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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern
Beschluss verkündet am 13.05.2008
Aktenzeichen: 5 TaBV 17/07
Rechtsgebiete: BetrVG


Vorschriften:

BetrVG § 87 Abs. 1 Nr. 10
1. Führt die Arbeitgeberin für alle Arbeitnehmer ihres Betriebes, die in den letzten 4 Jahren keine Ausfallzeiten wegen Arbeitsunfähigkeit hatten, eine Festveranstaltung mit Abendessen und Übernachtung in einem Wellness-Hotel durch ("Fest der Langzeitgesunden"), wendet sie diesen Arbeitnehmern freiwillig Leistungen zu, die Entgeltcharakter haben. Der für den Betrieb gebildete Betriebsrat ist daher nach § 87 Absatz 1 Nr. 10 BetrVG zu beteiligen.

2. Da es sich um eine freiwillige Leistung des Arbeitgebers handelt, ist das Beteiligungsrecht eingeschränkt, denn der Arbeitgeber bestimmt mitbestimmungsfrei, zu welchem Zweck er einen gewissen Geldbetrag zur Verteilung an die Belegschaft oder eine Gruppe von Arbeitnehmern aus der Belegschaft zur Verfügung stellt. Die vorliegende Zwecksetzung der Zuwendung des Geldes an all die Arbeitnehmer, die in den letzten 4 Jahren keine krankheitsbedingten Ausfallzeiten hatten (die "Langzeitgesunden"), ist nicht so konkret, dass für eine Beteiligung des Betriebsrats kein Raum mehr bleibt. Denn es bedarf jedenfalls weiterer Regelungen zur genauen Bestimmung des begünstigten Personenkreises im Grenzbereich. Außerdem muss geregelt werden, wie und auf welche Weise dem begünstigten Personenkreis die Mittel zur Verfügung gestellt werden.


Tenor:

1. Auf die Beschwerde des beteiligten Betriebsrates wird der Beschluss des Arbeitsgerichtes Neubrandenburg vom 06.11.2007 (4 BV 3/07) abgeändert.

2. Der beteiligten Arbeitgeberin wird untersagt, zukünftig ein "Fest der Langzeitgesunden", zu dem die Mitarbeiter eingeladen werden, die in den letzten vier Jahren keine krankheitsbedingten Fehlzeiten aufgewiesen haben, ohne Zustimmung des Betriebsrates bzw. ohne Beschluss der Einigungsstelle durchzuführen.

3. Der beteiligten Arbeitgeberin wird angedroht, für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen die Verpflichtung aus Ziffer 2 ein Ordnungsgeld zu verhängen, das bis zu 10.000,00 € betragen kann.

Gründe:

I.

Die Beteiligten streiten über ein Mitbestimmungsrecht des beteiligten Betriebsrats (Beteiligter zu 1 und Antragsteller) bei der Durchführung einer Veranstaltung der beteiligten Arbeitgeberin (Beteiligte zu 2) zu Gunsten der "Langzeitgesunden" des Betriebes.

Der beteiligte Betriebsrat ist der für die "Niederlassung Brief" Neubrandenburg der beteiligten Arbeitgeberin gebildete Betriebsrat.

Die beteiligte Arbeitgeberin, handelnd durch den Niederlassungsleiter der Niederlassung Brief Neubrandenburg, hat ausgewählte Arbeitnehmer der Niederlassung Ende Februar 2007 zu einem Fest am 14.04.2007 eingeladen. Eine Einladung erhielten nur die Mitarbeiter, die in den zurückliegenden vier Jahren keine krankheitsbedingten Ausfallzeiten hatten. In der Einladung, auf die wegen der weiteren Einzelheiten Bezug genommen wird (Blatt 7), heißt es auszugweise:

"Sehr geehrte ...,

in unserer Niederlassung werden viele Anstrengungen unternommen, um den Krankenstand zu senken.

Das spiegelt sich in den Ergebnissen des Krankenstandes unserer Niederlassung wider.

