Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern
Urteil verkündet am 24.06.2008
Aktenzeichen: 5 Sa 52/08
Rechtsgebiete: BGB, KSchG


Vorschriften:

BGB § 162
BGB § 242
KSchG § 1
Eine Kündigung, die der Arbeitgeber am letzten Tag der Wartezeit nach § 1 KSchG wenige Stunden vor Feierabend ausspricht, kann nicht ohne Hinzutreten weiterer Umstände als treuwidrig angesehen werden (wie BAG 24.10.1996 - 2 AZR 874/95 -).

Allein der Umstand, dass der Arbeitnehmer aus einer ungekündigten Stellung heraus abgeworben wurde, lässt noch nicht den Schluss zu, dass die Parteien konkludent auf die Möglichkeit der ordentlichen Kündigung in der Wartezeit nach § 1 KSchG verzichten wollten. Das gilt selbst dann nicht, wenn der Arbeitnehmer abgeworben wurde, um seinem neuen Arbeitgeber Zugang zu dem Markt zu verschaffen, der bisher allein von dem Altarbeitgeber des Arbeitnehmers bedient wurde. Lässt sich der Arbeitnehmer auf ein so motiviertes Arbeitsverhältnis ein, muss er die auf der Hand liegenden Risiken durch entsprechende Vertragsregelungen zu vermeiden versuchen.


Tenor:

1. Die Berufung der Klägerin wird zurückgewiesen.

2. Die Klageerweiterungen werden abgewiesen.

3. Die Kosten der Berufung trägt die Klägerin.

4. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten im Kern um den Bestand des Arbeitsverhältnisses nach arbeitgeberseitiger Kündigung.

Die Klägerin war jahrelang bei ihrem Vorarbeitgeber als Sanitätsfachverkäuferin im Außen- und Innendienst tätig. Der Vorarbeitgeber hat viel mit den Kliniken in Rostock zusammengearbeitet und bekam über die Kliniken viele Aufträge vermittelt. Am 1. September 2006 hat die Klägerin zur Beklagten gewechselt, die in derselben Branche und im selben Marktsegment tätig ist. Die Beklagte berühmt sich des Umstandes, dass es ihr gelungen sei, den Vorarbeitgeber der Klägerin weitgehend aus dem Klinikbereich zu verdrängen.

Die Klägerin verdiente bei der Beklagten 2.600,00 € brutto monatlich. Ihr wurde die Leitung einer Filiale in der D Straße in den Räumlichkeiten der orthopädischen Klinik übertragen. Die Klägerin stand zu ihrem Vorarbeitgeber in einer ungekündigten Stellung. Ihre Abwerbung zur Beklagten wurde durch ihren ehemaligen Kollegen Herrn K vermittelt. Die Einzelheiten der Rolle, die Herr K dabei spielte und die Einzelheiten zu Versprechungen, die Herr K bei den Gesprächen gegenüber der Klägerin gemacht haben soll, sind streitig.

Die Beklagte hat das Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 28.02.2007 zum 31.03.2007 gekündigt. Die Übergabe der Kündigung an die Klägerin erfolgte am 28. Februar 2007 gegen 17.00 Uhr, also rund sieben Stunden vor Ablauf der Wartezeit nach § 1 Absatz 1 KSchG. Hiergegen richtet sich die beim Arbeitsgericht Rostock am 19. März 2007 eingegangene Kündigungsschutzklage.

Das Arbeitsgericht hat die Klage mit Urteil vom 14. November 2007 abgewiesen. Auf dieses Urteil wird wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes vor dem Arbeitsgericht Bezug genommen. Das Urteil ist der Klägerin am 23. Januar 2008 zugestellt worden. Die hiergegen gerichtete Berufung vom 9. Februar 2008 ist hier am 12. Februar 2008 eingegangen und mit Schriftsatz vom 4. März 2008, Gerichtseingang am 7. März 2008, begründet worden.

Die Klägerin verfolgt im Berufungsrechtszug ihr ursprüngliches Klagebegehren in vollem Umfang weiter. Außerdem hat sie ihre Klage um einen Zahlungsantrag, einen Zeugniserteilungsantrag und um einen Antrag zur Auflösung des Arbeitsverhältnisses gegen Zahlung einer Abfindung erweitert.

