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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht München
Urteil verkündet am 29.07.2009
Aktenzeichen: 11 Sa 801/08
Rechtsgebiete: KSchG, BetrVG


Vorschriften:

KSchG § 1
BetrVG § 102
Einzelfallentscheidung zur Ordnungsmäßigkeit einer Betriebsratsanhörung im Zusammenhang mit einer ordentlichen verhaltensbedingten Arbeitgeberkündigung; der Arbeitgeber konnte nicht unter Beweis stellen, dass dem Betriebsrat im Rahmen der Anhörung eine den gekündigten Arbeitnehmer entlastende Gegendarstellung übergeben worden war.
Landesarbeitsgericht München Im Namen des Volkes URTEIL

11 Sa 801/08

Verkündet am: 29.07.2009

In dem Rechtsstreit

hat die 11. Kammer des Landesarbeitsgerichts München auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 01.07.2009 durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Dr. Obenaus und die ehrenamtlichen Richter Hermann und Blöchl

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Die Berufung der Beklagten gegen das Endurteil des Arbeitsgerichts München - Kammer Ingolstadt -, Az.: 10 b Ca 1876/07 I, wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.

2. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten über die Rechtswirksamkeit einer ordentlichen Arbeitgeberkündigung.

Der Auseinandersetzung liegt im Wesentlichen folgender Sachverhalt zu Grunde:

Der am 00.00.0000 geborene Kläger ist seit 1. September 2001 bei der Beklagten zuletzt als Fachreferent in der Organisationseinheit A.-S. Systemtechnik zu einem monatlichen Bruttogehalt von 5.683,34 € beschäftigt. Die Beklagte beschäftigt mehr als zehn Arbeitnehmer. Der Kläger ist verheiratet und einem dreijährigen Kind unterhaltsverpflichtet.

In der Abteilung, in der der Kläger beschäftigt ist, kam es zwischen dem Kläger und verschiedenen Mitarbeitern und Vorgesetzten des Klägers zu Spannungen. Am 14.08.2007 schickte der Kläger Herrn E. K., einem Vorgesetzten des Klägers eine E-Mail, die insbesondere folgende Ausführungen beinhaltet:

"Da C. ein "Nein" von mir nicht akzeptiert und die normale Sprache nicht versteht, muss ich mal wieder zu solch extremen Handlungen greifen...". "Daher hoffe ich, dass Sie C. zurückrufen, bevor dieses alte Thema erstmalig bei Herrn F. aufschlägt. In meiner derzeitigen Verfassung sollten Sie mit allem rechnen. In Plauderlaune könnte ich es mir evtl. auch nicht mehr verkneifen weitere Vorfälle in der Vergangenheit anzusprechen, da das alles dann wieder hochkommt. Durch die aufkochenden Emotionen, hätte ich sicher meine Probleme, mich selbst zu kontrollieren, da ich grundsätzlich auch keine Angst vor Verlusten habe. Das ist immer eine schlechte Kombination und eine große Schwäche von mir. Das Ganze könnte demnach schnell ganz andere Dimensionen und Ausmaße annehmen. Verstehen Sie das nicht als Drohung, sondern als Einschätzung meines sehr wahrscheinlichen Verhaltens in der momentanen Situation. Daher sehe ich den Do.-Termin mit Herrn F. bereits als Eskalationstermin, wenn C. heute nicht überzeugt werden kann."

Unter dem 31.10.2007 sandte der Kläger an die Mitarbeiter K., B. und F. sowie an seine Vorgesetzten E. K. und U. F. eine weitere E-Mail, in der der Kläger insbesondere folgendes erklärte:

"...Wo ist Euer Problem? Ich verlange doch nicht Unmögliches, sondern das was zu jeder Termineinladung gehört. Nämlich Inhalt und Ziel. Ihr habt diesen Weg eingeschlagen - jetzt müsst Ihr auch dahinter stehen und die Hosen runter lassen!... Wenn jedoch von Seiten Herrn F. dieser Weg entschieden ist, werde ich mich verteidigen und müsste dann meine ehemaligen Vorgesetzten K. und B. stark belasten. Die Situation scheint zu eskalieren. Insofern werde ich mich zu verteidigen wissen. Was das bedeutet, könnt Ihr Euch denken. Wenn ich bis zum 26.11.2007 von Euch nichts Schriftliches bekomme, gehe ich davon aus, dass ich Euren Segen habe Euch belasten zu dürfen."