So konnten wir im Jahr 2006 den Krankenstand von 4,7 % gegenüber dem Jahr 2005 von 5,4 % deutlich verbessern. Neben vielen Aktivitäten im Gesundheitsmanagement (z. B. Einsatz von Entlaster im Starkverkehr bis hin zu Gesundheitsaktionen) , die vornehmlich auf die direkte Senkung der Krankenzahlen zielen, ist ein ganz wichtiger Aspekt die Würdigung der Mitarbeiter, die schon lange gesund sind und damit gar nicht erst in den Statistiken auftauchen. Deshalb haben wir den Krankenstand der zurückliegenden 4 Jahre (2003-2006) ausgewertet.

So freuen wir uns mit Ihnen, dass Sie in einem so langen Zeitraum Ihre Gesundheit erhalten konnten.

Sie gehören zu den wenigen "Langzeitgesunden" in unserer Niederlassung und haben ganz persönlich dazu beigetragen, den Krankenstand fortlaufend zu verbessern. Dabei bin ich mir dessen bewusst, dass kein Ausfall nicht gleichzusetzen ist mit - immer gesund. Denn einige von Ihnen sind sicherlich trotz Unwohlsein oder leichter Verletzungen / Erkrankungen zur Arbeit erschienen, um Ihre Mitarbeiter zu entlasten oder haben an dem Tag Freizeit oder Urlaub in Anspruch genommen. Daher möchte ich Ihnen meinen Dank aussprechen und Ihre Einsatzbereitschaft und Ihr Engagement mit folgender Einladung würdigen:

Ich lade Sie und Ihre Begleitung ganz herzlich am 14.04.2007 um 19.00 Uhr ins V der V Resort L, K Chaussee 1 ein.

Es erwartet Sie ein gemeinsames Abendessen mit weiteren, positiv hervorgetretenen Mitarbeitern unserer NL, mit anschließendem Tanz und viel Gelegenheit zu Gesprächen. Unsere Veranstaltung endet mit dem Frühstück am nächsten Morgen. Danach haben Sie Gelegenheit, die Annehmlichkeiten des V der V Resort zu nutzen, die Gegend um den K See auf eigene Faust zu erkunden oder auch direkt den Heimweg anzutreten.

Die Kosten für Unterkunft und Verpflegung werden von der NL übernommen. Anreisekosten zum Veranstaltungsort tragen die Teilnehmer selbst. ..."

Eine vergleichbare Veranstaltung war bereits 2006 durchgeführt worden, ohne dass der Betriebsrat daran Anstoß genommen hatte. Der Konflikt entzündete sich 2007 zunächst an der Frage der Finanzierung der Veranstaltung. In der betroffenen Niederlassung gibt es einen sogenannten Kantinenfond, über dessen Verwendung - unstreitig - Betriebsrat und Arbeitgeber gemeinsam entscheiden. Die beteiligte Arbeitgeberin hatte nun mit Anschreiben vom 01.03.2007 den beteiligten Betriebsrat gebeten zuzustimmen, dass die Bewirtungskosten für das geplante "Fest der Langzeitgesunden" in der voraussichtlichen Höhe von 10.000,00 € aus dem Kantinenfond finanziert werden. Der Betriebsrat hat das abgelehnt und diese Ablehnung der Arbeitgeberin am 02.03.2007 mitgeteilt. Zur Begründung hat er angeführt, dass eine Veranstaltung mit der indirekt ein Großteil der Belegschaft ausgegrenzt werde, nicht motivierend sei (Kopie der Mail hier Blatt 8). Diese Ablehnung der Mitfinanzierung aus dem Kantinenfond hat die beklagte Arbeitgeberin akzeptiert, hat aber an dem Plan der Durchführung der Veranstaltung auf Basis anderer Finanzierungsüberlegungen festgehalten.

