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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht München
Urteil verkündet am 13.01.2006
Aktenzeichen: 10 Sa 321/05
Rechtsgebiete: ATG, TV ATZ, ZPO


Vorschriften:

ATG § 3 Abs. 1 Nr. 3
TV ATZ § 2 Abs. 1
TV ATZ § 2 Abs. 2
TV ATZ § 2 Abs. 3
ZPO § 253 Abs. 2
ZPO § 894
1. § 2 Abs. 2 Satz 1 TV ATZ gewährt einen Rechtsanspruch auf Altersteilzeit, der nicht auf die Dauer von 2 Jahren beschränkt ist.

2. Dringende dienstliche oder betriebliche Gründe nach § 2 Abs. 3 TV ATZ sind nicht wirtschaftliche Gründe. § 2 Abs. 2 TV ATZ ist eine finanzielle Mehrbelastung des Arbeitgebers immanent.


LANDESARBEITSGERICHT MÜNCHEN IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

10 Sa 321/05

Verkündet am: 13.01.2006

In dem Rechtsstreit

hat die 10. Kammer des Landesarbeitsgerichts München aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 14.12.2005 durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Moeller sowie die ehrenamtlichen Richter Gustav Gegenfurtner und Manfred Cibis für Recht erkannt:

Tenor:

I. Die Berufung der Beklagten gegen das Endurteil des Arbeitsgerichts München vom 19.01.2005 (Az.: 7 Ca 8663/04) wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.

II. Die Revision wird für die Beklagte zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten über einen Anspruch des Klägers auf Abschluss eines Altersteilzeitvertrages.

Der am 09.11.1943 geborene Kläger ist seit 01.10.1974 bei der Beklagten als Verwaltungsangestellter beschäftigt.

Die Beklagte - GmbH - ist eine Forschungseinrichtung, die zu 90 % von der Bundesrepublik Deutschland und zu 10 % vom Freistaat Bayern gefördert wird. Sie ist Mitglied der Gemeinschaft e. V. Ihr Etat wird in Abstimmung zwischen dem Bundesministerium für Bildung und Forschung und der Gemeinschaft e. V. festgelegt. Gemäß ihrem Auftrag aus dem Gesellschaftsvertrag liegen die Aufgaben der Beklagten auf dem Gebiet der Förderung der Forschung im Bereich Gesundheit sowie in der Umwelt- und Strahlenforschung.

Rechtsgrundlage des Arbeitsverhältnisses der Parteien ist zuletzt ein am 18.03.1980 geschlossener Arbeitsvertrag (Bl. 4 d. A.), in dem bestimmt ist, dass sich das Arbeitsverhältnis der Parteien nach dem Bundes-Angestelltentarifvertrag (BAT) vom 23.02.1961 und den diesen ergänzenden oder ändernden Tarifverträgen bestimmt.

Der Kläger ist in der wissenschaftlich-technischen Abteilung, Antragstellung für Sonderfinanzierung, eingesetzt und bezieht dabei eine Vergütung gemäß Vergütungsgruppe I a BAT.

Mit Schreiben vom 28.10.2003 (Bl. 5 d. A.) und nochmals vom 01.03.2004 (Bl. 6 d. A.) beantragte der Kläger für die Zeit vom 01.02.2004 bis 30.11.2008 die Umwandlung seines Arbeitsverhältnisses in ein Altersteilzeit-Arbeitsverhältnis.

Mit Schreiben vom 04.03.2004 (Bl. 7 d. A.) lehnt die Beklagte diesen Antrag ab, bot dem Kläger aber stattdessen den Abschluss einer Altersteilzeitvereinbarung für die Dauer von zwei Jahren an, über dessen Beginn noch eine Vereinbarung geschaffen werden sollte. Dabei ist die Beklagte mit Schreiben vom 07.05.2004 (Bl. 10 bis 11 d. A.) auch nach einer erneuten Forderung des Klägers für die Zeit ab 01.02.2004 bis 30.11.2008 vom 22.04.2004 (Bl. 8 bis 9 d. A.) verblieben.

