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Gericht: Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern
Urteil verkündet am 27.11.2007
Aktenzeichen: 5 Sa 85/07
Rechtsgebiete: BGB, KSchG


Vorschriften:

BGB § 626
KSchG § 1 Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

1. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichtes teilweise abgeändert.

2. Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien auch nicht durch die hilfsweise ausgesprochene ordentliche Kündigung vom 25.09.2006 aufgelöst wurde.

3. Die Anschluss-Berufung wird zurückgewiesen.

4. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.

5. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten um die Wirksamkeit einer außerordentlichen und einer aus demselben Grund hilfsweise ausgesprochenen ordentlichen Kündigung sowie um Weiterbeschäftigung.

Der Kläger ist bei der Beklagten seit November 2004 beschäftigt. Er hat zu DDR-Zeiten in Ribnitz-Damgarten den Berufsabschluss als Fernmeldemonteur erworben und war lange Jahre in diesem Beruf tätig. Schon mehrere Jahre vor Begründung des Arbeitsverhältnisses zur Beklagten war der Kläger im Kundendienst der T-Com in einem Call-Center beschäftigt. Unter Anrechnung von Vordienstzeiten blickt der Kläger inzwischen auf eine Beschäftigungszeit seit 1987 zurück.

Bei der Beklagten ist der Kläger ebenfalls als Call-Center-Agent in einem Call-Center der Beklagten in Rostock tätig.

Ein Kunde der Beklagten ist das Unternehmen bzw. der Unternehmensteil T-Online. Für diesen Kunden sollte die Beklagte im Jahre 2006 den Bereich der Kundenanfragen übernehmen (Vertragsumstellungswünsche der Kunden, Entgegennahme von Beschwerden und Reklamationen u. ä.).

Da auch der Kläger für das Projekt T-Online ausgewählt wurde, wurde er im Februar und März 2006 für diese Aufgabe durch eine dreiwöchige Schulung vorbereitet. Die Schulung fand in den Räumen der Beklagten statt und wurde im wesentlichen durchgeführt von Mitarbeitern von T-Online.

Nach Abschluss der Schulung wurde der Kläger im Projekt T-Online eingesetzt. Da T-Online seinerzeit Probleme mit der IT-gesteuerten Verwaltung der Kundendaten hatte, wurden teilweise Rechnungen an Kunden erstellt und Abbuchungen vorgenommen, die nicht mit der Vertragslage übereinstimmten. In diesen Fällen war der Kläger berechtigt, den Kunden von T-Online, die sich bei ihm beschwerten, Gutschriften zu erteilen, die die Nachteile aus den Fehlbuchungen ausgleichen sollten. Dies konnte der Kläger am PC während des Telefongesprächs mit dem Kunden durch direkten Zugriff auf dessen Kundenkonto erledigen.

Zusätzlich war der Kläger berechtigt, auch aus Gründen der Kulanz Gutschriften vorzunehmen, auch wenn diese nicht zum Ausgleich der Fehlbuchungen durch das Computersystem erforderlich waren. Insoweit stand dem Kläger ein eigener Ermessensspielraum zu.

Der Kläger ist privat selbst auch Kunde von T-Online. Auch auf seinem Kundenkonto kam es zur Rechnungslegung, die in der Sache nicht gerechtfertigt war. Der Kläger hat in dieser Situation seine technische Möglichkeit am Arbeitsplatz bei der Beklagten auf die Kundendaten aller T-Online-Kunden zugreifen zu können ausgenutzt, um auf seinem eigenen Kundenkonto bei T-Online Korrekturen in Form von Gutschriften vorzunehmen. Aus diesem Grund sind die vorliegenden Kündigungen ausgesprochen worden. Im Einzelnen hat sich Folgendes zugetragen.

Am 10.02.2006 hat der Kläger als Kunde von T-Online die Umstellung seines Vertrages von "Mitarbeitertarif T-Online by call" auf "Mitarbeitertarif dsl flat max" über die öffentlich zugängliche Internetseite von T-Online beantragt. Der Versuch endete mit einer Fehlermeldung. Am 22.02.2006 unternahm der Kläger denselben Versuch nochmals. Auch diesmal endete der Versuch mit einer Fehlermeldung.