Unter dem 12.03.2007 hat der beteiligte Betriebsrat dann der beteiligten Arbeitgeberin mitgeteilt, dass er "seine Zustimmungsverweigerung im Zusammenhang mit dem ,Fest der Langzeitgesunden' am 14.04.2007 im Van der Valk Resort Linstow aufrechterhält" und dass er wegen dieser Angelegenheit juristische Beratung durch einen Rechtsanwalt in Anspruch nehmen werde (vgl. Kopie Blatt 9). Daraus ergab sich ein Schriftwechsel zwischen den Beteiligten über die Erforderlichkeit der Inanspruchnahme rechtlichen Rates, da - so die beteiligte Arbeitgeberin - das Mitbestimmungsrecht bezüglich der Verteilung der Mittel aus dem Kantinenfond doch gar nicht in Streit stehe. Dem hat der Betriebsrat entgegnet, ihm gehe es darum, dass die Arbeitgeberin die Einladungen zu der Veranstaltung gänzlich ohne vorherige Unterrichtung des Betriebsrats bereits Ende Februar 2007 versandt habe (vgl. Kopie des Schreibens vom 26.03.2007, Blatt 12 f der Akte - es wird Bezug genommen).

Die beteiligte Arbeitgeberin hat die Veranstaltung wie geplant durchgeführt. Die Kosten der Veranstaltung beliefen sich auf rund 15.000,00 €. Zu der Veranstaltung wurden etwa vier Prozent der Belegschaft eingeladen. Mittel aus dem Kantinenfond wurden nicht verwendet. Die beteiligte Arbeitgeberin legt außerdem Wert auf die Feststellung, dass das Fest insgesamt nicht aus Lohnmitteln finanziert worden sei.

Der beteiligte Betriebsrat hat sodann das vorliegende Beschlussverfahren durch Schriftsatz vom 27.04.2007, eingegangen beim Arbeitsgericht Neubrandenburg am 04.05.2007, eingeleitet. Er begehrt den Erlass eines Unterlassungsbeschlusses mit der Androhung von Ordnungsgeld im Falle der Zuwiderhandlung; der beteiligten Arbeitgeberin solle untersagt werden, zukünftig ein Fest der "Langzeitgesunden" durchzuführen ohne die vorab erteilte oder ersetzte Zustimmung des Betriebsrates.

Das Arbeitsgericht hat den Antrag mit Beschluss vom 06.11.2007 zurückgewiesen. Das Arbeitsgericht hat sich darauf gestützt, dass eine Wiederholungsgefahr nicht zu erkennen sei und jedenfalls auch kein "grober Verstoß" im Sinne von § 23 Absatz 3 BetrVG vorliege. Der Beschluss ist dem beteiligten Betriebsrat am 23.11.2007 zugestellt worden. Die hiergegen gerichtete Beschwerde vom 20.12.2007 ist beim Landesarbeitsgericht per Fax am selben Tage eingegangen und sogleich begründet worden.

Der beteiligte Betriebsrat verfolgt sein ursprüngliches Begehren mit in der Formulierung geänderter Antragstellung im vollen Umfang weiter.

Der Betriebsrat meint, die Arbeitgeberin habe durch die Durchführung des Festes trotz der ausdrücklichen Ablehnung durch den Betriebsrat grob gegen ihre betriebsverfassungsrechtlichen Pflichten verstoßen. Die Veranstaltung habe den Charakter einer Erfolgsprämie und unterliege daher dem Mitbestimmungsrecht nach § 87 Absatz 1 Nummer 10 BetrVG. Eine mit erheblichen Kosten verbundene Veranstaltung, zu der nur ausgewählte Mitarbeiter eingeladen würden, habe Entgeltcharakter. Dieser ergebe sich zusätzlich bereits aus der Bevorzugung einzelner Mitarbeiter gegenüber den anderen. Eine Bewirtung gelte in der Rechtsprechung als Arbeitslohn, wenn sie im weitesten Sinne als Gegenleistung für das Zur-Verfügung-Stellen der Arbeitskraft des Arbeitnehmers anzusehen sei. Dies wäre hier der Fall. Es bestehe im Übrigen ein Recht, auf die Bedingungen der Einladung zu einem derartigen Fest einzuwirken, da hierdurch die Lohngerechtigkeit im Betrieb sichergestellt werden könne und es sich um einen Teil der betrieblichen Lohngestaltung handele.