Der Kläger hat vorgetragen, er habe nach dem auf das Arbeitsverhältnis anzuwendenden Tarifvertrag zur Regelung der Altersteilzeitarbeit im öffentlichen Dienst (TV ATZ) vom 30.06.2000 Anspruch auf Abschluss des vom ihm begehrten Altersteilzeitvertrages. Für die Beklagte bestehe kein Ermessensspielraum. Dringende dienstliche bzw. betriebliche Belange, die eine Ablehnung rechtfertigen würden, liegen nicht vor. Rein finanzielle Gründe könnten eine Ablehnung nicht rechtfertigen. Darüber hinaus würden sich für die Beklagte durch die vom Kläger gewünschte Altersteilzeitvereinbarung auch keine nennenswerten Mehrbelastungen ergeben. Bei Abschluss eines Altersteilzeitvertrages mit dem Kläger würde auch nicht die 5 %-Quote des Altersteilzeitgesetzes (ATG) überschritten, zumal bei der Beklagten im begehrten Zeitraum auch eine Vielzahl von Altersteilzeitverträgen ausliefen.

Der Kläger hat beantragt:

Die Beklagte wird verurteilt, mit dem Kläger eine Altersteilzeitvereinbarung abzuschließen, in der Altersteilzeit in Form des Blockmodells vom 01.02.2004 bis zum 30.11.2008 vereinbart wird.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage wird abgewiesen.

Sie hat vorgetragen, dem Kläger stehe kein Anspruch auf Abschluss des vom ihm begehrten Altersteilzeitvertrages zu. Denn ein tariflicher Anspruch des Klägers beziehe sich nicht auf den Inhalt und damit die Dauer des Altersteilzeitvertrages. Die Dauer des Altersteilzeitvertrages sei vielmehr ausschließlich in § 2 Abs. 4 des TV ATZ geregelt. Die Beklagte sei nicht in der Lage, Altersteilzeitverträge abzuschließen, die die Dauer von zwei Jahres überschritten. Die Haushaltslage der Beklagten habe sich in der Vergangenheit zunehmend verschlechtert. Der Personenmittelhaushalt sei von den Zuwendungsgebern immer weiter reduziert und zum 01.01.2003 eingefroren worden. Aufgrund der Vorgaben für den Zeitraum bis 2007/2008 sei die Beklagte verpflichtet, ca. 20 % Kosten einzusparen. Deshalb sei die Mehrbelastung bei Abschluss des vom Kläger begehrten Altersteilzeitvertrages untragbar. Darüber hinaus bestehe der Anspruch des Klägers auch wegen des Überforderungsschutzes nicht. Denn die Beklagte sei mit 53 Altersteilzeit-Verträgen belastet. Die 5 % - Grenze wäre bereits mit 48 Altersteilzeitverträgen überschritten.

Das Arbeitsgericht hat dem Klageantrag des Klägers in vollem Umfang entsprochen. Wegen des Weiteren erstinstanzlichen Sachvortrags der Parteien sowie den Ausführungen des Arbeitsgerichts wird auf Tatbestand und Entscheidungsgründe des Ersturteils Bezug genommen.

Gegen das der Beklagten am 09.03.2005 zugestellte Urteil hat diese mit einem 21.03.2005 bei dem Landesarbeitsgericht München eingegangenen Schriftsatz Berufung einlegen lassen und ihr Rechtsmittel mit einem am 06.05.2005 eingegangenen Schriftsatz begründet.

Sie trägt vor, der Kläger habe keinen Anspruch auf Abschluss des Altersteilzeitvertrages in dem von ihm begehrten Umfang. Ausgestaltung und Dauer des Altersteilzeitvertrages bestimme der Arbeitgeber nach seinen betrieblichen Belangen. Dabei seien auch finanzielle Gründe zu berücksichtigen. Die Beklagte müsse Altersteilzeit nur innerhalb ihrer finanziellen Möglichkeiten gewähren. Eine Dauer von über zwei Jahren könne sie ablehnen. Dies sei hier der Fall. Denn die Beklagte könnte den ihr auferlegten Aufgaben und Anweisungen nicht mehr nachkommen, müsste sie Mehrbelastungen von ca. EUR 650.000,-- jährlich bei Gewährung einer 5-jährigen Altersteilzeit tragen. Außerdem werde durch einen Altersteilzeitvertrag mit dem Kläger die 5 %-Grenze überschritten. Im Zeitraum Februar 2003 bis Januar 2004 lägen bei der Beklagten 53 Altersteilzeitfälle vor. 45 Verträge würden während dieses Zeitraums bereits laufen. 8 seien bereits unterschrieben, würden aber erst zu einem späteren Zeitpunkt beginnen. Dies ergebe sich im Einzelnen aus einer von der Beklagten erstellten Liste (Bl. 168 d. A.).