Der darauf vom Kläger am selben Tag telefonisch konsultierte Servicetechniker von T-Online schlug dem Kläger vor, er solle von seinem Mitarbeitertarif zunächst einmal in den (Kunden-)Tarif "T-Online eco" wechseln; von dort sei dann der Wechsel auf "T-Online dsl flat max" möglich. Der Kläger folgte diesem Ratschlag. Die Umstellung auf den eigentlich nicht gewünschten (Kunden-) Tarif "T-Online eco" war erfolgreich. Der anschließend vom Kläger über die öffentliche Internetseite von T-Online vorgenommene Versuch der Umstellung auf den Tarif "T-Online dsl flat max" scheiterte abermals.

Am 07.04.2006 versuchte der Kläger wiederum über die öffentlich zugängliche Internetseite von T-Online die gewünschte Tarifumstellung, die abermals mit einer Fehlermeldung endet. Der Kläger meldete sich daher wieder telefonisch im Service-Center von T-Online; dort wird nachweislich ein Fehlerticket erstellt, erkennbare Folgen dieses Gespräches gab es allerdings nicht.

Am 12.05.2006 war der Internetzugang des Klägers über T-Online gestört. Er rief daher abermals beim Kunden-Center an, wies auf die Störung hin und berichtete abermals über seine Schwierigkeiten zur Umstellung des Tarifes. Der Gesprächspartner des Klägers erklärte ihm, er werde ein Fehlerticket erstellen. Außerdem riet er dem Kläger, probeweise kostenfrei Produkte anzumelden, um zu sehen, ob auch dabei Fehler auftreten. Entsprechend diesem Vorschlag bestellt der Kläger noch am selben Tag über die öffentliche Internetseite von T-Online die von ihm nicht benötigten Produkte Virtual Private Network (VPN) und "Shop". Die Bestellung war erfolgreich.

Am 23.06.2006 nahm der Kläger über die öffentlich zugängliche Internetseite von T-Online Einsicht in sein Kundenkonto und stellte fest, dass dort vermerkt ist, seine nächste Rechnung werde mit 21,51 zuzüglich 5,56 jeweils netto für den bestellten Shop umfassen.

Daraufhin greift der Kläger noch am selben Tag erstmals über den dienstlichen Zugang an seinem Arbeitsplatz auf sein privates Kundenkonto zu und bucht dort zum Ausgleich der fehlerhaften Posten eine Gutschrift in Höhe von 21,51 zuzüglich 5,56 . Die folgende Rechnung für den Abrechnungsmonat Juni 2006 wird daher von T-Online im Ergebnis korrekt erstellt.

Nachdem der Kläger am 28.06.2006 abermals über die öffentliche Internetseite von T-Online seinen Tarif umstellen wollte und dies abermals scheiterte, hatte er nach einer weiteren telefonischen Reklamation Erfolg. Am 29.06.2006 wurde ihm per Mail von T-Online mitgeteilt, dass sein Tarif umgestellt sei.

Am 31.07.2006 nahm der Kläger wiederum über die öffentlich zugängliche Internetseite von

T-Online Einsicht in sein Kundenkonto und stellte fest, dass dort zu seinen Lasten 29,22 netto für das Produkt VPN gebucht waren sowie 25,82 für den neuen Tarif dsl flat max. Der Preis für den Tarif dsl flat max entspricht dem Preis, den ein Kunde von T-Online zu entrichten hat; die Mitarbeiterkonditionen sind um 20,00 günstiger.

Um keine fehlerhafte Rechnung zu erhalten, hat der Kläger sodann an diesem Tag über seinen Arbeitsplatz bei der Beklagten sich Zugang zu seinem Kundenkonto bei T-Online verschafft und sich selber 29,22 wegen der fehlerhaften VPN-Buchung gutgeschrieben. Um den Mitarbeiterrabatt zur Anwendung zu bringen, hat er sich - was er gegenüber anderen Kunden von T-Online im Rahmen seiner Dienstaufgabe mehrmals und der Weisungslage entsprechend ebenfalls gemacht hatte - 9999 x 20,00 gutgeschrieben, wobei die Angabe von 9999 in der EDV-Anlage bewirkt, dass die Gutschrift für diese Anzahl von Monaten kontinuierlich erfolgen wird. Die Buchung der Gutschrift für 9999 Monate war gleichzeitig T-Online-intern eine Vorgehensweise, mit der kenntlich gemacht wird, dass bei der Rechnungslegung ein falscher Tarif zur Anwendung gebracht wurde.