Es bestehe auch weiterhin ein Rechtsschutzinteresse an der Klärung, ob im vorliegenden Fall ein Mitbestimmungsrecht gegeben sei. Nach dem bisherigen Vortrag der Beteiligten zu 2. wäre nicht ausgeschlossen, dass in Zukunft weitere vergleichbare Veranstaltungen durchgeführt werden sollen. In ihrem Vortrag habe sie bewusst offen gelassen, wie zukünftig im Falle des Obsiegens vor Gericht verfahren werden solle.

Der beteiligte Betriebsrat beantragt unter Abänderung des angegriffenen Beschlusses,

1. der Beteiligten zu 2 zu untersagen, zukünftig ein "Fest der Langzeitgesunden", zu dem die Mitarbeiter eingeladen werden, die in den letzten vier Jahren keine krankheitsbedingten Fehlzeiten aufgewiesen haben, ohne Zustimmung des Betriebsrats bzw. ohne Beschluss der Einigungsstelle durchzuführen;

2. für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen die Verpflichtung aus Ziffer 1. der Antragsgegnerin ein Ordnungsgeld von bis zu 10.000,00 €anzudrohen.

3. Hilfsweise, festzustellen, dass dem Antragsteller bei der Einladung zu einem Fest von Mitarbeitern, die in den letzten vier Jahren keine krankheitsbedingten Fehlzeiten ausgewiesen haben, und der Durchführung eines solchen Festes ein Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. l Ziffer 10 BetrVG zusteht.

Die beteiligte Arbeitgeberin beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Die beteiligte Arbeitgeberin steht auf dem Standpunkt, im vorliegenden Fall habe der Betriebsrat kein Mitbestimmungsrecht nach § 87 Absatz 1 Nr. 10 BetrVG. Es liege keine Frage der betrieblichen Lohngestaltung vor. Die Teilnahme der Arbeitnehmer an dem Fest am 14.04.2007 habe keinen Entgeltcharakter, denn es wäre durch die Teilnahme keine Vermögensmehrung bei den Teilnehmern eingetreten. Das Fest habe der Würdigung der Mitarbeiter gedient, die schon lange gesund seien und damit zu einer entsprechend geringen Krankenstandsquote in der Niederlassung beigetragen hätten. Das Fest habe lediglich den Rahmen für diese Würdigung gebildet. Im Übrigen wäre mit der Einladung lediglich eine gesellschaftliche Erklärung ohne rechtsgeschäftliche Bindungswirkung abgegeben worden und diese sei nicht geeignet, einen Rechtsanspruch des Eingeladenen auf Durchführung der Veranstaltung herbeizuführen. Somit scheide auch unter diesem Aspekt ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates aus.

Durch die Erklärungen der beteiligten Arbeitgeberin sei im Übrigen auch in ausreichendem Maße klargestellt, dass an eine Wiederholung nicht gedacht sei. Daher sei der Antrag auch wegen fehlender Wiederholungsgefahr abzuweisen. Außerdem bestünden Bedenken gegen die Zulässigkeit des Antrages, da der Betriebsrat außergerichtlich zu keinem Zeitpunkt eine Beteiligung bei der Veranstaltungsplanung verlangt habe; der innerbetriebliche Konflikt habe sich immer nur um die Finanzierung aus dem Kantinenfond gedreht und insoweit habe die Arbeitgeberin die Zustimmungsverweigerung des Betriebsrats akzeptiert und andere Wege der Finanzierung der Veranstaltung gefunden.

Daher habe die beteiligte Arbeitgeberin nicht gegen Verpflichtungen aus dem Betriebsverfassungsgesetz verstoßen. Selbst wenn das Gericht einen Verstoß erkennen würde, wäre es jedenfalls kein grober Verstoß im Sinne von § 23 Abs. 3 BetrVG.

