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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht München
Beschluss verkündet am 14.02.2006
Aktenzeichen: 10 Ta 493/05
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 888
1. Aus einem Urteil auf Weiterbeschäftigung zu den arbeitsvertraglichen Bedingungen ist eine Zwangsvollstreckung unzulässig, wenn über den Inhalt der Bedingungen zwischen den Parteien gerade Streit besteht.

2. Führt ein Arbeitgeber eine Organisationsmaßnahme tatsächlich durch, die zu einem Verlust von Arbeitsplätzen führt, wird ihm die Weiterbeschäftigung eines Arbeitnehmers zu den bisherigen Arbeitsbedingungen unmöglich. Eine Zwangsvollstreckung aus einem Weiterbeschäftigungsurteil kommt in diesem Fall nicht mehr in Betracht.


LANDESARBEITSGERICHT MÜNCHEN BESCHLUSS

10 Ta 493/05

In Sachen

hat die 10. Kammer des Landesarbeitsgerichts München ohne mündliche Verhandlung am 14.02.2006 durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Moeller beschlossen:

Tenor: 1. Auf die sofortige Beschwerde des Beklagten wird der Beschluss des Arbeitsgerichts München vom 07.12.2005 (Az.: 25 Ca 15294/04) aufgehoben.

2. Der Antrag des Klägers auf Festsetzung von Zwangs-Mitteln gegen den Beklagten wird zurückgewiesen.

3. Der Kläger hat die Kosten des Vollstreckungsverfahrens zu tragen.

Gründe:

I.

Der Kläger ist seit 01.11.1988 bei dem Beklagten als Lehrer beschäftigt. Der Kläger ist Diplom-Soziologe mit betriebswirtschaftlichen und sozialpädagogischen Schwerpunkt. Rechtsgrundlage des Arbeitsverhältnisses der Parteien ist ein zwischen ihnen am 02.11.1988 geschlossener Arbeitsvertrag, in dem es u. a. wie folgt heißt:

1. Herr P. wird mit Wirkung vom 01. November 1988 als Fachlehrer im Bereich Förderungslehrgang (Informationstechnische Grundbildung) des angestellt.

. . .

3. Der Mitarbeiter erklärt sich ausdrücklich damit einverstanden, dass dieses Arbeitsvertragsverhältnis mit dem dann mit der vertraglichen Kündigungsfrist endet, wenn die Arbeitsbehörden ihm oder dem Förderungslehrgang des die Arbeitserlaubnis entzieht und wenn die Förderung durch die Arbeitsbehörden eingestellt wird.

. . .

Durch Erlass der Bundesagentur für Arbeit wurden bisher in Trägerschaft des Beklagten durchgeführte Maßnahmen zum 31.07.2004 eingestellt. Mit Schreiben vom 19.07.2004 informierte die Bundesagentur für Arbeit den Beklagten zu den für den Raum München gehörenden Losen 253 und 254, dass er bei einer Neuvergabe nicht mehr berücksichtigt werde. Am 21.07.2004 beschloss daraufhin der Vorstand des Beklagten, den Bereich Förderungslehrgang / BBE - Maßnahmen zu schließen und allen im Bereich des Förderungslehrgangs beschäftigen Mitarbeitern betriebsbedingt zu kündigen.

Unter anderem wurde auch der Kläger mit Schreiben vom 07.09.2004 zum 31.03.2005 außerordentlich mit sozialer Auslauffrist gekündigt.

Auf die vom Kläger erhobenen Klage hat das Arbeitsgericht München am 09.08.2005 wie folgt entschieden:

1. Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis nicht durch die Kündigung des Beklagten vom 7. September 2004 aufgelöst wird.

2. Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis nicht durch den Eintritt einer auflösenden Bedingung mit Ablauf des 31. März 2005 beendet wird.

3. Der Beklagte wird verurteilt, den Kläger bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzverfahrens zu seinen arbeitsvertraglichen Bedingungen weiter zu beschäftigen.

. . .

Die Berufung des Beklagten gegen dieses Urteil ist bei dem Landesarbeitsgericht München unter dem Aktenzeichen 11 Sa 946/05 anhängig.

Der Kläger betreibt aus Ziffer 3) des Urteils die Zwangsvollstreckung.

