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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht München
Urteil verkündet am 22.04.2009
Aktenzeichen: 11 Sa 963/08
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 162
BGB § 313
BGB § 613 a
Die Entscheidung befasst sich mit dem Vorliegen der tatbestandsmäßigen Voraussetzungen einer von der Arbeitgeberin versprochenen Treueprämie sowie dem Bestehen eines Abfindungsanspruchs eines Arbeitnehmers auf der Basis einer vom Gesamtbetriebsrat der Rechtsvorgängerin der Arbeitgeberin zulasten der Arbeitgeberin geschlossenen Betriebsvereinbarung.
Landesarbeitsgericht München Im Namen des Volkes URTEIL

11 Sa 963/08

Verkündet am: 22.04.2009

In dem Rechtsstreit

hat die 11. Kammer des Landesarbeitsgerichts München auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 22. April 2009 durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Dr. Obenaus und die ehrenamtlichen Richter Bergmüller und Sonnleitner

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Auf die Berufung des Beklagten wird das Endurteil des Arbeitsgerichts München vom 20. Juni 2008, Az.: 19 a Ca 16202/07 wie folgt abgeändert: Schlussurteil:

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Von den Kosten des Rechtsstreits trägt der Beklagte 4/25 und der Kläger 21/25.

3. Der Streitwert für dieses Schlussurteil wird auf 100.973,32 € festgesetzt.

2. Die Kosten des Berufungsverfahrens werden dem Kläger auferlegt.

3. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Der Auseinandersetzung liegt im Wesentlichen folgender Sachverhalt zu Grunde:

Zwischen den Parteien besteht Streit, ob der Beklagte als Insolvenzverwalter über das Vermögen der I. GmbH (fortan: Schuldnerin) eine Forderung des Klägers in Höhe von € 44.723,00, der ein Abfindungsanspruch zugrunde liegt, zur Tabelle zu nehmen hat.

Der Kläger war seit 01.03.1996 bei der S. AG beschäftigt. Aufgrund eines Betriebsübergangs ging sein Arbeitsverhältnis zum 01.10.2005 auf die B. M. GmbH & Co. OHG über.

Zum 01.07.2006 übertrug die B. M. GmbH & Co. OHG die Aktivitäten der Abteilung "Customer Care", in der der Kläger beschäftigt war, auf die I. GmbH (Schuldnerin), mit der Folge, dass das Arbeitsverhältnis des Klägers auf die Schuldnerin überging.

Die Schuldnerin ist eine 100%ige Tochtergesellschaft der B. M. GmbH & Co. OHG.

Das Amtsgericht München - Insolvenzgericht - hat mit Beschluss vom 29.09.2006, Az. 1503 IN 3271/06 die vorläufige Insolvenzverwaltung über das Vermögen der Schuldnerin angeordnet und den Beklagten zum vorläufigen Insolvenzverwalter bestellt. Am 01.01.2007 wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Schuldnerin eröffnet.

Der Beklagte hat das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger ab dem 01.10.2006 fortgeführt. Aufgrund eines Aufhebungsvertrages zwischen den Parteien endete das Arbeitsverhältnis am 28.02.2007.

Mit Datum vom 31. Mai 2006 hat der bei der B. GmbH & Co. OHG bestehende Gesamtbetriebsrat eine Vereinbarung mit B. GmbH & Co. OHG geschlossen, die die Überschrift "Protokollnotiz zur Überleitung der Beschäftigungsbedingungen der von der B. GmbH & Co. OHG Customer Care zur I. GmbH übergehenden Mitarbeiter (Tarifkreis/Vertragsgruppen AT und FK)" trägt und unter dem Gliederungspunkt "2. Nachteilsausgleich bei betriebsbedingter Kündigung" folgende Regelung enthält:

In der Protokollnotiz vom 31.05.2006 steht unter Ziffer 2 mit der Überschrift "Nachteilsausgleich bei betriebsbedingter Kündigung":

"Aus heutiger Sicht sind keine betriebsbedingten Kündigungen vorgesehen. ...

Sollte es jedoch in München dennoch vor dem 30.09.2008 zu betriebsbedingten Kündigungen / Aufhebungsverträgen zur Vermeidung einer betriebsbedingten Kündigung bei I. kommen, erhalten Mitarbeiter, die aus I. ausscheiden, ohne gleichzeitig in den Ruhestand zu gehen, von I. eine Abfindung auf Basis des Bruttomonatseinkommens im Übertrittszeitpunkt nach der am jeweiligen Standort derzeit (Stand 30.05.2006) bestehenden / letztgültigen S. B. M. Sozialplanregelung."

