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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern
Urteil verkündet am 05.11.2008
Aktenzeichen: 2 Sa 137/08
Rechtsgebiete: KSchG, Kommunalverfassung MV


Vorschriften:

KSchG § 2
Kommunalverfassung MV § 158
1. Der Verbandsvorsteher ist gesetzlicher Vertreter des Zweckverbandes gem. § 158 Abs. 1 Kommunalverfassung M-V. Er kann damit auch wirksam eine Vollmacht zur Erteilung einer Änderungskündigung erteilen. Der Wirksamkeit dieser Vollmacht steht nicht entgegen, dass nach der Satzung für die Änderungskündigung der Verbandsvorstand zuständig gewesen wäre (vgl. BAG 7 AZR 133/83).

2. Ist eine höherwertige Tätigkeit Vertragsbestandteil geworden, kann einer Änderungskündigung nicht der Einwand entgegengehalten werden, stattdessen hätte eine korrigierende Rückgruppierung als milderes Mittel erfolgen müssen.


Tenor:

I. Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Schwerin - 22 Ca 1275/07 - dahingehend abgeändert, dass die Klage abgewiesen und die Kosten des Rechtsstreits dem Kläger auferlegt werden.

II. Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten um die Wirksamkeit einer ordentlichen Änderungskündigung. In dem unstreitigen Tatbestand des Urteils des Arbeitsgerichts Schwerin vom 09.04.2008 - 22 Ca 1275/07 - heißt es hierzu wie folgt:

Der 1947 geborene Kläger ist beim Beklagten seit März 1992 beschäftigt.

Er ist in der Abteilung Abwasser als "Ver- und Entsorger" tätig und leistet seit Februar 2005 Altersteilzeitarbeit. Die Arbeitsphase endet zum 30.06.2008, das Altersteilzeitverhältnis endet mit Ablauf des 31.01.20012 (Bl. 9 ff. d. A.).

Der Kläger ist der Unterabteilung "Mehranlagenbetreuung Außenbereich KA Kirchdorf" zugeordnet.

Im Jahre 2005 entschied der Beklagte, die personelle Besetzung der Kläranlagen des Zweckverandes neu zu ordnen. Abweichend von der bis dahin praktizierten Verfahrensweise, alle Ver- und Entsorger auf Kläranlagen unterschiedlicher Größenordnung einzusetzen, wurde nun zwischen "Anlagen mit ständiger personeller Besetzung" und "Anlagen in Mehranlagenbetreuung" unterschieden.

Der Kläger hat sich auf keine der auf die "Anlagen mit ständiger personeller Besetzung" entfallenden, im Januar 2006 ausgeschriebenen vier Stellen, beworben

Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien fand bis zum 31.12.2006 der BMT-G-O Anwendung. Im Geltungsbereich des BMT-G-O war der Kläger in der Lohngruppe 7a Fallgruppe 1 (nach Bewährungsaufstieg Lohngruppe 6 Fallgruppe 3) eingruppiert. Seit dem 01.01.2007 findet der Tarifvertrag Versorgungsbetriebe (fortan: TV-V) vom 05.10.2000 Anwendung, in deren Entgeltgruppe 7 TV-V er seitdem gem. § 22 Abs. 1 TV-V übergeleitet wurde.

Nach der Verbandssatzung des Beklagten vom 26.01.1999 in der Fassung vom 10.01.2007 sind dem Verbandsvorstand - soweit vorliegend von Interesse - nach § 157 Abs. 2 in Verbindung mit § 22 Abs. 4 KV M-V u. a. folgende Entscheidungen übertragen worden:

"§ 10a

8. Personalentscheidungen über alle Angestellten ab Vergütungsgruppe Vb BAT-O und Arbeiter ab Lohngruppe 6 MT-G-O oder vergleichbare Entgeltgruppen im TVöD bzw. TV-V" (B. 111 ff. d .A.)."

Der Beklagte hat dem Kläger mit Schreiben vom 20.06.2007 - im Ergebnis auf dringende betriebliche Erfordernisse gestützt - mit Wirkung zum 31.08.2008 gekündigt und die Fortsetzung des Altersteilzeitarbeitsverhältnisses ab dem 01.04.2008 mit der Entgeltgruppe 5.1 TV-V angeboten. Die Kündigungserklärung ist mit dem Zusatz "i. A." vom seinerzeitigen Geschäftsführer unterzeichnet worden (B. 14 d. A.).

Mit dem vorgenannten Urteil hat das Arbeitsgericht Schwerin auf eine entsprechende Klage hin für Recht erkannt:

I. Es wird festgestellt, dass die Änderung der Arbeitsbedingungen entsprechend der Änderungskündigung vom 20.06.2007 zum 31.03.2008 unwirksam ist.

