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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht München
Urteil verkündet am 19.03.2008
Aktenzeichen: 11 Sa 828/07
Rechtsgebiete: BetrVG


Vorschriften:

BetrVG § 77
Einzelfallentscheidung zur Frage, ob im entschiedenen Fall einzelvertraglich eine gegenüber einer durch Gesamtbetriebsvereinbarung getroffenen Altersgrenzenregelung günstigere Vereinbarung dahin gehend getroffen wurde, dass eine Altersgrenze ausgeschlossen ist.
LANDESARBEITSGERICHT MÜNCHEN IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

11 Sa 828/07

Verkündet am: 19. März 2008

In dem Rechtsstreit

hat die Elfte Kammer des Landesarbeitsgerichts München auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 23. Januar 2008 durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Dr. Obenaus sowie die ehrenamtlichen Richter Bilobrk und Trost für Recht erkannt:

Tenor:

1. Die Berufung des Klägers gegen das Endurteil des Arbeitsgerichts München vom 6. Juli 2007, Az.: 19 a Ca 898/07, wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.

2. Die Revision wird zugelassen

Tatbestand:

Die Parteien streiten darüber, ob zwischen ihnen über die Vollendung des 65. Lebensjahres des Klägers hinaus ein Arbeitsverhältnis besteht.

Der Auseinandersetzung liegt im Wesentlichen folgender Sachverhalt zu Grunde:

Der am 00. Dezember 1941 geborene Kläger war seit 1. März 1967 bei der Beklagten in deren Forschungsinstitut in G. mit einem durchschnittlichen Bruttomonatsverdienst von zuletzt ... € beschäftigt.

Am 15.03.1967 unterzeichneten der Kläger und die Technische Hochschule M., an deren Position die Beklagte durch Betriebsübergang gerückt ist, einen Arbeitsvertrag (Bl. 66, 67 d.A.), in dem u.a. in § 2 geregelt ist, dass sich das Arbeitsverhältnis nach den Vorschriften des Bundesangestelltentarifvertrages (fortan: BAT) bemisst sowie nach den zur Ergänzung sowie Änderung abgeschlossenen bzw. künftig abzuschließenden Tarifverträgen.

Mit Datum 01.10.1979 existiert ein Schriftstück mit der Überschrift "Arbeitsvertrag" (Bl. 12 - 15 d.A.), wonach ein am 01.08.1972 geschlossener Arbeitsvertrage wie folgt neu gefasst wird:

"§ 1 Beschäftigung

Der Arbeitnehmer ist bei der ..., Betriebsteil G. auf unbestimmte Zeit als wissenschaftlicher Mitarbeiter beschäftigt.

...

§ 3

Tarifverträge, Betriebsvereinbarungen

(1) Soweit im folgenden nicht anderes vereinbart ist, regelt sich das Arbeitsverhältnis seit dem 1.7.1978 nach den Vorschriften der zwischen der Tarifgemeinschaft der Technischen Überwachungs-Vereine und der Gewerkschaft ÖTV abgeschlossenen Tarifverträge (Manteltarifvertrag, Vergütungstarifvertrag, Tarifvertrag über die erstmalige Eingruppierung der Mitarbeiter der ..., Tarifvertrag über die Gewährung von Leistungen betreffend die Übernahme des Arbeitnehmeranteils zur Rentenversicherung) in der jeweils gültigen Fassung.

(2) Die für den Betriebsteil G. der ... gültigen Betriebsvereinbarungen sind Bestandteil dieses Arbeitsvertrages. Der Arbeitnehmer hat je ein Exemplar der derzeit gültigen Betriebsvereinbarungen erhalten.

(3) Durch diese Regelung wird der vor dem 1.7.1978 für das Arbeitsverhältnis maßgebliche BAT ersetzt.

Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass die Vergütung des Klägers seit Ende 1979 auf der Grundlage des für den Technischen Überwachungsverein anwendbaren Tarifvertrags erfolgte.

Im Betrieb der Beklagten besteht mit Unterzeichnungsdatum 01.10.1997 eine Gesamtbetriebsvereinbarung zur altersbedingten Beendigung der Arbeitsverhältnisse (Bl. 17 - 19 d.A.).

