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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern
Urteil verkündet am 01.04.2009
Aktenzeichen: 2 Sa 346/08
Rechtsgebiete: TVÜ-L


Vorschriften:

TVÜ-L § 11
Die Besitzstandszulage gem. § 11 TVÜ-Länder ist auch dann unvermindert weiterzubezahlen, wenn es zwischenzeitlich zu einer befristeten Arbeitszeiterhöhung gekommen ist.
Tenor:

I. Die Berufung des beklagten Landes wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

II. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten um einen Anspruch der Klägerin auf Weiterzahlung der kinderbezogenen Entgeltbestandteile des BAT-O auf der Grundlage von § 11 TVÜ. Im unstreitigen Tatbestand des Urteils des Arbeitsgerichts Neubrandenburg vom 01.10.2008 - 3 Ca 113/08 - heißt es dazu u. a. wie folgt:

Die am 12.08.1968 geborene Klägerin ist seit dem 01.08.1989 bei dem beklagten Land als Lehrerin beschäftigt. Sie unterrichtete zuletzt an der Regionalschule in Penkun. Zwischen den Parteien galt früher der BAT-O, der mit Wirkung ab 01.11.2006 in den TV-L (Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst der Länder) übergeleitet wurde.

Die Bedingungen der Überleitung im TVÜ-Länder (Tarifvertrag zur Überleitung der Beschäftigten der Länder in den TV-L und zur Regelung des Übergangsrechts vom 12.10.2006) im Folgenden nur noch TVÜ genannt - finden Anwendung.

In § 11 des TVÜ wird den übergeleiteten Arbeitnehmern der kinderbezogene Entgeltbestandteil weitergewährt.

In § 11 TVÜ findet sich folgende Regelung:

"(1) Für im Oktober 2006 zu berücksichtigende Kinder werden die kinderbezogenen Entgeltbestandteile des BAT/BAT-O oder MTArb/MTArb-O in der für Oktober 2006 zustehenden Höhe als Besitzstandszulage fortgezahlt, solange für diese Kinder Kindergeld nach dem Einkommensteuergesetz (EStG) oder nach dem Bundeskindergeldgesetz (BKGG) ununterbrochen gezahlt wird oder ohne Berücksichtigung des § 64 und § 65 EStG oder des § 3 oder § 4 BKGG gezahlt würde.

.....

(2) § 24 Abs. 2 TV-L ist anzuwenden. Die Besitzstandszulage nach Absatz 1 Satz 1 verändert sich bei allgemeinen Entgeltanspassungen um den von den Tarifvertragsparteien für die jeweilige Entgeltgruppe vereinbarten Vomhundertsatz.

...."

§ 24 (2) TV-L hat folgenden Wortlaut:

"Soweit tarifvertraglich nicht ausdrücklich etwas anderes geregelt ist, erhalten Teilzeitbeschäftigte das Tabellenentgelt (§ 15) und alle sonstigen Entgeltbestandteile in dem Umfang, der dem Anteil ihrer individuell vereinbarten durchschnittlichen Arbeitszeit an der regelmäßigen Arbeitszeit vergleichbarer Vollbeschäftigter entspricht."

Auf die TdL-Durchführungshinweise (einschließlich landesspezifischer Regelungen) vom 30. August 2006 zum TVÜ- im Folgenden abgekürzt TdL genannt - wird auf den von der Klägerin vorgelegten Text Blatt 9 ff. der Akte verwiesen. In Ziffer II. 11.3 der TdL findet sich folgende Regelung:

"Höhe der Besitzstandszulage, Abfindung

(1) Die Besitzstandszulage beträgt bei Vollbeschäftigten 90,57 EUR im Tarifgebiet West bzw. 83,78 EUR im Tarifgebiet Ost für jedes berücksichtigungsfähige Kind.

....

(2) Teilzeitbeschäftigte erhalten die Besitzstandszulage dann in voller Höhe, wenn ihnen im Oktober 2006 der kinderbezogene Entgeltbestandteil auch in voller Höhe zustand (z. B. aufgrund des § 29 Abschn. B Abs. 6 Satz 3 BAT/BAT-O). Dies ergibt sich aus § 11 Abs. 1 Satz 1 TVÜ. In den übrigen Fällen erhalten Teilzeitbeschäftigte die Besitzstandszulage zeitanteilig.

