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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht München
Urteil verkündet am 28.01.2009
Aktenzeichen: 11 Sa 539/08
Rechtsgebiete: BGB, ZPO


Vorschriften:

BGB § 1004
ZPO § 138 Abs. 2
Die Entscheidung befasst sich mit einem behaupteten Anspruch eines Arbeitnehmers auf Entfernung einer Abmahnung aus der Personalakte sowie auf Widerruf derselben.
Landesarbeitsgericht München Im Namen des Volkes URTEIL

11 Sa 539/08

Verkündet am: 28.01.2009

In dem Rechtsstreit

hat die 11. Kammer des Landesarbeitsgerichts München auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 28. Januar 2009 durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Dr. Obenaus und die ehrenamtlichen Richter Bunge und Lerchl

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Die Berufung des Klägers gegen das Endurteil des Arbeitsgerichts München vom 29. April 2008, Az.: 25 Ca 16786/07, wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.

2. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten darüber, ob eine vom Arbeitgeber erteilte Abmahnung zu entfernen und zu widerrufen ist.

Der Auseinandersetzung liegt im Wesentlichen folgender Sachverhalt zu Grunde:

Der am 0.0.1966 geborene Kläger ist seit 1. Oktober 1987 bei der Beklagten als Rangierarbeiter zu einer monatlichen Bruttovergütung von zuletzt 0,00 € beschäftigt. Mit Schreiben vom 10. September 2007 erteilte die Beklagte dem Kläger eine Abmahnung mit dem Inhalt, dass er unentschuldigt nicht zu einer arbeitsmedizinischen Untersuchung mit anschließendem Personalgespräch am 10. September 2007 erschienen sei. Wegen des Inhalts der Abmahnung wird auf Blatt 5 d. A. Bezug genommen.

Mit seiner am 7. Dezember 2007 beim Arbeitsgericht München eingegangenen Klage vom 4. Dezember 2007 hat der Kläger die Verurteilung der Beklagten zur Entfernung der bezeichneten Abmahnung aus der Personalakte sowie zu deren Widerruf begehrt.

Zur Begründung hat er ausgeführt, die ausgesprochene Abmahnung sei rechtlich zu beanstanden. Sie sei insbesondere wegen Verstoßes gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit unberechtigt. Im Übrigen fehle es an hinreichenden Konkretisierungen der Leistungsmängel. Der Entfernungsanspruch sei nicht nur auf Abmahnungen mit unzutreffenden Tatsachenbehauptungen beschränkt, sondern erfasse auch Abmahnungen mit bloß unzutreffenden Bewertungen.

Der Kläger hat in erster Instanz beantragt:

1. Die Beklagte wird verurteilt, die Abmahnung vom 10. September 2007 aus der Personalakte zu entfernen.

2. Die Beklagte wird verurteilt, den Inhalt der Abmahnung vom 10. September 2007 mit Außenwirkung zu widerrufen.

Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt und erwidert, die Klage sei unschlüssig, weil sie keinen substanziierten Vortrag enthalte, dass die Abmahnung unwahre Tatsachen enthalte. Sie sei auch nicht unverhältnismäßig.

Das Arbeitsgericht München hat die Klage mit Endurteil vom 29. April 2008, das dem Kläger am 13. Mai 2008 zugestellt wurde, in vollem Umfang abgewiesen.

Zur Begründung hat es ausgeführt, es sei zwar richtig, dass eine unverhältnismäßige Abmahnung aus der Personalakte zu entfernen sei. Anhaltspunkte hierfür habe der Kläger jedoch nicht schlüssig vorgetragen. Die Abmahnung sei auch inhaltlich hinreichend bestimmt und nicht unverhältnismäßig. Ein Widerrufsanspruch scheide aus, weil ein rechtswidriger Eingriff in das Persönlichkeitsrecht nicht dargelegt und auch nicht ansatzweise dargestellt sei, dass die Abmahnung Außenwirkung entfaltet habe.

Gegen die Klageabweisung wendet sich der Kläger mit seiner am 6. Juni 2008 beim Landesarbeitsgericht München eingegangenen Berufung vom selben Tag, die er mit Schriftsatz vom 14. August 2008, der am selben Tag beim Landesarbeitsgericht eingegangen ist, begründet hat.

