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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern
Urteil verkündet am 11.06.2008
Aktenzeichen: 4 Sa 48/08
Rechtsgebiete: LTV-DR, ZTV


Vorschriften:

LTV-DR § 22
ZTV § 30
ZTV § 7
Keine Erschwerniszulage bei Ersatz notwendiger Erdungskabel
Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Schwerin vom 14.12.2007 wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger ist bei der Beklagten als Mitarbeiter im Bereich der Instandhaltung beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis findet der Manteltarifvertrag für Arbeitnehmer von Schienenverkehrs- und Schieneninfrastrukturunternehmen (MTV Schiene) Anwendung.

Der Kläger nimmt die Beklagte auf Zahlung von Erschwerniszulagen in Anspruch. Diesen Anspruch stützt er auf § 7 des Zulagentarifvertrages für die Arbeitnehmer der DB AG (ZTV) in Verbindung mit der laufenden Nr. 5 d) des Erschwerniszulagenkataloges. Er macht geltend, er habe in zwei Fällen gestohlene Erdungsleitungen an Oberleitungsmasten durch neue Erdungsleitungen ersetzt. Bei diesen Arbeiten handele es sich um Arbeiten zur beschleunigten Behebung von Betriebsstörungen im Sinne vorgenannter Tarifregelungen.

Das Arbeitsgericht Schwerin hat mit Urteil vom 14.12.2007 die Klage abgewiesen. Dagegen richtet sich die Berufung des Klägers.

Zu den Einzelheiten sowie zum Vorbringen der Parteien im ersten Rechtszug wird auf die angefochtene Entscheidung verwiesen.

Mit der Berufung macht der Kläger geltend, lege man den Tarifvertrag ZTV zutreffend aus, so gelange man zu dem Ergebnis, dass der Kläger für die Beseitigung von Störungen durch fehlende Masterden bei der Heranziehung zur beschleunigten Behebung jeweils die Erschwerniszulage beanspruchen könne. Es sei eine Betriebsstörung anzunehmen, die sich daraus ergebe, dass durch die Beklagte die Strecke zur Reparatur abgeschaltet werden müsse. Zwar geschehe dies durch ein aktives Tun seitens der Beklagten, gleichwohl läge eine Störung des Betriebes vor.

Die Störung müsse nicht unmittelbar in den Betrieb eingreifen. Die Vorgängerregelung der gegenwärtig geltenden Tarifregelung in § 22 des Lohntarifvertrages der Bundesbahn (LTV/LTV-DR) habe einen anderslautenden und einschränkenden Wortlaut aufgewiesen. Ein entsprechender Wille der Tarifvertragspartei, eine solche Einschränkung auch bei der Neuregelung vorzunehmen, ließe sich dem Erschwerniskatalog unter der Nr. 5 d) nicht entnehmen. Ein Hinweis auf das Verständnis des Begriffs Betriebsstörung ergebe sich aus § 30 des ZTV. Der Tarifvertrag nenne hier Stromabschaltungen als Betriebsstörungen.

Die Behebung dieser Betriebsstörung sei auch als Arbeitserschwernis im Bereich gefahrgeneigter Arbeit anzusiedeln. Die Arbeit des Klägers erfolge unter Zeitdruck und sei deswegen auch gefahrgeneigt. Darauf, ob Entstörtätigkeiten auch zum Tagesgeschäft des Klägers gehören, insbesondere wenn fehlende Masterden zu ersetzen seien, komme es nicht an.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Schwerin vom 14.12.2007 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger für den Monat Februar 2007 21,78 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 21,78 EUR seit dem 01.03.2007 und für den Monat April 2007 weitere 21,78 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 21,78 EUR seit dem 01.05.2007 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt, die Berufung auf Kosten des Klägers zurückzuweisen.

Die Beklagte vertritt die Auffassung, bei der Auslegung des Begriffs einer Betriebsstörung gemäß der laufenden Nr. 5 d) der Anlage 4 zum ZTV könne nicht auf den Begriff der Betriebsstörung nach § 30 des ZTV zurückgegriffen werden. § 30 ZTV regele allein die Arbeitsverpflichtung des Arbeitnehmers bei "Arbeitseinsätzen in besonderen Fällen", ohne dass daran allerdings finanzielle oder sonstige Gegenleistungen des Arbeitgebers geknüpft seien. Gleiches gelte auch für § 15 des Arbeitszeittarifvertrages (AZTV-S). Beide Regelungen beträfen allein die Voraussetzungen, nach denen der Arbeitnehmer im Arbeitsverhältnis seine Hauptleistungspflicht zu erbringen habe. Demgegenüber sei die Schwelle für die Geltendmachung einer Erschwerniszulage gemäß § 7 ZTV höher angelegt.

