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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht München
Urteil verkündet am 02.04.2008
Aktenzeichen: 11 Sa 917/07
Rechtsgebiete: KSchG, BGB


Vorschriften:

KSchG § 9
BGB § 307
BGB § 615
Zur Frage der Begründetheit eines von einer Arbeitnehmerin gestellten Auflösungsantrags mit der Rechtswirksamkeit einer (formular-)arbeitsvertraglichen Regelung, wonach die an der Kasse einer Tankstelle beschäftigte Klägerin zu einer monatlichen Stundenleistung von 100 Stunden verpflichtet wurde bei gleichzeitigem Abrufrecht des Arbeitgebers von Überarbeit bis zur "gesetzlich zulässigen" Höhe. Im Hinblick auf die Unwirksamkeit dieser Bestimmung (§ 307 BGB) und im Hinblick auf die zurückliegende Beschäftigungspraxis mit durchschnittlich 205 Monatsstunden legte das Gericht im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung seiner Entscheidung eine vereinbarte Arbeitszeit von 164 Stunden mit einem zusätzlichen Abrufrecht des Arbeitgebers in Höhe von (164 mal 25 % =) 41 Stunden zu Grunde (vgl. BAG, Urt. vom 7.12.2005, Az.: 5 AZR 535/04, NZA 2006,423).
LANDESARBEITSGERICHT MÜNCHEN IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

11 Sa 917/07

Verkündet am: 2. April 2008

In dem Rechtsstreit

hat die Elfte Kammer des Landesarbeitsgerichts München auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 5. März 2008 durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Dr. Obenaus sowie die ehrenamtlichen Richter Ebner und Kleehaupt für Recht erkannt:

Tenor:

1. Auf die Berufung der Klägerin gegen das Endurteil des Arbeitsgerichts München vom 14. August 2007, Az.: 34 Ca 4427/07, wird das bezeichnete Endurteil wie folgt abgeändert:

1. Die Beklagte wird verurteilt, 376,40 € brutto zuzüglich Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 1.4.2007 zu Zahlen.

2. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 95,89 € brutto zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 13,58 € seit 1.2.2007, aus weiteren 37,39 € seit 1.3.2007 sowie aus weiteren 44,92 € seit 1.4.2007 zu bezahlen.

3. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

4. Von den Kosten des Rechtsstreits tragen die Parteien je die Hälfte.

5. Der Streitwert wird auf 1.038,93 € festgesetzt.

2. Im Übrigen wird die Berufung der Klägerin zurückgewiesen.

3. Von den Kosten des Berufungsverfahrens tragen die Parteien je die Hälfte.

4. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten über in die Auflösung des Arbeitsverhältnisses gegen Zahlung einer Abfindung sowie die Zahlung restlichen Gehalts in Höhe von 376,40 € brutto sowie 95,89 € netto.

Der Auseinandersetzung liegt im Wesentlichen folgender Sachverhalt zu Grunde:

Die am 00. Mai 1979 geborene Klägerin war seit 1. August 2006 als sog. Shopmitarbeiterin (Kassen- und Servicekraft) mit einem durchschnittlichen Bruttomonatsentgelt von circa 1.650 € bei dem Beklagten beschäftigt. Der Beklagte beschäftigt insgesamt 25 Arbeitnehmer. Ein Betriebsrat besteht nicht. Der Kassenbereich, an dem die Klägerin tätig war, wird mit einer Videoanlage überwacht.

Mit Schreiben vom 14. März 2007 erklärte der Beklagte gegenüber der Klägerin die ordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses zum 31. März 2007. Hiergegen erhob die Klägerin mit Schriftsatz vom 22. März 2007, der beim Arbeitsgericht München am 26. März 2007 eingegangen ist und dem Beklagten am 31. März 2007 zugestellt wurde, Kündigungsschutzklage. Mit Schreiben vom 1. April 2007 erklärte der Beklagte gegenüber dem anwaltschaftlichen Vertreter der Klägerin, dass er an der Kündigung nicht weiter festhalte und das Arbeitsverhältnis unverändert fortbestehe.

Mit Klageerweiterung vom 3. April 2007, die zunächst der 5. Kammer des Arbeitsgerichts München unter dem Aktenzeichen 5 Ca 5062/07 zugeteilt und dem Beklagten am 21. April 2007 zugestellt worden war, hat die Klägerin die hier streitgegenständliche rückständige Vergütung sowie die Erteilung eines qualifizierten Zeugnisses gerichtlich geltendgemacht.

Mit Schreiben vom 5. April 2007 teilte der Beklagte der Klägerin folgendes mit:

"Sehr geehrte Frau S.,

wie Sie uns Samstag am 01.04.07 bestätigten, dass Sie die gesamte Folgewoche von 6.00 Uhr bis 11.00 Uhr arbeiten, sind wir dies bezüglich erstaunt, das Sie nicht zur Arbeit erschienen sind. Sie sind laut Arbeitsvertrag verpflichtet umgehend bescheid zu geben, wenn sie nicht in der Lage sind Ihre Arbeit anzutreten, doch hierfür erfolgte keine Mitteilung Ihrer Abwesenheit. Anrufe meinerseits oder von anderen Mitarbeitern werden ignoriert oder weggedrückt. Deshalb fordere Ich Sie nochmals auf am Dienstag den 10.04.2007 um 6.00 Uhr an der T. am ... zu erscheinen.

Mit freundlichen Grüßen ..."