Neben den in der Berufungsinstanz noch anhängigen Streitgegenständen hat der Kläger mit seiner beim Arbeitsgericht München am 27. November 2007 eingegangenen Klage vom 26. November 2007 Vergütungsansprüche im Gesamtbetrag von 17.825 € verfolgt. Im Laufe des Verfahrens hat der Beklagte diese Forderung anerkannt. In der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Arbeitsgericht am 28 Mai 2008 erging ein Teilanerkenntnisurteil, wonach der Beklagte verurteilt wird, eine Insolvenzforderung in Höhe von 17.835 € zur Insolvenztabelle zu nehmen.

Weiterhin streitig blieb die Forderung des Klägers, dass ein Abfindungsanspruch in Höhe von 44.722,47 € zur Insolvenztabelle genommen wird.

Zur Begründung verweist der Kläger auf die Protokollnotiz vom 13. Mai 2006 sowie auf eine Betriebsvereinbarung zwischen der S. AG und dem Betriebsrat des Standortes München M. vom 26. September 2003, wo nach gemäß 4 bei der Beendigung des Arbeitsverhältnisses aufgrund eines Aufhebungsvertrages eine Abfindung zu zahlen sei, die im vorliegenden Fall 44.722,47 € betrage.

Mit seiner erstinstanzlichen Klage hat der Kläger weiterhin die Verurteilung des Beklagten zur Zahlung von 56.520,-- € als Masseverbindlichkeit begehrt.

Zur Begründung hat er auf ein Schreiben der Schuldnerin vom 26. Juni 2006 Bezug genommen, und nach ihm eine zusätzliche Vergütung zugesagt wurde, wenn sein Arbeitsverhältnis bis zum 30. Juni 2008 ununterbrochen fortbestehe. Im Einzelnen hat er dazu vorgetragen, der Beklagte habe das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger über den Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung hinaus zu unveränderten Bedingungen fortgeführt. Ziel sei es gewesen, mit der bestehenden Führungsstruktur den Goodwill der Schuldnerin zu erhalten und dadurch die Übernahme des Betriebs für Investoren lukrativ werden zu lassen. Seine Betriebstreue und seine Erwartungshaltung, dass das Unternehmen jedenfalls in irgendeiner Form fortbestehen werde und er deswegen auch sein Arbeitsverhältnis nicht beendet habe, könne nicht dazu führen, dass ihm nunmehr der im Schreiben vom 26. Juni 2006 bezeichnete "Retention-Bonus" nicht gezahlt werde.

Der Kläger hat - soweit nicht durch Teilanerkenntnisurteil vom 28. Mai 2008 erledigt - erstinstanzlich folgende Anträge gestellt:

1. Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger € 56.520,00 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 27.03.2007 zu zahlen.

2. Zur Insolvenztabelle festzustellen, dass dem Kläger in dem Insolvenzverfahren über das Vermögen der I. GmbH, H. 1, 8... München, Insolvenzforderungen in Höhe von € 62.548,32 zustehen, abzüglich eines aufgrund des Teilanerkenntnisurteils ergangenen Betrages in Höhe von € 17.825,00.

Der Beklagte hat Klageabweisung beantragt und zur Begründung ausgeführt, es fehle an einer Anspruchsgrundlage für die streitgegenständliche Ablehnungsforderung. Weder aus der Rahmenvereinbarung noch aus der Protokollnotiz ergebe sich eine Verpflichtung für die Schuldnerin zur Zahlung einer Abfindung. Von einer Fortgeltung bereits bestehende Arbeitsbedingungen können nicht die Rede sein, der die Verpflichtung der Schuldnerin zur Zahlung von Abfindungen im Falle betriebsbedingte Kündigungen ihre Wirkung erst nach dem Übergang habe entfalten sollen. Der Kläger habe im Übrigen auch keinen Anspruch auf Bezahlung des Retention-Bonus. Es handele sich hierbei um eine reine Bleibeprämie der, die erst dann Wirkung entfalte, wenn das Arbeitsverhältnis über den Juli 2008 hinaus fortbestanden habe.