Die Klägerin meint, auf das Arbeitsverhältnis finde das Kündigungsschutzgesetz Anwendung, da die Beklagte den Ablauf der Wartezeit entgegen den Geboten von Treu und Glauben durch eine grundlose Kündigung verhindert habe (Rechtsgedanke aus § 162 BGB - Verweis auf BAG 28.09.1978 - 2 AZR 2/77 - BAGE 31, 83 = DB 1979, 1135 = AP Nr. 19 zu § 102 BetrVG 1972).

Die Klägerin hält die Kündigung außerdem für treuwidrig. Sie behauptet, sie wäre nur eingestellt worden, um den von ihr bei ihrem bisherigen Arbeitgeber gehaltenen Kundenstamm abzuschöpfen. Die Beklagte wäre an sie herangetreten mit der Zielstellung, sie einzustellen. Das von der Klägerin aufgebaute Vertrauensverhältnis zu den Mitarbeitern und der Klinik wäre Voraussetzung gewesen, dass sich z. B. die Innere Klinik von ihrem Vorarbeitgeber getrennt habe und die Aufträge an die Beklagte erteilt habe. Gleiches treffe auf die Psychiatrie und Neurochirurgie und auf die Physiotherapie wie auf das Physiotherapieteam der Universitätsklinik in G zu. Somit habe die Beklagte einen umfangreichen Kundenstamm, den die Klägerin aufgebaut habe, erhalten. Die Kündigung wenige Stunden vor Ablauf der Wartefrist wäre deshalb nur ausgesprochen worden, um dem Kündigungsschutz zu entgehen.

Nachdem die Klägerin erstinstanzlich zu den Umständen der Anbahnungsgespräche vorgetragen hatte, die Leiterin der Physiotherapie hätte sie darauf aufmerksam gemacht, dass die Beklagte Interesse an ihr hätte (Schriftsatz vom 13.08.2007 S. 3 oben, hier Blatt 44), behauptet die Klägerin im Berufungsrechtszug, der Zeuge K sei an sie herangetreten und habe für ein Arbeitsverhältnis zwischen der Klägerin und der Beklagten geworben und dabei im Auftrag der Beklagten unter anderem versichert, dass es während der sechsmonatigen Wartezeit nicht zu einer Kündigung kommen werde (Berufungsbegründung Seite 4, hier Blatt 93).

Der Auflösungsantrag sei begründet, da man der Klägerin im laufenden Rechtsstreit fortlaufend haltlos Fehler in der Arbeitsausführung unterstelle.

Der Zahlungsantrag sei begründet, da die Klägerin im April 2007 aufgrund Arbeitslosigkeit ein geringeres Einkommen hatte; es werde hier die Differenz zwischen ihrem Nettoentgelt bei der Beklagten und dem bezogenen Arbeitslosengeld für den halben Monat April 2007 eingeklagt. Die Klägerin habe auch Anspruch auf ein qualifiziertes Zeugnis, das auf "sehr gut" ausgestellt werden müsse, da ihre Leistungen und ihre Führung "sehr gut" gewesen sei.

Die Klägerin beantragt,

1. unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Rostock vom 14.11.2007, Az. 4 Ca 508/07, festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis durch die Kündigung der Beklagten und Berufungsbeklagten vom 28.02.2007, zugegangen am 28.02.2007, nicht zum Ablauf des 31.03.2007 endet;

2. das Arbeitsverhältnis gegen Zahlung einer Abfindung, deren Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, die aber 1.300,00 € nicht unterschreiten sollte, aufzulösen;

3. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 295,00 € nebst fünf Prozentpunkte Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 16.05.2007 zu zahlen;

4. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin ein qualifiziertes, wohlwollendes Zeugnis, das sich auf Art und Dauer sowie Führung und Leistung in dem Arbeitsverhältnis erstreckt, welches mit einer sehr guten Bewertung endet, zu erteilen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen und die Klage hinsichtlich der Erweiterungen abzuweisen.

Die Beklagte trägt vor, die Kündigung sei ausgesprochen worden, da man mit den Arbeitsleistungen der Klägerin nicht zufrieden gewesen wäre. So seien der Klägerin insbesondere bei der Anmessung medizinischer Stützstrümpfe mehrfach Fehler unterlaufen. Außerdem würden ihr grundlegende Produktkenntnisse fehlen. Darüber hinaus sei es Aufgabe der Klägerin gewesen, die Filiale der Beklagten in der Doberaner Straße eigenständig zu führen. Auch hier habe es der Klägerin an dem notwendigen Organisationsvermögen gefehlt. Da sich die Fehler nachweisen ließen, sei der Auflösungsantrag der Klägerin unbegründet.