In einem weiteren Schreiben vom 11. April 2007 an die Klägerin führte der Beklagte folgendes aus:

"Sehr geehrte Frau S.,

wir haben bereits am 01.04.2007 Ihrem Wunsch auf Weiterbeschäftigung zugestimmt und Ihnen am 05.04.2007 nochmals schriftlich Ihre Arbeitszeiten mitgeteilt und um Kommunikation gebeten. Keines der vorherigen Schreiben zeigte eine Resonanz.

Doch durch Ihr Verhalten haben wir Probleme, eine ordentliche Schichteinteilung vorzunehmen. Wir tragen Sie ein und Sie kommen nicht. Das bedeutet, dass unser Betriebsablauf erheblich gestört wird.

Deshalb möchte ich sie nochmals bitten, an Ihren Arbeitsplatz zu erscheinen oder zumindest mich persönlich zu informieren, was mit Ihnen los ist.

Mit freundlichen Grüßen ..."

Der Aufforderung des Beklagten zur Arbeit zu erscheinen, ist die Klägerin nicht nachgekommen.

In der Güteverhandlung am 27. April 2007 schlossen die Parteien, nachdem die Klägerin zuvor die Auflösung des Arbeitsverhältnisses beantragt hatte, folgenden Teilvergleich:

Die Parteien sind sich einig, dass die Kündigung vom 14. März 2007 sozial nicht gerechtfertigt ist.

Nachdem das Arbeitsgericht im Tatbestand des angegriffenen Endurteils als unstreitig festgehalten hat, dass dem Arbeitsverhältnis "mündlich zwischen den Parteien vereinbarte Arbeitsbedingungen" zu Grunde lagen, denen zufolge die Klägerin zu einem Grundgehalt von 800 € brutto als Kassiererin an der Kasse der Tankstelle des Beklagten mit einer monatlichen Beschäftigungszeit von 100 Stunden tätig werden sollte, ist in zweiter Instanz unstreitig geworden, dass dem Arbeitsverhältnis ein von den Parteien am 24. August 2006 unterschriebener 2-seitiger maschinenschriftlicher Arbeitsvertrag zu Grunde lag.

Dieser Arbeitsvertrag enthält auszugsweise insbesondere folgende Bestimmungen:

"1. Der Arbeitnehmer wird als Shopmitarbeiter/in eingestellt. Er/Sie ist verpflichtet, auf Wunsch des Arbeitgebers oder seiner Beauftragten bei Bedarf auch andere, zumutbare Arbeiten im Betrieb zu leiten. Die regelmäßige Arbeitszeit beträgt ca. Ø 25 Stunden wöchentlich und wird nach Stunden abgerechnet.

Der Arbeitnehmer ist verpflichtet Nacht-, Wechsel-, Sonntags-, Feiertags, Mehr- und Überarbeit zu leisten, soweit dies erforderlich und gesetzlich zulässig ist. Als Arbeitsort wird die ...T., in ... vereinbart.

2. Die Einstellung erfolgt zur Probe mit Wirkung von 01.08.06 bis zum 31.07.08, an diesem Tag endet das Probearbeitsverhältnis, ohne dass es einer Kündigung bedarf. Während der Probezeit kann das Probearbeitsverhältnis beiderseits mit einer Frist von 2 Wochen gelöst werden. Wird das Arbeitsverhältnis nach Ablauf der Probezeit fortgesetzt, so gilt es als auf unbestimmte Zeit begründet. Für die Kündigung gelten sodann die gesetzlich vorgesehenen Kündigungsfristen.

3. In jedem Fall endet das Arbeitsverhältnis - ohne dass es einer Kündigung bedarf in dem Jahr, in dem das gesetzliche Rentenalter erreicht wird. Ohne Einhaltung einer Frist kann gemäß § 626 BGB das Arbeitsverhältnis aus wichtigem Grund gelöst werden. Eine fristlose Kündigung, die als solche unwirksam ist, gilt als fristgemäße Kündigung zum nächst möglichen Termin.

4. Löst der Arbeitnehmer das Arbeitsverhältnis rechtswidrig auf, so steht dem Arbeitgeber ohne Nachweis des entstandenen Schaden ein Ersatzanspruch in Höhe der Durchschnittsbezüge eines halben Monats zu.

5. Bei Vertragsbeendigung ist der/die Arbeitnehmer/in verpflichtet, unaufgefordert sämtliche in seinem/ihrem Besitz befindlichen Geschäftsunterlagen, sowie die gestellte Arbeitskleidung dem Arbeitgeber auszuhändigen. Ferner hat umgehend der Ausgleich der offenen Personalrechnungen zu erfolgen.

Für den Verlast und schuldhafte Beschädigung hat er den Arbeitgeber Schadenersatz zu leisten, der gegen Lohn-/Gehaltsforderungen aufgerechnet werden kann.

6. Die Berechnungsgrundlage für das Arbeitsentgelt liegt bei Ø 100 Std. monatlich

- Arbeitsvergütung € ca. 800,00

- 25 % Nachtzuschlag von 20.00 -24.00 Uhr € ca. 40,00 und 4.00-06.00 Uhr (Nachtzuschlag erfolgt nur bei gearbeiteten Sunden, je Std. 2,- EUR)

- 40 % Nachtzuschlag von 00.00-04.00 Uhr (Nachtzuschlag erfolgt nur bei gearbeiteten Sunden, je Std. 3,20 EUR)

Bruttoarbeitslohn € ca. 840,00

7. Pausenregelung: dem Arbeitnehmer werden 15 Min. Pause von der Anwesenheit abgezogen.

8. Dem Arbeitnehmer ist es nicht gestattet, gegenwärtige oder zukünftige Lohn- bzw. Gehaltsforderungen ohne Einverständnis des Arbeitgebers an Dritte abzutreten. Solche Abtretungen sind gegenüber dem Arbeitgeber unwirksam. Bei Vorlage einer Lohnpfändung besteht das Recht einer fristlosen Kündigung des Arbeitgebers.

