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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern
Urteil verkündet am 05.08.2009
Aktenzeichen: 2 Sa 100/09
Rechtsgebiete: TzBfG


Vorschriften:

TzBfG § 14 Abs. 1 Ziff. 3
Für den Sachgrund der Vertretung reicht es aus, wenn dem befristet beschäftigten Arbeitnehmer Tätigkeiten übertragen werden, die dem vorübergehend abwesenden Arbeitnehmer im Falle seiner Weiterarbeit im Wege des Direktionsrechts übertragen werden könnten (entsprechend BAG vom 24.05.2006 - 7 AZR 640/05 - ).
Tenor:

I. Die Berufung der Klägerin wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

II. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten um die Wirksamkeit einer Befristung. Hierzu heißt es in dem Tatbestand des Urteils des Arbeitsgerichts Rostock vom 11.11.2008 - 3 Ca 881/08 - u. a. wie folgt:

Die am 24.03.1962 geborene, verheiratete Klägerin war seit dem 06.09.2001 in verschiedenen Arbeitsverhältnissen beim beklagten Land an der Universität Rostock beschäftigt. Auf die Arbeitsverträge Bl. 5 bis 16 der Akte wird Bezug genommen. Der letzte Arbeitsvertrag vom 28.08.2007 ist befristet vom 01.09.2007 bis zum 31.05.2008. Als Befristungsgrund ist "§ 14 Abs. 1 Teilzeit- und Befristungsgesetz" angegeben. Die Klägerin war in der Universitätsbibliothek als Bibliothekarin beschäftigt. Ihr Bruttomonatsverdienst betrug zuletzt 1.473,88 EUR.

Die Klägerin hat am 5. Juni 2008 Klage erhoben. Die Klägerin hält die Befristung des Arbeitsverhältnisses für unwirksam. Ein Sachgrund für die Befristung sei nicht gegeben.

Sie beantragt:

1. Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Klägerin über den 31.05.2008 hinaus fortbesteht.

2. Die Beklagte wird verurteilt, die Klägerin über den Ablauf des 31.05.2008 weiterzubeschäftigen.

Das beklagte Land beantragt,

die Klage abzuweisen.

Das beklagte Land trägt vor, Sachgrund für die Befristung des Arbeitsverhältnisses sei, dass die Klägerin als Krankheitsvertretung für eine andere Arbeitnehmerin, die Informationsbibliothekarin Frau P, eingestellt worden sei. Aufgrund eines Rentenbescheides der Deutschen Rentenversicherung sei Frau P zum Zeitpunkt der Einstellung der Klägerin befristet bis zum 31.05.2008 erwerbsunfähig gewesen und habe eine entsprechende Rente bezogen. In dem Rentenbescheid heißt es wörtlich: "Der Rentenanspruch ist zeitlich begrenzt, weil es nach den medizinischen Untersuchungsbefunden nicht unwahrscheinlich ist, dass die volle Erwerbsminderung behoben werden kann." Dadurch sei ein vorübergehender Beschäftigungsbedarf für die Klägerin entstanden. Der Befristungsgrund sei der Klägerin auch bekannt gewesen, da er sich aus der Stellenausschreibung ergeben habe. Mittlerweile habe sich herausgestellt, dass Frau P dauerhaft erwerbsunfähig sei. Die Stelle habe jedoch auf Grund interner Personalentwicklungen und der Pflichtübernahme von zwei Auszubildenden, die Mitarbeiter der Jugend- und Auszubildendenvertretung seien, anderweitig besetzt werden müssen.

Die Klägerin weist darauf hin, sie sei nicht mit den Aufgaben von Frau P beschäftigt worden. Bis zu ihrem endgültigen Ausscheiden sei Frau P nach Kenntnis der Klägerin an der Info-Theke in einer Fachbereichsbibliothek beschäftigt gewesen, während die Klägerin hälftig an der Medien-Theke der Universitätsbibliothek, an der insbesondere die Ausleihe der No-Book-Medien stattfinde, und zur anderen Hälfte ihrer Arbeitszeit in der Fachbibliothek für Nervenheilkunde beschäftigt worden sei. Die Fachbibliothek der Klinik für Nervenheilkunde besteht am Klinikstandort in Gehlsdorf, während Frau P ausschließlich in der Universitätsbibliothek in der Albert-Einstein Straße beschäftigt gewesen sei. Anders als Frau P verfüge die Klägerin über Kenntnisse, die sie befähigen, in einer medizinischen Fachbibliothek zu arbeiten. Darüber hinaus habe die Klägerin lediglich einen Arbeitsvertrag über 20 Wochenstunden, während Frau P 25 Stunden wöchentlich gearbeitet habe. Darüber hinaus sei Frau P höher eingruppiert als die Klägerin.