Das Arbeitsgericht München hat der Klage mit Endurteil vom 20. Juni 2008, das dem Beklagten am 6. Oktober 2008 zugestellt wurde, dahingehend stattgegeben, dass festgestellt wurde, dass der Beklagte verpflichtet ist für den Kläger einen Betrag in Höhe von 44.722,47 € zur Insolvenz Tabelle zunehmen und dass der Beklagte verurteilt wurde, an den Kläger 18.840 € brutto zu zahlen. Im Übrigen hat das Arbeitsgericht die Klage abgewiesen.

Zur Begründung hat es bezüglich der Abfindungsforderung ausgeführt, die Protokollnotiz vom 31. Mai 2006 sei als Betriebsvereinbarung mit Bindungswirkung zu qualifizieren. Die Bezugnahme der Protokollnotiz auf die Betriebsvereinbarung aus dem Jahr 2003 sei auch unbedenklich. Es führe zu einem nicht zu vertretenden Ergebnis, wenn man unterstelle, dass die B. mit ihrem Gesamtbetriebsrat zwar eine Regelung treffe, die die Überleitung der Beschäftigungsbedingungen auf die Schuldnerin regele, diese aber nicht gelten solle, weil die Schuldnerin nicht Vertragspartner gewesen sei. Entscheidend sei vielmehr, dass die Schuldnerin aus dem Unternehmensbereich der B. ausgegliedert worden sei und insofern auch keine Fremdbestimmung im Hinblick auf die Anwendung der Protokollnotiz vom 31. Mai 2006 unterstellt werden könne.

Zum Anspruch des Klägers auf Zahlung der Bleibeprämie hat das Arbeitsgericht ausgeführt, der zugesagte Bonus stehe dem Kläger nicht in voller Höhe, sondern nur für acht Monate zu. Es handele sich um einen Fall des Wegfalls der Geschäftsgrundlage gemäß § 313 BGB. Beide Parteien seien sich dahingehend einig gewesen, dass eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses auf Grundlage der wirtschaftlichen Zwangslage der Schuldnerin nicht mehr möglich gewesen sei. Weiterhin habe Einigkeit bestanden, dass trotz Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses über den Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung hinaus eine Beendigung zum 28. Februar 2007 angezeigt gewesen sei. Der Beklagte müsse sich entgegenhalten lassen, dass er in Kenntnis der Zusage des Bonus am Arbeitsverhältnis mit dem Kläger festgehalten habe und insoweit auch eine schnellere Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch den Kläger verhindert habe. Bei dieser Sachlage könne die Bonuszusage nicht außer Kraft gesetzt werden. Erforderlich sei daher die Anpassung des Vertrags. Unter Berücksichtigung der Interessen beider Seiten sei es angezeigt, eine Zwölftelung des Bonus vorzunehmen. Die Bonuszusage sei für einen Zeitraum von 24 Monaten erfolgt. Ab der Zusage habe das Arbeitsverhältnis noch acht Monate betragen, so dass dem Kläger 1/3 des gesamten Bonusses zustehe.

Gegen die teilweise Klageabweisung wendet sich der Beklagte mit seiner am 31. Oktober 2008 beim Landesarbeitsgericht München eingegangenen Berufung vom selben Tag, den er mit Schriftsatz vom 5. Dezember 2008 der am selben Tag beim Landesarbeitsgericht eingegangen ist, begründet hat.

Unter Vertiefung und teilweise Wiederholung seines erstinstanzlichen Vortrags macht der Beklagte geltend, die Protokollnotiz vom 31. Mai 2006 stelle keine Anspruchsgrundlage für den Abfindungsanspruch dar. Durch diese Protokollnotiz sei die Schuldnerin nicht gebunden.

Sie wirke daher auch nicht für und gegen den Beklagten. Weder aus dem Wortlaut noch aus dem Zusammenhang der Protokollnotiz werde klar, dass die Vereinbarung im Namen der Schuldnerin habe abgeschlossen werden sollen. Aus dem Zusammenhang der getroffenen Regelung ließen sich auch nicht Vertretungsverhältnisse entnehmen. Eine Verpflichtung der Schuldnerin als neuer Arbeitgeberin gemäß § 613 a Absatz 1 Satz 1, 2 BGB scheide aus.