9. Der Arbeitnehmer ist verpflichtet, die Ihm übertragenen Arbeiten gewissenhaft zu erfüllen und die Interessen des Betriebes nach besten Kräften zu vertreten. Er hat seine Arbeitskraft ausschließlich dem Arbeitgeber zur Verfügung zu stellen und darf keinerlei selbständige oder unselbständige Erwerbstätigkeit daneben ausüben. Nebentätigkeiten müssen vom Arbeitnehmer/in schriftlich beantragt werden. Er ist ferner verpflichtet, über alle ihm während seiner Tätigkeit beim Arbeitgeber bekannt geworden geschäftliche und betrieblichen Angelegenheiten Stillschweigen zu bewahren, auch nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses.

..."

Die Klägerin hat erstinstanzlich die Meinung vertreten, sie habe Anspruch auf gerichtliche Auflösung des Arbeitsverhältnisses gegen Zahlung einer Abfindung, da sie am Arbeitsplatz durch eine Videokamera überwacht worden sei und dabei festgestellt worden sei, dass sie einen Kaffee ohne Bezahlung entnommen habe. Darüber hinaus hat sie ihren Antrag mit der Behauptung begründet, sie habe ein Gespräch von Kollegen mitgehört, in dem behauptet worden sei, sie habe mit jedem Kunden geflirtet, und in dem sie "als Schlampe" bezeichnet worden sei. Eine Weiterbeschäftigung sei ihr daher nicht zumutbar. Darüber hinaus sei ihr die Weiterbeschäftigung auch deswegen nicht zumutbar, da ihr nach der Kündigung nur Arbeit für 24 Stunden pro Woche angeboten worden sei.

Die Klägerin hat erstinstanzlich beantragt:

1. Es wird beantragt, das Arbeitsverhältnis gegen Zahlung einer Abfindung aufzulösen.

2. Die Beklagte wird verurteilt, 376,40 € brutto nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz zu zahlen.

3. Die Beklagte wird zur Zahlung von 95,89 € netto verurteilt.

Der Beklagte hat erwidert, es bestehe kein Grund für die Auflösung des Arbeitsverhältnisses gegen Zahlung einer Abfindung. Er sei der Meinung, er habe den Monatslohn ordnungsgemäß abgerechnet und gezahlt. Darüber hinaus sei der Abzug der von der Klägerin selbst festgestellten Kassenfehlbeträge aufgrund der Mankoabrede gerechtfertigt.

Das Arbeitsgericht München hat die Klage mit Endurteil vom 14. August 2007, das der Klägerin am 2. Oktober 2007 zugestellt wurde, in vollem Umfang abgewiesen.

Zur Begründung hat es ausgeführt, die Überwachung des Kassenarbeitsplatzes der Klägerin durch eine Videoanlage sei kein Grund für eine Auflösung, da dies an der Kasse einer Tankstelle regelmäßig so erfolge. Sofern die Klägerin einen Kaffee ohne Bezahlung entnommen haben sollte und ihr dies vorgehalten worden sei, sei dies unbedenklich, da ein solcher Verstoß vom Arbeitgeber in zulässiger Weise gerügt werden könne und müsse. Soweit sich die Klägerin auf ein Gespräch zwischen Arbeitskollegen berufe, könne dieses dem Beklagten als Arbeitgeber nicht zugeordnet werden. Das Angebot des Beklagten an die Klägerin, im zeitlichen Anschluss an die Rücknahme der Kündigung sie weiter zu beschäftigen und zwar zu unveränderten Bedingungen, sei kein Auflösungsgrund. Zum Vergütungsanspruch der Klägerin für März 2007 in Höhe von 376, 40 € brutto hat das Arbeitsgericht ausgeführt, die Klägerin habe ihren Lohnanspruch lediglich mit dem durchschnittlich erzielten Gehalt in den früheren Monaten von 1.699,80 € brutto begründet. Insoweit sei die Klage unsubstantiiert. Die Klägerin habe nämlich nicht vorgetragen, inwieweit sie über die tatsächlich vergüteten Stunden hinaus weitere Arbeitsleistung erbracht habe. Bezüglich des Nettozahlungsanspruchs in Höhe von 95,89 € sei festzuhalten, dass aufgrund der Mankogeldabrede, die die Parteien durch mündlichen Arbeitsvertrag getroffen hätten, der Beklagte berechtigt gewesen sei, Fehlbestände aus der Abrechnung der Klägerin von ihrem Gehalt abzuziehen. Die Klägerin habe auch keine Anhaltspunkte vorgetragen, aus denen sich ergeben würde, dass die von ihr selbst festgestellten Kassenfehlbeträge so nicht zu Stande gekommen seien.

Gegen die Klageabweisung wendet sich die Klägerin mit der am 8. Oktober 2007 beim Landesarbeitsgericht München eingegangenen Berufung vom 5. Oktober 2007.