(3) Bei Arbeitszeitreduzierungen nach dem 31. Oktober 2006 ist die Besitzstandszulage neu zu berechnen. Hier gilt die allgemeine Regelung zur zeitanteiligen Bemessung des Entgelts von Teilzeitbeschäftigten nach § 24 Abs. 2 TV-L. Erhöht sich die Arbeitszeit, so verändert sich die Besitzstandszulage nicht.

...."

Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass der Klägerin im Oktober 2006 die volle kinderbezogene Besitzstandszulage des BAT-O zustand. Die Klägerin erhielt auch ab 01.11.2006 monatlich die Besitzstandszulage von 251,34 EUR brutto für drei Kinder gezahlt.

Die Klägerin war im Oktober 2006 mit einem Gesamtbeschäftigungsumfang von 18/27 Unterrichtswochenstunden aufgrund des Lehrerpersonalkonzepts in Mecklenburg-Vorpommern beschäftigt worden. Zur Vermeidung von Unterrichtsausfall wurde die Klägerin für die Zeit vom 26.02.2007 bis 16.03.2007 mit 20/27 Unterrichtswochenstunden beschäftigt. Ab April 2007 war die Klägerin dann wieder regulär mit einem Beschäftigungsumfang von 18/27 Unterichtswochenstunden tätig.

Ab 1. April 2007 wurde der Klägerin daraufhin der kinderbezogene Besitzstand auf 167,56 EUR brutto gekürzt.

Auf eine entsprechende Klage hin, hat das Arbeitsgericht Neubrandenburg mit dem vorgenannten Urteil das beklagte Land verurteilt, an die Klägerin 754,02 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.05.2007 zu zahlen. Dabei handelt es sich um die Differenz der kinderbezogenen Besitzstandszulage in Höhe von 83,78 EUR brutto für die Monate April bis Dezember 2007. In den Entscheidungsgründen hat das Gericht ausgeführt, nach dem Willen der Tarifvertragsparteien und auch aufgrund der TdL-Richtlinien sei nur eine Arbeitszeitverringerung relevant, die unter der Wochenarbeitszeit am Stichtag 31. Oktober 2006 liegt. Im Übrigen wird auf die angefochtene Entscheidung Bezug genommen.

Dieses Urteil ist dem beklagten Land am 10.11.2008 zugestellt worden. Es hat dagegen Berufung eingelegt, die am 28.11.2008 beim Landesarbeitsgericht eingegangen ist, nachdem aufgrund eines fristgerecht eingegangenen Antrages die Berufungsbegründungsfrist bis zum 10.02.2009 verlängert worden ist, ist die Berufungsbegründung am 10.02.2009 beim Landesarbeitsgericht eingegangen.

Das beklagte Land ist der Auffassung, aus dem Wortlaut der tarifvertraglichen Regelung sei ersichtlich, dass ab dem Stichtag 31.10.2006 erfolgende Veränderungen nur noch an den Regelungen des TV-L zu messen seien. Eine Regelungslücke, die einer Vertragsauslegung zugänglich sei, sei daher nicht ersichtlich. Die bei der Klägerin vorliegende Fallkonstellation sei auch durch die Tarifgemeinschaft Deutscher Länder erörtert worden. Es sei eine Ablehung der Schaffung von Sonderregelungen von diesem Personenkreis beschlossen worden. Aus den TdL-Richtlinien ergebe sich, dass Härtefälle für bestimmte Sonderregelungen getroffen worden seien. Die Klägerin falle nicht darunter. Schließlich werde die Position des beklagten Landes offensichtlich auch von der Gewerkschaft geteilt. Diese habe die teilzeitbeschäftigten Lehrer auf das Risiko einer kurzfristigen Erhöhung der Arbeitszeit hingewiesen (Blatt 168 d. A.). Daraus ergäbe sich, dass der Standpunkt des beklagten Landes offensichtlich von der Gewerkschaft geteilt werde.

Das beklagte Land beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Neubrandenburg vom 01.10.2008 - 3 Ca 113/08 - abzuändern und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie tritt der angefochtenen Entscheidung bei.