Unter Vertiefung und teilweiser Wiederholung seines erstinstanzlichen Vortrags macht der Kläger geltend, er habe einen Verkehrsunfall gehabt, sei danach in ärztlicher Behandlung gewesen und habe infolgedessen nicht zur betriebsärztlichen Untersuchung erscheinen können. Mit Schreiben vom 18. September 2007 habe er das der Beklagten auch mitgeteilt. Außerdem sei die Ladungsfrist zu kurz gewesen. Er bestreite auch den Zugang der Ladung.

Die Beklagte habe seine Arbeitsunfähigkeit vom 10. bis 14. September 2007 nicht bestritten. Er habe daher an dem Termin nicht teilnehmen können. Ihre Forderung, sich beim Betriebsarzt zu melden, sei unverhältnismäßig, weil er für seine Krankheiten regelmäßig Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen vorgelegt habe. Die Ausführungen des Arbeitsgerichts zur Meldepflicht könnten theoretisch richtig sein. Sie passten jedoch nicht auf seinen Fall, weil er wegen Krankheit sowieso nicht eingeteilt worden sei.

Der Kläger beantragt:

1. Das Urteil des Arbeitsgerichts München vom 29. April 2008, Az.: 25 Ca 16786/07, wird aufgehoben.

2. Die Beklagte wird verurteilt, die Abmahnung vom 10. September 2007 aus der Personalakte zu entfernen.

3. Die Beklagte wird verurteilt, den Inhalt der Abmahnung vom 10. September 2007 mit Außenwirkung zu widerrufen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Zur Begründung führt sie aus, der Kläger habe entgegen seiner Behauptung seinem zuständigen Vorgesetzten nicht telefonisch Mitteilung gemacht. Er habe auch kein polizeiliches Protokoll oder eine Meldung der Versicherung vorgelegt, aus der sich der behauptete Verkehrsunfall ergebe. Die vorgelegte Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung könne die Pflichtverletzung des Klägers nicht entschuldigen. Ausreichend sei allenfalls eine Bescheinigung des behandelnden Arztes, aus der sich ergebe, dass der Kläger aufgrund seines spezifischen Krankheitszustandes nicht in der Lage gewesen sei, den Untersuchungstermin wahrzunehmen, so etwa wenn er bettlägerig oder gehunfähig gewesen sei. Die Nichtbeachtung der Meldepflicht und sein Nichterscheinen habe auch zu betrieblichen Auswirkungen geführt. Der frei gewordene Untersuchungstermin habe nicht rechtzeitig durch Einplanung eines anderen Untersuchungstermins genutzt werden können. Im Übrigen sei dieser Arzttermin erforderlich gewesen, um die Voraussetzung zu schaffen, den Kläger wieder vertragsgemäß beschäftigen zu können. Aufgrund eines am 20. November 2006 ausgestellten betriebsärztlichen Gutachtens habe er nämlich nicht mehr allein im Rangierbetrieb eingesetzt werden können. Unter den gegebenen Umständen habe gemäß § 4 MTV DB Services ein begründeter Anlass bestanden, ihn zur betriebsärztlichen Untersuchung einzuladen. Da das zum Zeitpunkt des 10. September 2007 bestehende betriebsärztliche Gutachten vom 20. November 2006 im Oktober 2007 geendet habe, habe die Beklagte eine erneute Tauglichkeitsuntersuchung des Klägers gemäß der bei ihr geltenden Konzernrichtlinie "Tauglichkeit und Eignung feststellen 107.000" durchführen lassen müssen. Die Einladung zum Personalgespräch sei im Rahmen eines betrieblichen Eingliederungsmanagements erfolgt, weil der Kläger im Jahre 2007 an 195 Tagen arbeitsunfähig erkrankt gewesen sei, also länger als sechs Wochen.

Der Kläger erwidert, er habe seien Nichterscheinen am Arbeitsort seinem Dienststellenleiter Herrn K. mitgeteilt. Für den Fall, dass der Zeuge K. sich an eine derartige Abmeldung nicht erinnern könne, könne ergänzend zu seiner, des Klägers, Entschuldigung vorgetragen werden, dass er aufgrund des gerade erlittenen Verkehrsunfalls seine Gedanken woanders gehabt habe, als dabei, seinen Arbeitgeber zu informieren. Es werde nachdrücklich beantragt, seinen behandelnden Arzt als Zeuge zu vernehmen. Vorsorglich entbinde er ihn von jeglicher ärztlichen Schweigepflicht bezüglich der Diagnose vom 10. September 2007.