Durch Beschluss vom 07.12.2005 hat das Arbeitsgericht München gegen den Beklagten ein Zwangsgeld in Höhe von EUR 5.000,00 und im Fall seiner Uneinbringbarkeit für je EUR 100,00 einen Tag Zwangshaft festgesetzt.

Gegen den dem Beklagten am 09.12.2005 zugestellten Beschluss hat dieser mit einem am 22.12.2005 eingegangenen Schriftsatz sofortige Beschwerde eingelegt. Zur Begründung trägt er vor, eine Zwangsvollstreckung sei bereits deshalb unzulässig, weil es an einer hinreichend bestimmten Verurteilung fehle. Außerdem sei dem Beklagten die Beschäftigung des Klägers unmöglich.

Der Kläger bittet um Zurückweisung der Beschwerde. Er sei trotz der Formulierung im Arbeitsvertrag nie allein nur Stütz- und Förderlehrer für informationstechnische Grundbildung gewesen. Für eine solche Tätigkeit bestehe auch nach wie vor Bedarf bei dem Beklagten.

II.

1. Die gem. § 793 ZPO i.V.m. § 567 Abs. 1 Nr. 1 ZPO statthafte Beschwerde ist form- und fristgerecht eingelegt worden (§§ 569 Abs. 1 und Abs. 2 ZPO) und damit auch sonst zulässig.

2. Die sofortige Beschwerde des Beklagten ist auch begründet.

Die Zwangsvollstreckung aus Ziffer 3) des Urteils des Arbeitsgerichts vom 09.08.2005 ist unzulässig. Zu Recht macht der Beklagte sowohl die Unbestimmtheit des Titels wie auch den Umstand geltend, dass dem Beklagten die Beschäftigung des Klägers unmöglich ist.

a) Voraussetzung einer Zwangsvollstreckung ist das Vorliegen eines zur Zwangsvollstreckung geeigneten Titels.

aa) Ein solcher ist nur gegeben, wenn die ausgeurteilte Verpflichtung ausreichend bestimmt ist. Der Vollstreckungstitel selbst muss den im Wege der Zwangsvollstreckung durchsetzbaren Anspruch ausweisen und Inhalt sowie Umfang der Leistungspflicht bezeichnen. Der Titel muss aus sich heraus bestimmt sein und für jeden Dritten erkennen lassen, was der Gläubiger vom Schuldner verlangen kann (vgl. BAG vom 28.02.2003 - AP Nr. 13 zu § 78 ArbGG 1979; OLG Nürnberg RPfl 1990, 306 m. w. N.). Es genügt nicht, wenn die Leistung nur aus dem Inhalt anderer Schriftstücke ermittelt werden kann.

bb) Ein derart bestimmter Titel liegt hier nicht vor.

(1) Das Arbeitsgericht hat den Beklagten verurteilt, den Kläger bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzverfahrens zu seinen arbeitsvertraglichen Bedingungen weiterzubeschäftigen. Die danach für den Beklagten bestehende Verpflichtung ist nicht ausreichend bestimmt. Denn dies ist bei einem Beschäftigungsanspruch dann nicht der Fall, wenn die Parteien über die Einzelheiten der Beschäftigung des Arbeitnehmers gerade streiten (vgl. LAG Nürnberg NZA 1993, 864; LAG Frankfurt BB 1989, 1761; dass. NZA 1988, 175; LAG Rheinland-Pfalz NZA 1986, 196). In diesem Fall sind die Einzelheiten der Beschäftigung im Antrag wie in der Entscheidung des Gerichts konkret anzugeben (vgl. Ehler BB 1996, 376). Denn der Beklagte muss erkennen können, welche Maßnahmen von ihm verlangt werden, mit welchen Tätigkeiten er also den Kläger beschäftigen soll (vgl. BAG vom 25.04.2001 - AP Nr. 33 zu § 253 ZPO; BGH NJW 1999, 3638).