Ziffer 2 dieser Gesamtbetriebsvereinbarung mit der Überschrift "Beendigung des Arbeitsverhältnisses" lautet:

"Das Arbeitsverhältnis endet zu dem Zeitpunkt, zu welchem der Beschäftigte gemäß § 35 SGB VI die Regelaltersrente beziehen kann. Das ist zur Zeit das Ende des Monats, in dem der Beschäftigte das 65. Lebensjahr vollendet. Dieser Zeitpunkt wird im folgenden als Altergrenze bezeichnet."

Ziffer 3 der Gesamtbetriebsvereinbarung mit der Überschrift "Beschäftigung nach Erreichen der Altersgrenze" lautet:

" (1) Grundsätzlich besteht keine Möglichkeit zur Beschäftigung nach Erreichen der Altersgrenze.

(2) Ausnahmsweise ist eine Beschäftigung nach Erreichen der Altersgrenze zulässig, wenn

- die Wartezeit im Sinne von § 4 Buchstabe c) des Versorgungstarifvertrages noch nicht erfüllt oder

- eine ausreichende Altersversorgung nicht anderweitig sichergestellt ist.

(2) Eine Beschäftigung nach Erreichen der Altersgrenze kann nur mit Zustimmung des örtlichen Betriebsrates erfolgen. Der Betriebsrat ist hierbei nicht an die in § 99 Absatz 2 BetrVG genannten Gründe für eine Verweigerung der Zustimmung gebunden."

Ziffer 5 der Gesamtbetriebsvereinbarung mit der Überschrift "Schlussbestimmungen" lautet zu Absatz 1 und 2:

"(1) Diese Gesamtbetriebsvereinbarung tritt mit ihrer Unterzeichnung in Kraft. Sie ist mit einer Frist von 6 Monaten zum Jahresende ohne Nachwirkung kündbar, erstmals zum 31.12.2000.

(2) Diese Gesamtbetriebsvereinbarung endet, ohne dass es einer Kündigung bedarf, wenn sich die Grundlagen der gesetzlichen Rentenversicherung wesentlich ändern. In diesem Fall verpflichten sich die Parteien dieser Vereinbarung, in Verhandlungen einzutreten.

(3) Nebenabreden sind nicht getroffen. Änderungen oder Ergänzungen dieser Gesamtbetriebsvereinbarung bedürfen zu ihrer Wirksamkeit der Schriftform."

Mit seiner beim Arbeitsgericht München am 18. Januar 2007 eingegangenen Klage vom selben Tag hat der Kläger die gerichtliche Feststellung, dass das Arbeitsverhältnis nicht zum 31. Dezember 2006 geendet hat, sondern über diesen Zeitpunkt hinaus fortbesteht, sowie die Verurteilung der Beklagten zur Weiterbeschäftigung des Klägers begehrt.

Zur Begründung hat er vorgetragen, im Jahr 2006 hätten im Hinblick auf das Erreichen der Altersgrenze Gespräche wegen einer möglichen Weiterbeschäftigung mit einem der Geschäftsführer der Beklagten, Herrn H., stattgefunden. Weiterhin hat er geltend gemacht, dass auf sein Arbeitsverhältnis ausschließlich der Arbeitsvertrag vom 1. Oktober 1979 anzuwenden sei, der den ursprünglichen Arbeitsvertrag, der die Anwendbarkeit des BAT eingeschlossen habe, abgelöst habe. Da auf Grundlage des Arbeitsvertrages vom 1. Oktober 1979 aber der für den technischen Überwachungsverein maßgebliche Tarifvertrag ausschließlich anwendbar sei und dieser keine Altersbegrenzung beinhalte, müsse sein Arbeitsverhältnis über den 31. Dezember 2006 hinaus fortbestehen. Die Gesamtbetriebsvereinbarung vom 1. Oktober 1997 stehe dem nicht entgegen, weil sie nicht anwendbar sei. Dies ergebe sich aus dem Inhalt des Arbeitsvertrages vom 1. Oktober 1979, insbesondere der Vorschrift des § 3 Absatz 2, der die Anwendung künftiger Betriebsvereinbarungen auf sein Arbeitsverhältnis ausschließe. Im Übrigen könne die Gesamtbetriebsvereinbarung im Hinblick auf ihre Schlussbestimmung in Ziffer 5 Absatz 2 auch keine Geltung mehr haben, da sich die Grundlagen der gesetzlichen Rentenversicherung wesentlich geändert hätten.