II. Der Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

III. Der Streitwert wird auf 3.600,00 EUR festgesetzt.

In den Entscheidungsgründen hat es ausgeführt, der Geschäftsführer der Beklagten sei zum Zeit-punkt des Ausspruchs der streitbefangenen Änderungskündigung nicht befugt gewesen. Dies er-gebe sich aus der Satzung selbst. Die nachträgliche Genehmigung durch den Beschluss vom 06.08.2007 sei unwirksam, da es ihr an Bestimmtheit zum Genehmigungsinhalt und Umfang fehle.

Dieses Urteil ist dem Beklagten am 23.04.2008 zugestellt worden. Er hat dagegen Berufung eingelegt, die am 07.05.2008 beim Landesarbeitsgericht eingegangen ist. Die Berufungsbegründung ist am 19.06.2008 beim Landesarbeitsgericht eingegangen.

Der Beklagte ist der Auffassung, der Verbandsvorsteher bzw. der Geschäftsführer handele für den Beklagten nach außen. Soweit für Entscheidungen der Verbandsvorstand zuständig sei, betreffe dies lediglich das Innenverhältnis. Der Verbandsvorsteher als gesetzlicher Vertreter des Beklagten habe dem Geschäftsführer Herrn B die Aufgaben zur Erteilung der Änderungskündigung und zur Vornahme aller damit im Zusammenhang stehenden Maßnahmen einschließlich der Erteilung der Änderungskündigung übertragen. Der Geschäftsführer sei auch zur Unterzeichnung befugt gewesen.

Der Beklagte beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Schwerin vom 09.04.2008 - 22 Ca 1275/07 - aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er tritt der angefochtenen Entscheidung bei.

Der Beklagte habe im vorliegenden Fall keine Änderungskündigung aussprechen dürfen. Auch sei der Personalrat nicht ordnungsgemäß beteiligt worden. Der Beklagte hätte statt des Bewerbungsverfahrens eine Sozialauswahl durchführen müssen.

Hinsichtlich des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die vorbereitenden Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung ist begründet.

Entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts Schwerin ist die angegriffene Änderungskündigung wirksam.

Im Einzelnen gilt Folgendes:

1.

Entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts scheitert die Wirksamkeit der angegriffenen Änderungkündigung nicht an dem Umstand, dass sie von dem Geschäftsführer des Beklagten unterzeichnet worden ist.

Der Beklagte hat in der Berufungsbegründung - wie bereits erstinstanzlich (siehe Seite 181 d. A.) unbestritten vorgetragen, dass der Verbandsvorsteher dem damaligen Geschäftsführer der Beklagten die Aufgaben zur Erteilung der Änderungskündigung und zur Vornahme aller damit im Zusammenhang stehenden Maßnahmen einschließlich der Erteilung der Änderungskündigung übertragen habe. Damit liegt eine wirksame Bevollmächtigung zum Ausspruch der Kündigung vor. Eine Zurückweisung gem. § 174 BGB ist nicht erfolgt.

Der Wirksamkeit der Bevollmächtigung steht auch nicht § 10 a der Satzung des Beklagten entgegen. Danach sind dem Verbandsvorstand unter anderem Personalentscheidungen über alle Arbeiter ab Lohngruppe 6 BMT-G-O oder vergleichbare Entgeltgruppen im TVöD bzw. TV-V übertragen worden.

Der Kläger war zu dem damaligen Zeitpunkt in der Lohngruppe 7 BMT-G-O eingruppiert, so dass eine Zuständigkeit des Verbandsvorstandes gegeben war. Die nach § 158 Abs. 1 Kommunalverfassung dem Verbandsvorsteher zustehende Einzelvertretungsmacht bezieht sich auch auf die Abgabe von Kündigungserklärungen gegenüber den bei dem Zweckverband beschäftigten Arbeitnehmern. Die fehlende Mitwirkung der weiteren Mitglieder des Verbandsvorstandes hat keinen Einfluss auf die dem Verbandsvorsteher zustehende Vertretungsmacht, sondern berührt nur die von der Außenvertretung zu trennende interne Pflichtenbindung (vgl. BAG vom 14.11.1984 - 7 AZR 133/83 - m. w. N.).

Schließlich ist es auch unerheblich, dass der Geschäftsführer die Kündigung mit dem Zusatz im Auftrag unterzeichnet hat. Unterzeichnet ein Angestellter des Arbeitgebers auf einen Briefbogen mit dem Briefkopf des Arbeitgebers eine Kündigung, spricht dies dafür, dass er als Vertreter des Arbeitgebers und nicht als dessen Bote gehandelt hat. Daran ändert der Zusatz "i. A." vor der Unterschrift in der Regel nichts (vgl. BAG vom 13.12.2007 - 6 AZR 145/07 -).