Am 16.08.2006 hat der Kläger ein drittes Mal Gutschriften auf seinem persönlichen Kundenkonto bei T-Online über seinen dienstlichen Zugang bei der Beklagten vorgenommen. Anlass war wieder ein Einblick in sein Kundenkonto, aus dem sich ergab, dass nunmehr zwar für das nicht gewollte Produkt VPN eine Gutschrift in derselben Höhe gebucht war, die Mitarbeiterkonditionen für den Tarif "T-Online dsl flat max" jedoch immer noch nicht berücksichtigt waren. Der Kläger hat daher nochmals für sich eine Gutschrift über 9999 x 20,00 vorgenommen, die jedoch mit einer Fehlermeldung endete. Daraufhin schrieb er sich aus Kulanz 20,00 für den laufenden Monat gut.

Bei der klägerischen Telefonrechnung vom 08.09.2006 stellte sich dann letzten Endes heraus, dass nach seiner Einsichtnahme in das Kundenkonto am 16.08.2006 noch eine andere Person oder Maschine Korrekturen an der Rechnungslegung vorgenommen haben muss. Denn nunmehr wurde ihm kein Entgelt mehr für die nicht gewollte Leistung "VPN" abverlangt. Zusätzlich war ausweislich der Rechnung vom 08.09.2006 inzwischen sein T-Online-Tarif auch ordentlich auf die Mitarbeiterkonditionen umgestellt. Die vom Kläger selbst vorgenommenen Gutschriften über

29,22 für VPN und über 20,00 wegen der fehlenden Mitarbeiterkonditionen waren jedoch nicht gestrichen worden, so dass in diesem Umfang die Rechnung zu Lasten von den T-Online fehlerhaft war.

Zusätzlich enthielt die Rechnung vom 08.09.2006 allerdings weitere Fehler, die teils zu Gunsten des Klägers und teils zu seinen Lasten ausgefallen waren. Als Kunde hat sich der Kläger in der Folgezeit gegenüber T-Online um die Klärung der Abrechnungsprobleme bemüht. Nach eingehender Prüfung des Vorgangs durch T-Online wurden von dort aus diverse Posten verrechnet und gegenüber dem Kläger als Kunden danach die Erklärung abgegeben, aus Sicht von T-Online gebe es keinen weiteren Klärungsbedarf. In diesem Zusammenhang hatte der Kläger zwei Faxe an T-Online verschickt und T-Online hat darauf zweimal geantwortet (wegen der Einzelheiten wird auf Blatt 44 bis 49 d. A. Bezug genommen).

Der Kläger wurde von seinem Fachvorgesetzten, Herrn L , erstmals am 31.08.2006 zu den Umständen befragt. Am 12.09.2006 gab es sodann ein förmliches Personalgespräch. In Reaktion auf dieses Gespräch fertigte der Kläger die umfangreiche schriftliche Stellungnahme vom 13.09.2006 (Blatt 28 ff d. A.).

Nach Beteiligung des Betriebsrates wurden daraufhin die beiden streitgegenständlichen Kündigungen vom 21.09.2006 (außerordentliche Kündigung ohne Frist) und vom 25.09.2006 (ordentliche Kündigung zum 30.04.2007) ausgesprochen. Die hiergegen gerichtete Kündigungsschutzklage hat das Arbeitsgericht am 28.09.2006 erreicht.

Das Arbeitsgericht hat mit Urteil vom 01.02.2007 der Kündigungsschutzklage stattgegeben, soweit sich der Kläger gegen die außerordentliche Kündigung vom 21.09.2006 wendet und hat die Klage gegen die ordentliche Kündigung und den Weiterbeschäftigungsantrag zurückgewiesen.

Das Urteil ist beim Kläger zugestellt worden am 13.02.2007. Seine Berufung hat das Landesarbeitsgericht am 06.03.2007 erreicht. Auf Grund eines Antrages, der hier am 11.04.2007 eingegangen war, ist die Frist zur Begründung der Berufung durch das Gericht bis zum 14.05.2007 verlängert worden. Die Berufung ist dann mit Schriftsatz vom 11.05.2007, Gerichtseingang am selben Tag, begründet worden.

Im Laufe des Berufungsverfahrens hat die Beklagte Anschluss-Berufung wegen der Stattgabe der Kündigungsschutzklage hinsichtlich der außerordentlichen Kündigung vom 21.09.2006 eingelegt.