Hinsichtlich des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die vorbereitenden Schriftsätze Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Das Arbeitsgericht Neubrandenburg hat mit zutreffender Begründung der Klage stattgegeben. Zu den Angriffen der Berufung gilt Folgendes:

Es trifft nicht zu, dass eine einer Tarifvertragsauslegung zugängliche Regelungslücke gar nicht ersichtlich sei. Ob die Regelung des § 11 TVÜ auf den vorliegenden Fall anwendbar ist, bedarf einer Auslegung. Die Regelung des § 11 TVÜ ist so zu verstehen, dass Arbeitnehmer, die im Oktober 2006 kinderbezogene Entgeltbestandteile des BAT-O erhalten haben, diese als Besitzstandszulage in der bisherigen Höhe fortgezahlt bekommen. Dies gilt auch dann, wenn sie sich bereits zum Stichtagszeitpunkt in Teilzeit befunden haben. Eine weitere Reduzierung der Teilzeit führt jedoch zur Anwendung des § 24 Abs. 2 TV-L mit der Folge, dass dann die Besitzstandsregelung nicht mehr Anwendung findet.

Damit wird jedoch noch nicht eindeutig der Fall geregelt, dass eine Reduzierung der Teilzeitquote nur deshalb erfolgt, weil es zu einer zwischenzeitlichen Erhöhung der Teilzeitquote gekommen ist oder mit anderen Worten, die Reduzierung der Teilzeitquote nur die logische Folge des Umstandes ist, dass die Erhöhung der Teilzeitquote befristet vorgenommen worden ist.

Die von dem Arbeitsgericht Neubrandenburg zutreffend vorgenommene Auslegung führt zu dem richtigen Ergebnis, dass dieser Fall nicht zu der im § 11 Abs. 2 geregelten Anwendung des § 24 Abs. 2 TV-L führt. Die Grundsätze für die Auslegung des normativen Teils eines Tarifvertrages sind bereits auf Seite 8 des angegriffenen Urteils wiedergegeben, so dass eine erneute Aufreihung dieser Grundsätze entbehrlich ist. Grund der Regelung in § 11 Abs. 2 TVÜ-L ist der Umstand, dass es den Tarifvertragsparteien offensichtlich nicht mehr angemessen erschien, den Arbeitnehmern die Besitzstandszulage weiterzuzahlen, bei denen es nach dem Stichtag zu einem Teilzeitarbeitsverhältnis oder zu einer weiteren Reduzierung der Teilzeitquote gekommen ist. Besonders augenfällig wäre dies z. B. in dem Fall, dass ein Arbeitnehmer sich in einem Teilzeitarbeitsverhältnis von 90 Prozent befindet und es sodann auf Grund eines Wunsches des Arbeitnehmers zu einer weiteren deutlichen Reduzierung der Arbeitszeit kommt.

Im vorliegenden Fall verhält es sich jedoch anders. Wie bereits das Arbeitsgericht festgestellt hat, ist es im vorliegenden Fall überhaupt nicht zu einer Reduzierung der Teilzeitquote, bezogen auf den Stichtag, gekommen. Stattgefunden hat lediglich eine befristete Erhöhung, die zudem auf Grund eines entsprechenden Bedarfs des Arbeitgebers erfolgt ist. Es ist nicht einzusehen, dass ein Arbeitnehmer, der möglicherweise auch aus Pflichtauffassung einem entsprechenden befristeten Erhöhungsverlangen des Arbeitgebers nachkommt, dies mit einem Verlust der Besitzstandszulage bezahlen muss, während ein vergleichbarer Arbeitnehmer, der sich dem Wunsch des Arbeitgebers verweigert, die Besitzstandszulage in unveränderter Höhe weiter erhält.

Auf Grund dieser Auslegung kommt es auch nicht darauf an, ob die Tarifvertragsparteien möglicherweise bei der Verhandlung des Tarifvertrages eine gegenteilige Behandlung dieses Falles im Auge gehabt haben. Selbst wenn dies der Fall gewesen wäre, hätte dies im objektiven Wortlaut des Tarifvertrages keinen Niederschlag gefunden. Entsprechendes gilt für die Anwendung der TdL-Richtlinien im vorliegenden Fall, wobei darauf hinzuweisen ist, dass in Ziffer 2.11.3 der TdL-Richtlinien nicht zum Ausdruck kommt, dass Arbeitszeitreduzierungen nach dem 31. Oktober 2006 auch solche Reduzierungen sind, die nur dadurch zustande gekommen sind, dass zuvor eine befristete Erhöhung der Arbeitszeit erfolgt ist.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 64 Abs. 6 ArbGG in Verbindung mit § 97 ZPO.

Die Revision ist gem. § 72 Abs. 2 Ziffer 1 ArbGG zugelassen worden.

Ende der Entscheidung

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