Der Kläger hat in erster Instanz beantragt:

I. Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien, begründet am 01.03.1967, weder durch eine wirksame Befristungsregelung noch durch die Betriebsvereinbarung vom 01.10.1997 zum 31.12.2006 geendet hat, sondern über den 31.12.2006 hinaus fortbesteht.

II. Die Beklagte wird verurteilt, den Kläger über den 31.12.2006 hinaus und auch für die Dauer des Rechtsstreits als "Scientivic Advisor to the ... Management Board" zu im Übrigen unveränderten Bedingungen gemäß Arbeitsvertrag (Nachtrag) vom 01.10.1979 nebst nachfolgender Regelungen mit einem Steuer-Bruttojahresgehalt von Euro ... in Vollzeit weiterzubeschäftigen.

Die Beklagte hat erwidert, dass der ursprüngliche Arbeitsvertrag vom 15. März 1967 mangels Vereinbarung eines späteren, von beiden Parteien unterzeichneten Arbeitsvertrages weiterbestanden habe und somit aufgrund der Regelung im TVöD, der den BAT abgelöst haben, eine Alterszeitbegrenzung bestehe, wonach das Arbeitsverhältnis des Klägers mit Erreichen des fünfundsechzigsten Lebensjahres automatisch ende. Unabhängig davon sei auch bei Zugrundelegung des Arbeitsvertrags vom 1. Oktober 1979 die Gesamtbetriebsvereinbarung zur altersbedingten Beendigung des Arbeitsverhältnisses anzuwenden, so dass auch aus diesem Grund das Arbeitsverhältnis des Klägers mit Ablauf des 31. Dezember 2006 geendet habe. Im Übrigen seien auch die Voraussetzungen der Ziffer 5 Absatz 2 der Gesamtbetriebsvereinbarung nicht gegeben. Entgegen der Behauptung des Klägers habe es auch keine einzelvertragliche Zusage gegeben, das Arbeitsverhältnis über die Vollendung des fünfundsechzigsten Lebensjahres hinaus fortzuführen.

Hinsichtlich des weiteren erstinstanzlichen Sach- und Rechtsvortrags wird auf die von den Parteien gewechselten Schriftsätze ergänzend Bezug genommen.

Das Arbeitsgericht München hat die Klage mit Endurteil vom 6. Juli 2007, das dem Kläger am 9. August 2007 zugestellt wurde, in vollem Umfang abgewiesen.

Zur Begründung hat es ausgeführt, das Arbeitsverhältnis habe jedenfalls auf Grundlage der im Betrieb der Beklagten anzuwendenden Gesamtbetriebsvereinbarung zur altersbedingten Beendigung der Arbeitsverhältnisse mit Ablauf des 31. Dezember 2006 geendet.

Es könne dahingestellt bleiben, ob der Arbeitsvertrag vom 1. Oktober 1979 ausschließlich die Vertragsbeziehungen der Parteien regele, da - auch wenn dies zu Gunsten des Klägers unterstellt werde - dies die Anwendbarkeit der Gesamtbetriebsvereinbarung zur altersbedingten Beendigung der Arbeitsverhältnisse nicht ausschließe.