Der Kläger hält auch die ordentliche Kündigung für sozial nicht gerechtfertigt und verlangt weiterhin auch die Verurteilung zur Weiterbeschäftigung.

Der Kläger hat in der mündlichen Verhandlung vor dem Landesarbeitsgericht erstmals die Behauptung aufgestellt, dass die Schulung der Mitarbeiter im Februar 2006 und März 2006 generell an Hand der eigenen Kundenkonten der Mitarbeiter bei T-Online vorgenommen worden sei, da weder ein eigenes Schulungsnetz noch eine eigene Schulungsdatenbank mit Spieldaten zu Schulungszwecken zur Verfügung gestanden habe.

Der Kläger beantragt,

1. unter teilweiser Abänderung des arbeitsgerichtlichen Urteils festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien durch die hilfsweise ordentliche Kündigung vom 25.09.2006 zum 30.04.2007 nicht aufgelöst worden ist;

2. die Anschluss-Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte beantragt,

1. das arbeitsgerichtliche Urteil teilweise abzuändern und die Klage insgesamt abzuweisen;

2. die klägerische Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte hält das Verhalten des Klägers für strafbar. Zum einen habe der Kläger gehandelt, um T-Online, einen wichtigen Kunden der Beklagten, zu schädigen. Dies könne die Beklagte nicht hinnehmen, da ansonsten der Auftrag gefährdet sei. Der Kläger könne nicht mit der Ausrede gehört werden, er habe mit den Gutschriften lediglich Fehler in der Rechnungslegung korrigieren wollen, da der Kläger nicht ernsthaft für sich in Anspruch nehmen könne, die gesamten Folgen der von ihm vorgenommenen Gutschriften überhaupt richtig ermessen zu können.

Die Strafbarkeit des Verhaltens des Klägers ergebe sich zum anderen auch aus dem Straftatbestand der rechtswidrigen Datenveränderung nach § 303 c StGB.

Unabhängig von der Strafbarkeit des Verhaltens habe der Kläger auch in schwerster Weise gegen seine vertraglichen Pflichten verstoßen, wodurch jegliches Vertrauen in den Kläger verloren gegangen sei. Dazu behauptet die Beklagte, in den Guidelines von T-Online sei die eigene Bearbeitung des privaten T-Online-Kundenkontos durch Mitarbeiter im Rahmen des Kundenservices ausdrücklich verboten. Die Guidelines seien Gegenstand der einführenden Schulung im Februar 2006 und März 2006 gewesen. Daher hätte sie der Kläger auch zur Kenntnis genommen, auch wenn er für einige Tage an der Fortbildung wegen Urlaubs nicht teilgenommen habe.

Bei der Bewertung der Vertragsverletzung des Klägers müsse die Beklagte einen besonders strengen Maßstab anlegen, da der Kläger in der Zeit ab dem 12.07.2006 kommissarischer Teamleiter gewesen wäre, dem 14 Mitarbeiter unterstellt gewesen wären.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die überreichten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die klägerische Berufung ist begründet. Die Anschluss-Berufung der Beklagten ist nicht begründet. Der Kläger ist daher weiter zu beschäftigen.

I.

Die dem Streitgegenstand nach statthafte Berufung des Klägers, die auch im Übrigen keinen Zulässigkeitsbedenken unterliegt, ist in der Sache begründet.

Die klägerische Kündigungsschutzklage ist auch erfolgreich, soweit sich der Kläger gegen die hilfsweise ausgesprochene ordentliche Kündigung vom 25.09.2006 zum 30.04.2007 zur Wehr gesetzt hat, denn dieser Kündigung fehlt die soziale Rechtfertigung im Sinne von § 1 KSchG.

Das Kündigungsschutzgesetz ist nach der Dauer des Arbeitsverhältnisses der Parteien und nach den betrieblichen Gegebenheiten bei der Beklagten (§§ 1, 23 KSchG) auf das Arbeitsverhältnis der Parteien anwendbar. Die streitgegenständliche Kündigung könnte allenfalls als verhaltensbedingte Kündigung wirksam sein.

Eine verhaltensbedingte Kündigung ist wirksam, wenn der Arbeitnehmer seinen arbeitsvertraglichen Pflichten nicht nachgekommen ist und eine Vorausschau der Umstände ergibt, dass mit weiteren Störungen zu rechnen ist. Ist das der Fall, ist die Kündigung jedoch nur dann sozial gerechtfertigt, wenn die Lösung des Arbeitsverhältnisses auch unter Beachtung der Interessen beider Vertragsparteien als vertretbar erscheint.