Die durch Auslegung zu ermittelnde Bedeutung des Begriffs Betriebsstörung sei auch unter dem Gesichtspunkt zu würdigen, dass ein gravierender Unterschied in der Höhe der zu gewährenden Zulage zwischen den in der laufenden Nr. 5 d) und den anderen Untergruppen der Nr. 5 der Anlage 3 zum ZTV festzustellen sei. Aus dem Umstand, dass nach Nr. 5 d) die Zulage aus der höchstdotierten Zulagengruppe C zu zahlen sei, lasse den Schluss zu, dass es sich bei der beschleunigten Behebung einer Betriebsstörung um eine herausgehobene Arbeitserschwernis handeln müsse.

Diese müsste über regelmäßig auftretende Betriebsunterbrechungen hinausgehen. Dafür spreche auch die tarifliche Vorgängerregelung des § 22 Abs. 1 LTV/LTV-DR. Danach habe der Anspruch auf Zahlung der gleichfalls in besonderer Höhe dotierten Erschwerniszulage nur bei außergewöhnlichen Arbeiten zur Behebung von Betriebsstörungen, die aus Anlass von Zug- und Rangierunfällen oder anderen außergewöhnlichen, in ihrer Wirkung einem Betriebsunfall gleichkommenden Ereignissen besonders beschleunigt ausgeführt werden müssen, bestanden.

Aus dem wechselseitigen Schriftverkehr der Tarifvertragsparteien anlässlich der Neufassung gehe hervor, dass trotz des geänderten Wortlautes der Neuregelung keine abweichende Bedeutung zugemessen werden sollte. So habe der Hauptvorstand der Gewerkschaft der Eisenbahner Deutschlands eine synoptische Darstellung zur alten und neuen Fassung der Anlage 3 zum ZTV erstellt und dem Arbeitgeber zur Zustimmung zugesandt, die für die laufende Nr. 5 keinen entsprechenden Verweis ausgewiesen habe. Arbeitgeberseitig sei daraufhin mitgeteilt worden, dass keine Einwände dagegen bestünden, diese Synopse als Orientierungshilfe bei der Umsetzung der neugefassten Bestimmungen über die Erschwerniszulage zu nutzen.

Der entscheidende Unterschied zwischen einer Betriebsstörung einerseits und einer Betriebsunterbrechung oder einer Betriebsgefährdung andererseits liege darin, dass die Beklagte im Falle einer Betriebsstörung keine Entscheidungsfreiheit hinsichtlich ihrer Reaktionsmöglichkeiten habe, da der jeweilige Anlass wie z. B. ein Zug oder Rangierunfall, Naturkatastrophen, zerstörte Oberleitungsanlagen o. ä. einen unmittelbaren Eingriff in den Betrieb der Beklagten darstelle und eine sofortige Reaktion zur Gefahrabwendung erforderten.

Eine Betriebsstörung liege daher nur dann vor, wenn aufgrund eines unmittelbaren Eingriffs in den Betrieb der Zugverkehr unterbrochen sei und eine unverzügliche Behebung des Schadens durch die Beklagte zur Gefahrabwehr erforderlich werde. Daran fehle es im Fall des notwendig werdenden Ersatzes von entwendeten Masterden. Hier fehle es an einer unmittelbaren Einschränkung des Zugverkehrs. Die Stromabschaltung mit der Folge der Betriebseinschränkung diene dem Anlagenschutz und die Entstörtätigkeit könne erfolgen, ohne dass dabei eine Gefahr für Leib und Leben der damit befassten Mitarbeiter der Beklagten bestehe.

Die Tätigkeit der Montage besteht unstreitig aus vier Arbeitsschritten: (1) Stahlseil 95 qmm grob auf Länge schneiden, (2) an den Enden Isolierung entfernen, (3) Kabelschuh aufpressen, (4) am Mast vorhandene Schraubenverbindungen lösen und Leiterseit befestigen. Dies sei keine gefahrgeneigte Tätigkeit. Sie gehe insbesondere nicht deutlich über das berufsübliche Maß hinaus (§ 7 Abs. 1 ZTV).

Zum weiteren Vorbringen der Parteien im Berufungsrechtszug wird auf die gewechselten Schriftsätze verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die zugelassene Berufung ist unbegründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Zahlung einer Erschwerniszulage gemäß § 7 ZTV in Verbindung mit der laufenden Nr. 5 d) des Erschwerniszulagenkatalogs. Auf die zutreffenden Gründe der angefochtenen Entscheidung wird verwiesen. Nur ergänzend ist auszuführen:

Nach § 7 Abs. 1 ZTV werden Erschwerniszulagen nach Maßgabe des Katalogs gezahlt für Arbeitserschwernisse, die deutlich über das berufsübliche Maß hinausgehen und auch nicht bereits durch die Eingruppierung berücksichtigt sind. Die generell abstrakte Umschreibung der zulagenpflichtigen Tätigkeiten des Erschwerniszulagenkataloges sieht unter der laufenden Nr. 5 "Gefahrgeneigte Arbeiten" folgende Arbeiten vor:

a) in der Nähe von unter Spannung stehenden 15 kV-Oberleitungsanlagen und 110 kV-Bahnstromleitungen ...

b) an steilen Böschungen und Hängen, wenn sich der Arbeitnehmer dadurch durch Schutzseile sichern muss ...

c) Aufgleisarbeiten ...

d) Arbeit zur beschleunigten Behebung von Betriebsstörungen ...