Eine Abmahnung hat die Beklagte gegenüber dem Kläger nicht ausgesprochen.

In einer E-Mail vom 07.11.2007 erklärte der Kläger unter anderem - adressiert an Herrn

K. - folgendes:

"Ich entschuldige mich hiermit direkt bei Ihnen für den Vorfall mit dem Deploymentthema von C.. Obwohl ich Punkte gegen C. Vorschlag sah, hätte ich das Gespräch mit Ihnen suchen müssen. Ich habe mich von C. Provokation verleiten lassen und habe die Beherrschung verloren und hätte solch ein Mailverkehr nicht schreiben dürfen. Bei der Art und Weise das Thema anzugehen bin ich einfach zu weit gegangen.

Es war sicherlich ein einmaliger Ausrutscher von mir und wird auch nicht mehr vorkommen."

Mit Schreiben vom 12.11.2007, dem Kläger zugegangen am 13.11.2007, sprach die Beklagte die ordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses zum 31.01.2008 aus.

Mit seiner beim Arbeitsgericht München am 23. November 2007 eingegangenen Klage vom selben Tag hat der Kläger die gerichtliche Feststellung begehrt, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung vom 12. November 2007 nicht aufgelöst worden ist.

Zur Begründung hat er ausgeführt, die Kündigung vom 12. November 2007 sei sozial nicht gerechtfertigt. Anlass für die wiedergegebenen E-Mails seien Probleme und Missstände in der Abteilung gewesen. Auch seien eingebrachte Ideen des Klägers nicht bzw. nur unzureichend prämiert worden. Die Position des "S. O." wolle er deshalb nicht ausüben, weil er in dieser Position bereits in der Vergangenheit negative Erfahrungen gesammelt habe. Einer ordnungsgemäßen Beteiligung des Betriebsrats bzw. des Personalausschusses, auf den in personellen Angelegenheiten die Aufgaben des Betriebsrats übertragen worden seien, sei nicht erfolgt. Insbesondere aber habe dem Personalausschuss die Stellungnahme des Klägers vom 7. November 2007 nicht vorgelegen.

Der Kläger hat erstinstanzlich beantragt,

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung der Beklagten vom 12. November 2007 nicht aufgelöst worden ist.

Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt und zur Begründung vorgetragen, der Kläger habe am 5. Oktober 2007 gegenüber seinem Vorgesetzten U. F. erklärt, er, der Kläger, habe innerlich gekündigt und er werde ihm Herrn F. Probleme bereiten, falls er, Herr F., versuche, seine Einstellung zur Arbeit ändern zu wollen. Zur Anhörung des Betriebsrats trägt die Beklagte vor, sie habe am 8. November 2007 über die E-Mails des Klägers vom 14. August und vom 31. Oktober 2007, über die sinngemäße Äußerung des Klägers vom 5. Oktober 2007 gegenüber seinem Vorgesetzten, Herrn F., er werde im Probleme bereiten, falls dieser versuchen werde, seine, des Klägers, Einstellung zur Arbeit ändern zu wollen, über den Inhalt der Stellungnahme des Klägers vom 7. November 2007 und über die Sozialdaten des Klägers insbesondere über seine Unterhaltspflicht gegenüber einem Kind sowie über den wesentlichen Inhalt der Personalakte unterrichtet.

Hinsichtlich des weiteren erstinstanzlichen Sach- und Rechtsvortrags der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.

Das Arbeitsgericht München hat der Klage mit Endurteil vom 30. Juli 2008, das dem Kläger am 8. August 2008 zugestellt wurde, stattgegeben.

