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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern
Urteil verkündet am 09.07.2008
Aktenzeichen: 4 Sa 334/07
Rechtsgebiete: KSchG


Vorschriften:

KSchG § 1 Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Neubrandenburg vom 17.10.2007 wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der am 23.12.1959 geborene ledige Kläger ist aufgrund des Arbeitsvertrages vom 24.11.2003 bei der Beklagten als sogenannter Projektant beschäftigt. Er erarbeitet anhand von Kundenwünschen und Vorgaben der im Außendienst beschäftigten Vertriebsingenieure Projektzeichnungen. Ausgehend von diesen technischen Zeichnungen und den Kundenwünschen hat er anschließend die Kalkulation vorzunehmen und mithilfe eines Computerprogramms ein Angebot für den Kunden zu erstellen. Gegebenenfalls ist diese Angebot im weiteren Verlauf bei Nachfragen oder Änderungswünschen zu überarbeiten und anzupassen.

Neben dem Kläger sind drei weitere Mitarbeiter mit diesen Aufgaben befasst. Zu diesen gehört der Mitarbeiter René Kxxxxxxxxx, geboren am 25.05.1978, der am 1. April 2004 eingestellt worden ist und in einer Lebensgemeinschaft, aus der ein Kind hervorgegangen ist, lebt.

Die Beklagte hat das Arbeitsverhältnis zum Kläger aus betriebsbedingten Gründen mit Schreiben vom 29.05.2007 gekündigt. Gegen diese Kündigung wendet sich der Kläger.

Das Arbeitsgericht Neubrandenburg hat der Klage mit Urteil vom 17.10.2007 stattgegeben. Wegen der Einzelheiten des Vorbringens der Parteien im ersten Rechtszug sowie zu den Gründen wird auf die angefochtene Entscheidung verwiesen.

Die Beklagte macht mit ihrer gegen dieses Urteil gerichteten Berufung geltend, das Arbeitsgericht gehe zu Unrecht davon aus, sie habe das rechtfertigende betriebliche Erfordernis für eine Kündigung des Klägers nicht dargelegt. Es sei ihr unternehmerisches Recht festzulegen, wie sie auf veränderte äußere Bedingungen reagiere und sie könne selbst bestimmen, wie groß ihr Arbeitskräftebedarf sei. Die Gestaltung ihres Betriebes sei Bestandteil der grundrechtlich geschützten unternehmerischen Freiheit. Insoweit könne das Arbeitsgericht lediglich prüfen, ob die Umsetzung der getroffenen Entscheidung rechtsmissbräuchlich oder willkürlich erfolgt sei.

Der Rückgang des Arbeitsumfanges zur Bearbeitung eingegangener Aufträge mit dem Ziel der Abgabe von Angeboten sei auf außerbetriebliche Umstände zurückzuführen. Allein der potentielle Kunde bestimme den Umfang seines Projektes und damit zugleich den einhergehenden Arbeitsumfang für die Angebotserarbeitung. Ihr Vortrag, dass der Fortgang des Arbeitsanfalls nicht an konkreten Auftragszahlen gemessen werden könne, sei so zu verstehen, dass allein die Anzahl der Aufträge zur Erarbeitung eines Angebotes keinen Aufschluss über den tatsächlichen Arbeitsumfang gebe.

So könne es unter anderem auch vorkommen, dass bei einer Erhöhung der Anzahl der Aufträge dennoch ein geringerer Arbeitsanfall bestünden, weil die mit der Angebotserstellung anfallenden Arbeiten nur einen geringen Umfang hätten. Der Arbeitsbedarf hänge allein vom Umfang und der Größe des einzelnen Projektes sowie des Weiteren von der Anzahl der vorzunehmenden Überarbeitungen des Angebotes ab. Im Rahmen der Anzahl der Überarbeitungen sei der Arbeitsanfall wiederum abhängig vom Umfang der zu überarbeitenden Positionen.

Es sei auch für einen Laien des Sondermaschinenbaus nachvollziehbar, dass der Zeitaufwand für die Angebotserarbeitung (Angebotskonstruktion und Angebotskalkulation) für eine Anfrage mit einem Wert von 20.000,00 EUR erheblich abweiche von der Anfrage mit einem Wert von drei Millionen EUR. Bei der Beklagte habe sich nachvollziehen lassen, wieviele Angebotsnachfragen in den ersten vier Monaten 2007 eingegangen seien und wieviele davon zu einem späteren Auftrag geführt hätten und wieviele erfolglos geblieben seien.