Wegen des weiteren Vortrages der Beteiligten wird auf die abgereichten Schriftsätze und das Protokoll der mündlichen Anhörung und Erörterung Bezug genommen.

II.

Die rechtzeitig eingelegte und rechtzeitig begründete Beschwerde, die keine Zulässigkeitsbedenken unterliegt, hat in der Sache Erfolg. Der Hauptantrag des Betriebsrats ist begründet, da die fragliche Veranstaltung eine Maßnahme ist, die der Mitbestimmung des Betriebsrats nach § 87 BetrVG unterliegt, und die beteiligte Arbeitgeberin nicht darlegen konnte, dass eine Wiederholung einer derartigen Veranstaltung ausgeschlossen ist.

1.

Der Hauptantrag ist zulässig.

Die Unzulässigkeit des Antrages ergibt sich insbesondere nicht aus dem Umstand, dass die Beteiligten außergerichtlich zunächst gar nicht um den vorliegenden Antragsgegenstand gestritten haben, sondern nur um die Frage, ob es sinnvoll und zweckmäßig wäre, die Veranstaltung zum größten Teil aus dem Kantinenfond zu finanzieren. Zum einen muss der beteiligten Arbeitgeberin vorgehalten werden, dass sie die vorgerichtlichen Stellungnahmen des Betriebsrats wohl selbst immer nur durch die Brille des Konflikts um den Kantinenfond gelesen hat. Daher ist ihr entgangen, dass der Betriebsrat mit Schreiben vom 26.03.2007 ihr vorgeworfen hat, dass sie zu der Veranstaltung eingeladen habe, ohne den Betriebsrat überhaupt davor von diesem Plan zu unterrichten. Das ist eine klare Aussage, aus der sich ergibt, dass der Betriebsrat ein Mitbestimmungsrecht an der Maßnahme an sich geltend macht und sich insoweit übergangen fühlt. Aber selbst dann, wenn man mit der Arbeitgeberin davon ausgehen wollte, dass der beteiligte Betriebsrat voreilig einen Anwalt eingeschaltet und das Arbeitsgericht angerufen habe, ergibt sich daraus kein Zulässigkeitsbedenken, denn die Arbeitgeberin hat sich jedenfalls während des Gerichtsverfahrens stets geweigert das behauptete Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats anzuerkennen.

2.

Der Hauptantrag ist auch begründet.

Dem Betriebsrat steht bei Verletzung seiner Mitbestimmungsrechte aus § 87 BetrVG ein Anspruch auf Unterlassung der mitbestimmungswidrigen Maßnahme zu. Dieser Anspruch setzt keine grobe Pflichtverletzung des Arbeitgebers im Sinne des § 23 Abs. 3 BetrVG voraus (BAG 3. Mai 1994 - 1 ABR 24/93 - BAGE 76, 364 = AP Nr. 23 zu § 23 BetrVG 1972 = DB 1994, 2450 = NZA 1995, 40 = EzA § 23 BetrVG 1972 Nr. 36). Der Anspruch setzt allerdings zusätzlich eine Wiederholungsgefahr voraus (BAG 29. Februar 2000 - 1 ABR 4/99 - AP Nr. 105 zu § 87 BetrVG 1972 Lohngestaltung = NZA 2000, 1066 = EzA § 87 BetrVG 1972 Betriebliche Lohngestaltung Nr. 69 = DB 2000, 2614). Die Voraussetzungen dieses ungeschriebenen richterrechtlich entwickelten Unterlassungsanspruchs sind hier gegeben.

a)

Die von der beteiligten Arbeitgeberin in den Jahren 2006 und 2007 durchgeführte Maßnahme "Fest der Langzeitgesunden" unterliegt als Maßnahme der betrieblichen Lohngestaltung der Mitbestimmung des Betriebsrats nach § 87 Absatz 1 Nr. 10 BetrVG.