In den Entscheidungsgründen heißt es, die Befristung sei gerechtfertigt, weil die Klägerin zur Vertretung eines anderen Arbeitnehmers beschäftigt worden sei. Dieser Sachgrund sei auf Grund der befristeten Erwerbsunfähigkeit von Frau P gegeben. Der Vertretungsfall rechtfertigt die Befristung auch dann, wenn die Aufgabenerfüllung neu organisiert werde. Im Fall einer mittelbaren Vertretung müsse die Vertretungskette dargelegt werden. Die Beklagte habe vorgetragen, dass alle Bibliothekare in der Bereichsbibliothek mit gleichen Tätigkeiten beschäftigt seien. Es sei daher unerheblich, welche Themenbereiche der einzelne Mitarbeiter bearbeitet, solange die Zahl der Beschäftigten gleich bleibt.

Dieses Urteil ist der Klägerin am 10.03.2009 zugestellt worden. Sie hat dagegen Berufung eingelegt, die am 23.03.2009 beim Landesarbeitsgericht eingegangen ist. Die Berufungsbegründung ist am Montag, dem 11.05.2009, beim Landesarbeitsgericht eingegangen.

Die Klägerin ist der Auffassung, es liege eine sogenannte mittelbare Vertretung vor. Eine Vertretungskette sei vom Land nicht dargelegt worden. Entgegen des Vortrages des beklagten Landes könne auch nicht davon ausgegangen werden, dass alle Mitarbeiter mit gleichen Tätigkeiten beschäftigt seien. Auch liege im vorliegenden Fall zwischen dem krankheitsbedingten Ausfall von Frau P und dem Abschluss des befristeten Arbeitsvertrages ein Zeitraum von rund 1 1/2 Jahren. Dies spreche gegen die Kausalität. Auch habe das Land zum Zeitpunkt der befristeten Einstellung die Prognose getroffen, dass Frau P krankheitsbedingt nicht an ihren Arbeitsplatz zurückkehren werde.

Die Klägerin beantragt,

1. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Klägerin über den 31.05.2008 hinaus fortbesteht und

2. die Beklagte zu verurteilen, die Klägerin über den Ablauf des 31.05.2008 weiterzubeschäftigen.

Das beklagte Land beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Es tritt der angefochtenen Entscheidung bei.

Hinsichtlich der weiteren Schriftsätze wird auf die vorbereitenden Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung ist nicht begründet.

Zutreffend hat das Arbeitsgericht Rostock festgestellt, dass im vorliegenden Fall die Befristung gerechtfertigt ist, weil die Klägerin zur Vertretung eines anderen Arbeitnehmers beschäftigt worden ist (§ 14 Abs. 1 Ziff. 3 TzBfG). Zu den Angriffen der Berufung gilt Folgendes:

Für den Umstand, dass die Klägerin zur Krankheitsvertretung von Frau P befristet war, spricht bereits der Umstand, dass der hier streitigen Befristung eine Stellenausschreibung zugrunde gelegen hat, in der folgende Formulierung enthalten war:

"Dienstposten-Nr. 1859 (EG9) Stellenbezeichnung/Bibliothekarin

Benutzer- und Informationsdienste in der Bereichsbibliothek

(Vertretung P)"

Nimmt der Arbeitgeber den Vertretungsfall zum Anlass für eine befristete Beschäftigung, ist auf Grund der Umstände bei Vertragsschluss zu beurteilen, ob der Bedarf für die Beschäftigung des Vertreters auf die Abwesenheit des zeitweilig ausgefallenen Arbeitnehmers zurückzuführen ist. In den Fällen der unmittelbaren Vertretung hat der Arbeitgeber darzulegen, dass der Vertreter nach dem Arbeitsvertrag mit Aufgaben betraut worden ist, die zuvor dem vorübergehend abwesenden Arbeitnehmer übertragen waren.

Zu Gunsten der Klägerin wird hiervon im Nachfolgenden nicht ausgegangen. Es ist zumindest nicht auszuschließen, dass auf Grund der unterschiedlichen Tätigkeiten in unterschiedlichen Fachbereichen und auf Grund der anfänglich räumlichen Trennung der Bibliotheken die Klägerin in einem Bereich gearbeitet hat, in dem Frau P nicht tätig gewesen ist. Wird die Tätigkeit des zeitweilig ausgefallenen Arbeitnehmers nicht von dem Vertreter, sondern einem anderen Arbeitnehmer ausgeübt, (auch mittelbare Vertretung) hat der Arbeitgeber zum Nachweis des Kausalzusammenhangs grundsätzlich die Vertretungskette zwischen dem Vertretenden und dem Vertreter darzulegen.

Nimmt der Arbeitgeber den Ausfall eines Mitarbeiters zum Anlass, die Aufgaben in seinem Betrieb oder in seiner Dienststelle neu zu verteilen, so muss er zunächst die bisher dem vertretenden Arbeitnehmer übertragenen Aufgaben darstellen. Anschließend ist die Neuverteilung dieser Aufgaben auf einen oder mehrere andere Arbeitnehmer zu schildern. Schließlich ist darzulegen, dass sich die dem Vertreter zugewiesenen Tätigkeiten aus der geänderten Aufgabenzuweisung ergeben (BAG 15.02.2006 - 7 AZR 232/05 -).