Unter Vertiefung und teilweise Wiederholung ihres erstinstanzlichen Vortrags macht die Klägerin geltend, der Arbeitsvertrag, in dem sich der Arbeitgeber das Recht vorbehalte, vom Arbeitnehmer über 200 Stunden Arbeit zu verlangen und gleichzeitig nur eine Vergütung von 100 Stunden zu garantieren, sei unwirksam. Das Angebot des Beklagten, die Klägerin vor diesem Hintergrund zu unveränderten Bedingungen weiterzubeschäftigen, sei nicht annehmbar. Das Angebot des Beklagten zeige, dass der Arbeitgeber auch in Zukunft nicht bereit sei, die Klägerin vertragsgemäß zu beschäftigen. Der Arbeitgeber habe der Klägerin eine Weiterbeschäftigung nicht so angeboten, wie diese in der letzten Monaten praktiziert worden sei, sondern nur eine Beschäftigung von 24 Stunden pro Woche. Das Arbeitsgericht habe unter Missachtung der BAG-Entscheidung festgestellt, dass wenn gemäß Arbeitsvertrag nur eine Vergütung für 100 Stunden pro Monat geschuldet sei, der Arbeitnehmer dann auch nicht für mehr als 100 Stunden Lohn verlangen könne. Angesichts der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts aus dem Jahre 2005 sei das Angebot der Beklagten, die Klägerin statt 48 Stunden pro Woche nur 24 Stunden pro Woche arbeiten zuzuweisen, grob treuwidrig. Außerdem macht sie geltend, dass das Angebot einen Verstoß gegen das Maßregelungsverbot beinhalte.

Die Klägerin trägt weiter vor, für die Zeit vom 1. bis 19 März 2007 habe sie einen Beschäftigungsanspruch von 135 Stunden. Dies ergebe einen Vergütungsanspruch von 135 x 8 Euro gleich 1080 €. Tatsächlich seien nur 113 Stunden abgerechnet worden, so dass ihr ein Differenzbetrag in Höhe von 22 Stunden mal 8 Euro gleich 176 € Annahmeverzugslohn zustehe. Darüber hinaus habe sie einen Entgeltfortzahlungsanspruch für die Krankheitszeit vom 19. März 2007 bis 30. März 2007. dies ergebe einen Entgeltfortzahlungsanspruch von 12 Arbeitstagen à 9 Stunden à 8 Euro gleich 864 €.

Zum Nettozahlungsanspruch von 95,98 € trägt die Klägerin vor, zwischen den Parteien sei keine wirksame Mankoabrede getroffen worden. Der Arbeitsvertrag enthalte eine abschließende Regelung mit Schriftformklausel. Hinzu komme, dass das Kassenminus der Klägerin nicht zugeordnet werden könne.

Die Klägerin beantragt:

1. Das Urteil des Arbeitsgerichts München vom 14.08.2007, zugestellt am 02.10.2007, wird aufgehoben.

2. Die Beklagte wird zur Zahlung einer Abfindung gem. §§ 9, 10 KSchG verpflichtet, die in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, jedoch 6.000 EUR nicht unterschreiten sollte.

3. Die Beklagte wird zur Zahlung von 367,40 EUR brutto nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit Klageerhebung verurteilt.

4. Die Beklagte wird zur Zahlung von 98,89 EUR netto nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit Klageerhebung verurteilt.

5. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreites.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Zur Begründung trägt er vor, zum Auflösungsantrag bringe die Berufungsbegründung keinerlei neuen Sachvortrag. Die Existenz und die Überwachung durch eine Videoanlage seien durchaus üblich. Diese habe sich bereits in der Tankstelle befunden, als die Klägerin ihr Arbeitsverhältnis aufgenommen habe. Im Übrigen diene die Überwachungsanlage nicht nur der Überwachung der Kassenvorgänge, sondern auch der Sicherheit des Personals. Wenn die Klägerin einen Kaffee ohne Bezahlung genommen habe, habe der Beklagte als Arbeitgeber dies der Klägerin auch vorhalten dürfen.

Bezüglich des Verzugslohnanspruchs argumentiert der Beklagte, der vom Bundesarbeitsgericht entschiedene Fall sei nicht zu vergleichen. Das BAG-Urteil beziehe sich auf einen Sachverhalt, in dem über die vertraglich vereinbarte Arbeitszeit hinaus eine hohe Anzahl von Arbeitsstunden zu leisten gewesen seien, ohne dass dies habe vergütet werden sollen.

Im Gegensatz dazu enthalte der hiesige Arbeitsvertrag eine regelmäßige Arbeitszeit. Außerdem seien die Mehrarbeitsstunden der Klägerin immer vergütet worden. Welches durchschnittliche Gehalt die Klägerin in den vorhergehenden Monaten erzielt habe, sei unerheblich. Im Übrigen werde bestritten, dass die Klägerin vom 19. März des 30. März 2007 arbeitsunfähig erkrankt gewesen sei.

Hinsichtlich des weiteren Vorbringens der Parteien in der Berufungsinstanz wird auf die gewechselten Schriftsätze ergänzend Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

I.

Die Berufung ist zulässig. Sie ist statthaft nach § 64 Abs. 1 und 2 c) ArbGG (bezüglich Klageantrag Ziff. 1) sowie nach § 64 Abs. 1 und 2 b) ArbGG (bezüglich Klageantrag Ziff. 2) und auch im Übrigen zulässig, insbesondere in der gesetzlichen Form und der vorgeschriebenen Frist eingelegt und begründet worden (§§ 11 Abs. 2 ArbGG, 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG i.V.m. §§ 519 Abs. 2, 520 Abs. 3 ZPO, § 66 Abs. 1 Sätze 1,2,5 ArbGG i.V.m. § 222 ZPO).

II.

Die Berufung ist teilweise begründet.

1. Auflösungsantrag

Das Arbeitsgericht hat zu Recht und mit zutreffender Begründung den Auflösungsantrag abgewiesen. Ein Anspruch auf Auflösung des Arbeitsverhältnisses besteht nicht.