Gemessen an diesem Maßstab fehlt der streitigen Kündigung die soziale Rechtfertigung.

1.

Der Beklagten ist der Nachweis nicht gelungen, dass der Kläger zu seinem eigenen Vorteil und mit bösem Willen über die Beklagte auf sein Kundenkonto bei T-Online zugegriffen hat.

Auf die fehlende Schädigungsabsicht des Klägers schließt das Gericht aus den Umständen der Gutschriften, die sich der Kläger erteilt hat.

Dabei fällt auf, dass sich der Kläger immer exakt in der Höhe Gutschriften erteilt hat, in der auch objektiv betrachtet Fehlbuchungen auf seinem Kundenkonto verzeichnet waren. Daraus kann man schließen, dass es dem Kläger "nur" um die Verhinderung einer falschen Rechnungslegung gegangen ist und nicht um eine Manipulation, die ihm einen vermögenswerten Vorteil verschaffen soll.

Der fehlende betrügerische Wille ergibt sich für das Gericht im Übrigen aus dem Verhalten des Klägers nach Erhalt der fehlerhaften Rechnung vom 08.09.2006 mit den fehlerhaften Gutschriften zu seinen Gunsten. Denn hier hat er ohne Zögern seinen Vertragspartner T-Online auf die Fehler der Rechnung hingewiesen und hat ohne Ansehen seines eigenen Vor- oder Nachteils die zur Aufklärung des Sachverhaltes erforderlichen Umstände in seinen beiden Fax-Nachrichten an T-Online aufgedeckt. Dass dem Kläger der böse Wille fehlte, wird auch von T-Online selbst so gesehen, denn anders lässt sich der freundliche und fast entschuldigende Grundton der beiden Schreiben von T-Online an den Kläger im Nachgang zu der falschen Rechnung vom 08.09.2006 nicht erklären.

Die Vermutung der Beklagten, der Kläger habe nur deshalb so offen mit T-Online zusammengearbeitet, weil es bereits in der Woche davor am 31.08.2006 zu dem Gespräch mit seinem Fachvorgesetzten gekommen war, ist spekulativ geblieben.

2.

Das Gericht kann auch nicht erkennen, dass sich der Kläger durch sein Verhalten einer rechtswidrigen Datenveränderung im Sinne von § 303 a StGB strafbar gemacht hat.

Nach dem Gesetzeswortlaut ist nicht jede Datenveränderung unter Strafe gestellt, sondern nur das Löschen, Unterdrücken, Unbrauchbarmachen oder Verändern von Daten.

Der Kläger hat nichts dergleichen getan. Vielmehr hat er seinem privaten Kundenkonto, das bei T-Online elektronisch gespeichert ist, mehrere weitere Datensätze hinzugefügt, die den Rechner zu einem Verhalten veranlasst haben, das man umgangssprachlich als Gutschrift ansprechen würde. Da aus dem Kundenkonto bei T-Online genau hervorgeht, wer zu welcher Zeit den zusätzlichen Datensatz angelegt hat, kann es sich nicht um eine im Sinne von § 303 a StGB rechtswidrige Datenveränderung gehandelt haben. Der Kläger hat lediglich unberechtigt Daten seinem Kundenkonto hinzugefügt.

3.

Gleichwohl muss festgestellt werden, dass der Kläger durch seine eigenmächtigen Eingriffe auf sein eigenes Kundenkonto bei T-Online in erheblicher Weise seine arbeitsvertraglichen Pflichten gegenüber der Beklagten verletzt hat.

a)

Ein direkter Zugriff der Mitarbeiter im Kundenservice auf ihre eigenen privaten Kundendaten bei T-Online ist nach den Guidelines strikt verboten. Das ist eine naheliegende Ordnungsvorschrift, die durch organisatorische Regelung sicher stellen soll, dass niemand in Konflikt zwischen seinen eigenen Interessen und den Interessen der Beklagten bzw. ihrer Kunden gerät.