Im Übrigen habe die Beklagte die Klägerin auch nicht abgeworben. Es wäre der eigene Entschluss der Klägerin gewesen, sich zu verändern. Dabei sei auch zu beachten, dass die Beklagte bereits vor der Aufnahme der Tätigkeit der Klägerin in der Südstadtklinik wie auch der Uniklinik tätig gewesen sei.

Aus dem Verzicht auf eine Probezeit ließen sich keine weitergehenden Schlüsse in Hinblick auf die Wartezeit nach dem Kündigungsschutzgesetz ziehen.

Die Zahlungsklage sei unbegründet, da das Arbeitsverhältnis mit Ablauf des 31. März 2007 geendet habe. Der Zeugnisantrag sei jedenfalls voreilig bei Gericht angebracht worden, da man sich gegen die Erteilung eines qualifizierten Zeugnisses nicht wehren wolle. Der Klageantrag sei gleichwohl nicht begründet, da die Leistung und Führung der Klägerin nicht "sehr gut" gewesen sei.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die überreichten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die dem Streitgegenstand nach ohne weiteres statthafte Berufung, die auch im Übrigen keinen

Zulässigkeitsbedenken unterliegt, hat in der Sache keinen Erfolg. Auf die zutreffenden Ausführungen des Arbeitsgerichts wird Bezug genommen. Das Berufungsvorbringen rechtfertigt eine andere Entscheidung nicht. Die Klageerweiterungen sind unbegründet.

1.

Die von der Beklagten ausgesprochene Kündigung vom 28. Februar 2008 hat das Arbeitsverhältnis der Parteien mit Ablauf der Kündigungsfrist am 31. März 2007 beendet. Gegen die Wirksamkeit der Kündigung bestehen keine Bedenken.

a)

Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien findet das Kündigungsschutzgesetz keine Anwendung, da die sechsmonatigen Wartezeit nach § 1 KSchG erst am 28.02.2007 nachts um 24.00 Uhr abgelaufen ist und daher die Kündigung vor Ablauf der Wartezeit ausgesprochen wurde.

Die Beklagte hat auch nicht treuwidrig gehandelt, als sie sieben Stunden vor Ablauf der Wartefrist der Klägerin die Kündigung übergeben hat. Die Beklagte hat damit nicht treuwidrig den Eintritt des Kündigungsschutzes verhindert. Die Voraussetzungen von § 162 BGB sind hier nicht erfüllt. Nach § 162 Absatz 1 BGB gilt eine Bedingung als erfüllt, wenn derjenige, zu dessen Nachteil der Eintritt der Bedingung wirken würde, deren Eintritt wider Treu und Glauben verhindert. Es kann dahinstehen, ob der Ablauf der Wartezeit nach § 1 KSchG als eine Bedingung im Sinne von § 162 Absatz 1 BGB angesehen werden kann, denn jedenfalls hat die Beklagte den Eintritt der Bedingung nicht treuwidrig verhindert. Die Kündigungsfreiheit des Arbeitgebers besteht bis zum vollständigen Ablauf der Wartefrist. Der Ausspruch der Kündigung an sich kann daher nicht treuwidrig sein. Ein treuwidriges Verhalten im Sinne von § 162 BGB liegt vielmehr nur dann vor, wenn die Kündigung allein zu dem Zweck ausgesprochen wird, den Eintritt des Kündigungsschutzes zu verhindern (BAG 28. September 1978 - 2 AZR 2/77 - a. a. O). Die dazu erforderlichen Feststellungen können nicht getroffen werden. Dazu bedarf es keiner weiteren Aufklärung. Denn schon nach dem klägerischen Vortrag erfolgte die Kündigung nicht, weil man den Eintritt des Kündigungsschutzes verhindern wollte, sondern weil die Klägerin für die Beklagte uninteressant geworden sein soll, da man ihr Wissen vollständig abgeschöpft habe.

b)

Die Kündigung ist auch nicht aus anderen Gründen unwirksam.

aa)