Das Berufungsgericht schließt sich der Begründung des Erstgerichts in vollem Umfang an und sieht von einer eigenen Darstellung der Entscheidungsgründe ab (§ 69 Absatz 2 ArbGG).

Ergänzend ist im Hinblick auf das Berufungsvorbringen lediglich folgendes auszuführen:

1. Nach § 9 Absatz 1 Satz 1 KSchG hat das Gericht auf Antrag des Arbeitnehmers das Arbeitsverhältnis aufzulösen und den Arbeitgeber zur Zahlung einer angemessenen Abfindung zu verurteilen, wenn das Gericht zugleich feststellt oder festgestellt hat, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung nicht aufgelöst ist und wenn es gleichwohl dem Arbeitnehmer nicht - mehr - zuzumuten ist, das Arbeitsverhältnis fortzusetzen.

Im vorliegenden Fall liegt zwar keine gerichtliche Feststellung vor, dass das Arbeitsverhältnis durch die ursprünglich angegriffene Kündigung nicht aufgelöst worden ist, sondern ein von den Parteien in der Güteverhandlung abgeschlossener Teilvergleich, wonach die Kündigung vom 14.3.07 nicht sozial gerechtfertigt ist. Nachdem die Klägerin bereits vor Abschluss des Teilvergleichs ihren Auflösungsantrag gestellt und das Gericht ihn zur Grundlage des späteren Auflagenbeschlusses gemacht hat, bestehen keine Bedenken den Abschluss des Teilvergleichs einer gerichtlichen Feststellung gemäß § 9 Abs. 1 KSchG gleichzustellen.

Gleichwohl liegen die Voraussetzungen des § 9 Abs. 1 KSchG hier nicht vor. Hierzu ist zunächst festzuhalten, dass sich der Begriff der Unzumutbarkeit im Zusammenhang mit § 9 KSchG nicht mit dem im Rahmen von § 626 Absatz 1 BGB verwendeten Begriff der Unzumutbarkeit deckt. Während bei § 626 Absatz 1 BGB darauf abgestellt wird, ob die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht wenigstens bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zur vereinbarten Beendigung des Arbeitsverhältnisses zumutbar ist, kommt es bei § 9 Absatz 1 Satz 1 KSchG darauf an, ob die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses auf unbestimmte Zeit zumutbar ist. Gründe, die zur fristlosen Kündigung berechtigen, machen zwar stets auch die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nach § 9 Absatz 1 Satz 1 KSchG unzumutbar. Andererseits können schon solche Tatsachen die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nach § 9 Absatz 1 Satz 1 KSchG unzumutbar machen, die für eine fristlose Kündigung nicht ausreichen. Danach genügt es, wenn die Fortsetzung des Arbeitsarbeitsverhältnisses für den Arbeitnehmer zu unerträglichen Bedingungen führt (APS-Biebl, 2. Aufl., § 9 KSchG Rz. 33).

b) Andererseits reicht die Sozialwidrigkeit der Kündigung allein - wie das Arbeitsgericht zutreffend festgestellt hat - für die Unzumutbarkeit im Rahmen von § 9 KSchG nicht aus. Denn der Arbeitnehmer hat nicht etwa die freie Wahl, ob er bei festgestellter Unwirksamkeit der Kündigung das Arbeitsverhältnis fortsetzen oder ob er gegen eine Abfindung ausscheiden will. Regelmäßig treten bei jeder Kündigung Spannungen zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer auf. Diese allein vermögen einen Auflösungsantrag noch nicht zu rechtfertigen. Letztlich hängt die Beantwortung der Frage, ob dem gekündigten Arbeitnehmer die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht zuzumuten ist, von den Umständen des Einzelfalls ab. Die Begründung zum Regierungsentwurf nennt als Beispiele für die Unzumutbarkeit der Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses Fälle, in denen als Kündigungsgründe unzutreffende ehrverletzende Behauptungen über die Person oder das Verhalten des Arbeitnehmers leichtfertig aufgestellt worden sind oder das Vertrauensverhältnis im Verlauf des weiteren durch die Kündigung ausgelösten Verfahrens ohne wesentliches Verschulden des Arbeitnehmers zerrüttet worden ist (abgedr. in RdA 1951,61,64; zit. n. APS-Biebl, a.a.O. Rz. 39). Die Unzumutbarkeit kann sich einmal aus den Umständen der Kündigung selbst ergeben, so wenn der Arbeitgeber zum Beispiel eine betriebsbedingte Kündigung mit beleidigenden und ehrverletzenden Äußerungen ausspricht. Nicht ausreichend ist es für die Auflösung des Arbeitsverhältnisses hingegen, wenn die - nicht beleidigenden oder sonst zu beanstandenden - Behauptungen des Arbeitgebers zum Kündigungsgrund nicht zutreffen. Die Unzumutbarkeit kann sich aber aus Umständen ergeben, die nach Ausspruch der Kündigung liegen. Keine Unzumutbarkeit ist bereits dann gegeben, wenn der Arbeitgeber die Berechtigung der von ihm ausgesprochene Kündigung im Prozess sachlich verteidigt (EK-Kiel, 7. Aufl. § 9 KSchG, Rz. 14 f.).