Da der Arbeitgeber auf Grund seines Organisationsrechtes in seiner Entscheidung über die Umverteilung der Arbeitsaufgaben des zeitweise ausgefallenen Mitarbeiters frei ist, kann er von der Neuverteilung der Arbeitsaufgaben absehen und dem befristet beschäftigten Arbeitnehmer Tätigkeiten übertragen, die der vertretende Arbeitnehmer zu keiner Zeit ausgeübt hat. Der für den Sachgrund der Vertretung notwendige Kausalzusammenhang besteht in diesem Fall, wenn der Vertreter mit Aufgaben betraut wird, die von dem Vertretenden nach dessen Rückkehr ausgeübt werden könnten. Der Arbeitgeber muss nach dem Arbeitsvertrag berechtigt sein, dem vorübergehend abwesenden Arbeitnehmer im Falle seiner Weiterarbeit oder seiner Rückkehr nicht dessen bisherige Tätigkeiten, sondern einen anderen Arbeitsbereich zuzuweisen (BAG - 7 AZR 640/05 - vom 24.05.2006).

Werden dem Vertreter die Aufgaben des zu vertretenden Arbeitnehmers auf diese Weise weder unmittelbar noch mittelbar übertragen, liegt der für eine auf § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 TzBfG gestützte Befristungsabrede erforderliche Kausalzusammenhang nur vor, wenn der Arbeitgeber bei Vertragsschluss mit dem Vertreter dessen Aufgabe einem oder mehreren vorübergehenden abwesenden Beschäftigten gedanklich zuordent. Nur dann beruht die Einstellung des Vertreters auf der Abwesenheit des vertretenden Arbeitnehmers (BAG - 7 AZR 640/05 -).

Die gedankliche Zuordnung des Arbeitgebers, welchem vorübergehend abwesenden Arbeitnehmer die von der Klägerin ausgeübten Tätigkeiten übertragen werden könnten, ist im vorliegenden Fall durch die oben geschilderte Angabe in der Stellenausschreibung erkennbar geworden. Ferner hätte im vorliegenden Fall das beklagte Land die Möglichkeit gehabt, Frau P im Fall ihrer Rückkehr mit den Aufgaben zu betrauen, mit denen die Klägerin betraut worden ist. Wie die Klägerin ist Frau P als Bibliothekarin beschäftigt worden und ihre höhere Eingruppierung in die Vergütungsgruppe IV BAT-O beruht lediglich auf den Bewährungsaufstieg. Tatsächliche oder rechtliche Hindernisse, Frau P die Aufgaben der Klägerin zu übertragen, sind nicht ersichtlich. Der Umstand, dass die Tätigkeit der Klägerin im Bereich der Fachbibliothek Nervenheilkunde eine Einarbeitung verlangt, steht dem nicht entgegen. Dabei handelt es sich um eine häufig zu überwindende Schwierigkeit und keine tatsächliche Verhinderung.

Für die Behauptung der Klägerin, das beklagte Land sei bei Vereinbarung der Befristung davon ausgegangen, dass Frau P nicht wieder an ihren Arbeitsplatz zurückkehre, sprechen keine tatsächlichen Anhaltspunkte. Angesichts des Umstandes, dass Frau P lediglich befristet erwerbsunfähig gewesen ist, musste das beklagte Land aus Rechtsgründen mit ihrer Rückkehr rechnen. Jede andere Entscheidung wäre mit dem hohen Risiko belastet gewesen, dass Frau P auf ihren Arbeitsplatz zurückkehrt und Weiterbeschäftigung verlangt und keine Stelle für sie frei ist. Deshalb ist es auch unerheblich, was der Klägerin in diesem Zusammenhang von Frau R mitgeteilt worden ist. Eine Personalkompetenz von Frau R ist nicht dargelegt worden. Schließlich ist es auch unerheblich, dass sich das beklagte Land entschlossen hat, Frau P nicht in vollem Umfang vertreten zu lassen, sondern nur in einem geringeren Umfang. Dies steht dem Sachgrund der Vertretung ebenso wenig entgegen, wie der Umstand, dass die Klägerin nicht während der gesamten Dauer der Erkrankung von Frau P mit deren Vertretung beauftragt worden ist. Es ist die freie Entscheidung des Arbeitgebers, ob und in welchem Umfang er eine vorübergehend ausfallende Arbeitskraft vertreten lässt (BAG vom 06.12.2000 - 7 AZR 262/99).

Die Kostenentscheidung folgt aus § 64 Abs. 6 ArbGG in Verbindung mit § 97 ZPO.

Zur Zulassung der Revision gem. § 72 Abs. 2 ArbGG besteht kein Anlass.

Ende der Entscheidung

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