Auch wenn die Guidelines von T-Online für ihre eigenen Mitarbeiter in den Call-Centern erlassen wurde, so gelten sie doch genauso im Verhältnis der Mitarbeiter der Beklagten zur Beklagten bzw. zu T-Online. Denn durch die Erläuterung der Guidelines im Rahmen der Einführungsschulung wurden diese von der Beklagten für die Mitarbeiter im Projekt T-Online konkludent für verbindlich erklärt.

b)

Auch wenn der Beklagten der Nachweis nicht gelungen ist, dass der Kläger an der Unterweisung zu den Guidelines teilgenommen hat (der Kläger hatte mehrere Tage Urlaub während der Einführungsschulung), bleibt das Verhalten des Klägers dennoch subjektiv vorwerfbar, denn es liegt für jeden aufmerksamen und besonnenen Beobachter der Verhältnisse sozusagen glasklar auf der platten Hand, dass es nicht rechtens sein kann, Gutschriften auf dem eigenen Kundenkonto vorzunehmen. Dies hätte auch dem nicht kaufmännisch ausgebildeten Kläger klar sein müssen. So wie schon ein Kind lernen muss, dass es nicht berechtigt ist, sein Taschengeld selbst aus dem Geldbeutel der Eltern zu nehmen, darf ein Call-Center-Mitarbeiter auch nicht davon ausgehen, dass er berechtigt sein könnte, auf seinem eigenen Kundenkonto Gutschriften vorzunehmen.

c)

Zu Gunsten des Klägers ist bei der Gesamtbewertung des Fehlverhaltens jedoch zu berücksichtigen, dass die Beklagte und T-Online durch die Benutzung der echten Kundendaten der Mitarbeiter während der einführenden Schulung selbst kräftig dazu beigetragen haben, dass Rechtsbewusstsein der Mitarbeiter und damit auch des Klägers einzutrüben.

Denn wenn die Dozenten in der Fortbildung die Teilnehmer dazu anhalten, alle Übungen an Hand der eigenen Kundendaten bei T-Online vorzunehmen, darf man sich nicht wundern, dass die Mitarbeiter die einfachsten Regeln richtigen und falschen Verhaltens im Umgang mit dem eigenen Kundenkonto verlernen.

Dabei hat das Gericht den neuen klägerischen Vortrag aus der mündlichen Verhandlung vor dem Landesarbeitsgericht trotz Bestreitens mit Nichtwissen durch die Beklagte seiner Entscheidungsfindung als unstreitig zu Grunde gelegt. Denn der klägerische Vortrag wird

- wogegen auch die Beklagte nichts einwenden konnte - sogar durch den von ihr vorgelegten Auszug aus dem Kundenkonto des Klägers bei T-Online (zusammengefasste Wiedergabe Blatt 206 - von der Beklagten überreicht im Rahmen der mündlichen Verhandlung) bestätigt. Dort sind 21 Änderungen am Kundenkonto des Klägers aus der Zeit zwischen dem 21.02.2006 und dem 15.08.2006 vermerkt. Neun dieser Buchungen haben an Tagen und zu Uhrzeiten stattgefunden, während derer der Kläger an der Grundschulung für das Projekt T-Online bei der Beklagten teilgenommen hatte. Diesem starken Indiz für die Richtigkeit des klägerischen Vortrages hatte die Beklagte nichts entgegenzusetzen; sie hat insoweit nicht einmal um die Gewährung einer Schriftsatznachlassfrist nachgesucht.

d)

Vom Ansatz her zutreffend weist die Beklagte darauf hin, dass das unterlaufene Fehlverhalten, wenn es einem Vorgesetzten mit Vorbildfunktion passiert ist, mit einer besonderen Strenge bewerten werden kann. Vorliegend kommt dieser Gesichtspunkt allerdings nicht zum Tragen, da es der Beklagten nicht gelungen ist durch näheren Sachvortrag klar zu machen, welche besonderen Funktionen mit der Aufgabe eines "kommissarischen Teamleiters" für 14 untergebene Mitarbeiter verbunden sind. Dies war ausdrücklich Gegenstand der mündlichen Verhandlung. Die Beklagtenseite konnte keinerlei Details dazu vortragen und der Kläger hat zwar seine herausgehobene Stellung bestätigt, hat jedoch darauf hingewiesen, dass damit nahezu keine zusätzlichen Befugnisse verbunden gewesen seien. Er hat sich nur als eine Art Sprecher der Mitarbeiter definiert und hat darauf hingewiesen, dass es andere Personen waren, die zu den Meetings, die gelegentlich einberufen wurden, eingeladen hatten. Da es sich bei dem Begriff des Teamleiters nicht um einen juristischen Fachbegriff mit fest umrissenen Inhalt handelt und die Bedeutung des Teamleiters daher von Betrieb zu Betrieb sehr verschieden sein kann, kann vorliegend das Verhalten des Klägers nicht an den strengeren Voraussetzungen, die gegenüber Vorgesetzten gelten, gemessen werden.