Die Beklagte beantragt:

Die Klage wird unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts München vom 26.01.2005 (Az.: 7 Ca 8663/04) abgewiesen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Kläger stimmt der Entscheidung des Arbeitsgerichts zu, nach der ein Anspruch auf Altersteilzeit für die Zeit vom 01.02.2004 bis 30.11.2008 bestehe. Gründe der Beklagten, die eine Ablehnung rechtfertigen würden, seien nicht vorhanden. Auf einen Überforderungsschutz könne sich die Beklagte nicht berufen. Denn dieser sei in der tariflichen Regelung gar nicht vorgesehen. Selbst wenn dies der Fall wäre, seien alle Arbeitnehmer des Betriebs zu berücksichtigen. Aus der Liste der Beklagten seien jedoch 7 Arbeitnehmer gar nicht dem Betrieb zuzuordnen und seien 14 Verträge vor Beginn der Altersteilzeit des Klägers bereits beendet.

Wegen des weiteren Sachvortrags der Parteien im Berufungsverfahren wird auf die Schriftsätze der Beklagten vom 04.05.2005 (Bl. 93 bis 104 d. A.), 07.07.2005 (Bl. 147 bis 148 d. A.), 08.11.2005 (Bl. 164 bis 167 d. A.) und 06.12.2005 (Bl. 190 bis 191 d. A.), des Klägers vom 08.06.2005 (Bl. 134 bis 138 d. A.), 09.08.2005 (Bl. 159 bis 160 d. A.) und 22.11.2005 (Bl. 184 bis 187 d. A.) sowie die Sitzungsniederschriften vom 05.10.2005 (Bl. 161 bis 163 d. A.) und 14.12.2005 (Bl. 192 bis 193 d. A.) Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

I.

Die nach § 64 Abs. 2 ArbGG statthafte Berufung der Beklagten ist in der rechten Form und Frist eingelegt und begründet worden (§§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG, 519, 520 ZPO) und daher zulässig.

II.

Die Berufung der Beklagten ist jedoch unbegründet.

Das Arbeitsgericht hat zu Recht und mit im Wesentlichen zutreffender Begründung die Beklagte verurteilt, den Antrag des Klägers auf Abschluss eines Altersteilzeitvertrages für die Zeit vom 01.02.2004 bis 30.11.2008 im Blockmodell zuzustimmen. Dieser Anspruch steht dem Kläger gem. § 2 Abs. 2 Satz 1 TV ATZ zu. Der Anspruch ist weder nach § 3 Abs. 1 Nr. 3 ATG ausgeschlossen noch stehen dem Anspruch Gründe entgegen, die es rechtfertigen, dass die Beklagte den Abschluss eines Altersteilzeitvertrages ablehnen könnte.

1. Im Ergebnis zu Recht ist das Arbeitsgericht davon ausgegangen, dass die Klage zulässig ist.

a) Zwar ist nach dem Wortlaut des vom Kläger zuletzt verfolgten Antrags die begehrte Verurteilung der Beklagten auf eine "Vereinbarung" eines Altersteilzeitvertrages gerichtet und damit nicht eindeutig feststellbar, welche Handlung hier die Beklagte nach einer Entscheidung des Gerichts erbringen soll. Klageanträge sind jedoch der Auslegung fähig (vgl. BGH MDR 1998, 556; BAG vom 16.03.1994 - AP Nr. 29 zu § 4 KSchG 1969) und das Gericht danach auch verpflichtet, einen unklaren Klageantrag nach den wirklich gewollten Sinn zu erforschen (vgl. BAG vom 14.11.2001 - 7 AZR 568/00; BAG vom 03.04.2001 - AP Nr. 1 zu § 55 InsO). Nach dem durch die Klagebegründung deutlich zum Ausdruck gebrachten Verlangen des Klägers besteht danach kein Zweifel daran, dass sein Begehren auf die Annahme eines Angebots zum Abschluss eines Altersteilzeitvertrages gerichtet ist. Für diesen Antrag besteht das erforderliche Rechtschutzinteresse, da die erstrebte Willenserklärung mit Rechtskraft des Urteils als abgegeben gilt und der Altersteilzeitvertrag im Blockmodell damit gem. § 894 ZPO zustande kommt (vgl. BAG vom 10.05.2005 - 9 AZR 294/04; BAG vom 12.12.2000 - 9 AZR 706/99).

b) Dieser Antrag ist auch hinreichend bestimmt (§ 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO). Denn die vertraglichen Bedingungen für die Altersteilzeit richten sich nach dem Tarifvertrag zur Regelung der Altersteilzeitarbeit im öffentlichen Dienst und sind zwischen den Parteien unstreitig. Auch die Dauer des Vertrages liegt durch die Angabe der konkreten Daten nicht im Ungewissen. Dass der Vertragsschluss auf die Vergangenheit gerichtet ist, steht der Durchsetzung eines Anspruchs auf Abschluss eines Vertrages nach Streichung von § 306 BGB a. F. durch das Schuldrechtsmodernisierungsgesetz nicht mehr entgegen (vgl. BAG vom 27.04.2004 - 9 AZR 522/03; BAG vom 30.09.2003 - 9 AZR 590/02; Zwanziger RdA 2005, 236).