Zur Begründung hat es ausgeführt, mit der unstreitigen Weigerung des Klägers, die ihm zugewiesene Aufgabe des "S. O." auszuführen, habe dieser seine arbeitsvertraglichen Verpflichtungen verletzt. Ein Leistungsverweigerungsrecht habe ihm nicht zugestanden. Außerdem habe er mit den Erklärungen in seinen E-Mails seine aus § 242 BGB folgende Treuepflicht verletzt. Inhalt der Treuepflicht sei u. a., sich als Arbeitnehmer gegenüber Mitarbeitern und Vorgesetzten neutral zu verhalten und sich eines sachlichen Umgangstones zu befleißigen. Zwar könnten Arbeitnehmer unternehmensöffentlich Kritik über den Arbeitgeber gegebenenfalls auch überspitzt äußern. In grobem Maße unsachliche Angriffe, die u. a. zur Untergrabung der Position des Vorgesetzten führen könnten, müsse der Arbeitgeber dagegen nicht hinnehmen. Die vom Kläger in den E-Mails gewählten Formulierungen hätten einen anmaßenden und drohenden Tonfall und seien daher grundsätzlich geeignet, die Stellung des Vorgesetzten des Klägers zu erschüttern. Gleichwohl sei die Kündigung sozial nicht gerechtfertigt. Auf Arbeitsverweigerung könne die Kündigung nicht gestützt werden, weil die Beklagte nicht vorgetragen habe, dass der Personalausschuss über die Arbeitsverweigerung des Klägers hinreichend unterrichtet worden sei. Dieser Kündigungsgrund könne nicht nachgeschoben werden, weil der Betriebsrat hierzu nicht angehört worden sei.

Auf die E-Mails könne die Kündigung nicht gestützt werden, weil sich den Darlegungen der Beklagten nicht entnehmen lasse, ob die Position der Vorgesetzten des Klägers durch das Verhalten des Klägers nachhaltig beeinträchtigt worden sei. Zu Gunsten des Klägers sei zu berücksichtigen, dass das Arbeitsverhältnis nahezu 6 Jahre störungsfrei verlaufen sei. Hierfür spreche auch die wohlwollende Beurteilung des Klägers im Zwischenzeugnis vom 14. April 2006. Außerdem sei zu Gunsten des Klägers zu würdigen, dass er als Familienvater gegenüber einem nicht schulpflichtigen Kind unterhaltsverpflichtet ist. Ferner sei bei der Interessenabwägung von Bedeutung, dass die Beklagte auf die E-Mail vom 14. August 2007 und die angebliche Äußerung vom 5. Oktober 2007 vor Ausspruch der Kündigung in keiner Weise reagiert habe. Dem Kläger sei weder eine Weisung erteilt noch eine Rüge oder Abmahnung ausgesprochen worden. Das lege den Schluss nahe, dass das vom Kläger aufgebaute Bedrohungspotenzial als verhältnismäßig gering zu betrachten sei und keine ausreichend gewichtigen Auswirkungen auf den Betriebsfrieden ausgelöst habe. Immerhin sei zwischen der E-Mail vom 4. August 2007 und der Kündigung ein Zeitraum von circa 2 Monaten ohne Reaktion der Beklagten verstrichen. Außerdem sei zu berücksichtigen, dass sich der Kläger mit der E-Mail vom 7. November 2007 gegenüber dem Vorgesetzten K. für sein Verhalten entschuldigt habe. In Anlehnung der vorgenannten Umstände erscheine eine Abmahnung als gebotene, jedoch ausreichende Maßnahme.

Gegen das der Klage stattgebende Urteil wendet sich die Beklagte mit ihrer am 19. August 2008 beim Landesarbeitsgericht München eingegangenen Berufung vom selben Tag, die sie mit Schriftsatz vom 31. Oktober 2008, der am selben Tag beim Landesarbeitsgericht eingegangen ist, begründet hat.