Der Begriff des Lohnes in § 87 Absatz 1 Nr. 10 BetrVG ist vom Sinn und Zweck des Mitbestimmungsrechts her zu bestimmen. Das Mitbestimmungsrecht soll die Arbeitnehmer vor einer einseitig an den Interessen des Arbeitgebers orientierten oder willkürlichen Lohngestaltung schützen. Es soll die Angemessenheit und Durchsichtigkeit des innerbetrieblichen Lohngefüges und die innerbetriebliche Lohngerechtigkeit sichern (BAG Großer Senat Beschluss vom 03.12.1991 - GS 2/90 - BAGE 69, 134 = AP Nr. 51 zu § 87 BetrVG 1972 Lohngestaltung = DB 1992, 1579). Um diesem Zweck gerecht zu werden, ist der Begriff "Lohn" im weitesten Sinne zu verstehen. Darunter fallen unabhängig von ihrer Bezeichnung alle Leistungen des Arbeitgebers, die als Gegenwert für die von den Arbeitnehmern erbrachten Leistungen gewährt werden, gleichgültig ob es sich hierbei um leistungsbezogene Vergütungen oder Gratifikationen, um einmalige oder laufende Zahlungen, um Geld oder Sachleistungen handelt (BAG Großer Senat 16.09.1986 - GS 1/82 - BAGE 53, 42 = DB 1987, 383 = NZA 1987, 168 = AP Nr. 17 zu § 77 BetrVG 1972; vgl. auch Kania in ErfK § 87 BetrVG Rdnr. 96).

In diesem Sinne hatte die Einladung, die die beteiligte Arbeitgeberin an einzelne Arbeitnehmer ausgesprochen hat, Lohncharakter. Denn die Verköstigung und Übernachtung der betroffenen Mitarbeiter mit jeweils einer Begleitperson stellt eine Leistung dar, für die üblicherweise Geld entrichtet werden muss, und für die die Arbeitgeberin auch einen erheblichen Geldbetrag aufbringen musste. Den geldwerten Vorteil für jeden teilnehmenden Arbeitnehmer schätzt das Gericht auf 200,00 € bis 300,00 €. Diese Leistungen stehen auch in direkter Verbindung zum Arbeitsverhältnis der Begünstigten, denn mit der Sonderleistung sollte honoriert werden, dass die betroffenen Arbeitnehmer über mehrere Jahre keine krankheitsbedingten Ausfallzeiten hatten. Die Leistung steht damit im weitesten Sinne noch im Gegenseitigkeitsverhältnis des Arbeitsvertrages. Insofern hat die Arbeitgeberin bereits selbst den Zusammenhang formuliert, indem sie in der Einladung zu der Veranstaltung ausgeführt hat, dass in den fehlenden Ausfallzeiten sich auch ein Verhalten der Begünstigten ausdrücke, nämlich die Bereitschaft, sich trotz Unwohlseins zur Arbeit zu begeben bzw. die Bereitschaft, in einem solchen Falle Urlaub in Anspruch zu nehmen.

Die Maßnahme hatte auch den für das Beteiligungsrecht des Betriebsrats notwendigen kollektiven Bezug. Nach der Rechtsprechung des BAG liegt der die Mitbestimmung auslösende kollektive Bezug immer dann vor, wenn die gewährte Leistung sich dem Grunde oder ihrer Höhe nach aus einem Vergleich mit anderen Arbeitnehmern oder aus dem Vergleich mit einem abstrakten Verteilungsmaßstab, den der Arbeitgeber aufgestellt hat, ergibt (vgl. nur BAG 29. Februar 2000 - 1 ABR 4/99 - a. a. O). Diese Voraussetzung ist hier erfüllt. Zum einen hat die beteiligte Arbeitgeberin den kollektiven Bezug selbst durch die Formulierung in der Einladung zum Ausdruck gebracht. Denn es heißt dort, die Teilnehmer seien ausgesucht, weil sie sich durch ihr Verhalten von anderen Arbeitnehmern unterscheiden würden. Im Übrigen ergibt sich der kollektive Bezug auch daraus, dass die beteiligte Arbeitgeberin einen abstrakten Maßstab für die Gewährung der Vergünstigung aufgestellt hat, nämlich die Voraussetzung in den letzten vier Jahren nicht wegen Arbeitsunfähigkeit ausgefallen zu sein.