Bei Anwendung dieser Grundsätze ist die Berufungskammer in Übereinstimmung mit dem Arbeitsgericht zu dem Ergebnis gelangt, dass die von der Klägerin vorgetragenen Tatsachen einen Auflösungsgrund nicht begründen. Auch der von der Klägerin in der Berufung betonte Sachverhalt gibt zu einer von der des Arbeitsgerichts abweichenden Beurteilung keinen Anlass. Nachdem das Arbeitsgericht vor dem Hintergrund, dass die Klägerin darauf verzichtet hat, den schriftlichen Arbeitsvertrag vorzulegen, davon ausgegangen ist, dass eine über 100 Stunden hinaus gehende Beschäftigungspflicht nicht bestand, stellt es keinen Vertrauensbruch dar, wenn der Arbeitgeber dieser Auffassung folgend die Klägerin zu einem Schichtplan zur Arbeit abrief, der diesem Stundenvolumen entsprach. Es ist zwar richtig, dass der Beklagte vor dem Hintergrund der zitierten Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 7. Dezember 2005, Az.: 5 AZR 535/04, NZA 2006, 423, im Wege einer ergänzenden Vertragsauslegung als zu einer Beschäftigung im Umfang der bisherigen durchschnittlichen Beschäftigung minus 20 % verpflichtet anzusehen ist (vgl. dazu im Einzelnen unten 2.). Indem die Klägerin jedoch darauf verzichtet hat, den schriftlichen Arbeitsvertrag durch Vorlage zum Gegenstand der Verhandlung und rechtlichen Diskussion zu machen, ist es dem Beklagten nicht vorzuwerfen, dass er nicht sogleich die zu erwartenden Schritte, nämlich eine Beschäftigung im erforderlichen Umfang, eingeleitet hat. Hätte die Klägerin den schriftlichen Vertrag bereits in der ersten Instanz konkret in das Verfahren eingeführt, wäre zu erwarten gewesen, dass der Beklagte die Klägerin über die Folgerungen aus dem Urteil des Bundesarbeitsgerichts für den vorliegenden Fall entsprechend belehrt im gebotenen Umfang beschäftigt hätte.

2. Vergütungsrest für März 2007 in Höhe von 376,40 € brutto Bezüglich dieses Teilbetrags ist die Berufung begründet, so dass das Endurteil des Arbeitsgerichts entsprechend abzuändern ist.

Die Klägerin hat auf der Rechtsgrundlage der §§ 615 Satz 1 BGB; 3 Abs. 1 EFG in Verbindung mit den sich im Wege einer ergänzenden Vertragsauslegung ergebenden Vertragsbedingungen, nämlich einer vereinbarten Mindestbeschäftigung von 164 Stunden pro Monat mit der Möglichkeit des Abrufs von insgesamt (164 plus 25 % =) 205 Stunden pro Monat (siehe unten 2. b) cc)) einen Vergütungsgesamtanspruch für den Monat März in Höhe von (164 mal 8 =) 1.312 € brutto ohne Zuschläge. Demgegenüber wurden lediglich 904 € brutto abgerechnet, so dass sich eine offene Differenz von 408 € ergibt, die den eingeklagten Betrag übersteigt.

Die Klägerin hatte während des durch die außerordentliche Arbeitnehmerkündigung am 11. Juni 2007 beendeten Arbeitsverhältnisses im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung einen Beschäftigungsanspruch in Höhe von mindestens (205 ./. 20 % =) 164 Stunden pro Monat.

a) Dabei ist zunächst festzuhalten, dass die Arbeitszeitvereinbarung in Ziffer 1. des schriftlichen Arbeitsvertrags vom 24.8.2006 gemäß § 307 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. Abs. 2 Nr.1 BGB unwirksam ist, weil sie von wesentlichen Grundgedanken der in § 615 BGB geregelten Verteilung des Wirtschaftsrisikos abweicht und zwar in einer Weise, die die Klägerin als Vertragspartnerin des den vorliegenden Formulararbeitsvertrag verwendenden Beklagten entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligt.

aa) Bei dem Arbeitsvertrag vom 24.8.2006 handelt es sich um Allgemeine Geschäftsbedingungen im Sinne von § 305 Abs. 1 Satz 1 BGB. Der Vertrag unterliegt deshalb der Inhaltskontrolle nach §§ 305 ff. BGB.

bb) In Ziffer 1. haben die Parteien vereinbart, dass die regelmäßige Arbeitszeit ca. durchschnittlich 25 Stunden wöchentlich beträgt und nach Stunden abgerechnet wird, ferner dass die Klägerin verpflichtet ist, Mehr- und Überarbeit zu leisten, "soweit dies erforderlich und zulässig ist."

Nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB sind Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. Gem. § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB ist eine unangemessene Benachteiligung im Zweifel anzunehmen, wenn eine Bestimmung mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen wird, nicht zu vereinbaren ist.

Die in Ziffer 1. des Arbeitsvertrags vom 24. August 2006 getroffene Regelung der Arbeit auf Abruf weicht von Rechtsvorschriften ab und unterliegt deshalb gem. § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB der Inhaltskontrolle nach § 307 Abs. 1 und 2 BGB. Mit dem dem Beklagten in dieser Bestimmung des Arbeitsvertrags eingeräumten Recht, die vereinbarte durchschnittliche wöchentliche Arbeitszeit von 25 Stunden einseitig auf bis zu 48 Stunden (vgl. § 3 ArbZG) verlängern zu können, wird ein Teil des den Beklagten nach § 615 BGB treffenden Wirtschaftsrisikos auf die Klägerin verlagert.