2. Die Klage ist auch begründet.

Der Kläger hat Anspruch darauf, dass die Beklagte einem Angebot des Klägers auf Abschluss eines Altersteilzeitvertrages für die Zeit vom 01.02.2004 bis 30.11.2008 im Blockmodell zustimmt.

a) Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien finden aufgrund der Verweisungsklausel in § 2 des Arbeitsvertrages vom 18.03.1980 unstreitig auch die Bestimmungen des Tarifvertrages zur Regelung der Altersteilzeitarbeit im öffentlichen Dienst vom 05.05.1998 in der Fassung des Änderungstarifvertrages vom 30.06.2000 (TV ATZ) Anwendung. Dort sind die Voraussetzungen für den Anspruch auf Altersteilzeit wie folgt geregelt:

§ 2

Voraussetzungen der Altersteilzeitarbeit

(1) Der Arbeitgeber kann mit Arbeitnehmern, die

a) das 55. Lebensjahr vollendet haben,

b) eine Beschäftigungszeit (z.B. § 19 BAT/BAT-O) von 5 Jahren vollendet haben und

c) innerhalb der letzten 5 Jahre vor Beginn der Altersteilzeitarbeit mindestens 1080 Kalendertage in einer versicherungspflichtigen Beschäftigung nach dem 3. Buch SGB gestanden haben, die Änderung des Arbeitsverhältnisses in ein Altersteilzeitarbeitsverhältnis auf der Grundlage des Altersteilzeitgesetzes vereinbaren; das Altersteilzeitarbeitsverhältnis muss ein versicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis im Sinne des 3. Buches SGB sein.

(2) Arbeitnehmer, die das 60. Lebensjahr vollendet haben und die übrigen Voraussetzungen des Absatzes 1) erfüllen, haben Anspruch auf Vereinbarung eines Altersteilzeitarbeitsverhältnisses. Der Arbeitnehmer hat den Arbeitgeber 3 Monate vor dem geplanten Beginn des Altersteilzeitarbeitsverhältnisses über die Geltendmachung des Anspruchs zu informieren; von dem Fristerfordernis kann einvernehmlich abgewichen werden.

(3) Der Arbeitgeber kann die Vereinbarung eines Altersteilzeitarbeitsverhältnisses ablehnen, soweit dringende dienstliche bzw. betriebliche Gründe entgegenstehen.

(4) Das Altersteilzeitarbeitsverhältnis soll mindestens für die Dauer von 2 Jahren vereinbart werden. Es muss vor dem 01. Januar 2010 beginnen.

b) Danach steht dem Kläger ein Anspruch auf Abschluss eines Altersteilzeitvertrages für die Zeit vom 01.02.2004 bis 30.11.2008 zu. Denn der Kläger erfüllt unstreitig sämtliche Voraussetzungen des § 2 Abs. 1 TV ATZ und hat am 09.11.2003 das 60. Lebensjahr vollendet und hat seinen Anspruch mehr als 3 Monate vor dem geplanten Beginn des Altersteilzeitarbeitsverhältnisses geltend gemacht (§ 2 Abs. 2 Satz 2TV ATZ). Dass sich dann aus der tariflichen Regelung ein Anspruch der über 60jährigen Arbeitnehmer auf Abschluss einer Altersteilzeitvereinbarung ergibt, kann seit der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 12.12.2000 (9 AZR 706/99 = ZTR 2001, 441) nicht mehr zweifelhaft sein (vgl. Zwanziger RdA 2005, 235).

c) Gem. § 2 Abs. 3 TV ATZ ist die Ablehnung einer Vereinbarung eines Altersteilzeitverhältnisses durch den Arbeitgeber ungerechtfertigt, wenn dringende dienstliche bzw. betriebliche Gründe entgegenstehen. Dies ist jedoch nicht der Fall.