2.

Entgegen der Auffassung des Klägers ist die Änderungskündigung auch nicht deshalb unwirksam, weil der Personalrat nicht ordnungsgemäß beteiligt worden sei. Mit Schreiben vom 31.07.2007, der Personalratsvorsitzenden am gleichen Tage zugegangen, ist das Mitbestimmungsverfahren zur Änderungskündigung des Klägers erneut eingeleitet worden. Spätestens am 13.02.2007 begann die Frist des § 62 Abs. 2 Satz 2 Personalvertretungsgesetz Mecklenburg-Vorpommern zu laufen, da zu diesem Zeitpunkt dem Personalrat sämtliche erforderlichen Unterlagen übergeben worden waren. Damit ist die vorgenannte Frist am 27.02.2007 abgelaufen, so dass der Widerspruch vom 27.02.2007, der bei dem Beklagten am 01.03.2007 eingegangen ist, zu spät erfolgt ist. Die Maßnahme gilt gem. § 62 Abs. 2 Satz 4 PersVG M-V als gebilligt.

3.

Die angegriffene Änderungskündigung ist auch nicht deshalb unwirksam, weil der Arbeitgeber stattdessen zu dem milderen Mittel der korrigierenden Rückgruppierung hätte greifen müssen. Durch das in der Vergangenheit durchgeführte System ist dem Kläger eine höherwertige Tätigkeit, die eine Eingruppierung in die Entgeltgruppe 7 TV-V rechtfertigt, dauerhaft übertragen worden. Dies hat zu einer stillschweigenden Veränderung des Arbeitsvertrages geführt, so dass eine korrigierende Rückgruppierung nicht möglich war. Schließlich weist die Beklagte auch darauf hin, dass selbst bei anderer Auffassung die ausgesprochene Änderungskündigung wirksam wäre, da der Kläger das mit der Änderungskündigung verbundene Angebot unter Vorbehalt angenommen hat (vgl. BAG vom 06.09.2007 - 2 AZR 368/06 - m. w. N.).

4.

Der Beklagte war auch nicht verpflichtet, im Rahmen der Änderungskündigung des Klägers eine Sozialauswahl durchzuführen. Der Beklagte hat eine Neuorganisation im Bereich der Kläranlagen durchgeführt. Bisher waren die Stellen, auf denen der Kläger und seine Kollegen eingesetzt waren, gleichwertig. Auf Grund der Neuorganisation sind höherwertige und geringerwertige Stellen entstanden. Diese Stellen mussten unter Berücksichtigung der Grundsätze der sogenannten Bestenauslese, wie sie zu Artikel 33 Abs. 5 Grundgesetz entwickelt worden sind, verteilt werden. Hierfür ist eine Ausschreibung das zutreffende Verfahren.

Der Kläger hätte sich auf diese Stelle bewerben können und darlegen, unter welchen Gesichtspunkten er für diese Stelle gut geeignet sei. Stattdessen hat er durch die ihn vertretende Gewerkschaft mitteilen lassen, er werde an dem Bewerbungsverfahren nicht teilnehmen. Dies kann nicht anders als ein Verzicht verstanden werden. Wie er angesichts des Ausschreibungsverfahrens davon ausgehen konnte, es werde weiterhin eine Rotation erfolgen, ist nicht ersichtlich. Immerhin ist der Kläger gewerkschaftlich vertreten worden.

5.

Die dem Kläger in der Änderungskündigung angebotene Entlohnung nach der Entgeltgruppe 5.1 TV-V ist nicht zu beanstanden. Diese Entgeltgruppe entspricht gem. § 22 TV-V der Lohngruppe 5 BMT-G-O. In der Lohngruppe 5 des TV Lohngruppenverzeichnisses BMT-G-O Anlage 1 sind unter anderem Arbeiter der Lohngruppe 4 Fallgruppen 1, 2 und 4 nach dreijähriger Bewährung in diesen Fallgruppen der Lohngruppe 4 eingruppiert. In der Lohngruppe 4 Fallgruppe 4 sind u. a. eingruppiert:

Klärwärter mit Spezialausbildung an biologischen oder mechanisch-biologischen Kläranlagen (mit einer Ausbaugröße bis etwa 1000 angeschlossene Einwohner) ohne getrennte Schlammbehandlung.

Dass der Kläger an derartigen Anlagen eingesetzt ist, hat der Beklagte im Einzelnen dargelegt, ohne dass der Kläger dem entgegengetreten wäre.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 64 Abs. 6 ArbGG in Verbindung mit § 91 ZPO.

Zur Zulassung der Revision gem. § 72 Abs. 2 ArbGG besteht kein Anlass.

Ende der Entscheidung

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