Zwar gelten nach dieser Vorschrift, die auf den Übergang des Arbeitsverhältnisses des Klägers auf die Schuldnerin Anwendung finde, die Betriebsvereinbarungen des bisherigen Arbeitgebers fort. Das gelte aber nur für diejenigen Betriebsvereinbarungen, die bereits für das bisherige Arbeitsverhältnis Rechte und Pflichten entfaltet hätten. Die von der Firma S. AG und der B. geschlossene Betriebsvereinbarung entspreche dem nicht. Denn hinsichtlich der Verpflichtung der Schuldnerin zur Zahlung von Abfindungen im Fall von betriebsbedingten Kündigungen habe sie ihre Wirkung erst nach dem Übergang entfalten sollen. Von einer Fortgeltung bereits bestehender Arbeitsbedingungen könne daher keine Rede sein. Zum Zeitpunkt des Abschlusses der Betriebsvereinbarungen am 30. Mai 2006 bzw. der Protokollnotiz zur Überleitung vom 31.5. 2006 habe die Schuldnerin noch nicht existiert. Die gesamten Regelungen stellten daher einen Vertrag zulasten Dritter dar.

Zum Anspruch des Klägers auf Zahlung des so genannten Retention-Bonus trägt der Beklagte vor, nach dem Wortlaut der Zusage handele es sich um eine Bleibeprämie, die nur dann bezahlt werden solle, wenn das Arbeitsverhältnis seit dem 26. Juni 2006 ununterbrochen zwei Jahre mit dem Kläger fortbestanden habe. Eine ununterbrochene Beschäftigung während dieses Zeitraums habe jedoch nicht stattgefunden. Das Arbeitsverhältnis sei nach circa 3/4 Jahr auf Wunsch des Klägers aufgehoben worden. Das Institut des Wegfalls der Geschäftsgrundlage könne keine Anwendung finden, weil zum einen das Arbeitsverhältnis auf Wunsch des Klägers aufgehoben worden sei. Zum anderen bestehe schon kein Regelungsbedarf, da die Zusage eindeutig dahingehend formuliert sei, dass die Bleibezeit eingehalten werden müsse. Es handele sich auch nicht um ein variables Gehalt, da der Bleibeprämie kein leistungsbezogener Faktor zu Grunde liege. Der Dienstzeitbonus habe allein den Bestand des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf Juni 2008 honorieren sollen.

Der Beklagte beantragt:

1. Das Urteil des Arbeitsgerichts München vom 20.06.2008, Geschäftszeichen 19a Ca 16202/07, wird aufgehoben.

2. Die Klage wird abgewiesen.

3. Der Kläger trägt die Kosten beider Rechtszüge.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Zur Begründung führt er aus, die Schuldnerin sei eine hundertprozentige Tochtergesellschaft der B. GmbH & Co. OHG. Das Vermögen sei mit Aktiva und Passiva bei der Eintragung der Schuldnerin in das Handelsregister ohne rechtsgeschäftliche Übertragungsakte Vermögen der Schuldnerin geworden. Es habe kein Betriebsübergang im Sinne von § 613 a BGB stattgefunden, sondern ein Anteil an der alten Gesellschaft sei mit diesem Betrieb in seinem Gesellschaftsvermögen weitergeführt worden. Es habe keine Rechtsnachfolge gegeben und es hätten keine Rechtsverhältnisse übergeleitet werden müssen.

