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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht München
Urteil verkündet am 20.05.2009
Aktenzeichen: 11 Sa 97/09
Rechtsgebiete: BayPVG


Vorschriften:

BayPVG Art. 72
BayPVG Art. 77
Die Entscheidung befasst sich mit der Zulässigkeit eines Auflösungsantrags des Arbeitgebers nach Ausspruch einer Kündigung, die wegen nicht ordnungsgemäßer Anhörung des Personalrats unwirksam ist.
Landesarbeitsgericht München Im Namen des Volkes URTEIL

11 Sa 97/09

Verkündet am: 20.05.2009

In dem Rechtsstreit

hat die 11. Kammer des Landesarbeitsgerichts München auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 22.04.2009 durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Dr. Obenaus und die ehrenamtlichen Richter Dallinger und Stöhr

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Der Auflösungsantrag des Beklagten wird abgewiesen.

2. Der Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens einschließlich der Kosten des Revisionsverfahrens.

3. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten - soweit noch rechtshängig - über einen Auflösungsantrag des Arbeitgebers.

Der Auseinandersetzung liegt im Wesentlichen folgender Sachverhalt zu Grunde:

Der am 00.00.0000 geborene Kläger war seit 1. September 2001 als SozialhilfeSachbearbeiter bei dem Beklagten für ein monatliches Brutto-Entgelt von circa 3000,-- € beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis findet kraft arbeitsvertraglicher Vereinbarung der Bundesangestelltentarifvertrag Anwendung.

Mit Schreiben vom 17.10.2003, 3.12.2003 sowie 12.3.2004 mahnte der Beklagte den Kläger wegen Verstoßes gegen Weisungen seiner Vorgesetzten, wegen despektierlichem Umgangsstil mit Vorgesetzten sowie wegen aus Sicht des Beklagten unnötigen, den Arbeitsablauf störenden schriftlichen Eingaben und Anforderungen des Klägers an seine Vorgesetzten ab.

Mit Datum vom 16.3.2004 fertigte die unmittelbare Vorgesetzte des Klägers, Frau P., nach Vorsprache des inzwischen verstorbenen Sozialhilfeempfängers D. aus dem Zuständigkeitsbereich des Klägers folgende Niederschrift:

Beim Sachgebiet Senioren und Behinderte spricht Herr G. D., wohnhaft T. S. 00, 8... E. vor, und gibt nachfolgendes zur Niederschrift an:

Ich bin Bezieher von Grundsicherungsleistungen. Leider kann ich mit dem Sachbearbeiter, Herrn Z., nicht vernünftig sprechen. Wenn ich bei ihm anrufe, um ihn etwas zu fragen, ist er öfters unfreundlich zu mir. Am Telefon begrüßt er mich selten, sondern sagt zum Beispiel gleich zu mir "D., was ist schon wieder los. Ich habe keine Zeit." Erst letzte Woche wollte ich bei ihm vorsprechen, weil ich mich mit der laufenden Grundsicherungsberechnung nicht auskenne. Er war wieder recht hektisch und lehnte meine Bitte um einen Termin ab, da er keine Zeit habe.

Als ich kürzlich wegen meiner Grundsicherung mit ihm telefoniert und ihn darauf verwies, dass ich auch schon mit Frau P. darüber gesprochen habe, antwortete er mir: "Die P. hat doch auch keine Ahnung! Alle reden und keiner hat eine Ahnung von der Grundsicherung. Die Frau B. hat auch Fehler gemacht.

Auf meine Frage, wer dann von der Grundsicherung eine Ahnung hat, erklärte Herr Z.: "Nur ich kenne mich da aus!"

Diese Aussage bestätige ich mit meiner Unterschrift.

E., den 16.03.2004 Landratsamt E. - Sachgebiet 21 -

P. G. D.

Bei dieser Vorsprache war weiter anwesend:

M. L.

Mit Schreiben vom 13.5.2004, das dem Kläger per Einschreiben zugesandt wurde und von ihm am 21.5.2004 beim Postamt abgeholt wurde, kündigte der Beklagte das Arbeitsverhältnis "gemäß § 53 Absatz 2 BAT fristgemäß zum 30.6.2004". Hinsichtlich des Inhalts des Kündigungsschreibens, insbesondere der darin enthaltenen Kündigungsbegründung wird auf die bei den Akten befindliche Kopie Bezug genommen (Blatt 5 ff. d.A.)