Diese Angaben ließen jedoch keine Rückschlüsse auf den Arbeitsanfall als Gradmesser für die Notwendigkeit der Beschäftigung von drei oder vier Angebotskonstrukteuren (Projektanten) zu. Die Arbeitszeit, die jeder Projektant für das jeweilige Angebot oder die einzelne Änderung aufwende, werde nicht erfasst, da die Erfassung weder praktikabel noch im Hinblick auf das Arbeitsergebnis sinnvoll sei. Die Auslastung der Projektanten sie an folgenden Kriterien gemessen worden:

- Arbeitstempo des Projektanten bei der Angebotserstellung

- Häufigkeit und Dauer der Arbeitsunterbrechung für Gespräche mit nicht dienstlichen Inhalten

- Häufigkeit und Dauer von Pausen

- Anzahl und Dauer von Beschäftigungen mit privaten Angelegenheiten.

Nachdem die Mitarbeiter in der Projektierung immer mehr Zeit für die vorbenannten Dinge aufgewandt hätten, seien der Zeuge Kxxxxx und ihr Geschäftsführer zu der Einschätzung gelangt, dass die anstehenden Arbeiten auch von drei Projektanten ohne Anfall von Überstunden erledigt werden könnten. Diese Einschätzung habe sich im späteren Verlauf auch als richtig erwiesen.

Diese außerbetrieblichen Umstände hätten zu einer Organisationsentscheidung der Beklagten geführt, dass die Beschäftigtenzahl in der Angebotsprojektierung dem Arbeitsumfang anzupassen sei. Die Anpassung sei erfolgt durch Wegfall eines Arbeitsplatzes in diesem Bereich. Künftig sollten hier nur noch drei Projektanten tätig sein. Diese Entscheidung habe zum Überhang eines Arbeitsplatzes geführt. Eine Umsetzung des Klägers auf einen freien Arbeitsplatz sei nicht möglich gewesen.

Anhaltspunkte für eine missbräuchliche oder willkürliche Unternehmerentscheidung lägen nicht vor. Die Tatsache, dass die Beklagte bis zum Zeitpunkt der Berufungsbegründung keine neuen Projektanten in der Angebotsprojektierung eingestellt habe und die verbliebenen drei die Arbeit bewältigten, ohne Mehrarbeit oder Überstunden leisten zu müssen, beweise die Notwendigkeit und Richtigkeit der unternehmerischen Entscheidung. Darüber hinaus ergebe sich daraus, dass die Beklagte ihre Entscheidung ernsthaft und konsequent umbesetzt habe.

Die Beklagte beantragt:

1. Das Urteil des Arbeitsgerichts Neubrandenburg vom 17.10.2007 - 1 Ca 611/07 - wird aufgehoben und die Klage abgewiesen.

2. Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Berufungsbeklagte.

Der Kläger beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Der Kläger verteidigt die angefochtene Entscheidung.

Zu den Einzelheiten des Vorbringens der Parteien im Berufungsrechtszug wird die auf Berufungsbegründung und die Berufungsbeantwortung verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung unbegründet.

Inner- und außerbetriebliche Umstände begründen ein dringendes betriebliches Erfordernis für eine Kündigung im Sinne des § 1 Abs. 2 KSchG, wenn sie sich konkret auf die Einsatzmöglichkeit des gekündigten Arbeitnehmers auswirken. In der Regel entsteht das betriebliche Erfordernis nicht unmittelbar und allein durch bestimmte wirtschaftliche Entwicklungen wie Auftrags- oder Produktionsrückgang, sondern aufgrund einer durch die wirtschaftliche Entwicklung veranlassten Entscheidung des Arbeitgebers (unternehmerische Entscheidung).

So liegt der Sachverhalt hier. Bereits im ersten Rechtszug hat die Beklagte vorgetragen, in den ersten vier Monaten des Jahres 2007 sei der Arbeitsumfang in der Abteilung des Klägers derart stark zurückgegangen, dass nicht mehr genügend Arbeit für vier Projektanten vorhanden gewesen sei. Dies habe dazu geführt, dass die Projektanten nicht mehr ausgelastet gewesen seien. Nach ihrem Vorbringen im zweiten Rechtszug hat sie das anhand der Kriterien Arbeitstempo, Häufigkeit und Dauer von Arbeitsunterbrechungen, Pausen und Beschäftigungen mit privaten Angelegenheiten festgestellt. Dadurch sei der Kündigungsentschluss veranlasst worden.