Zum Anspruch auf Zahlung des Retention-Bonus erwidert der Kläger, entgegen der Darstellung des Beklagten sei das Arbeitsverhältnis nicht auf Wunsch des Klägers aufgehoben worden. Der Kläger habe, wie seine Kollegen, andere Angebote zum Abschluss eines Arbeitsvertrags in der Phase nach Anordnung der vorläufigen Insolvenzverwaltung auf ausdrücklichen Wunsch des Beklagten abgelehnt. Erst nachdem der Beklagte seine wirtschaftliche Entscheidung, den Betrieb der Schuldnerin fortzuführen, revidiert habe und dem Kläger und seinen Kollegen aus der Führungsebene quasi grünes Licht gegeben habe, sich andere Stelle zu suchen, habe sich der Kläger darum bemüht. Am 21. Dezember 2006 habe er einen Arbeitsvertrag mit der S. AG, München, unterzeichnet, und am 15. Januar 2007 seine Arbeit dort aufgenommen. Die Bleibeprämie sei Gehaltsbestandteil. Der Anspruch sei auch nicht deshalb wieder entfallen, weil das Arbeitsverhältnis des Klägers vor dem Ablauf der Zweijahresfrist geendet habe. Die Einschränkung der Bonuszusage sei unwirksam, weil sie den Kläger unangemessen benachteilige. Sie Stelle es in das Belieben der Schuldnerin, ob der Anspruch erfüllt werden müsse oder nicht. So, wie die Klausel formuliert sei, habe die Schuldnerin den Bonusanspruch auch aus Gründen, die nicht in der Person des Klägers lägen, wieder untergehen lassen können, indem sie das Arbeitsverhältnis vor Ablauf der Bleibefrist einseitig kündigte. Ob die Klausel Bestand hätte, wenn der Kläger aus in seiner Person liegenden Gründen gekündigt hätte, könne dahinstehen. Das Arbeitsverhältnis habe nämlich aus betrieblich veranlasstem Grund geendet. Deshalb stehe dem Kläger die Bonuszahlung in der Höhe zu, in der sie ihm zugestanden hätte, wenn er die Bleibefrist erfüllt hätte, was er auch gewollt habe. Allerdings verfolge er seinen vollen Anspruch wegen des Kostenrisikos nicht mehr weiter.

Hinsichtlich des weiteren Vorbringens der Parteien in der Berufungsinstanz wird auf die gewechselten Schriftsätze ergänzend Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

I.

Die Berufung ist zulässig. Sie ist statthaft nach § 64 Abs. 1 und 2 b) ArbGG und auch im Übrigen zulässig, insbesondere in der gesetzlichen Form und der vorgeschriebenen Frist eingelegt und begründet worden (§§ 11 Abs. 2 ArbGG, 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG i.V.m. §§ 519 Abs. 2, 520 Abs. 3 ZPO, § 66 Abs. 1 Sätze 1,2,5 ArbGG i.V.m. § 222 ZPO).

II.

Die Berufung ist begründet. Der Kläger hat weder einen Abfindungsanspruch noch Anspruch auf den im Schreiben vom 26. Juni 2006 in Aussicht gestellten Retention Bonus.

1. Abfindungsanspruch

Die Klage ist unbegründet, da eine Rechtsgrundlage für den behaupteten Anspruch nicht gegeben ist.

a) Der Anspruch kann nicht auf die Protokollnotiz zur Überleitung der Beschäftigungsbedingungen der von der B. M. GmbH & Co. OHG, Customer Care, zur I. GmbH übergehenden Mitarbeiter (Tarifkreis/Vertragsgruppen AT und FK) vom 31. Mai 2006 - im folgenden: Protokollnotiz - gestützt werden. Diese Betriebsvereinbarung ist unwirksam und kann daher einen Abfindungsanspruch nicht begründen. Aus der zwischen der Rechtsvorgängerin der Beklagten, der B. M. GmbH & Co. OHG, und deren Gesamtbetriebsrat getroffenen Gesamtbetriebsvereinbarung kann der Kläger keine Rechte herleiten. Diese Gesamtbetriebsvereinbarung ist unwirksam.

Der Rechtsvorgängerin der Beklagten und ihrem Gesamtbetriebsrat fehlte die Kompetenz, die Arbeitsbedingungen der Arbeitnehmer der Beklagten nach dem Betriebsübergang zu regeln. Die Betriebspartner konnten zwar Arbeitsbedingungen der bei der Rechtsvorgängerin der Beklagten beschäftigten Arbeitnehmer regeln. Die daraus entstehenden Rechte und Pflichten werden nach dem Betriebsübergang Inhalt des Arbeitsverhältnisses (§ 613 a Abs. 1 Satz 2 BGB).

Den Betriebspartnern ist es jedoch verwehrt, Arbeitsbedingungen für die Zeit nach Betriebsübergang unmittelbar zu regeln. Nach dem Betriebsübergang war der bisherige Gesamtbetriebsrat der Rechtsvorgängerin der Beklagten nämlich nicht mehr für die Arbeitnehmer der Beklagten zuständig. Für Arbeitnehmer eines anderen Betriebs konnten weder die Rechtsvorgängerin der Beklagten noch deren Gesamtbetriebsrat Arbeitsbedingungen regeln. Das gilt auch, wenn die Arbeitnehmer im Zeitpunkt der Regelung noch in den Zuständigkeitsbereich des Gesamtbetriebsrats fielen. Entscheidend ist insoweit allein, dass die Regelung selbst Arbeitsbedingungen trifft, für die der Betriebsrat weder ein Mitbestimmungsrecht beanspruchen kann noch insoweit zuständiger Repräsentant der Arbeitnehmer ist.