So lasse § 3 Absatz 2 des Arbeitsvertrags nicht einmal ansatzweise erkennen, dass künftige Betriebsvereinbarungen aufgrund dieser Regelung keine Anwendung finden sollten. Es habe vielmehr bei der gesetzlichen Regelung des § 77 Absatz 4 Satz 1 Betriebverfassungsgesetz zu verbleiben, wonach Betriebsvereinbarungen, sobald sie in einem Betrieb abgeschlossen seien, unmittelbar und zwingend gelten. Dies gelte entsprechend für Gesamtbetriebsvereinbarungen. Die Gesamtbetriebsvereinbarung zur altersbedingten Beendigung der Arbeitsverhältnisse sei sowohl in abstrakter Hinsicht wie auch bezogen auf den vorliegenden konkreten Fall verfassungsrechtlich unbedenklich, weil der Kläger mit der Erreichung des fünfundsechzigsten Lebensjahres eine hinreichende Absicherung durch die gesetzliche Altersrente und die Beklagte ein anzuerkennendes Bedürfnis nach einer sachgerechten und berechenbaren Personal- und Nachwuchsplanung habe. Die Gesamtbetriebsvereinbarung verstoße auch nicht gegen das Günstigkeitsprinzip. Es fehle bereits an einer günstigeren einzelvertraglichen Vereinbarung gegenüber der Gesamtbetriebsvereinbarung. Dem Arbeitsvertrag von 1979 sei lediglich zu entnehmen, dass das Beschäftigungsverhältnis auf unbestimmte Zeit bestehe. Dies bedeutet aber im Umkehrschluss nicht, dass es Einschränkungen durch Kündigungen oder auch durch Befristungsregelungen wie in der vorliegenden Gesamtbetriebsvereinbarung nicht unterliege. Eine gegen das Günstigkeitsprinzip verstoßende Regelung liege nur dann vor, wenn die Parteien in ihrem Arbeitsvertrag ausdrücklich vereinbart hätten, dass das Arbeitsverhältnis des Klägers lebenslang oder zumindest über einen bestimmten Termin hinaus bestehe. Schließlich habe die Gesamtbetriebsvereinbarung zur altersbedingten Beendigung der Arbeitsverhältnisse auch derzeit weiterhin Geltung. Nach Ziff. 5 Absatz 2 ende die Gesamtbetriebsvereinbarung, ohne dass es einer Kündigung bedürfe, wenn sich die Grundlagen der gesetzlichen Rentenversicherung wesentlich änderten. Der Kläger habe zwar zutreffend dargelegt, dass eine Vielzahl von rentenrechtlichen Änderungen durch die Gesetzgebung erfolgt sei, gleichwohl sei eine wesentliche Änderung der Grundlagen nicht zu bejahen. Für derzeit in Rente gehende Arbeitnehmer sei nach wie vor das Niveau noch nicht grundlegend geändert. Der Kläger habe auch ihn persönlich betreffende wesentliche Nachteile mangels Vorhandensein nicht benennen können.

Gegen die Klageabweisung wendet sich der Kläger mit seiner am 10. September 2007 beim Landesarbeitsgericht München eingegangenen Berufung vom selben Tag.

Unter Vertiefung und teilweise Wiederholung seines erstinstanzlichen Vortrags macht der Kläger geltend, Nach der Bestimmung des § 3 Absatz 2 des Arbeitsvertrags vom 1. Oktober 1979 seien lediglich die seinerzeit gültigen Betriebsvereinbarungen Bestandteil des Arbeitsvertrags. Nachfolgende oder "jederzeit gültige" Betriebsvereinbarungen seien davon ausdrücklich nicht erfasst. Die Bezugnahme auf die " jeweils gültige Fassung" bei dem Geltungsbereich der Tarifverträge sowie der Versorgungstarifverträge lasse im Umkehrschluss nur die Auslegung zu, dass eine Regelung "in der jeweils gültigen Fassung" für die Betriebsvereinbarung ausdrücklich gerade nicht gelten solle. Zur Frage der Anwendbarkeit des Günstigkeitsgrundsatzes trägt der Kläger vor, die Abrede eines unbefristeten Arbeitsverhältnisses sei klarer Vertragsbestandteil. Gebe es die Betriebsvereinbarung nicht, könne die Beklagte unzweifelhaft das Arbeitsverhältnis nur bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 1 KSchG kündigen. Bezüglich der Fortgeltung bzw. Nichtfortgeltung der Gesamtbetriebsvereinbarung im Hinblick auf Ziffer 5 Absatz 2 macht der Kläger geltend, das Arbeitsgericht verkenne, dass betreffend die Änderungen im Rentenrecht im Sinne der Betriebsvereinbarung nicht allein auf den Kläger abgestellt werden könne. Betriebsvereinbarungen seien wie Tarifverträge Kollektivregelungen, die in der Gesamtheit für oder gegen alle Arbeitnehmer als wirksam oder unwirksam beurteilt werden müssten. Andernfalls könne man, je nachdem wie es auf einen Arbeitnehmer von der Sachlage her passe, die Betriebsvereinbarung als verbindlich ansehen oder nicht. Seit Abschluss der Betriebsvereinbarung im Jahre 1997 sei eine Fülle von Rentenreformgesetzen in Kraft getreten, die zu einem tief greifenden Strukturwandel im Rentensystem geführt hätten. Möglicherweise wirkten sich die Gesetzesänderungen nicht stets und vollständig auf die Beschäftigten der Beklagten aus, jedoch seien die Änderungen in ihrer Gesamtheit so wesentlich, dass damit die Betriebsvereinbarung spätestens zum 31. Dezember 2006 nicht mehr ihre Gültigkeit entfalten könne.