aa) Die Beklagte begründet die Ablehnung des Anspruchs des Klägers ausschließlich mit finanziellen Erwägungen. Derartige finanzielle Gründe können zwar einen Sachgrund darstellen, der es rechtfertigt, einen Antrag auf Altersteilzeit nach billigem Ermessen abzulehnen, wenn kein Rechtsanspruch besteht (vgl. BAG vom 10.05.2005 - 9 AZR 294/04). Dagegen sind wirtschaftliche Gründe keine dringenden dienstlichen oder betrieblichen Gründe nach § 2 Abs. 3 TV ATZ (vgl. Nimscholz / Oppermann / Ostrowicz Altersteilzeit 4. Aufl. Seite 40). Denn § 2 Abs. 2 TV ATZ ist eine gewisse finanzielle Mehrbelastung, die die Tarifvertragsparteien sehenden Auges vereinbart haben, immanent. Es darf angenommen werden, dass auch der Arbeitgeberseite bei Abschluss des Tarifvertrages bekannt war, dass dadurch durchaus erhebliche Kosten für sie entstehen können (vgl. LAG Berlin ZTR 2005, 254). Haben sie trotzdem einen Rechtsanspruch für Arbeitnehmer ausdrücklich vorgesehen, können sie diesen nicht mit der Begründung ablehnen, er sei aber zu teuer und damit den Rechtsanspruch praktisch zu beseitigen und auf das bloße Niveau einer Entscheidung nach billigen Ermessen zurückzuführen. Dies entspricht ersichtlich nicht dem Willen der Tarifvertragsparteien. Im Übrigen widerspräche es auch allgemeinen Grundsätzen des Vertragsrechts, wenn sich der Arbeitgeber einer Leistungsverpflichtung mit der Begründung entziehen könnte, ihm stünden dafür keine Geldmittel zur Verfügung. Der Schuldner einer Geldschuld hat für seine Leistungsfähigkeit auch ohne Verschulden einzustehen (vgl. BAG vom 10.08.1994 - 10 ABR 61/93 = AP Nr. 86 zu § 112 BetrVG 1972 zu II 3 b ee der Gründe).

bb) Aus den gleichen Gründen kann der tariflichen Regelung auch nicht entnommen werden, § 2 Abs. 2 TV ATZ gewähre einen Rechtsanspruch auf Altersteilzeit nur überhaupt, beziehe sich aber nicht auf die Dauer der Altersteilzeit. Eine derartige Einschränkung kann § 2 Abs. 2 TV ATZ und § 2 Abs. 3 TV ATZ nicht entnommen werden. § 2 Abs. 2 TV ATZ gewährt dem über 60 jährigen Arbeitnehmer den Anspruch ohne Wenn und Aber und gestattet dem Arbeitgeber die Ablehnung nur unter den Voraussetzungen des § 2 Abs. 3 TV ATZ.

(1) Die Auslegung des normativen Teils eines Tarifvertrags folgt nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts den für die Auslegung von Gesetzen geltenden Regeln. Danach ist zunächst vom Tarifwortlaut auszugehen, wobei der maßgebliche Sinn der Erklärung zu erforschen ist, ohne am Buchstaben zu haften. Bei nicht eindeutigem Wortlaut ist der wirkliche Wille der Tarifvertragsparteien mit zu berücksichtigen, soweit er in den tariflichen Normen seinen Niederschlag gefunden hat. Abzustellen ist stets auf den tariflichen Gesamtzusammenhang, weil dieser Anhaltspunkte für den wirklichen Willen der Tarifvertragsparteien liefert und so der Sinn und der Zweck der Tarifnorm zutreffend ermittelt werden können. Lässt dies zweifelsfreie Auslegungsergebnisse nicht zu, dann können die Gerichte für Arbeitssachen ohne Bindung an eine Reihenfolge weitere Kriterien wie die Entstehungsgeschichte des Tarifvertrages, gegebenenfalls auch die praktische Tarifübung ergänzend hinzuziehen. Auch die Praktikabilität denkbarer Auslegungsergebnisses gilt es zu berücksichtigen; im Zweifel gebührt derjenigen Tarifauslegung der Vorzug, die zu einer vernünftigen, sachgerechten, zweckorientierten und praktisch brauchbaren Regelung führt (vgl. z.B.. BAG vom 16.10.2002 - 4 AZR 429/01).