Auch aus § 613 a Abs. 1 Satz 2 BGB ergibt sich eine solche Befugnis der Betriebspartner nicht. Wenn dort bestimmt ist, dass die durch Betriebsvereinbarung geregelten Rechte und Pflichten bei einem Betriebsübergang Inhalt des Arbeitsverhältnisses mit dem Betriebserwerber werden, so sind damit die Rechte und Pflichten gemeint, die gegenüber dem bisherigen Betriebsinhaber bestanden (BAG, Urt. vom 1.4.1987, Az. 4 AZR 77/86, NZA 87, 593; Urt. vom 11.12.2007, Az. 1 AZR 824/06, DB 2008,1163).

Entgegen der Auffassung des Klägers handelte es sich bei der Gründung der Schuldnerin auch nicht um einen reinen Rechtsformenwechsel mit der Folge, dass personelle Identität zwischen der Schuldnerin und der abgebenden B. M. GmbH & Co. OHG bestanden hätte und damit die Schuldnerin dem Kläger aus der Protokollnotiz verpflichtet wäre . Vielmehr gründete die Rechtsvorgängerin der Schuldnerin eine neue juristische Person, nämlich die Schuldnerin. Anlässlich der Gründung der Schuldnerin hat kein bloßer Übergang der Eigentumsanteile an der juristischen Person der Inhaberin des Betriebs bzw. Teilbetriebs stattgefunden. Vielmehr ist mit der Übernahme des operativen Geschäfts "customer care" durch die Schuldnerin eine andere Rechtsperson Inhaberin des auf diese übergegangenen Betriebsteils geworden.

b) Soweit sich der Kläger darauf beruft, die Protokollnotiz sei im Wege der Umdeutung wenigstens als Gesamtzusage zu werten mit der Folge, dass der Kläger einen individualrechtlichen Anspruch habe, führt dies nicht zur Begründetheit der Klage.

Es ist zwar richtig, dass nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts eine unwirksame Betriebsvereinbarung in eine Gesamtzusage des Arbeitgebers umgedeutet werden kann, wenn sich unter Berücksichtigung aller Umstände ein entsprechender Bindungswille des Arbeitgebers ergibt.

Dieses kann jedoch dahin gestellt bleiben, da eine Gesamtzusage der B. M. GmbH & Co. OHG die Schuldnerin nicht verpflichten kann, auch wenn die Schuldnerin 100 %ige Tochter der B. M. GmbH & Co. OHG ist.

2. Retention Bonus

Die Klage auf Zahlung des Retention Bonus gemäß Zusageschreiben vom 26. Juni 2006 ist weder in voller Höhe noch anteilig begründet, sodass das Ersturteil auch insoweit abzuändern ist.

Die Voraussetzungen des Zahlungsversprechens sind nicht gegeben, weil die Bedingung einer zweijährigen Beschäftigung nicht erfüllt ist.

a) Die Berufungskammer teilt nicht die Auffassung des Arbeitsgerichts, dass die Vereinbarung der Bleibeprämie - § 151 BGB - wegen Wegfalls der Geschäftsgrundlage in der Weise anzupassen ist, dass dem Kläger jedenfalls die seiner tatsächlichen Beschäftigungszeit entsprechende Prämie anteilig zusteht.

aa) Gemäß § 313 Abs. 1 BGB kann ein Vertragspartner die Anpassung eines Vertrags verlangen, wenn sich die Umstände, die zur Grundlage des Vertrags geworden sind, nach Vertragsschluss schwerwiegend verändert haben und wenn die Parteien den Vertrag nicht oder mit anderem Inhalt geschlossen hätten, wenn sie diese Veränderung vorausgesehen hätten und wenn weiterhin einem Vertragspartner unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls ein Festhalten am unveränderten Vertrag nicht zugemutet werden kann. Dabei steht gemäß § 313 Abs. 2 BGB einer Veränderung der Umstände gleich, wenn wesentliche Vorstellungen, die zur Grundlage des Vertrags geworden sind, sich als falsch herausstellen.