Der Kammervorsitzende hatte in Vorbereitung der mündlichen Verhandlung vor dem Landesarbeitsgericht darauf hingewiesen, dass die tatsächlichen Umstände der Zusammenarbeit auch daraufhin untersucht werden müssten, ob sich aus ihnen eine konkludente vertragliche Vereinbarung über den Ausschluss des Kündigungsrechts für einen bestimmten Zeitraum oder jedenfalls über den Verzicht auf die Wartezeit nach § 1 KSchG ergebe. Denn der Kündigungsschutz nach dem Kündigungsschutzgesetz kann durch Parteivereinbarung auch schon für Arbeitsverhältnisse, die noch nicht sechs Monate bestanden haben, durch Parteivereinbarung eingeführt werden (BAG 8. Juni 1972 - 2 AZR 285/71 - DB 1972, 2071 = AP Nr. 1 zu § 1 KSchG 1969). Im Ergebnis der mündlichen Verhandlung können jedoch keine ausreichenden Umstände festgestellt werden, auf deren Basis man auf eine entsprechende konkludente rechtsgeschäftliche Absprache schließen könnte.

Die Parteien haben bei Abfassung des Arbeitsvertrages ein Formular verwendet (Kopie Blatt 9 f, es wird Bezug genommen). Dort hätte durch Ankreuzen und Ausfüllen die Möglichkeit bestanden, eine Probezeit zu vereinbaren. Die entsprechenden Felder sind nicht ausgefüllt. Damit haben die Parteien keine Vereinbarung über eine Probezeit getroffen. Aus diesem Umstand lassen sich aber keine Folgerungen für das Abbedingen der Wartezeit nach § 1 KSchG ziehen. Es ist zwar denkbar, aus einer ausdrücklichen Vereinbarung über den Verzicht auf eine Probezeit zu schließen, dass die Parteien damit auch das Kündigungsschutzgesetz vom ersten Tag an zur Geltung bringen wollten. Aus dem bloßen Nichtausfüllen der entsprechenden Stellen in einem Arbeitsvertragsformular lassen sich allerdings nicht so weitreichende Schlussfolgerungen ziehen.

Daran ändert sich auch nichts durch die Betrachtung weiterer Umstände der Zusammenarbeit. Nach Darstellung der Klägerin ist sie aus einer ungekündigten Stellung heraus für eine Zusammenarbeit mit der Beklagten abgeworben worden. Da Arbeitnehmer in einer solchen Situation häufig eine starke Verhandlungsposition haben, kommt es immer wieder vor, dass die Parteien auf das Recht zur Kündigung für einen bestimmten Zeitraum verzichten oder eben auf die Wartezeit nach § 1 KSchG verzichten. Das muss aber jeweils gesondert ausgehandelt werden und ergibt sich nicht aus dem Umstand der Abwerbung an sich. Wer sich von seinem bisherigen Arbeitsplatz abwerben lässt und mit dem abwerbenden Arbeitgeber nicht vereinbart, dass die Kündigung für eine bestimmte Zeit ausgeschlossen ist, übernimmt das Risiko, dass ihm der neue Arbeitgeber vor Ablauf der in § 1 Abs 1 KSchG bestimmten Frist von sechs Monaten ordentlich kündigt (BAG 24.10.1996 - 2 AZR 874/95 - auf juris.de veröffentlicht).

Der Vortrag der Klägerin zu einem ausgehandelten Verzicht auf die Wartezeit des Kündigungsschutzgesetzes ist unschlüssig. Einer Vernehmung des Herrn K bedurfte es daher nicht. Nach der Behauptung der Klägerin in der Berufungsbegründung hat der Zeuge K der Klägerin lediglich übermittelt, dass sie nicht mit einer Kündigung während der sechsmonatigen Wartezeit "zu rechnen habe". Darin kann keine rechtsgeschäftliche Zusage gesehen werden. Im Übrigen enthält der später schriftlich abgeschlossene Arbeitsvertrag keine entsprechende Regelung. Das spricht zum einen dagegen, dass der Klägerin tatsächlich zuvor die Zusage über Herrn K übermittelt wurde. Zum anderen könnte sogar dahinstehen, ob Herr K in den Anbahnungsgesprächen eine derartige Zusage gemacht hat, denn wenn die Parteien ihre Absprachen in Schriftform gießen, bringen sie damit im Regelfall zum Ausdruck, dass frühere Absprachen oder Pläne über Absprachen nicht mehr gelten sollten. Es ist nicht ersichtlich, weshalb das hier anders sein sollte. Die Klägerin hat ja auch weder bei Abschluss noch später gegen den Vertrag und seine Regelungen protestiert.

bb)

Die streitgegenständliche Kündigung ist nicht wegen eines Verstoßes gegen Treu und Glauben (§ 242 BGB) unwirksam.