Nach § 615 BGB trägt der Arbeitgeber grundsätzlich das Risiko, den Arbeitnehmer nicht beschäftigen zu können. Kann der Arbeitgeber den Arbeitnehmer wegen Auftragsmangels nicht beschäftigen, wird er nicht von seiner Gegenleistungspflicht befreit. Der Arbeitgeber bleibt vielmehr zur Entgeltzahlung verpflichtet. Durch die in Ziffer 1. des Arbeitsvertrags vereinbarte Arbeit auf Abruf hat der Beklagte abweichend von diesem Rechtsgrundsatz einen Teil seines Wirtschaftsrisikos auf die Klägerin verlagert (vgl. BAG Urt. v. 7.12.2005, a.a.O.). Der Beklagte ist gemäß Ziff. 1 nur verpflichtet, die Klägerin durchschnittlich 25 Stunden in der Woche zu beschäftigen und auch nur in diesem Umfang zu vergüten. Soweit der Beklagte einen weitergehenden Arbeitsbedarf hat, kann er jedoch die Klägerin anweisen, bis zu 48 Stunden in der Woche zu arbeiten. Die Klägerin ist dann nach Ziffer 1. Satz 4 des Arbeitsvertrags zur Erbringung der Arbeitsleistung verpflichtet, ohne ihrerseits einen Anspruch auf Beschäftigung über 25 Wochenstunden hinaus zu haben. Die Verlagerung des Wirtschaftsrisikos auf die Klägerin zeigt sich hier deutlich in der Absenkung der Arbeitszeit der Klägerin im Februar 2008 auf 128 Monatsstunden von 215 Monatsstunden im Vormonat.

cc) Ziffer 1. des Arbeitsvertrags weicht von wesentlichen Grundgedanken der in § 615 BGB geregelten Verteilung des Wirtschaftsrisikos ab (§ 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB). Zwar führt nicht jede Abweichung von einer gesetzlichen Regelung ohne weiteres zur Unwirksamkeit der Klausel. Eine Klausel ist gem. § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB nämlich nur dann unwirksam, wenn es sich um eine Abweichung handelt, die den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligt (BAG a.a.O. m.w.N.).

Diese Voraussetzungen sind hier zu bejahen. Die Frage, ob eine gegen Treu und Glauben verstoßende unangemessene Benachteiligung des Vertragspartners des Verwenders vorliegt, ist auf der Grundlage einer umfassenden Abwägung der berechtigten Interessen der Beteiligten zu beantworten. Hierbei ist das Interesse des Verwenders an der Aufrechterhaltung der Klausel mit dem Interesse des Vertragspartners an der Ersetzung der Klausel durch das dispositive Recht (§ 306 Abs. 2 BGB) abzuwägen.

Das berechtigte Interesse des Arbeitgebers an einer Flexibilisierung der Arbeitszeitdauer und das berechtigte Interesse des Arbeitnehmers an einer festen Regelung der Dauer der Arbeitszeit und der sich daraus erggebenden Arbeitsvergütung sind angemessen zum Ausgleich zu bringen. Hierzu wird auf die vom Bundesarbeitsgericht entwickelten Grundsätze bei der Gewährung widerruflicher Leistungen durch den Arbeitgeber zurückgegriffen. Danach darf der widerrufliche Anteil am Gesamtverdienst nicht mehr als 25 - 30 % des Gesamtverdienstes ausmachen. Bei der Prüfung der Angemessenheit einer Vereinbarung über Arbeit auf Abruf geht es um den Umfang der im unmittelbaren Gegenseitigkeitsverhältnis stehenden Arbeitspflicht. Das schließt einen über 25 % hinausgehenden Anteil abrufbarer Arbeitsleistung aus. Die vom Arbeitgeber abrufbare über die vereinbarte Mindestarbeitszeit hinausgehende Arbeitsleistung des Arbeitnehmers darf nicht mehr als 25 % der vereinbarten wöchentlichen Mindestarbeitszeit betragen. Bei einer Vereinbarung über die Verringerung der vereinbarten Arbeitszeit beträgt demzufolge das Volumen 20 % der Arbeitszeit.

Eine solche Regelung berücksichtigt die berechtigten beiderseitigen Interessen in angemessener Weise. Hierdurch wird dem Arbeitgeber ein hohes Maß an Flexibilität eingeräumt. Bei einer Sockelarbeitszeit von 25 Wochenstunden kann er über eine vereinbarte Arbeit auf Abruf die regelmäßige Arbeitszeit in der Woche auf bis zu 31,25 Stunden heraufsetzen. Die Höchstgrenze von 25 % der vereinbarten wöchentlichen Mindestarbeitszeit führt auch zu einem Schutz der Arbeitnehmer vor Vereinbarungen, die nur eine geringe Mindestarbeitszeit und einen hohen variablen Arbeitszeitanteil vorsehen und so die Planungssicherheit des Arbeitnehmers in unangemessener Weise beeinträchtigen.

Die vorliegend vereinbarte Arbeit auf Abruf entspricht nicht diesen Anforderungen. Nach Ziffer 1. des Arbeitsvertrags sollte die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit 25 Stunden betragen. Die Verpflichtung der Klägerin, auf Anforderung der Beklagten bis zur gesetzlich zugelassenen Zeit Überstunden zu leisten, benachteiligt die Klägerin unangemessen (§ 307 Abs. 1 und 2 BGB). Die vereinbarte Arbeit auf Abruf beträgt ausgehend von der festgelegten Mindestarbeitszeitdauer von 25 Stunden in der Woche 92 %. Die Klausel ist damit gem. § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB unwirksam.

b) Die Unwirksamkeit der Ziffer 1. des Arbeitsvertrags führt nicht zu einer regelmäßigen Arbeitszeit von 25 Stunden pro Woche bzw. 100 Stunden pro Monat. Die gebotene ergänzende Vertragsauslegung ergibt vielmehr eine monatliche Arbeitszeit von 205 Stunden.

aa) Eine gesetzliche Regelung der Arbeitszeit, die nach § 306 Abs. 2 BGB an die Stelle der vertraglichen Regelung treten könnte, besteht nicht. Ein Rückgriff auf § 12 Abs. 1 Satz 3 TzBfG scheidet aus. Die Anwendung der Fiktion einer wöchentlichen Arbeitszeitdauer von zehn Stunden ist nicht interessengerecht. Die Parteien wollten offenkundig eine deutlich längere Mindestarbeitszeit (vgl. BAG a.a.O.).

bb) Die durch die Unwirksamkeit der vereinbarten Arbeitszeitregelung im Arbeitsvertrag entstandene Lücke ist im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung zu schließen.