(2) Bei Anwendung dieser Grundsätze ist eine Einschränkung des Anspruchs auf eine Mindestdauer von 2 Jahren nicht erkennbar. Dem Wortlaut von § 2 Abs. 2 TV ATZ kann keine Beschränkung entnommen werden. Dies folgt auch nicht aus § 2 Abs. 4 TV ATZ wenn dort nur eine Mindestdauer von 2 Jahren als Sollvorschrift angegeben ist, die für über 55jährige gem. § 2 Abs. 1 TV ATZ genauso Anwendung findet. Der in § 2 Abs. 2 TV ATZ festgelegte Rechtsanspruch wird dadurch nicht berührt. Hätten die Tarifvertragsparteien den in § 2 Abs. 2 TV ATZ normierten Rechtsanspruch tatsächlich hinsichtlich der Dauer einschränken wollen, hätten sie dies in der Vorschrift deutlich zum Ausdruck bringen müssen, beispielsweise dadurch, dass sie den Rechtsanspruch an ein anderes Lebensalter angeknüpft hätten oder z. B. Satz 1 um die Formulierung "mindestens für die Dauer von 2 Jahren" ergänzt hätten. Fehlt es daran, kann nicht davon ausgegangen werden, dass die Dauer des Rechtsanspruchs auf Altersteilzeit der Arbeitgeber nach billigem Ermessen bestimmt. Vielmehr gewährt § 2 Abs. 2 TV ATZ einen Anspruch - bis auf die Regelung im § 2 Abs. 3 TV ATZ und den Überforderungsschutz - einschränkungslos. Folgte man der Auffassung der Beklagten, müsste die Beschränkung auf eine Ermessensprüfung des Arbeitgebers in § 2 Abs. 1 TV ATZ auf die Regelungen in § 2 Abs. 2 TV ATZ, soweit ein Anspruch über die Dauer von 2 Jahren geltend gemacht wird, übertragen werden. Dies widerspricht aber bereits dem Grundsatz, dass Ausnahmeregelungen nicht verallgemeinert werden können (vgl. BAG vom 05.04.2000 - 10 AZR 178/99 = AP Nr. 2 zu § 39 BAT; BAG vom 24.11.1988 - 6 AZR 243/87 = AP Nr. 127 zu § 611 BGB "Gratifikation"). Fehlt es damit an einer Einschränkung oder einer deutlichen Ausnahmeregelung, besteht der Rechtsanspruch des Klägers auch über die Dauer von 2 Jahren hinaus.

d) Die Beklagte kann sich zur Ablehnung des Anspruchs des Klägers auch nicht auf den Überforderungsschutz des § 3 Abs. 1 Nr. 3 ATG berufen. Es erscheint schon zweifelhaft, ob der gesetzliche Überforderungsschutz zu Gunsten der Beklagten hier überhaupt eingreifen kann, nachdem der TV ATZ einen Rechtsanspruch gewährt aber selbst keinen Überforderungsschutz vorsieht (vgl. Zwanziger RDA 2005, 234; Rittweger / Petri / Schweikert Altersteilzeitgesetz 2. Aufl. § 3 Rn. 134). Selbst wenn dies aber zu Gunsten der Beklagten zu unterstellen ist, schließt der Überforderungsschutz hier einen Anspruch des Klägers nicht aus. Dass die Voraussetzungen des Überforderungsschutzes erfüllt sind, hat der Arbeitgeber darzulegen und unter Beweis zu stellen (vgl. BAG vom 10.05.2005 - 9 AZR 294/04). Das hat die Beklagte aber bereits nicht substantiiert dargelegt. Dabei kann zu Gunsten der Beklagten unterstellt werden, dass die 5 % - Quote bereits mit 48 Altersteilzeitverträgen überschritten ist und umgekehrt der Einwand des Klägers offen bleiben, dass die Beklagte in ihrer Liste Arbeitnehmer mitzählt, die überhaupt nicht dem Betrieb zuzuordnen sind, auf den es aber ankäme (vgl. BAG vom 30.09.2003 - 9 AZR 590/02). Aus der von der Beklagten vorgelegten Liste (Bl. 168 d. A.) ergibt sich jedenfalls, dass von den dort genannten 53 Arbeitnehmern allein 15 Arbeitnehmer die Altersteilzeit vor dem vom Kläger gewünschten Beginn der Altersteilzeit am 01.02.2004 beendet haben, so dass die 5 % -Quote durch das Verlangen des Klägers nicht überschritten wird.

III.

Nach alledem war die Berufung der Beklagten mit der Kostenfolge aus § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen.

Die Kammer hat die Revision für die Beklagte wegen grundsätzlicher Bedeutung der entscheidungserheblichen Rechtsfrage zugelassen (§ 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG).

Ende der Entscheidung

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