Die Beklagte erwidert, aus der Darlegung des Klägers gehe nicht hervor, dass er gerade zum Zeitpunkt der betriebsärztlichen Untersuchung beim Arzt gewesen sei. Der Anruf bei Herrn K. werde bestritten.

Hinsichtlich des weiteren Vorbringens der Parteien in der Berufungsinstanz wird auf die gewechselten Schriftsätze ergänzend Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

I.

Die Berufung ist zulässig. Sie ist statthaft nach § 64 Abs. 1 und 2 b) ArbGG und auch im Übrigen zulässig, insbesondere in der gesetzlichen Form und der vorgeschriebenen Frist eingelegt und begründet worden (§§ 11 Abs. 2 ArbGG, 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG i.V.m. §§ 519 Abs. 2, 520 Abs. 3 ZPO, § 66 Abs. 1 Sätze 1, 2, 5 ArbGG i.V.m. § 222 ZPO).

II.

Die Berufung ist zulässig, jedoch unbegründet.

1. Entfernung der Abmahnung aus der Personalakte

Das Arbeitsgericht hat zu Recht und mit zutreffender Begründung die Klage abgewiesen. Ein Entfernungsanspruch besteht nicht.

Das Berufungsgericht schließt sich der Begründung des Erstgerichts in vollem Umfang an und sieht von einer eigenen Darstellung der Entscheidungsgründe ab (§ 69 Abs. 2 ArbGG).

Ergänzend ist im Hinblick auf das Berufungsvorbringen lediglich Folgendes auszuführen:

a) Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts kann sich ein Arbeitnehmer gegen die aus seiner Sicht unberechtigte Abmahnung auch durch Erhebung einer Klage auf Entfernung der Abmahnung aus der Personalakte zur Wehr setzen kann. Einer derartigen Klage fehlt nicht das erforderliche Rechtsschutzbedürfnis. Die Zulässigkeit einer solchen Klage ist auch nicht dadurch ausgeschlossen, dass der Arbeitnehmer berechtigt ist, eine Gegendarstellung zur Personalakte abzugeben und/oder die Berechtigung einer Abmahnung in einem späteren Kündigungsschutzprozess nachprüfen zu lassen. Das Rechtsschutzinteresse an der Entfernung der Abmahnung aus der Personalakte ist darin zu sehen, dass eine unberechtigte Abmahnung die Grundlage für eine falsche Beurteilung des Arbeitnehmers sein kann und eine solche Gefahr seit ihrer Einfügung in die Personalakte besteht (vgl. BAG, Urt. vom 27.11.1985, Az.: 5 AZR 101/84, NZA 86, 227 m.w.N). Auch eine nachfolgende Kündigungsschutzklage gegen eine zwischenzeitlich ausgesprochene Kündigung - wie im vorliegenden Fall - vermag diese möglichen Nachteile nicht zu beseitigen. Denn auch bei einer für den Arbeitnehmer günstigen Entscheidung im Kündigungsschutzverfahren bleibt die unberechtigte Abmahnung in den Personalakten und kann sich weiterhin nachteilig für ihn auswirken. Dem Arbeitnehmer kann daher nicht verwehrt werden, die Rechtmäßigkeit der Abmahnung weiterhin selbstständig überprüfen zu lassen (BAG, Urt. vom 13.10.1988, Az.: 6 AZR 144/85, NZA 89, 716).

aa) Die Rechtswidrigkeit einer Abmahnung kann darauf beruhen, dass der Arbeitgeber von einer unzutreffenden Tatsachengrundlage ausgeht, indem die vom Arbeitgeber angenommene Pflichtverletzung der Sache nach zwar abmahnungswürdig ist, der Arbeitnehmer aber diese Pflichtverletzung nicht begangen hat.