Mit Datum vom 20.3.2005 sandte ein enger Freund des Klägers, Herr F. O. an Herrn Landrat M. B., ein Schreiben mit dem Betreff: "Ungerechtfertigte Kündigung gegen Herrn P. Z. - Dienstaufsichtsbeschwerden: gegen Sachgebietsleiterin Frau P., Personalleiter Herrn K., Regierungsrat Herrn A.". In diesem Schreiben befasst sich Herr O. ausführlich mit dem Arbeitsverhältnis des Klägers sowie dem Verhalten seiner Vorgesetzten. Bezüglich des Inhalts wird im Einzelnen auf die bei den Akten befindliche Kopie des 23seitigen Schreibens (Blatt 355 ff. d.A.) Bezug genommen.

Mit seiner beim Arbeitsgericht München am 27.5.2004 eingegangenen Klage vom selben Tag hat der Kläger u. a. die gerichtliche Feststellung begehrt, dass sein Arbeitsverhältnis durch die Kündigung vom 13.5.2004 nicht aufgelöst worden ist.

Zur Begründung hat er ausgeführt, die streitgegenständlichen Kündigung sei sozial ungerechtfertigt und daher rechtsunwirksamen, weil sein Arbeitsverhältnis unter das Kündigungsschutzgesetz falle und weil keine Gründe in seinem Verhalten gegeben seien. Weiterhin hat er bestritten, dass der Personalrat zur Kündigung ordnungsgemäß angehört worden sei. Schließlich sei die Kündigung auch nicht fristgerecht erfolgt. Im Hinblick auf § 53 BAT sei die Kündigung nur bis zum Ablauf des 30.9.2004 zulässig gewesen. Schließlich hat der Kläger in erster Instanz gerügt, dass die Kündigung von der falschen Person ausgesprochen worden sei. Arbeitgeber des Klägers sei der Landkreis E.. Zwar werde dieser vom Landrat vertreten, nicht jedoch vom Landratsamt. Das Landratsamt E. habe vorliegend im eigenen Namen und nicht im Namen des Beklagten gekündigt, so dass die Kündigung aus diesem Grund unwirksam sei.

Der Kläger hat in erster Instanz beantragt:

Es wird festgestellt, dass die Kündigung des Landratsamtes E. vom 13.5.2004, zugegangen am einen 21.5.2004, das Arbeitsverhältnis nicht aufgelöst hat und dass das Arbeitsverhältnis zwischen dem Kläger und dem Landkreis E. zu den bisherigen Bedingungen über den Ablauf der Kündigungsfrist 30.6.2004 hinaus weiter unverändert fortbesteht.

Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Zur Begründung hat er ausgeführt, der Kläger sei mit Schreiben vom 17.10.2003 wegen wiederholter Nichtbeachtung dienstlicher Weisungen von Vorgesetzten, mit Schreiben vom 3.12.2003 wegen Beleidigung eines Vorgesetzten und mit Schreiben vom 12.3.2004 wegen Störung des Betriebsablaufes verhaltensbedingt wirksam abgemahnt worden. Nachdem trotz der Warnfunktion der Abmahnungen weitere Vorfälle aufgetreten seien, sei entschieden worden, das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger fristgerecht zum 30.6.2004 durch ordentliche Kündigung zu beenden. Insbesondere habe der Kläger Anfang März 2004 in einem Telefonat gegenüber einem Bezieher von Grundsicherungsleistungen, der dabei auf ein Gespräch mit der Vorgesetzten des Klägers, Frau P., verwiesen habe, wörtlich erklärt: "Die P. hat doch auch keine Ahnung! Alle reden und keiner hat eine Ahnung von der Grundsicherung. Die Frau B. hat auch Fehler gemacht." Auf Rückfrage des Sozialhilfeempfängers, wer dann von der Grundsicherung eine Ahnung habe, habe der Kläger erklärt: "Nur ich kenne mich da aus!".