Bei der ergänzenden Vertragsauslegung ist darauf abzustellen, was die Parteien bei einer angemessenen Abwägung ihrer Interessen nach Treu und Glauben als redliche Vertragsparteien vereinbart hätten, wenn sie die Unwirksamkeit der Klausel bedacht hätten (BAG, a.a.O. m.w.N.). Zur Feststellung des mutmaßlichen Parteiwillens ist die tatsächliche Vertragsdurchführung von erheblicher Bedeutung. Sie gibt Aufschluss über die von den Parteien wirklich gewollte Arbeitszeitdauer. Die in Ziffer 16. des Arbeitsvertrags geregelte Schriftformklausel steht einer ergänzenden Vertragsauslegung durch das Gericht nicht entgegen. Durch die ergänzende Vertragsauslegung wird der Vertrag nicht geändert, sondern bestimmt, was als von Anfang an vereinbarter Vertragsinhalt anzusehen ist.

cc) Aus der tatsächlichen Vertragsdurchführung ergibt sich bei Betrachtung der Monate August 2006 bis einschließlich Januar 2007, dass eine durchschnittliche monatliche Stundenzahl von 205 Stunden abgerufen wurde, dass also ein Beschäftigungsniveau in dieser Höhe gewollt war.

Aus den unterschiedlichen Stundenzahlen lässt sich allerdings entnehmen, dass der Beklagte ein Interesse daran hatte, auch weniger Stunden abzurufen, wobei auf der Grundlage der vom Bundesarbeitsgericht erarbeiteten Grundsätze ein Abschlag von 20 % als zulässig anzusehen ist, was eine monatliche Mindeststundenzahl von (205 mal 80 %=)164 Stunden ergibt. Diese ist der Berechnung des Verzugslohnanspruchs bei Vorliegen der sonstigen Voraussetzungen des § 615 BGB als untere Grenze zu Grunde zu legen, sofern nicht das im Rahmen des § 615 BGB geltende Lohnausfallprinzip im Einzelfall - worauf es hier nicht ankam - eine höhere Vergütungspflicht bedingt.

3. Vergütungsrest in Höhe von 95,98 € netto

Bezüglich dieses Teilbetrags ist die Berufung ebenfalls begründet, so dass das Endurteil des Arbeitsgerichts entsprechend abzuändern ist.

Die Klägerin hat gemäß § 611 Abs. 1 BGB i.V.m. mit dem Arbeitsvertrag einen Vergütungsrestanspruch in der bezeichneten Höhe, da die Beklagte die der Klägerin insoweit unstreitig zustehende vertragliche Vergütung nicht ausbezahlt, sondern mit Hinweis auf einen Mankoschaden in dieser Höhe einbehalten hat.

Der Einbehalt ist zu Unrecht erfolgt, weil eine Rechtsgrundlage hierfür von dem Beklagten nicht schlüssig dargelegt worden ist. Selbst wenn man - was bereits zweifelhaft ist - die von dem Beklagten praktizierte Zahlung eines monatlichen Mankogelds von 15 € als Vereinbarung einer verschuldensunabhängigen Einstandspflicht auslegt, sind die Haftungsvoraussetzungen vom Beklagten nicht hinreichend dargelegt. Der Arbeitgeber hat nämlich über die Darlegung und den Beweis des behaupteten Fehlbetrags hinaus die haftungsbegründende Kausalität, d.h. die Verursachung des Mankos durch die Klägerin darzulegen und zu beweisen. Dazu gehört auch der zu beweisende Vortrag, dass der Arbeitnehmer in dessen Bereich das Manko aufgetreten ist, während dieser Zeit die Kasse oder den Warenbestand allein beherrschte (EK-Preis, 8. Aufl. § 619 a BGB, Rz. 40). Der Beklagte konnte nicht darlegen, dass er durch organisatorische Vorkehrungen sicher gestellt hat, dass die Klägerin während ihrer Schicht alleinigen Zugang zur Kasse hatte, insbesondere auch dass während vorübergehender Abwesenheit der Klägerin bei erhöhtem Kundenandrang die Kasse nicht auch von anderen Mitarbeitern bedient werden durfte bzw. konnte.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 92, 97 ZPO.

IV.

Da dem Rechtsstreit über die Klärung der streitgegenständlichen Fragen hinaus keine grundsätzliche Bedeutung zukommt, besteht für die Zulassung der Revision gemäß § 72 Abs. 2 ArbGG keine Veranlassung. Gegen dieses Urteil ist deshalb die Revision nur gegeben, wenn sie das Bundesarbeitsgericht auf Grund einer Nichtzulassungsbeschwerde, auf deren Möglichkeit und Voraussetzungen gemäß § 72 a ArbGG hingewiesen wird, zulassen sollte.

Ende der Entscheidung

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