bb) Die Rechtswidrigkeit kann weiterhin auf einer unzutreffenden rechtlichen Würdigung des Verhaltens des Arbeitnehmers durch den Arbeitgeber beruhen, der Arbeitnehmer also das beanstandete Verhalten nachweisbar begangen hat, dieses aber entgegen der Auffassung des Arbeitgebers vertragsgemäß ist.

cc) Die Abmahnung kann auch deshalb rechtswidrig sein, weil sich der Arbeitgeber mit ihr zu seinem übrigen Verhalten, aus dem der Arbeitnehmer entnehmen konnte, der Arbeitgeber werde über seine Handlungsweise hinwegsehen, in einer gegen Treu und Glauben verstoßenden Weise in Widerspruch setzt.

dd) Schließlich ist bei Abmahnungen im Arbeitsverhältnis der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu berücksichtigen. Danach ist die Ausübung eines Rechts unzulässig, wenn sie der Gegenseite unverhältnismäßig große Nachteile zufügt und andere, weniger schwerwiegende Maßnahmen möglich gewesen wären, die den Interessen des Berechtigten ebenso gut Rechnung getragen hätten oder ihm zumindest zumutbar gewesen wären.

Dieser Grundsatz der Verhältnismäßigkeit wird als Übermaßverbot zur Vermeidung von schwerwiegenden Rechtsfolgen bei nur geringfügigen Rechtsverstößen verstanden. Hiernach hat der Arbeitgeber im Rahmen der ihm zustehenden Freiheit der Meinungsäußerung (Art. 5 Abs. 1 GG) zunächst selbst zu entscheiden, ob er ein Fehlverhalten des Arbeitnehmers missbilligen will und ob er deswegen eine mündliche oder schriftliche Abmahnung erteilen will (BAG, Urt. vom 13.11.1990, Az.: 5 AZR 74/91, NZA 92, 690 m.w.N.).

b) Unter keinem der genannten Gesichtspunkte erweist sich die streitgegenständliche Abmahnung als unrechtmäßig.

aa) Die Abmahnung geht entgegen der Behauptung des Klägers nicht von einer unrichtigen Tatsachengrundlage aus.

Es ist zwar richtig, dass die Arbeitgeberin für die in der Abmahnung enthaltenen Tatsachen darlegungs- und beweispflichtig ist und der Kläger die in der Abmahnung enthaltenen Behauptungen, insbesondere die Behauptungen, er sei unentschuldigt nicht zum Arzttermin erschienen und habe keine Mitteilung gemacht, bestritten hat.

Der Umfang der Beweislast richtet sich allerdings danach, wie substanziiert sich der Arbeitnehmer auf den erhobenen Vorwurf einlässt. Der Arbeitgeber muss beim Vorwurf einer Pflichtverletzung, die er zum Anlass einer Abmahnung nimmt, nicht von vornherein alle nur denkbaren Rechtfertigungsgründe widerlegen. Der Arbeitnehmer ist im Prozess um die Entfernung der Abmahnung nach § 138 Abs. 2 ZPO verpflichtet, wenn er den Vorwurf bestreiten will, unberechtigt einer arbeitsvertraglichen Verpflichtung nicht nachgekommen zu sein, dies unter genauer Angabe der Gründe, die ihn daran gehindert haben, der Verpflichtung nachzukommen, zu tun (vgl. für den Fall der abgestuften Darlegungs- und Beweislast im Kündigungsschutzprozess: BAG Urt. vom 12.08.1976, Az.: 2 AZR 237/75, NJW 77, 167).

Die Beklagte hat bezüglich der in der Abmahnung enthaltenen tatsächlichen Feststellungen spezifiziert vorgetragen, ohne dass der Kläger dem spezifiziert entgegengetreten ist, so dass ihre Behauptungen insoweit zu Grunde zu legen sind (§ 138 Abs. 2 ZPO).

Die Beklagte hat in der Abmahnung darauf hingewiesen, sie habe den Kläger mit Schreiben vom 4. September 2007 zu einer arbeitsmedizinischen Untersuchung und einem anschließenden Personalgespräch eingeladen, zu dem er ohne Entschuldigung nicht erschienen sei und diesbezüglich sich auch nicht bei ihr gemeldet habe. Er hat hierzu pauschal erwidert, er habe einen Verkehrsunfall gehabt, sei am 10. September 2007 beim Arzt gewesen, dieser habe eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung ausgestellt und im Übrigen habe er seinen Vorgesetzten K. informiert, jedenfalls habe er aber nach dem Unfall andere Dinge im Kopf gehabt, als beim Arbeitgeber Meldung zu machen.