Unter Vertiefung und teilweise Wiederholung ihres erstinstanzlichen Vortrags macht die Beklagte geltend, entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts sei das Verhalten des Klägers, wie es sich in den Äußerungen in den E-Mails offenbare, nicht akzeptabel. Die Führungskräfte fühlten sich bedroht und seien verunsichert, inwieweit ihnen durch den Kläger Schaden zugefügt werden könne. Vom Kläger gehe ein hohes Bedrohungspotenzial aus. Der Kläger habe jedes Gespräch mit den beteiligten Vorgesetzten, dem Betriebsrat und der Personalabteilung mit dem Hinweis verweigert, dass er zuerst eine schriftliche Stellungnahme zu den Vorwürfen erwarte. Am 5. Oktober sei es zum einzigen Gespräch zwischen dem Kläger und seinem Vorgesetzten Herrn F. gekommen. Der Kläger habe Herrn F. erzählt, dass er wegen einer abgelehnten Idee "innerlich gekündigt" habe und keinerlei Vertrauen mehr zu A., Vorgesetzten, Managern, Personalwesen und auch Betriebsrat habe. Er habe seine Arbeit stark zurückgefahren und werde daran auch nichts ändern. Der Kläger habe Herrn F. gedroht, keinen Versuch zu unternehmen, dies ändern zu wollen. Er habe nämlich ganz andere Möglichkeiten, ihm Probleme zu bereiten. Im Rahmen der Interessenabwägung sei zu berücksichtigen, dass eine Abmahnung nicht geeignet gewesen sei, das verlorene Vertrauen wieder herzustellen. Die Einschätzung des Arbeitsgerichts, dass die Drohungen des Klägers deswegen nicht so schlimm sein könnten, weil die Beklagte weder auf die E-Mail des Klägers vom 4. August 2007 noch auf seine Äußerung vom 5. Oktober 2007 reagiert hätte, sei nicht berechtigt. Tatsache sei, dass der Kläger jeden Versuch eines klärenden Gesprächs, sei es mit den Beteiligten, dem Betriebsrat oder der Personalabteilung, abgelehnt habe. Der Betriebsrat sei am 8. November 2007 durch den Referenten nicht nur über den Sachverhalt der Drohungen gegen Vorgesetzte, sondern auch über den Sachverhalt der Arbeitsverweigerung informiert worden. Entgegen der Behauptung des Klägers sei auch die E-Mail des Klägers vom 7. November 2007 vorgelegt worden und sei Grundlage der Beratungen des Personalausschusses gewesen.

Die Beklagte beantragt:

1. Das Endurteil des Arbeitsrechts München, Kammer Ingolstadt, vom 30. Juli 2008, Az.: 10 b Ca 1876/07 I, wird abgeändert.

2. Die Klage wird abgewiesen.

3. Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Zur Begründung führt er aus, es sei davon auszugehen, dass die Beklagte selbst nicht von einer Arbeitsverweigerung des Klägers ausgegangen sei. Der Vorwurf der Arbeitsverweigerung finde in keiner Weise einen auch nur irgendwie gearteten Anklang in der Begründung der Rechtfertigung der Kündigung. Auch werde im Übrigen bestritten, dass der Kläger wiederholt die durch seinen unmittelbaren Vorgesetzten gestellten Arbeitsaufgaben abgelehnt habe. Es sei erstaunlich, dass der Zeuge F., der erst zum 1. Oktober 2007 Vorgesetzter des Klägers geworden sei, nach dieser kurzen Zeit eine Arbeitsverweigerung des Klägers erkannt haben wolle. Es werde bestritten, dass der Kläger wiederholt gegen Vorgesetzte und Mitglieder des Managements in Vier-Augengesprächen Drohungen ausgesprochen hätte. Es werde weiterhin bestritten, dass der Kläger im Rahmen des Gespräches mit seinem Vorgesetzten am 5. Oktober 2007 die Aussage getroffen habe, er habe "innerlich gekündigt".

Tatsache sei, dass er lediglich nicht verschwiegen habe, sich nach anderweitigen Stellen umzusehen. Der Kläger bestreitet, dass die Führungskräfte sich durch die streitgegenständlichen E-Mails des Klägers bedroht und verunsichert fühlten. Bei objektiver Betrachtung stellten die E-Mails keine Drohungen gegen die Beklagte oder anderweitige Personen dar. Der Kläger habe auch keine Absicht gehabt, Drohungen auszusprechen. Er habe selbst klargestellt, es solle nicht als Drohung verstanden werden. Es sei nicht nachvollziehbar, inwieweit vom Kläger ein hohes Bedrohungspotenzial ausgehen solle, wenn die Beklagte selbst dem Kläger im Zwischenzeugnis vom 04. April 2006 eine ruhige und sachliche Art sowie jederzeit einwandfreies Verhalten bescheinige. Im Übrigen habe er sich am 07. November 2007 schriftlich nochmals ausdrücklich entschuldigt. Der Kläger bestreitet, dass der Betriebsfrieden konkret und massiv gestört gewesen sei. Ein konkreter Vortrag hierzu fehle. Von einer negativen Zukunftsprognose könne nicht ausgegangen werden, nachdem keinerlei Wiederholungsgefahr bestehe. Erst aufgrund eines Vorgesetztenwechsels sei es zu einer Eskalation der Situation gekommen.