Die Mitbestimmung entfällt selbstverständlich nicht deshalb, weil die beteiligte Arbeitgeberin rechtlich möglicherweise nicht verpflichtet gewesen wäre, die einmal ausgelobte Veranstaltung auch tatsächlich durchzuführen. Entscheidend ist, dass die beteiligte Arbeitgeberin die Veranstaltung durchführen wollte und damit einem Teil der Belegschaft Vorteile verschaffen wollte, und sie den Plan auch tatsächlich umgesetzt hat.

Das an sich gegebene Beteiligungsrecht kann auch nicht mit Hinweis darauf negiert werden, dass es angesichts des freiwilligen Charakters der Leistung der beteiligten Arbeitgeberin keinen Spielraum für eine Einflussnahme des Betriebsrats mehr gegeben habe. Insoweit ist es lediglich zutreffend, dass das BAG bei der Beteiligung bei freiwilligen Leistungen des Arbeitgebers die Mitbestimmung nur auf die Ausgestaltung der Verteilung bezieht, der Arbeitgeber aber mitbestimmungsfrei den Zweck und die Summe der zu verteilenden Mittel und damit auch den begünstigten Personenkreis festlegen dürfe (vgl. nur BAG 08.12.1981 - 1 ABR 55/79 - BAGE 37, 206 = DB 1982, 1276 = AP Nr. 1 zu § 87 BetrVG 1972 Prämie). Hier hat die beteiligte Arbeitgeberin den Zweck der freiwillig zur Verfügung gestellten Mittel bestimmt, denn mit ihnen sollten die Arbeitnehmer begünstigt werden, die durch fehlende krankheitsbedingte Ausfallzeiten in besonderem Maße auf die betrieblichen Interessen Rücksicht genommen hätten. Es liegt auf der Hand, dass die Umsetzung dieser Zielsetzung viele Fragen aufwirft, die man gemeinsam mit dem Betriebsrat hätte entscheiden können. Das fängt an bei der konkreten Bestimmung des begünstigten Personenkreises, etwa durch die Klärung, ob auch Ausfallzeiten wegen Erkrankung des Kindes mit zu rechnen seien, oder Ausfallzeiten in Folge von Arbeitsunfällen. Im Weiteren hätte man gemeinsam mit dem Betriebsrat entscheiden können und müssen, in welchem Rahmen die Veranstaltung stattfinden soll und ob man die vorhandenen Mittel nur für Verpflegung und Übernachtung oder auch für die Anreise einsetzen soll. Diese sicherlich nicht abschließende Aufzählung zeigt, dass es viele Fragen gegeben hätte, die man gemeinsam mit dem Betriebsrat hätte klären können.

b)

Der Unterlassungsantrag scheitert auch nicht daran, dass von seiner Formulierung Fallgestaltungen erfasst werden, die nicht der Beteiligung unterliegen.

Das BAG hat in seiner Entscheidung vom 3. Mai 1994 (- 1 ABR 24/93 - a. a. O.) zutreffend hervorgehoben, dass ein Unterlassungsantrag wegen der Verletzung des Mitbestimmungsrechts des Betriebsrats aus § 87 BetrVG zurückgewiesen werden müsse, wenn die Formulierung der begehrten Unterlassung auch zukünftige Fälle erfasse, hinsichtlich derer ein Beteiligungsrecht nicht gegeben sei.