Diese Behauptungen hat die Beklagte im Einzelnen bestritten, so dass es im Sinn einer abgestuften Darlegungs- und Beweislast Sache des Klägers gewesen wäre, im Einzelnen darzulegen, wann und wo sich der Unfall ereignet hat, woraus sich ergibt, dass mit der durch das vorgelegte Attest bescheinigten Arbeitsunfähigkeit auch eine Unfähigkeit verbunden war, den angesetzten Arzttermin und das anschließende Personalgespräch wahrzunehmen, ferner wann und von wo er seinen Vorgesetzten angerufen hat.

Der Kläger konnte weder zu dem behaupteten Unfallereignis noch zum Zeitpunkt des Besuchs beim Arzt spezifische Angaben machen.

Andererseits wäre es der Beklagten nur auf der Basis solcher Angaben möglich gewesen, Beweis dafür anzutreten, dass die behaupteten Entschuldigungsgründe nicht vorliegen. Nachdem der Kläger insoweit seiner Einlassungslast nicht nachgekommen ist, ist der Beurteilung die Tatsache zu Grunde zu legen, dass er unentschuldigt den vereinbarten Termin nicht wahrgenommen hat. In diesem Zusammenhang fällt auf, dass er widersprüchlich vorträgt, wenn er sagt, er habe seinen Vorgesetzten informiert, habe aber andere Sachen im Kopf gehabt, als seinen Vorgesetzten zu informieren, ferner wenn er bestreitet, die Benachrichtigung bezüglich des Arzttermins bekommen zu haben und andererseits feststellt, er habe seinen Vorgesetzten informiert, dass er den Termin nicht wahrnehmen könne.

bb) Die streitgegenständliche Abmahnung ist auch nicht wegen Verstoßes gegen das Übermaßverbot aus der Personalakte zu entfernen.

Die schriftliche Abmahnung der Beklagten ist nicht unverhältnismäßig im Vergleich zu dem beanstandeten Verhalten. Dass die Beklagte die Abmahnung in die Personalakte des Klägers aufgenommen hat, ist sachgerecht. Es muss ihr überlassen bleiben, ob sie dies aus Beweisgründen für erforderlich hält oder nicht. Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit setzt voraus, dass der Gläubiger - hier also die Beklagte - zwischen verschiedenen Reaktionsmöglichkeiten wählen kann (Ausweichprinzip).

Es ginge zu weit, der Beklagten die Abmahnung und die Aufnahme eines Vermerks hierüber in die Personalakte zu untersagen, weil man über den erhobenen Vorwurf auch hinwegsehen könnte. Damit würde sie zwangsläufig zu erkennen geben, sie nehme am unentschuldigten Nichterscheinen des Klägers zu dem nach der Vorgeschichte nunmehr anstehenden betriebsärztlichen Untersuchungstermin keinen Anstoß. Es war sogar ihre Obliegenheit, darauf hinzuweisen, dass sie dieses Verhalten beanstandete, wenn sie später aus einer gleichartigen Verletzung weitere Konsequenzen herleiten will (vgl. BAG, Urt. vom 13.11.1990, Az.: 5 AZR 74/91, NZA 92, 690).

Schließlich verletzt das Schreiben selbst auch nicht durch seine Form die Ehre des Klägers und verstößt daher auch in dieser Hinsicht nicht gegen das Übermaßverbot.

2. Verurteilung zum Widerruf der Abmahnung

Die Berufung ist insoweit unbegründet, weil die Klage auch insoweit unbegründet ist.

Es fehlt aus den Gründen, die bereits einen Entfernungsanspruch ausschließen, an einem rechtswidrigen Eingriff in das Persönlichkeitsrecht, d. h. an einer unrechtmäßigen Abmahnung. Darüber hinaus hat der Kläger auch nicht ansatzweise dargelegt, dass die Abmahnung Außenwirkung entfaltet.