Die mildere Maßnahme der Versetzung des Klägers sei nicht in Betracht gezogen worden und damit der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz nicht gewahrt. Die Beklagte habe auf die E-Mail vom 28.2007 auch in keiner der Weise reagiert. Bereits daraus werde ersichtlich, dass das behauptete Bedrohungspotenzial nicht vorhanden gewesen sei. Bis zur Kündigung seien dann noch drei Monate verstrichen. Als milderes Mittel sei zunächst eine Abmahnung erforderlich gewesen. Der Kläger bestreitet, dass der Personalausschuss auch über den Sachverhalt der angeblichen Arbeitsverweigerung angehört und informiert worden sei. Dem Betriebsrat sei auch die Unterhaltspflicht des Klägers im Hinblick auf seinen dreijährigen Sohn nicht mitgeteilt worden und es seien ihm auch den Kläger entlastende Umstände nicht mitgeteilt worden. Der Kläger bestreitet, dass die E-Mail des Klägers vom 7. November 2007 dem Personalausschuss vorgelegt wurde.

Hinsichtlich des weiteren Vorbringens der Parteien in der Berufungsinstanz wird auf die gewechselten Schriftsätze ergänzend Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

I.

Die Berufung ist zulässig. Sie ist statthaft nach § 64 Abs. 1 und 2 c) ArbGG und auch im Übrigen zulässig, insbesondere in der gesetzlichen Form und der vorgeschriebenen Frist eingelegt und begründet worden (§§ 11 Abs. 2 ArbGG, 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG i.V.m. §§ 519 Abs. 2, 520 Abs. 3 ZPO, § 66 Abs. 1 Sätze 1,2,5 ArbGG i.V.m. § 222 ZPO).

II.

Die Berufung ist unbegründet.

Die Kammer ist zwar abweichend von der vom Arbeitsgericht vertretenen Meinung der Auffassung, dass die trotz der Beteuerungen des Klägers ernstzunehmenden wiederholten unspezifischen Drohungen gegen Vorgesetzte und andere Mitarbeiter die ausgesprochene Kündigung auch ohne vorherige Abmahnung rechtfertigen können (§ 1 KSchG).

Gleichwohl folgt das Berufungsgericht der Entscheidung des Arbeitsgerichts im Ergebnis, weil die ordentliche Kündigung wegen unzureichender Information des Betriebsrats unwirksam ist (§ 102 Abs. 1 BetrVG).

Nach § 102 Abs. 1 Satz 3 BetrVG ist eine ohne Anhörung des Betriebsrats ausgesprochene Kündigung unwirksam. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ist eine Kündigung gemäß § 102 BetrVG darüber hinaus nicht nur dann unwirksam, wenn der Arbeitgeber gekündigt hat, ohne dass er überhaupt mit dem Betriebsrat in Verbindung getreten ist, sondern auch dann, wenn der Arbeitgeber seine Mitteilungspflicht nicht richtig, insbesondere nicht ausführlich genug erfüllt hat. Die Anhörung soll in geeigneten Fällen dazu beitragen, dass es erst gar nicht zum Ausspruch einer Kündigung kommt. Aus dem Sinn und Zweck der Anhörung folgt für den Arbeitgeber die Verpflichtung, die Gründe für seine Kündigungsabsicht derart mitzuteilen, dass er dem Betriebsrat eine nähere Umschreibung des für die Kündigung maßgeblichen Sachverhaltes gibt. Der Arbeitgeber hat insbesondere die Tatsachen anzugeben, aus denen er seinen Kündigungsentschluss herleitet. Diese Kennzeichnung des Sachverhalts muss so genau und so umfassend sein, dass der Betriebsrat ohne zusätzliche eigene Nachforschungen in der Lage ist, selbst die Stichhaltigkeit der Kündigungsgründe zu prüfen und sich über seine Stellungnahme schlüssig zu werden. Insoweit kann es dem Grundsatz der vertrauensvollen Zusammenarbeit entsprechen, dem Betriebsrat auch diejenigen Umstände mitzuteilen, die gegen den Ausspruch einer Kündigung sprechen (BAG, Urt. vom 31. Aug. 89, Az.: 2 AZR 453/98, NZA 90,658).