Die Zweckmäßigkeit einer unternehmerischen Entscheidung ist von den Arbeitsgerichten nur begrenzt nachprüfbar, nämlich darauf, ob sie offenbar unsachlich, unvernünftig oder willkürlich ist (ständige Rechtsprechung, BAG vom 17.06.1999, 2 AZR 141/99, BAGE 92, 71). Zu diesem Entscheidungsspielraum des Arbeitgebers gehört auch die Befugnis, die Zahl der Arbeitskräfte zu bestimmen, mit denen eine Arbeitsaufgabe erledigt werden soll (BAG vom 07.05.1998, 2 AZR 536/97, BAGE 88, 363; vom 17.06.1999, 2 AZR 522/98, BAGE 92, 61). Der Arbeitgeber kann grundsätzlich das Arbeitsvolumen, also die Menge der zu erledigenden Arbeit, als auch das diesem zugeordnete Arbeitskraftvolumen und damit auch das Verhältnis dieser beiden Größen zueinander festlegen.

Erschöpft sich die Entscheidung des Arbeitgebers im Wesentlichen darin, Personal einzusparen, so rückt sie nahe an den Kündigungsentschluss heran. Die Kündigungsentscheidung selbst ist von Gesetzes wegen nicht frei, sondern an das Vorliegen von im Kündigungsschutzgesetz geregelten Gründen gebunden, deswegen muss der Arbeitgeber in solchen Fällen seine Entscheidung hinsichtlich ihrer organisatorischen Durchführbarkeit und hinsichtlich ihrer Nachhaltigkeit verdeutlichen.

Dies ist erforderlich, um die Feststellung für das Gericht zu ermöglichen, ob sie im Sinne der oben gekennzeichneten Rechtsprechung offenbar unsachlich, unvernünftig oder willkürlich - also missbräuchlich - ausgesprochen worden ist (BAG vom 22.05.2003, 2 AZR 326/02, NZA 2004, 343). Die Anwendung dieser Grundsätze führt zu der Feststellung, dass die Kündigung nicht durch dringende betriebliche Erfordernisse bedingt ist, weil die Beklagte dies nicht hinreichend dargetan hat.

Die Beklagte hat außerbetriebliche Ursachen - einen Rückgang des Arbeitsumfanges in den ersten vier Monaten des Jahres 2007 - zum Anlass genommen, die Anzahl ihrer Projektanten um einen Mitarbeiter zu verringern. Die von der Beklagten angeführten Indizien für die mangelnde Auslastung ihrer vier Mitarbeiter in diesem Bereich lassen schon in der Allgemeinheit, in der sie vorgetragen sind, etwa ohne jeden zeitlichen Bezug, keinerlei konkrete Anhaltspunkte gewinnen, in welchem Umfang die Arbeitsmenge und der Arbeitskräftebedarf bei der Beklagten zurückgegangen ist.

Weiterer Vortrag fehlt auch im Berufungsrechtszug. Soweit die Beklagte darauf verweist, Überstunden seien nicht angefallen, ersetzt dies nicht einen Vortrag, der jedenfalls in Umrissen erkennen lässt, von welchem Arbeitsanfall und daraus folgend, von welchem Arbeitskräftebedarf die Beklagte konkret ausgegangen ist. Abzustellen ist entscheidend auf den Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung. Der spätere Verlauf kann ein Indiz für eine richtige, auf Tatsachen beruhende Prognoseentscheidung des Arbeitgebers sein, ebenso aber auch auf Zufall beruhen. Tatsachenvortrag im Hinblick auf die unternehmerische Entscheidung macht die Entwicklung nach Ausspruch der Kündigung nicht entbehrlich.

Dass der Arbeitgeber zur organisatorischen Durchführbarkeit und Nachhaltigkeit der unternehmerischen Entscheidung vortragen muss, ist nicht Selbstzweck. Der Sinn besteht darin, einen Missbrauch des Kündigungsrechtes auszuschließen. Da die Beklagte insoweit nicht hinreichend vorgetragen hat, fehlt ein dringendes betriebliches Erfordernis für die Kündigung.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO.

Die Zulassung der Revision war nicht veranlasst.

Ende der Entscheidung

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