Der Kläger beantragt:

I. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts München vom 06.07.2007, Az.: 19a Ca 898/07 abgeändert:

II. Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien, begründet am 01.03.1967, weder durch eine wirksame Befristungsregelung noch durch die Betriebsvereinbarung vom 01.10.1997 zum 31.12.2006 geendet hat, sondern über den 31.12.2006 hinaus fortbesteht.

III. Die Beklagte wird verurteilt, den Kläger über den 31.12.2006 hinaus und auch für die Dauer des Rechtsstreits als "Scientific Advisor to the ... Management Board" zu im Übrigen unveränderten Bedingungen gemäß Arbeitsvertrag (Nachtrag) vom 01.10.1979 nebst nachfolgender Regelungen mit einem Steuer-Bruttojahresgehalt von Euro ... in Vollzeit weiterzubeschäftigen.

IV. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Zur Begründung führt sie aus, für sie sei nicht nachvollziehbar, woraus sich ergeben solle, dass der Arbeitsvertrag vom 1. Oktober 1979 nicht betriebsvereinbarungsoffen sei. Selbstverständlich hätten nur die seinerzeit bereits geltenden Betriebsvereinbarungen dem Kläger zur Verfügung gestellt werden können. Der Umkehrschluss zur Regelung bei den Tarifverträgen sei untauglich. Bei diesen müsse nämlich eine Klarstellung erfolgen dahingehend, ob hier eine statische oder dynamische Anwendbarkeit gemeint sei. Tarifvertragsänderungen würden nämlich anders als Betriebsvereinbarungsänderungen nicht automatisch Bestandteil des Arbeitsverhältnisses. Die Beklagte trägt weiter vor, Es sei richtig, dass eine günstigere einzelvertragliche Regelung einer Betriebsvereinbarungsregelung vorgehe. Entgegen der Auffassung des Klägers sei allerdings das Günstigkeitsprinzip nicht schrankenlos anzuwenden. Das Günstigkeitsprinzip verlange vielmehr, dass die Interessen des Arbeitnehmers an der Beibehaltung seiner vertraglichen Regelung die Interessen des Arbeitgebers an der kollektiven Regelung überwiegen. Zwischen den Parteien dürfe unstreitig sein, dass der Arbeitsvertrag von 1979 keine Altersgrenzenregelung enthalte. Der Kläger Versuche die "Nichtregelung" der Altersgrenze als Regelung über die Beendigung des Arbeitsverhältnisses auszulegen. Dem Arbeitsgericht sei darin recht zu geben, dass die Parteien diesen Punkt offensichtlich offen gelassen hätten. Man könne aus der Nichtregelung einer Altersgrenze im Arbeitsvertrag nicht ohne weiteres den Rückschluss ziehen, dass damit eine konkrete Regelung über die lebenslängliche Beschäftigung getroffen worden sei. Im Übrigen habe sich der Kläger freiwillig den Tarifverträgen in ihrer "jeweils" gültigen Fassung unterworfen. Der große Senat des Bundesarbeitsgerichts habe in seiner Entscheidung vom 7. November 1989 entschieden, dass eine Betriebsvereinbarung eine individuelle Altersgrenzenregelung nicht zum Nachteil des Arbeitnehmers verhindern, das heißt verkürzen dürfe. Dort, wo es aber keine individuelle Altersgrenzenregelung gebe, fehle es an einer für den Arbeitnehmer "günstigen" Regelung. Lege man die Auffassung des Klägers zu Grunde, so sei keine Fallkonstellation denkbar, in der Raum für eine wirksame Altersgrenzenregelung in einer Betriebsvereinbarung bzw. in einem Tarifvertrag sei. In der Rechtsprechung und Literatur bestehe Einigkeit, dass ein Unternehmen ein legitimes Interesse an einer Altersgrenzenregelung habe. Betrachte man den Arbeitsvertrag in seiner Gesamtheit unter Berücksichtigung der Ausführungen des Großen Senats ergebe sich, dass in der vertraglichen Verweisungsklausel eine "vertragliche" Altersgrenzenregelung gesehen werden könne. Neben der gesetzlichen zwingenden Regelung der Betriebsvereinbarung liege daher auch eine vertragliche Inbezugnahme der Altersgrenzenregelung vor. Da beide Regelungen naturgemäß deckungsgleich seien, liege insofern kein Verstoß gegen das Günstigkeitsprinzip vor.