Im Übrigen bestehen - ohne dass es hierauf im vorliegenden Rechtsstreit letztlich darauf ankommt - aus Sicht der Kammer auch Bedenken gegen die Zulässigkeit des Klageantrags.

Es ist zwar richtig, dass das Bundesarbeitsgericht in der bereits zitierten Entscheidung vom 27. November 1985, Az.: 5 AZR 101/84, NZA 86, 227 sowie weiteren Entscheidungen neben dem Entfernungsanspruch auch einen Rücknahme- bzw. Widerrufsanspruch bezüglich einer ungerechtfertigten Abmahnung anerkannt hat.

Dem folgt die Kammer jedoch aus folgenden Erwägungen nicht:

Mit der Abmahnung nimmt der Arbeitgeber sein vertragliches Rügerecht wahr. Gleichzeitig schafft er mit ihr die von der Rechtsprechung bei verhaltensbedingten Kündigungen im Regelfall geforderte Voraussetzung einer erfolglosen Abmahnung. Damit handelt es sich bei der Abmahnung um eine Behauptung, die zwingend der Rechtsverfolgung in einem möglichen späteren Kündigungsschutzverfahren dient.

Gegen eine Behauptung, die der Rechtsverfolgung in einem späteren Verfahren dient, können nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs Abwehransprüche, also insbesondere auch Unterlassungsansprüche bzw. weitergehend Widerrufsansprüche, grundsätzlich nicht mit Erfolg erhoben werden. Dem liegt die Erwägung zugrunde, dass auf den Ablauf eines gerichtlichen Verfahrens nicht dadurch Einfluss genommen oder seinem Ergebnis nicht dadurch vorgegriffen werden darf, dass ein an diesem Verfahren in irgendeiner Weise Beteiligter durch Unterlassungs- oder Widerrufsansprüche in seiner Äußerungsfreiheit eingeengt wird (BGH, Urt. vom 09.04.1987, Az.: I ZR 44/85, NJW 1987, 3138 m.w.N.).

Zwar ergibt sich das Rechtsschutzinteresse für eine Leistungsklage im Regelfall schon aus der Nichterfüllung des behaupteten materiellen Anspruchs, dessen Vorliegen für die Prüfung des Interesses an seiner gerichtlichen Durchsetzung zu unterstellen ist. Doch gilt dies nicht ausnahmslos, da besondere Umstände das Rechtsschutzbedürfnis auch für eine Leistungsklage entfallen lassen können. Das Erfordernis eines Rechtsschutzbedürfnisses soll nämlich verhindern, dass Rechtsstreitigkeiten in das Stadium der Begründetheitsprüfung gelangen, die ersichtlich des Rechtsschutzes durch eine solche Prüfung nicht bedürfen.

Um einen solchen Fall handelt es sich hier.

Unterlassungsansprüche gegen Vorbringen in einem anderen Verfahren oder zur Vorbereitung eines anderen Verfahrens sind grundsätzlich unabhängig von einer Interessenabwägung und sonstiger Sachprüfung im Einzelfall von der gerichtlichen Überprüfung ausgeschlossen. Der von ihnen ausgehende Rechtszwang würde einen unzulässigen Übergriff in ein anderes Verfahren, nämlich das Kündigungsschutzverfahren, darstellen und kann nicht als geeignetes Mittel zur Beseitigung oder Verhinderung eines Störzustandes angesehen werden (vgl. BGH a.a.O.). Den berechtigten Interessen des Arbeitnehmers ist mit dem gerichtlich durchsetzbaren Anspruch auf Entfernung einer Abmahnung aus der Personalakte ausreichend Rechnung getragen.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO.

IV.

Da dem Rechtsstreit über die Klärung der streitgegenständlichen Fragen hinaus keine grundsätzliche Bedeutung zukommt, besteht für die Zulassung der Revision gemäß § 72 Abs. 2 ArbGG keine Veranlassung. Gegen dieses Urteil ist deshalb die Revision nur gegeben, wenn sie das Bundesarbeitsgericht auf Grund einer Nichtzulassungsbeschwerde, auf deren Möglichkeit und Voraussetzungen gemäß § 72 a ArbGG hingewiesen wird, zulassen sollte.

Ende der Entscheidung

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