e)

In der Gesamtbewertung muss also festgestellt werden, dass der Kläger zwar gegen eine naheliegende und wichtige Verhaltensregel zur Vorbeugung gegen Vermögensschäden des Kunden T-Online verstoßen hat, sein Unrechtsbewusstsein dabei jedoch durch eine ungeschickte Schulungspraxis durch die Beklagte und durch T-Online eingetrübt war.

Das ist die klassische Situation für eine Abmahnung. Durch eine gezielte Abmahnung hätte die Beklagte das Rechtsbewusstsein beim Kläger wieder zurechtrücken können. Dass die Beklagte die Lage ähnlich einschätzt, lässt sich indirekt auch daraus schließen, dass die Beklagte inzwischen allen Mitarbeitern, die für den Kunden T-Online arbeiten, diese Verhaltensregelung gezielt erläutert und sich die Kenntnisnahme schriftlich bestätigen lässt.

Da hier eine Abmahnung offensichtlich geeignet gewesen wäre, den Kläger auf dem Pfad der Tugend zurückzuführen, kann die Kündigung nicht wirksam sein. Sie ist übereilt erfolgt und ist keine angemessene Reaktion auf das klägerische Fehlverhalten.

4.

Hilfsweise stützt das Gericht die fehlende soziale Rechtfertigung der hilfsweise ausgesprochenen ordentlichen Kündigung vom 25.09.2006 auch auf die notwendige Abwägung der beteiligten Interessen.

Hierbei ist zu beachten, dass der Kläger - was das Arbeitsgericht verkannt hat - eine annähernd

20-jährige Zugehörigkeit zur Beklagten bzw. zu dem Konzern, zu dem die Beklagte gehört, aufweisen kann. Er erreicht inzwischen ein Alter (Geburtsjahr 1971), in dem seine Chancen auf dem Arbeitsmarkt bereits altersbedingt zu sinken beginnen. Außerdem ist er zwei Kindern zum Unterhalt verpflichtet.

In dieser Situation hält es das Gericht für zumutbar, die Beklagte auf den Weg der Abmahnung statt der Kündigung zu verweisen.

Denn auch dann, wenn man zu Gunsten der Beklagten unterstellt, dass es vorliegend keine letzte Sicherheit gibt, ob eine Abmahnung die Wiederholung des Fehlverhaltens des Klägers auf Dauer hätte unterbinden können, so ist doch der Beklagten zuzumuten, dieses geringe Risiko auf sich zu nehmen, da so viele Indizien dafür sprechen, dass dem Kläger gar nicht klar war, auf welchem gefährlichen Gebiet er sich mit der Selbsthilfe bei den Gutschriften bewegt hat. Neben der fehlenden kaufmännischen Ausbildung des Klägers ist bei dieser Bewertung wiederum die Eintrübung des Rechtsbewusstseins des Klägers durch die ungeschickte Schulungspraxis an Hand der echten Kundendaten der Mitarbeiter zu nennen.

II.

Da bereits der ordentlichen Kündigung die soziale Rechtfertigung fehlt, kann die Anschluss-Berufung der Beklagten hinsichtlich der außerordentlichen Kündigung keinen Erfolg haben. Die außerordentliche Kündigung ist unwirksam. Wegen der Einzelheiten wird auf die vorangegangenen Ausführungen zur ordentlichen Kündigung sowie auf die Ausführungen des Arbeitsgerichtes zur außerordentlichen Kündigung Bezug genommen.

III.

Da der Kläger mit seinen beiden Kündigungsschutzanträgen obsiegt hat, hat er auch Anspruch auf Weiterbeschäftigung bis zum Ende des Rechtsstreits.

IV.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte. Soweit die klägerische Berufung Erfolg hat, beruht dies auf § 91 ZPO. Soweit die Beklagte mit ihrer Anschluss-Berufung unterlegen ist, beruht dies auf § 97 ZPO.

Zur Zulassung der Revision besteht im vorliegenden Einzelfall kein Anlass.

Ende der Entscheidung

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