In diesem Zusammenhang gilt zwar der Grundsatz der subjektiven Determinierung der Anhörung, d.h. die Anhörung ist immer dann ordnungsgemäß, wenn der Arbeitgeber dem Betriebsrat die aus seiner Sicht tragenden Umstände unterbreitet hat. Eine Betriebsratsanhörung ist jedoch dann fehlerhaft, wenn der Arbeitgeber den Sachverhalt bewusst irreführend und unvollständig mitgeteilt hat. Eine irreführende Mitteilung des Kündigungssachverhalts liegt auch in dem Verschweigen gegen die Kündigung sprechender und den Arbeitnehmer entlastender Informationen (BAG, Urt. vom 22.9.94, Az.: 2 AZR 31/94, NZA 1995, 363). Sind dem Arbeitgeber daher für den Arbeitnehmer sprechende Tatsachen bekannt, muss er diese dem Betriebsrat mitteilen. Hierzu gehört ggf. auch die Zuleitung einer Gegendarstellung des Arbeitnehmers (BAG, Urt. vom 31.1.1989, 2 AZR 453/88, AP Nr. 1 zu § 77 LPVG Schleswig-Holstein; Urt. vom 2.11.1983, Az.: 7 AZR 65/82, AP Nr. 29 zu § 102 BetrVG 1972). Dabei ist es Aufgabe des Arbeitgebers, darzulegen und notfalls zu beweisen, dass er den Betriebsrat nicht bewusst in die Irre geführt hat, wenn Unterschiede zwischen der objektiven Informationslage und der Information an den Betriebsrat bestehen oder wenn der Arbeitnehmer die Richtigkeit der Information an den Betriebsrat bestreitet (BAG, Urt. vom 22.9.94, a.a.O.).

Der Kläger hat die Richtigkeit der Anhörung des Betriebsrats bestritten, so dass es Sache der Beklagten war, darzulegen und zu beweisen, dass sie nicht bewusst unvollständig informiert hat. Dieser Beweislast hat die Beklagte nicht Genüge getan. Sie hat nämlich nicht beweisen können, dass dem für die Anhörung zuständigen Personalausschuss des Betriebsrats der Beklagten die Darstellung des Sachverhalts aus der Sicht des Klägers in seiner E-Mail vom 7. November 2007 vorgelegt wurde. In dieser E-Mail hat sich der Kläger ausführlich mit den gegen ihn erhobenen Vorwürfen auseinandergesetzt und sich wegen verschiedener Vorfälle auch entschuldigt. Es kann dahin gestellt bleiben, ob und inwieweit seine Einlassungen ihn letztlich entlasten können - die Berufungskammer ist der Auffassung, dass sie ihn im Ergebnis nicht entlasten - jedenfalls wäre die Kenntnis dieses Schreibens erforderlich gewesen, um den Betriebsrat auch über solche Umstände zu informieren, die gegen die Kündigung sprechen konnten.