Mit dieser Begründung kann der vorliegende Antrag nicht zurückgewiesen werden. Gegenstand er Unterlassung soll nach dem Antrag des beteiligten Betriebsrats die Durchführung eines "Festes der Langzeitgesunden" sein. Damit bezieht sich der Betriebsrat erkennbar auf die hier streitige Maßnahme, die die beteiligte Arbeitgeberin 2006 und 2007 durchgeführt hatte. Der Antrag verwendet die im Betrieb eingeführte Formulierung für diese Veranstaltung. Der Antrag erfasst daher nur Veranstaltungen, die denen der Jahre 2006 und 2007 gleichen. Ja, der Betriebsrat hat sein Unterlassungsbegehren noch weiter eingeschränkt und hat nur begehrt, solche Feste der Langzeitgesunden zu verbieten, zu denen Mitarbeiter eingeladen werden, die in den letzten vier Jahren nicht krankheitsbedingt ausgefallen sind. Damit hat der Betriebsrat sogar den tatsächlichen Umfang seines Beteiligungsrechts aus dem Gesetz nicht annähernd umfassend ausgeschöpft.

c)

Der Unterlassungsantrag kann - entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts - nicht mit dem Hinweis auf die fehlende Wiederholungsgefahr verneint werden.

Das BAG hat in der bereits mehrfach zitierten Entscheidung vom 29. Februar 2000 (- 1 ABR 4/99 - a. a. O.) ausgeführt, für das Vorliegen einer Wiederholungsgefahr spreche bei einer bereits eingetretenen Verletzung des Mitbestimmungsrechts eine tatsächliche Vermutung. Der beteiligten Arbeitgeberin ist es nicht gelungen, diese Vermutung zu widerlegen. Im Gegenteil, durch die Aussage, man behalte sich in Abhängigkeit vom Ausgang des Beschlussverfahrens vor, ähnliche Veranstaltungen zukünftig zu wiederholen, hat die Arbeitgeberin deutlich gemacht, dass sie sich nach wie vor für berechtigt hält, solche Veranstaltungen ohne Hinzuziehung des Betriebsrats durchzuführen. Damit kann die Wiederholungsgefahr nicht ausgeschlossen werden.

d)

Da der Antrag des beteiligten Betriebsrats bereits auf Basis des ungeschriebenen Unterlassungsanspruchs bei Verletzung von Mitbestimmungsrechten aus § 87 BetrVG begründet ist, braucht nicht entscheiden zu werden, ob der Antrag auch nach § 23 Absatz 3 BetrVG begründet wäre. Insbesondere kann daher offen bleiben, ob man vorliegend bereits von einem groben Verstoß gegen die betriebsverfassungsrechtlichen Pflichten der Arbeitgeberin sprechen könnte.

3.

Antragsgemäß ist der beteiligten Arbeitgeberin auch ein Ordnungsgeld für den Fall der Missachtung des gerichtlichen Unterlassungsbeschlusses anzudrohen.

Nach § 890 Absatz 2 ZPO setzt die Verhängung eines Ordnungsgeldes wegen der Missachtung des hier gegebenen gerichtlichen Unterlassungstitels voraus, dass dies zuvor ordnungsgemäß angedroht wurde. Die Androhung erfolgt im Regelfall bereits gleichzeitig mit dem Erlass des Unterlassungstitels. Dabei ist die sich - mittelbar - aus § 23 Abs. 3 Satz 5 BetrVG ergebende Obergrenze von 10.000,00 € zu beachten (BAG 27. Januar 2004 - 1 ABR 7/03 - BAGE 109, 235 = AP Nr. 40 zu § 87 BetrVG 1972 Überwachung = NZA 2004, 556 = DB 2004, 1733). Diese Grenze ist vorliegend eingehalten.

4.

Da bereits der Hauptantrag begründet ist, fällt der Hilfsantrag nicht zur Entscheidung an.

III.

Zur Zulassung der Rechtsbeschwerde besteht kein Anlass. Da das Gericht einen dahingehenden Ausspruch versehentlich unterlassen hat, ergeht insoweit ein Ergänzungsbeschluss, auf den hiermit verwiesen wird.

Ende der Entscheidung

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