Eine Kündigung verstößt dann gegen § 242 BGB und ist nichtig, wenn sie aus Gründen, die von § 1 KSchG nicht erfasst sind, Treu und Glauben verletzt. Dies gilt jedenfalls für eine Kündigung, auf die wegen Nichterfüllung der sechsmonatigen Wartezeit nach § 1 Abs. 1 KSchG das Kündigungsschutzgesetz keine Anwendung findet, weil sonst für diese Fälle über § 242 BGB der kraft Gesetzes ausgeschlossene Kündigungsschutz doch gewährt werden und außerdem die Möglichkeit des Arbeitgebers eingeschränkt würde, die Eignung des Arbeitnehmers für die geschuldete Tätigkeit in seinem Betrieb während der gesetzlichen Wartezeit zu überprüfen (st. Rspr. seit BAG 23. Juni 1994 - 2 AZR 617/93 - BAGE 77, 128; vgl. auch LAG Mecklenburg-Vorpommern 16.11.1995 - 5 Sa 664/94 - auf juris.de veröffentlicht). Welche Anforderungen sich aus Treu und Glauben im Einzelnen ergeben, lässt sich dabei nur unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalles entscheiden. Zu den typischen Tatbeständen einer treuwidrigen Kündigung zählt der Rechtsmissbrauch (vgl. BAG 25. April 2001 - 5 AZR 360/99 - AP Nr. 14 zu § 242 BGB Kündigung = EzA BGB § 242 Kündigung Nr. 4).

Die Kündigung ist nicht rechtsmissbräuchlich ausgesprochen worden. Die Ausübung eines Rechts kann missbräuchlich sein, wenn ihr kein schutzwürdiges Eigeninteresse zugrunde liegt. Das ist dann der Fall, wenn die Ausübung des Rechts als Vorwand dient, um vertragsfremde oder unlautere Zwecke zu erreichen (BAG 22. Mai 2003 - 2 AZR 426/02 - APNr. 18 zu § 1 KSchG 1969 Wartezeit unter Verweis auf BGH 22. Februar 1984 - VIII ZR 316/82 - BGHZ 90, 198). Eine dahingehende Feststellung kann hier nicht getroffen werden. Der Klägerin wird vorgeworfen, es habe Mängel und Kritik in der Arbeitsausführung gegeben. Eine darauf gegründete Kündigung kann nicht treuwidrig sein, denn es ist weder vertragsfremd noch unlauter, ein Arbeitsverhältnis, das nicht zur Zufriedenheit beider Seiten durchgeführt wird, zu kündigen. Ob die Kritik an der Klägerin im Ergebnis berechtigt war, muss dahinstehen, da es hier nicht um die soziale Rechtfertigung der ausgesprochenen Kündigung geht. Es kann auch nicht festgestellt werden, dass die Beklagte die angeblichen Eignungsmängel der Klägerin nur zum Schein vorgetragen hat, um mit diesem Argument die wahren und unredlichen Motive ihres Handelns zu verbergen. Die dazu gegebenen Hinweise der Klägerin sind vage geblieben. Es ist spekulativ geblieben, ob die Kündigung nur ausgesprochen wurde, weil man das Wissen der Klägerin nunmehr abgeschöpft habe und man sie daher nicht mehr benötige.

cc)

Die ausgesprochene Kündigung ist auch nicht wegen Verstoß gegen die guten Sitten nach § 138 BGB nichtig.

Das Bundesarbeitsgericht hat bei der Prüfung der Sittenwidrigkeit von Kündigungen stets einen strengen Maßstab angelegt und darauf abgestellt, eine Kündigung müsse dem Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden in besonders eindeutigem Maße widersprechen, um als sittenwidrig angesehen zu werden. Da die Kündigung als Willenserklärung an sich wertfrei ist, kann sich die Sittenwidrigkeit nur aus dem ihr zugrunde liegenden Motiv oder Zweck ergeben (Flume, Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts, II, Das Rechtsgeschäft, 4. Aufl., § 18, 4, S. 374 f.).