Zum Vorliegen der Voraussetzungen der Ziffer 5 Absatz 2 der Gesamtbetriebsvereinbarung trägt die Beklagte vor, Voraussetzung für die Unwirksamkeit sei, dass sich die Grundlagen der gesetzlichen Rentenversicherung wesentlich geändert hätten. Dabei hätten die Betriebspartner eine mögliche Änderung, nämlich die der Regelaltersrente, schon in die Regelung eingebaut. Sie hätten auch nicht allein auf Änderungen in der gesetzlichen Rentenversicherung abgestellt, sondern auf Änderungen bei den Grundlagen der gesetzlichen Rentenversicherung. Der Kläger habe auch nicht spezifiziert, welche der von ihm benannten Veränderungen die Grundlagen der Rentenversicherung im Sinn der Gesamtbetriebsvereinbarung "wesentlich" geändert hätten.

Wie das Bundesarbeitsgericht betont habe, sei eine Altersgrenze auf das fünfundsechzigste Lebensjahr nur dann zulässig, wenn der Arbeitnehmer gleichzeitig über die gesetzliche Rentenversicherung eine anderweitige wirtschaftliche Absicherung erhalte. Diese anderweitige wirtschaftliche Absicherung liege heute immer noch vor. Der Kläger behaupte zwar, dass langfristig das "Nettorentenniveau" für neue Rentner von etwa 67% auf unter 50% sinken werde. Wenn dem heute so wäre, was bestritten werde, sei die Frage berechtigt, ob die gesetzliche Rente noch eine angemessene Altersabsicherung darstelle. Im Übrigen könne - wenn die Annahme des Klägers zutreffe - jeder Arbeitnehmer seine spätere Altersversorgung durch entsprechende Zusatzversicherungen absichern. Am System der Beendigung der Arbeitsverhältnisse mit Erreichen des Regelalters und dem Wechsel in die gesetzliche Rentenversicherung habe sich hierdurch allerdings nichts geändert.

Hinsichtlich des weiteren Vorbringens der Parteien in der Berufungsinstanz wird auf die gewechselten Schriftsätze (Bl. 188 ff; 232 ff d.A.) ergänzend Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

I.

Die Berufung ist zulässig. Sie ist statthaft nach § 64 Abs. 1 und 2 c) ArbGG (bezüglich Antrag II.) sowie nach § 64 Abs. 1 und 2 b) ArbGG (bezüglich Antrag III.) und auch im Übrigen zulässig, insbesondere in der gesetzlichen Form und der vorgeschriebenen Frist eingelegt und begründet worden (§§ 11 Abs. 2 ArbGG, 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG i.V.m. §§ 519 Abs. 2, 520 Abs. 3 ZPO, § 66 Abs. 1 Sätze 1,2,5 ArbGG i.V.m. § 222 ZPO).

II.

Die Berufung ist jedoch unbegründet.