Zu a) und b) ergibt sich die Gefährdung der Mitarbeiter aus dem Arbeitsort, zu c) aus den Umständen der Arbeit. Welcher Art die Betriebsstörungen zu d) sein müssen, ergibt sich unmittelbar aus dem Wortlaut der Tarifstelle nicht. Zu Recht geht das Arbeitsgericht im angefochtenen Urteil davon aus, dass sich aus der Entwicklung der Tarifstelle 5 d) aus den bis zum 31.12.1994 geltenden § 22 LTV/LTV-DR kein Auslegungsergebnis im Sinne des Klägers gewinnen lässt. Die Regelung des § 22 Abs. 1 lautet:

1. Außergewöhnliche Arbeiten sind folgende Arbeiten zur Behebung von Betriebsstörungen, die aus Anlass von Zug- oder Rangierunfällen oder anderen außergewöhnlichen, in ihrer Wirkung einem Betriebsunfall gleichkommenden Ereignissen besonders beschleunigt und unter Aufbietung aller Kräfte des Arbeiters ausgeführt werden müssen: ...

Arbeiten zur Behebung einer sich im weiteren Verlauf ergebenden Betriebsstörung nach der Entwendung von Erdungskabel fielen unter diese Regelung weder vom Gewicht noch nach Bedeutung. Dass mit der Neuformulierung der Tarifstelle 5 d) eine materielle Änderung angestrebt worden wäre, ist nach dem Vortrag des Klägers nicht festzustellen. Im Gegenteil weist der von der Beklagten vorgelegte Schriftverkehr darauf hin, dass die Tarifvertragsparteien der Sache nach die Fortgeltung der ursprünglichen Regelung beabsichtigten.

Dafür spräche auch der Umstand, dass für die Arbeiten der Tarifstelle 5 d) der höchste Zulagensatz vorgesehen ist. Es gilt die Zulagengruppe C. Dafür, dass die Anforderungen an die Gewährung der Zulage gesenkt werden sollten, spricht dieser Umstand nicht.

Soweit der Kläger auf die Verwendung des Begriffs der Betriebsstörung an anderer Stelle des Tarifvertrages - § 30 ZTV - verweist, führt dies nicht zu einem anderen Auslegungsergebnis. § 30 trifft eine Regelung in einem gänzlich anderen Zusammenhang. Soweit dort auf Betriebsstörungen betriebstechnischer oder wirtschaftlicher Art abgestellt wird, steht im Vordergrund der Umstand, dass dies zum Arbeitsausfall führt. Regelungsinhalt ist der Fortbestand der Hauptleistungspflicht des Arbeitnehmers an vorübergehend anderer Stelle. Erkenntnisse zur Art einer zulagenpflichtigen Betriebsstörung sind daraus nicht zu gewinnen.

Einen Anspruch auf Gewährung der Zulage könnte der Kläger demnach lediglich geltend machen, wenn sich feststellen ließe, dass nach Sinn und Zweck der Tarifstelle im Zusammenhang mit § 7 ZTV die von ihm beim Ersatz von Erdungskabeln geleistete Arbeit in den Regelungsbereich fiele. Es müsste sich dabei um Arbeiten zur beschleunigten Behebung einer Betriebsstörung handeln, die jedenfalls abstrakt als gefahrgeneigt anzusehen sind.

Davon ist nicht auszugehen. Die Arbeit, die der Kläger zu verrichten hatte, ist nach der unstreitigen Beschreibung eher einfacher Art. Das Anbringen des Erdungskabels selbst ist ungefährlich. Die Arbeit fällt in gleicher Weise an, wenn altersbedingt Erdungskabel auszutauschen sind. Sie weicht im Ablauf nicht von der regulären berufsüblichen Instandsetzungsarbeit gleichen Inhalts ab. Eine Gefahrneigung ergibt sich auch nicht aus der Beschleunigung, mit der nach den Vorgaben der Beklagten Erdungskabel zu ersetzen sind. Das Gebot zur beschleunigten Behebung der Beeinträchtigung folgt aus der Gefährdung im Bereich der Bahnanlagen durch das Fehlen der Kabel und nach Stilllegung der Strecke daraus, dass der Verkehr alsbald wieder eröffnet werden kann.

Eine Gefährdung des Klägers nach Art und Umständen der von ihm zu leistenden Tätigkeit ergibt sich aus dem Beschleunigungsgebot nicht und ist vom Kläger auch nicht dargetan. Insbesondere ist nicht erkennbar, dass der Ersatz der Masterden für den Kläger gefahrgeneigt sein könnte, auch wenn diese Tätigkeit in Hast und Eile verrichtet würde.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 ZPO.

Die Revision wird gemäß § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG zugelassen.

Ende der Entscheidung

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