprünglichen Sinnzusammenhang kann sich die Wendung jedoch auch auf nahezu beliebige materielle und immaterielle Objekte beziehen, etwa auf Rechte ("begrenzte Freiheit") oder auf wirtschaftliche Potenz ("sein Reichtum ist unbegrenzt"). In diesem Sinne kann sich die Wendung auch auf Befugnisse beziehen. So ist die Wendung im Tarifvertrag gemeint. Es geht nicht um Entscheidungen sondern um die ihnen zu Grunde liegenden Befugnisse zur Wahrnehmung von Führungsaufgaben.

Dabei relativiert das Merkmal die für die Eingruppierung in die Tarifgruppe 6 erforderlichen Entscheidungsbefugnisse. Denn wenn Entscheidungsbefugnisse von begrenztem Umfang sind, gibt es auch Entscheidungsbefugnisse, die umfassender sind. Diese sind in den Tarifgruppen 7 bis 12 im Einzelnen aufgeführt. Da die Tarifgruppe 6 die niedrigste Tarifgruppe ist, in der überhaupt Führungspersonal in den Beispielen erwähnt ist, kann man folgern, dass die Wendung "deren Ausführung in begrenztem Umfang eigenen Entscheidung erfordert" solche Entscheidungen meint, die man gerade noch mit Fug als Teilnahme an der Betriebsführung bezeichnen kann.

ee)

In diesem durch Auslegung ermittelten Sinne hat die Klägerin nicht die nach dem Tarifvertrag geforderten Entscheidungsbefugnisse.

Denn die Betriebsführung beginnt da, wo der Arbeitnehmer Verantwortung für einen Teil des Betriebes trägt. Das ist bei einer Schichtführung nicht der Fall, da die Schicht vom Führungspersonal umfassend vorgeplant ist und die Schichtführerin nur dann eigene Entscheidungen ohne Vorgaben zu treffen hat, wenn die Planung Mängel aufweist oder unvorhersehbare und damit nicht planbare Ereignisse vorkommen. Da dies in dem bis ins kleinste Detail durchgeplanten Konzept des Franchisegebers nur äußerst selten vorkommt, kann man bei der Schichtführung noch nicht von einer Entscheidungsbefugnis mit begrenzten Umfang und damit auch nicht von einer Führungsverantwortung sprechen.

Dem kann nicht das Beispiel zur Tarifgruppe 6 mit der Vorarbeiterin entgegengehalten werden. Denn der Begriff des Vorarbeiters ist selbst kein Begriff, der in Gesetzen oder Tarifverträgen einen eindeutigen Sinn hat. Die Erfahrung zeigt vielmehr, dass der Begriff von Betrieb zu Betrieb unterschiedlich verstanden wird. Das reicht von einer Position des "Ersten Gesellen", der eben nur der Ansprechpartner des Arbeitgebers ohne weitere Befugnisse ist, bis zu einer Position, die sich kaum noch von der Meisterfunktion unterscheidet oder gar den Abschluss als Meister zur Voraussetzung hat. Aus dem Begriff allein lassen sich daher keine für die Klägerin günstigen Folgerungen ziehen.

Diese Feststellung wird durch eine weitere Überlegung gestützt. Wie der Geschäftsführer der Beklagten in der mündlichen Verhandlung erklärt hat, werden die Restaurantassistenten, die im ersten Jahr ihrer Berufstätigkeit in der Tarifgruppe 6 eingruppiert sind, in erster Linie aus dem Kreis der (bewährten) Vorarbeiterinnen und Schichtführerinnen rekrutiert. Daher kann man die Tarifgruppe 6 durchaus im weitesten Sinne mit einem Verzahnungsamt im beamtenrechtlichen Sinne vergleichen. Es ist eine Vergütungsgruppe für Facharbeiterinnen, soweit sie sich auf dem Weg des Karrieresprungs zur Restaurantassistentin befinden und gleichzeitig die Vergütungsgruppe, die Restaurantassistenten zu Beginn ihrer Laufbahn für 1 Jahr haben (müssen). Damit wäre dann auch der Bezugspunkt der "Entscheidungen im begrenzten Umfang" noch deutlicher, denn es handelt sich im Kern um die Entscheidungen, die an sich einem Restaurantassistenten obliegen. Da er aber in der Startphase seines Berufes noch enger kontrolliert wird, sind seine Entscheidungsbefugnisse eben nur von begrenztem Umfang. Dass der Restaurantassistent eher das Leitbild der Tarifgruppe 6 ausmacht als der Vorarbeiter, zeigt sich indirekt auch durch die Reform der Eingruppierungsmerkmale im Zuge des Abschlusses des ETV 2007, bei dem der Vorarbeiter in der Entgeltgruppe 6 ersatzlos gestrichen wurde.

c)

Der Anspruch lässt sich auch nicht auf die tariflichen Eingruppierungsmerkmale des ETV 2007 stützen.

Zwar hat sich die Regelungssystematik in dem neuen Tarifvertrag wahrscheinlich gegenüber dem alten Tarifvertrag grundlegend geändert. Denn die Verwendung des Begriffs "insbesondere" am Ende des Einleitungssatzes zur Tarifgruppe 6 deutet darauf hin, dass die Beispiele inzwischen Regelbeispiele sein sollen, deren Erfüllung die Prüfung der Merkmale des Obersatzes entbehrlich macht. Darauf deutet auch die Regelung in den allgemeinen Grundsätzen hin, nach der die berufliche Tätigkeit oder die betriebliche Bezeichnung des Arbeitnehmers "nicht allein" für die Eingruppierung entscheidend sei (§ 2 Absatz 2 ETV 2007); im Vorgängertarifvertrag hieß es noch, diese Bezeichnungen seien überhaupt nicht entscheidungserheblich.

Ob die Tarifvertragsparteien das Eingruppierungssystem tatsächlich in diesem umfassenden Sinne umgestellt haben, kann jedoch letztlich dahinstehen, denn im Tarifvertrag ist gleichzeitig das Beispiel, auf das sich die Klägerin immer bezogen hat ("Vorarbeiter/in nach mindestens 3jähriger Ausübung dieser Tätigkeit"), ersatzlos gestrichen worden.

II.

Die Klägerin hat die Kosten der Berufung zu tragen, da ihr Rechtsmittel ohne Erfolg geblieben ist (§ 97 ZPO).

Das Gericht hat die Revision wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Auslegung des streitigen Tarifmerkmals zugelassen (§ 72 Absatz 2 Nr. 1 ArbGG).

Ende der Entscheidung

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