Zur Anhörung des Personalrats hat der Beklagte vorgetragen, der Personalrat sei ordnungsgemäß mit Schreiben vom 24. März 2004 beteiligt worden. Er habe in seiner Sitzung am 30. März 2004 ohne Vorbehalte der Kündigung zugestimmt. Er habe in seinem Schreiben vom 1. April 2004 sogar die Auffassung vertreten, dass die Vorfälle für eine außerordentliche Kündigung ausreichend gewesen seien. Bei Übergabe des Anhörungsschreibens durch Herrn K. an den Personalratsvorsitzenden sei dieser mündlich noch einmal umfassend über den Sachverhalt informiert worden. Der Personalratsvorsitzende, Herr B., sei auch jeweils über die ausgesprochenen Abmahnungen ausführlich mündlich informiert worden. Ebenso sei Herr B. über die Gespräche bzw. Schreiben der Gewerkschaft informiert und auch bei den Besprechungen mit dem Gewerkschaftsvertreter, Herrn S., anwesend gewesen. Die pauschale Behauptung des Klägers, dass der Personalrat nicht umfassend informiert gewesen sei, sei eine standardisierte Schutzbehauptung und rechtlich unbeachtlich. Bei Übergabe des Anhörungsschreibens durch Herrn K. an den Personalratsvorsitzenden sei dieser mündlich noch einmal umfassend über den Sachverhalt informiert worden.

Der Kläger hat erwidert, dem Personalrat seien die Gegendarstellungen des Klägers nicht vorgelegt worden. Eine Besprechung mit dem Personalrat und dem Kläger habe nicht stattgefunden. Im Rahmen eines fairen Verfahrens habe er, der Kläger, jedoch gehört werden müssen, damit sich der Personalrat ein objektives Bild hätte machen können. Er, der Kläger, sei bereits vor der Personalratssitzung von seiner Verpflichtung zur Arbeitsleistung freigestellt gewesen, in der seine Kündigung habe erörtert werden sollen. Der Beklagte habe die Entscheidung des Personalrats somit nicht abwarten, sondern sich sofort von ihm trennen wollen. Der Personalrat sei in seiner Entscheidung auch ganz erheblich von den unzutreffenden Behauptungen von Frau P. beeinflusst worden. Völlig unzutreffend sei dem Personalrat suggeriert worden, man könne mit ihm nicht mehr zusammenarbeiten. Wenn - so der Kläger weiter - der Personalrat wahrheitsgemäß informiert worden wäre, hätte er der Kündigung widersprochen.

Der Beklagte hat erwidert, Frau P. habe an der Besprechung und Abstimmung zu der beabsichtigten Kündigung nicht teilgenommen. Soweit sich der maßgebliche Kündigungssachverhalt aus Schriftstücken, Urkunden etc. ergebe, genüge die Unterrichtung hierüber auch ohne deren Vorlage. So habe das Bundesarbeitsgericht in einer Entscheidung vom 31. August 1989 nur die Information über das Vorliegen einer Gegendarstellung gefordert, nicht aber die Vorlage der Gegendarstellung des Arbeitnehmers selbst. Insoweit sei die Information des Personalrats also umfassend und wahrheitsgemäß erfolgt. Zum Ablauf selbst sei vorzutragen, dass der Kläger am 30. März 2004 um 8:00 Uhr erschienen sei und bis 10:00 Uhr mit Herrn K. die beabsichtigte Kündigung erörtert habe. Bei dieser Gelegenheit seien dem Kläger der Aktenvermerk von Frau P. vom 5. März 2004 mit der Niederschrift der Aussage des Zeugen D. vom 16. März 2004 vorgelegt sowie die Gründe für die beabsichtigte Kündigung ausführlich dargelegt worden. Danach habe Herr K. den Kläger zu seinem Büro begleitet und bis 11.20 Uhr das Ausräumen desselben überwacht.

Das Arbeitsgericht hat der Klage durch Teilurteil in der Weise stattgegeben, dass festgestellt wurde, dass die Kündigung vom 13.05.2004 das Arbeitsverhältnis nicht aufgelöst hat.

Zur Begründung hat es ausgeführt, die Einvernahme der angebotenen Zeuginnen sei nicht erforderlich, weil selbst dann, wenn deren Zeugenaussage bestätige, dass die niedergelegten Worte gefallen seien, nicht feststehe, in welcher Situation und in welchem Zusammenhang der Kläger dieses oder etwas ähnliches geäußert habe. Hintergrund der bezeichneten Beschwerde sei offenbar gewesen, dass Herr D. bereits gereizt gewesen sei, weil er öfters nachgefragt habe. Falls der Kläger dann die in der Niederschrift wiedergegebene Formulierung gebraucht haben sollte, zeige sich daran mangelnde Selbstbeherrschung und mangelnde Achtung vor seiner Vorgesetzten. Ob diese Pflichtverletzung genügend schwerwiegend sei, um die Kündigung sozial zu rechtfertigen, hinge von der Vorgeschichte und den näheren Umständen des Telefongespräches ab. Diese hätten jedoch nur durch Vernehmung des inzwischen verstorbenen unmittelbaren Zeugen D. bewiesen werden können.