(2) Dies gilt auch hier. Im Arbeitsvertrag der Parteien, auf den die Beschäftigungsverpflichtung des Arbeitsgerichts Bezug nimmt, ist die Tätigkeit des Klägers als "Fachlehrer im Bereich Förderungslehrgang (informationstechnische Grundbildung)" angegeben. Das Arbeitsgericht geht selbst davon aus, dass jedenfalls bei dem Beklagten diese konkrete Tätigkeit nicht mehr ausgeübt wird. Der Beklagte trägt vor, dass es überhaupt keine Möglichkeit gebe, den Kläger noch bei dem Beklagten einzusetzen, während der Kläger davon ausgeht, er sei nie allein nach der Formulierung in seinem Arbeitsvertrag eingesetzt worden sondern sei in vielen Bereichen weit über die Beschreibung im Arbeitsvertrag bei dem Beklagten tätig geworden, wofür auch nach wie vor Bedarf bestehe. Dies macht überdeutlich, dass auch nach dem Beschäftigungstitel des Arbeitsgerichts gerade Streit darüber besteht, in welcher Art und Weise oder auf welchen Arbeitsplätzen der Kläger tatsächlich beschäftigt werden soll. Dieser Streit kann und darf nicht im Vollstreckungsverfahren entschieden werden (vgl. BAG vom 28.02.2003 - a. a. O.).

b) Darüber hinaus kommt die Zwangsvollstreckung auch deshalb nicht in Betracht, weil sie dem Beklagten unmöglich ist.

aa) Es entspricht ganz überwiegender Auffassung in Rechtsprechung und Schrifttum, dass eine Zwangsvollstreckung nach § 888 ZPO nicht zulässig ist, wenn die zu erbringende Handlung dem Schuldner (nicht mehr) möglich ist (vgl. LAG München vom 23.03.2005 - 9 Ta 71/05; LAG Köln vom 24.10.1995 - LAGE Nr. 36 zu § 888 ZPO). Insbesondere kommt auch die aus einem auf unveränderte Weiterbeschäftigung gerichteten Titel erfolgende Zwangsvollstreckung nicht mehr in Betracht, wenn der entsprechende Arbeitsplatz ersatzlos weggefallen ist (vgl. LAG Köln vom 23.08.2001 - NZA-RR 2002, 214; LAG Köln vom 26.10.1998 - MDR 1999, 303; LAG Berlin vom 06.06.1986 - LAGE Nr. 7 zu § 888 ZPO; LAG Hamm vom 29.11.1985 LAGE Nr. 5 zu § 888 ZPO). Auch die erkennende Kammer vertritt dies in ständiger Rechtsprechung (zuletzt Urteil vom 11.06.2003 - 10 Sa 378/03).

bb) Der Beklagte hat von Anfang an geltend gemacht, aufgrund seiner Entscheidung, den Bereich Förderungslehrgang zu schließen, sei eine Weiterbeschäftigung des Klägers nicht mehr möglich. Auch wenn das Arbeitsgericht diese Entscheidung als missbräuchlich und damit nicht verbindlich angesehen hat, was im Berufungsverfahren erst noch zu prüfen sein wird, hat der Beklagte diese jedenfalls durchgeführt. Damit entfällt die bisherige Beschäftigungsmöglichkeit des Klägers. Dabei spielt es auch keine Rolle, dass der Beklagte durch seine Entscheidung die Unmöglichkeit selbst herbeigeführt hat. Dass er diese Maßnahme gezielt allein deshalb ergriffen hat, um den Beschäftigungsanspruch der Arbeitnehmer zu vereiteln, liegt schon aufgrund der Maßnahmen der Bundesagentur für Arbeit äußerst fern. Solange daher nicht feststeht, dass der Arbeitsplatz doch noch vorhanden ist und nicht durch eine vorangegangene Unternehmerentscheidung entfallen ist, darf der Arbeitgeber nicht gezwungen werden, seine auf unternehmerischer Freiheit beruhende Entscheidung zurückzunehmen und den alten Organisationszustand wieder herzustellen. Eine Zwangsvollstreckung darf in diesem Fall nicht durchgeführt werden (vgl. LAG München vom 23.03.2005 - 9 Ta 71/05; LAG München vom 11.06.2003 - 10 Sa 378/03, LAG Köln vom 23.08.2001 - a. a. O.; LAG Köln vom 24.10.1995 - a. a. O.).

3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO.

Gegen diesen Beschluss ist kein Rechtsmittel gegeben, nachdem die Zulassung der Rechtsbeschwerde nicht veranlasst ist.

Ende der Entscheidung

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