Geschäftsgrundlage sind die bei Abschluss des Vertrages zu Tage getretenen, dem anderen Teil erkennbar gewordenen und von ihm nicht beanstandeten Vorstellungen der einen Partei oder die gemeinsamen Vorstellungen beider Parteien von dem Vorhandensein oder dem künftigen Eintritt bestimmter Umstände, sofern der Geschäftswille der Parteien auf diesen Vorstellungen aufbaut (Palandt-Heinrichs, 62. Auflage, § 313 BGB Randziffer 4).

bb) Im vorliegenden Fall ist der Fortbestand des Beschäftigungsbetriebs in der Weise Geschäftsgrundlage geworden, dass der Retention Bonus nur dann zur Auszahlung gelangen sollte, wenn das Arbeitsverhältnis zwei Jahre lang besteht, was voraussetzt, dass der Beschäftigungsbetrieb nach Ablauf von zwei Jahren noch fortbesteht. Damit ist der anspruchsbegründende Umstand, dass das der Geschäftsbetrieb bis zum 26. Juni 2008 noch weitergeführt wird zum ausdrücklichen Regelungsgegenstand geworden. Die Regelung lässt klar erkennen, dass für den Fall, dass das Arbeitsverhältnis aus welchen Gründen immer - also auch bei vorzeitiger Beendigung wegen Geschäftsaufgabe - die Bleibeprämie nicht zur Auszahlung kommen sollte. Es handelt sich damit um eine Prämie, die sowohl eine Verhaltenskomponente - keine Beendigung des Arbeitsverhältnisses - wie auch eine vom Verhalten des Arbeitnehmers unabhängige Komponente - Fortbestand des Geschäftsbetriebs - umfasst.

Enthält jedoch bereits der Vertrag nach seinem gegebenenfalls durch ergänzende Auslegung zu ermittelnden Inhalt Regeln für Wegfall, Veränderung oder Fehlen bestimmter Umstände, scheidet eine Anpassung gemäß § 313 BGB aus (Palandt-Heinrichs, a.a.O., Randziffer 6). Das ist bei der Zusage vom 26. Juni 2006 der Fall. Die vertragliche Regelung vom 26. Juni 2006 umfasst nämlich bereits eine Regelung für den Fall, dass der Betrieb nicht bis Mitte 2008 besteht. In diesem Fall sollte keine Bleibeprämie anfallen. Eine Anpassung gemäß § 313 BGB scheidet damit aus.

b) Der Anspruch kann auch nicht aus § 162 Absatz 1 BGB gestützt werden. Nach dieser Vorschrift gilt eine (vertragliche) Bedingung als eingetreten, wenn der Eintritt der Bedingung von der Partei, zu deren Nachteil er gereichen würde, wider Treu und Glauben verhindert wird. Es kann dahin gestellt bleiben, ob unterstellt werden kann, dass das Unterbleiben des Bedingungseintritts, nämlich der Fortbestand des Betriebs über den 26. Juni 2008 hinaus, durch ein Verhalten der Schuldnerin verhindert wurde. Selbst wenn man dies unterstellt, kann in der Einstellung des Geschäftsbetriebs ein treuwidriges Verhalten jedenfalls nicht gesehen werden.

c) Schließlich kann auch offenbleiben, ob die Zusage des Retention Bonus gemäß § 307 Abs. 1 BGB wegen unangemessener Benachteiligung des Klägers rechtsunwirksam ist. Selbst wenn dies der Fall wäre, würde dies nicht zur Begründung eines Anspruchs des Klägers auf Auszahlung der gesamten Bleibeprämie oder auch nur eines ratierlichen Teils derselben führen.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 92,97 ZPO. Dabei war zu berücksichtigen, dass ein Teil der Klageforderung durch Teilanerkenntnisurteil ausgeurteilt wurde und über die hierbei entstandenen Kosten noch nicht befunden wurde.

IV.

Gegen dieses Urteil kann der Kläger Revision einlegen.

Für die Beklagte ist gegen dieses Urteil kein Rechtsmittel gegeben.

Die Revision muss innerhalb einer Frist von einem Monat eingelegt und innerhalb einer Frist von zwei Monaten begründet werden.

Beide Fristen beginnen mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber mit Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung des Urteils.

Ende der Entscheidung

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