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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht München
Beschluss verkündet am 14.03.2005
Aktenzeichen: 10 Ta 191/03
Rechtsgebiete: BRAGO, ArbGG, ZPO


Vorschriften:

BRAGO § 122
BRAGO § 128
ArbGG § 11 Abs. 3
ZPO § 121 Abs. 1
Wird durch das Arbeitsgericht im Wege der Prozesskostenhilfe ein Rechtsbeistand beigeordnet, leidet der Beiordnungsbeschluss an einem derart gravierenden Mangel, dass daran der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle im Kostenfestsetzungsverfahren nicht gebunden ist.
LANDESARBEITSGERICHT MÜNCHEN BESCHLUSS

10 Ta 191/03

In Sachen

hat die 10. Kammer des Landesarbeitsgerichts München ohne mündliche Verhandlung am 14.3.2005 durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Moeller beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde des Rechtsbeistands gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Passau vom 23.4.2003 (Az.: 2 Ca 211/02 D) wird zurückgewiesen.

Gründe:

I.

Die trotz bereits lange zuvor eröffneten Verbraucherinsolvenzverfahrens durch den Gemeinschuldner selbst erhobene Zahlungsklage, deren gegenständlicher Anspruch zudem bereits auf das Landratsamt übergegangen war (Bl. 6 bis 8 d.A.) hat der zum Treuhänder bestellte Rechtsbeistand (Antragsteller) fortgeführt.

Im Termin vom 15.1.2003 hat er "für den Gemeinschuldner" die Bewilligung von Prozesskostenhilfe beantragt und mit Schriftsatz vom 16.1.2003 um seine Beiordnung gebeten.

Am 28.1.2003 hat daraufhin das Arbeitsgericht Passau folgenden Beschluss erlassen:

1. Dem Kläger wird antragsgemäß für seinen Klageantrag ab dem Zeitpunkt der Antragstellung (16. Januar 2003) Prozesskostenhilfe bewilligt.

2. Ihm wird sein Treuhänder, , Rechtsbeistand und Mitglied der Rechtsanwaltskammer, zur unentgeltlicher Wahrnehmung seiner rechte beigeordnet.

3. Eine Ratenzahlungsbestimmung ist nach den derzeitigen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen des Klägers nicht veranlasst.

Mit Schriftsatz vom 11.2.2003 hat der Antragsteller daraufhin die Festsetzung der entstandenen Gebühren durch die Staatskasse beantragt und dabei insgesamt EUR 526,64 geltend gemacht.

Durch Beschluss vom 2.4.2003 hat die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle die Gebührenfestsetzung abgelehnt.

Dagegen hat der Antragsteller mit einem am 15.4.2003 bei dem Arbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz Erinnerung eingelegt, der der Kammervorsitzende des Arbeitsgerichts durch Beschluss vom 23.4.2003 nicht abgeholfen hat.

Gegen den dem Antragsteller am 30.4.2003 zugestellten Beschluss hat dieser mit einem am 8.5.2003 bei dem Landesarbeitsgericht München eingegangenen Schriftsatz Beschwerde eingelegt.

II.

1. Die Beschwerde des Antragstellers ist gem. § 128 Abs. 4 Satz 1 BRAGO statthaft und gem. §§ 128 Abs. 4 Satz 2, 10 Abs. 3 Satz 4 BRAGO, 569 Abs. 1 und Abs. 2 ZPO auch sonst zulässig. Zwar deutet der Wortlaut der Entscheidung des Arbeitsgerichts durch die "Nichtabhilfe" darauf hin, dass das Arbeitsgericht die Erinnerung als Durchgriffserinnerung aufgefasst hat. Dies würde eine Zurückverweisung an das Arbeitsgericht erfordern. Insbesondere durch die Rechtsmittelbelehrung ist allerdings klargestellt, dass der Kammervorsitzende eine eigene Entscheidung getroffen und der Sache nach die Erinnerung des Antragstellers zurückgewiesen hat (§ 128 Abs. 3 BRAGO), so dass dieser dagegen zutreffend Beschwerde eingelegt hat.

2. Die Beschwerde des Antragstellers ist jedoch unbegründet.

Das Arbeitsgericht hat es im Ergebnis zu Recht abgelehnt, die durch den Antragsteller geltend gemachten Kosten gegen die Staatskasse festzusetzen. Denn gemäß § 128 Abs. 1 BRAGO kann nur der im Rechtsstreit beigeordnete Rechtsanwalt seine Ansprüche gegen die Staatskasse festsetzen lassen. Hier fehlt es jedoch an einem wirksamen Beiordnungsbeschluss gem. § 122 Abs. 1 BRAGO.

a) Allerdings hat das Arbeitsgericht zunächst alles getan, um einen derartigen Anspruch des Antragstellers entstehen zu lassen. Denn es hat in dem Beschluss vom 28.1.2003 ausdrücklich dem Kläger (= Gemeinschuldner) Prozesskostenhilfe bewilligt und ihm seinen Treuhänder zur unentgeltlichen Wahrnehmung seiner Rechte beigeordnet. Zwar ist dieser Beschluss in mehrfacher Hinsicht rechtswidrig.