Das Arbeitsgericht hat zu Recht und mit zutreffender Begründung die Klage abgewiesen. Das Arbeitsverhältnis hat auf Grundlage der im Betrieb der Beklagten anzuwendenden Gesamtbetriebsvereinbarung zur altersbedingten Beendigung der Arbeitsverhältnisse vom 1.10.1997 mit Ablauf des 31. Dezember 2006 geendet. Nach dieser Vorschrift endet das Arbeitsverhältnis vorbehaltlich einer anderen Regelung in § 35 SGB VI mit dem Ende des Monats, in dem der Beschäftigte das fünfundsechzigste Lebensjahr vollendet hat (Altersgrenze).

Das Berufungsgericht schließt sich der Begründung des Erstgerichts in vollem Umfang an und sieht von einer eigenen Darstellung der Entscheidungsgründe ab (§ 69 Absatz 2 ArbGG).

Ergänzend ist im Hinblick auf das Berufungsvorbringen lediglich folgendes auszuführen:

Das Berufungsgericht ist mit dem Arbeitsgericht der Auffassung, dass der Arbeitsvertrag vom 1. Oktober 1979 die Anwendbarkeit später vereinbarter Betriebsvereinbarungen nicht ausschließt, sondern betriebsvereinbarungsoffen ist. Aus § 3 Absatz 2 des Arbeitsvertrags kann nicht geschlossen werden, dass lediglich die zum Zeitpunkt der Unterschriftsleistung unter den Arbeitsvertrag gültigen Betriebsvereinbarungen Geltung haben sollten. Der Passus "Der Arbeitnehmer hat je ein Exemplar der derzeit gültigen Betriebsvereinbarungen erhalten." soll erkennbar lediglich einen tatsächlichen Vorgang, nämlich die Übergabe der Exemplare, dokumentieren und nicht eine Ausschlussregelung bezüglich künftiger Betriebsvereinbarungen treffen. Im Übrigen kann im Hinblick auf den unmittelbar und zwingenden Charakter von Betriebsvereinbarungen (§ 77 Absatz 4 Satz 1 Betriebverfassungsgesetz) dahingestellt bleiben, ob die Vereinbarung, "die für den Betriebsteil G. der ... gültigen Betriebsvereinbarungen" seien "Bestandteil dieses Arbeitsvertrages" eine vertragliche Inbezugnahme der im Beschäftigungsbetrieb des Klägers geltenden Betriebsvereinbarungen enthält.

Das Berufungsgericht ist weiterhin mit dem Arbeitsgericht der Auffassung, dass § 1 des Arbeitsvertrags von 1. Oktober 1979 keine gegenüber der "Gesamtbetriebsvereinbarung zur altersbedingten Beendigung der Arbeitsverhältnisse" günstigere Regelung enthält. Mit der Regelung, der Arbeitnehmer sei bei der Beklagten "auf unbestimmte Zeit als wissenschaftlicher Mitarbeiter beschäftigt", wurde erkennbar nach der seinerzeitigen Regelungspraxis im wissenschaftlichen und wissenschaftsnahen Bereich lediglich eine Abgrenzung gegenüber den vielfach üblichen befristeten Arbeitsverträgen vorgenommen, ohne dass hierdurch eine gesetzliche, tarifvertragliche oder betriebsvereinbarungsgemäße Altersgrenzenregelung ausgeschlossen werden sollte. Dafür, dass mit dieser Regelung etwaige Altersgrenzenregelungen abbedungen werden sollten, liegen keinerlei Anhaltspunkte vor.

Schließlich ist das Berufungsgericht mit dem Arbeitsgerichte der Auffassung, dass eine wesentliche Änderung der Grundlagen der gesetzlichen Rentenversicherung nicht festgestellt werden kann, so dass die Anwendbarkeit der Gesamtbetriebsvereinbarung auch nicht an deren Regelung in Ziffer 5 Absatz 2 Satz 1 scheitert.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO.

IV.

Gegen dieses Urteil kann der Kläger Revision einlegen.

Für die Beklagte ist gegen dieses Urteil kein Rechtsmittel gegeben.

Die Revision muss innerhalb einer Frist von einem Monat eingelegt und innerhalb einer Frist von zwei Monaten begründet werden.

Beide Fristen beginnen mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber mit Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung des Urteils.

Ende der Entscheidung

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