Auf Grund der Einvernahme der Zeugen konnte sich die Kammer nicht die ausreichende Überzeugung verschaffen, dass die der Beklagten im Anhörungszeitpunkt unstreitig vorliegende E-Mail des Klägers vom 7. November 2007 dem Personalausschuss vorgelegt wurde. Der Zeuge H. sagte aus, soweit er sich erinnern könne, sei auch die E-Mail vom 7.11.2007 Gegenstand der Beratung gewesen. Wegen des inzwischen eingetretenen Zeitabstands könne er allerdings nicht beschwören, dass die E-Mail damals dem Betriebsrat im Rahmen der Anhörung auch übergeben worden sei. Die Tatsache, dass diese E-Mail auch an Herrn K., dem damaligen Personalreferenten, gerichtet gewesen sei, spreche dafür, dass diese E-Mail mit übergeben worden sei. Er gehe davon aus, dass das Betriebsratsmitglied Herr F. die E-Mail seinen Kollegen im Personalausschuss zur Kenntnis gegeben habe. Ob die E-Mail damals oder später Bestandteil der Personalakte gewesen sei, wisse er nicht, auf jeden Fall sei sie dem Betriebsrat wohl vorgelegt worden. Der Zeuge P., der seinerzeit Mitglied des Personalausschusses gewesen ist, sagte, er könne nicht mehr beschwören, ob eine E-Mail vom 7. November 2007 des Klägers bei den von der Beklagten übergebenen Unterlagen gewesen sei. Was alles dabei gewesen sei, könne er jetzt nicht mehr sagen, das sei zu lange her. Er könne auch nicht sagen, ob das Betriebsratsmitglied F. den Mitgliedern des Personalausschusses eine an ihn gerichtete E-Mail des Klägers zugeleitet habe. Der Zeuge S., der ebenfalls seinerzeit Mitglied des Betriebsausschusses gewesen ist, sagte aus, den Mitgliedern des Personalausschusses seien 2 oder 3 Schriftstücke vorgelegt worden, in denen der Kläger zum Ausdruck gebracht habe, dass er sich zu helfen wisse, falls sein Vorgesetzter ihn nicht in dem Rahmen arbeiten lasse, wie er wolle. Normalerweise befänden sich immer alle Unterlagen bei den Schriftstücken, die die Mitglieder des Personalausschusses übergeben bekämen. Ob er von Herrn F. die E-Mail des Klägers zugeleitet bekommen habe, wisse er nicht.

Aus den wiedergegebenen Aussagen der Zeugen konnte die Berufungskammer nicht die hinreichende Überzeugung herleiten, dass die Beklagte im Rahmen der Anhörung die Gegendarstellung des Klägers in der E-Mail vom 7. November 2007 dem Personalausschuss vorgelegt hat. Die Aussagen der Zeugen stützten sich lediglich auf Vermutungen, allgemeines Erfahrungswissen und Wahrscheinlichkeitserwägungen, ließen jedoch nach dem Eindruck der Kammer kein hinreichendes Erinnerungswissen erkennen. Die diesbezüglich am weitesten gehende Aussage des Zeugen H. dahin gehend, dass die E-Mail vom 7. November 2007 Gegenstand der Beratung gewesen sei, verband er mit der Einschränkung, "soweit ich mich erinnern kann". Hierzu befragt ergänzte er, "üblicherweise" würden bei den Beratungen nach einem mündlichen Vortrag auch die Personalunterlagen des Betroffenen an den Betriebsrat übergeben. Bei den ihm jetzt vorliegenden Unterlagen sei die E-Mail vom 7.11.2007 dabei. Wegen des inzwischen eingetretenen Zeitabstands könne er allerdings nicht beschwören, dass diese E-Mail damals dem Betriebsrat auch im Rahmen der Anhörung übergeben worden sei. Die beiden anderen Zeugen hatten keine konkrete Erinnerung daran, ob diese E-Mail seinerzeit dem Personalausschuss übergeben wurde und damit Beratungsgegenstand werden konnte. Die Beklagte ist unter diesen Umständen ihrer Beweislast nicht nachgekommen. Bei Anwendung der dargestellten vom Bundesarbeitsgericht hierzu entwickelten Grundsätze der Beweislastverteilung ergibt sich, dass die Beklagte den Betriebsrat bewusst in die Irre geführt und daher die Anhörung mit einem relevanten Mangel behaftet ist, der zur Unwirksamkeit der Kündigung wegen nicht ordnungsgemäßer Anhörung des Betriebsrats führt.

Unter den gegebenen Umständen erweist sich die streitgegenständliche Kündigung wegen fehlerhafter Anhörung des Betriebsrats als rechtsunwirksam.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO.

IV.

Gegen dieses Urteil kann die Beklagte Revision einlegen.

Für den Kläger ist gegen dieses Urteil kein Rechtsmittel gegeben.

Die Revision muss innerhalb einer Frist von einem Monat eingelegt und innerhalb einer Frist von zwei Monaten begründet werden.

Beide Fristen beginnen mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber mit Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung des Urteils.

Ende der Entscheidung

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