aa) Denn zum einen hätte dem Gemeinschuldner schon überhaupt nicht Prozesskostenhilfe bewilligt werden können. Vielmehr hatte der Antragsteller als Treuhänder die gleiche Rechtstellung wie ein Insolvenzverwalter (vgl. Münch-Komm-InsO/Ott § 313 Rz. 9) und verfügte allein als Forderungsinhaber über das gesamte pfändbare Vermögen des Schuldners (vgl. Braun InsO 2. Aufl. § 292 Rn.11). Mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens ging die Vermögensverwaltung gem. § 80 InsO auf den Antragsteller über. Dieser war daher auch im Rechtsstreit Partei Kraft Amtes und übte die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis im eigenen Namen und aus eigenem Recht in eigener Parteistellung gerade unter Ausschluss des Gemeinschuldners und bisherigen Klägers aus (vgl. BGH NJW 1984, 739). Allein ihm hätte daher Prozesskostenhilfe bewilligt werden können (vgl. BGH NJW 1991, 40).

bb) Zum anderen hätte Prozesskostenhilfe schon aus formellen und aus materiellen Gründen nicht bewilligt werden können. Denn an einer gerade auch im Insolvenzverfahren erforderlichen Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse gem. § 117 Abs. 2 ZPO (vgl. BGH MDR 2002, 1330) fehlt es ebenso wie es verwunderlich erscheint, wie das Gericht angesichts des vorliegenden Forderungsübergangs auf das Landratsamt eine Erfolgsaussicht gem. § 114 ZPO ohne weiteres positiv feststellen konnte.

cc) Dennoch würden allein diese Umstände einer Kostenfestsetzung des Antragstellers nicht entgegenstehen. Denn dann sind zwar sowohl Bewilligung der Prozesskostenhilfe wie Beiordnung des Antragstellers fehlerhaft erfolgt. Der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle muss aber auch eine fehlerhafte Beiordnung beachten. Auch eine fehlerhafte Bewilligung wie ein rechtswidriger Beiordnungsbeschluss binden den Kostenbeamten und sind im Kostenfestsetzungsverfahren nicht nachprüfbar (vgl. OLG Köln JurBüro 1997, 591; OLG Düsseldorf MDR 1989, 827; Hartmann KostG 33. Aufl. § 121 Rz. 9; § 122 Rn. 13).

b) Die gilt jedoch dann nicht, wenn der Beiordnungsbeschluss an einem besonders schwerwiegenden und offenkundigen Fehler leidet (vgl. OLG Schleswig JurBüro 1991, 228). Dies ist hier unabhängig von den bereits aufgezeigten Mängeln des Bewilligungsbeschlusses deshalb anzunehmen, weil das Arbeitsgericht mit dem Antragsteller einen Rechtsbeistand beigeordnet hat, was nach § 121 Abs. 1 ZPO ausgeschlossen ist. Die Möglichkeit der Beiordnung eines Rechtsbeistands ist hier nicht vorgesehen. Das muss erst recht im arbeitsgerichtlichen Verfahren gelten, wenn hier im Gegensatz zum zivilprozessualen Verfahren schon eine Prozessvertretung durch Rechtsbeistände gem. § 11 Abs. 3 ArbGG ausgeschlossen ist (vgl. Germelmann/Matthes/Prütting/Müller-Glöge ArbGG 4. Aufl. § 11 Rn. 37 m. w. N.). Die Beiordnung einer gesetzlich dazu nicht vorgesehenen Person ist unwirksam (vgl. Kalthoener/Büttner/Wrobel-Sachs Prozesskostenhilfe und Beratungshilfe 3. Aufl. Rn. 611). Wir daher ein Rechtsbeistand zu Unrecht im Wege der Prozesskostenhilfe beigeordnet, geht der Staatshoheitsakt ins Leere, da er wegen des fehlenden gesetzlichen Kontrahierungszwangs keine Gestaltungswirkung entfalten kann. Im Festsetzungsverfahren sind der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle und das nachprüfende Gericht nicht zur Festsetzung einer Entschädigung analog §§ 121 ff. BRAGO ermächtigt (vgl. Riedel/Sußbauer/Schneider BRAGO 8. Aufl. vor § 121 Rn. 17; Göttlich/Mümmler BRAGO 20. Aufl. Rechtsbeistand 6.3). Demnach ist hier davon auszugehen, dass aufgrund des schwerwiegenden Mangels des Bewilligungsbeschlusses in Form der Beiordnung eines Rechtsbeistandes keine Bindungswirkung eingetreten ist.

3. Die Beschwerde des Antragstellers ist daher zurückzuweisen.

Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst (§ 128 Abs. 5 BRAGO).

Die Entscheidung ist unanfechtbar (§ 128 Abs. 4 Satz 3 BRAGO).

Ende der Entscheidung

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