Auch in den Fällen, in denen ein einseitiges Rechtsgeschäft auf einem unsittlichen Motiv (z.B. Rachsucht) beruht, ist jedoch nicht immer das Motiv als solches entscheidend, vielmehr kommt es darauf an, dass durch das unsittliche Motiv das Rechtsgeschäft als Regelung zu einem sittenwidrigen wird (Flume, a. a. O.). Es ist deshalb verfehlt, lediglich auf das Motiv des kündigenden Arbeitgebers oder einzelne Tatsachenkomplexe abzustellen. Ob eine Kündigung wegen Sittenwidrigkeit unwirksam ist, kann nur eine Gesamtwürdigung aller Umstände des Einzelfalls ergeben (BAG Urteil vom 28. April 1994 - 2 AZR 726/93 - auf juris.de veröffentlicht).

Gemessen an diesem Maßstab kann nicht festgestellt werden, dass die streitgegenständliche Kündigung sittenwidrig ist. Es ist bereits nicht möglich, ein sittenwidriges Motiv oder einen sittenwidrigen Zweck für die Kündigung festzustellen, so dass es gar nicht erst zur Abwägung der Gesamtumstände des Einzelfalles kommt.

Insoweit kann das teilweise streitige Vorbringen der Klägerin als wahr unterstellt werden. Die Klägerin meint, es sei sittenwidrig, wenn die Beklagte sie zunächst angestellt habe, um mit Hilfe ihrer Kontakte die Türen in den Kliniken zu öffnen und sie dann fallen zu lassen, sobald die Kontakte hergestellt sind bzw. die Beklagte alle Entscheidungsträger in den Kliniken kenne. Dem kann sich das Gericht nicht anschließen. Die Klägerin war vor dem Eingehen des Arbeitsverhältnisses zur Beklagten ebenfalls als Arbeitnehmerin für einen anderen Arbeitgeber tätig. Wenn sie in dieser Position wertvolle Kundenkontakte geknüpft hat, waren das Kontakte ihres seinerzeitigen Arbeitgebers und nicht ihre eigenen. Wenn also tatsächlich die Beklagte nur ein Interesse an der Abschöpfung der Kenntnisse der Klägerin hatte - was hier als wahr unterstellt werden soll - so hätte die Beklagte sich damit vor allem gegenüber dem Vorarbeitgeber der Klägerin unfair verhalten. Es erreicht nicht den Grad der Sittenwidrigkeit, wenn der neue Arbeitgeber - was hier als wahr unterstellt wird - die zum Zwecke der Schädigung oder Schwächung des konkurrierenden Markteilnehmers abgeworbenen Arbeitnehmerin fallen lässt, sobald sie für ihn als Wissensträgerin keinen besonderen Wert mehr hat. Wenn man als Arbeitnehmer meint, sich zum eigenen Vorteil an diesem rauen Marktgebahren beteiligen zu können, muss man auch durch eigenes Verhandeln dafür sorgen, dass die eigene Position ausreichend abgesichert ist. Auf eine Unterstützung durch die Rechtsordnung, gar durch das scharfe Schwert der Sittenwidrigkeit, darf man dabei nicht hoffen.

2.

Da die Kündigung das Arbeitsverhältnis beendet hat, steht der Auflösungsantrag der Klägerin nicht zur Entscheidung an. Der Zahlungsantrag ist ebenfalls unbegründet, da er von einem Erfolg der Kündigungsschutzklage abhängt, denn er betrifft Zahlungszeiträume, die nach Ablauf der Kündigungsfrist liegen.

3.

Die Klage hinsichtlich des Zeugnisantrages ist unschlüssig. Denn die Klägerin hat keine Tatsachen vorgetragen, aus denen sich schließen lässt, dass das Zeugnis in der Gesamtbeurteilung hinsichtlich Leistung und Führung mit der Bewertung "sehr gut" enden muss.

Die Kostenentscheidung folgt hinsichtlich der Berufung aus § 97 ZPO und im Übrigen aus § 91 ZPO.

Zur Zulassung der Revision besteht im vorliegenden Einzelfall kein Anlass.

Ende der Entscheidung

Zurück