Unter den gegebenen Umständen sei die Kündigung sozial nicht gerechtfertigt und daher unwirksam, da die vom Beklagten vorgebrachten Gründe im Verhalten des Klägers nicht mit genügender Sicherheit feststünden.

Gegen das dem Feststellungsantrag stattgebende, dem Beklagten am 24.4.2006 zugestellte Teilurteil hat sich der Beklagte mit seiner Berufung vom 22. Mai 2006, die beim Landesarbeitsgericht München am 24.5.2006 eingegangen ist und unter dem Aktenzeichen 11 Sa 650/06 eingetragen wurde, gewandt. Mit Schriftsatz vom 24. Juli 2006 hat der Beklagte hilfsweise für den Fall des Unterliegens bezüglich der Feststellungsklage, die Auflösung des Arbeitsverhältnisses gegen Zahlung einer angemessenen Abfindung begehrt.

Durch Urteil der entscheidenden Kammer des Landesarbeitsgerichts München vom 24. November 2006 wurde das Arbeitsverhältnis zum Ablauf des 30. September 2004 gegen Zahlung einer Abfindung aufgelöst. Im Übrigen wurde die Berufung des Beklagten zurückgewiesen.

Mit Urteil vom 28. August 2008, Az. 2 AZR 63/07 (NZA 2009,276) hat das Bundesarbeitsgericht auf die Revision des Klägers das Urteil des Landesarbeitsgerichts München vom 24. November 2006 - 11 Sa 650/06 - im Kostenausspruch und insoweit aufgehoben, als das Landesarbeitsgericht das Arbeitsverhältnis zum Ablauf des 30. September 2004 aufgelöst sowie den Beklagten zur Zahlung einer Abfindung verurteilt hat. Gleichzeitig hat es den Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung über den Auflösungsantrag des Beklagten - auch über die Kosten der Revision - an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.

Zur Begründung hat das Bundesarbeitsgericht ausgeführt, über den Auflösungsantrag des Beklagten habe nicht sachlich entschieden werden dürfen, weil der Beklagte diesen Antrag in der anberaumten mündlichen Verhandlung, auf die das angefochtene Urteil ergangen sei, nicht in prozessual wirksamer Weise zur Entscheidung des Berufungsgerichts gestellt habe. Soweit das Landesarbeitsgericht gleichwohl das Arbeitsverhältnis gegen Zahlung einer Abfindung aufgelöst habe, habe es dem Beklagten etwas zugesprochen, was dieser nicht beantragt habe (§ 308 Abs. 1 Satz 1 ZPO).

Da eine Sachentscheidung über den Auflösungsantrag mangels diesbezüglicher Antragstellung nicht habe ergehen dürfen, sei das Berufungsurteil insoweit aufzuheben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Landesarbeitsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Eine eigene Sachentscheidung über den Auflösungsantrag sei dem Bundesarbeitsgericht verwehrt. Für den Fall, dass das Landesarbeitsgericht aufgrund der neuen mündlichen Verhandlung über den Auflösungsantrag streitig zu entscheiden habe, werde es zu berücksichtigen haben, dass eine Auflösung des Arbeitsverhältnisses auf den Antrag des Beklagten nach § 9 Abs. 1 Satz 2 KSchG nur dann in Betracht komme, wenn die Kündigung nicht auch aus einem anderen Grund als dem der Sozialwidrigkeit unwirksam sei. Das Landesarbeitsgericht werde demnach, bevor es einem etwaigen Auflösungsantrag des Beklagten stattgebe, der Frage nachzugehen haben, ob dieser den Personalrat vor Ausspruch der Kündigung ordnungsgemäß beteiligt habe. An einer solchen Prüfung sei das Landesarbeitsgericht nicht wegen der rechtskräftig gewordenen Entscheidung über die Kündigungsschutzklage gehindert.

Mit seiner im vorliegenden Verfahren, Az.: 11 Sa 97/09, weiter verfolgten Berufung hat der Beklagte an seinem bereits schriftsätzlich gestellten Antrag auf gerichtliche Auflösung des Arbeitsverhältnisses gegen Zahlung einer angemessenen Abfindung festgehalten.

Zur Begründung seines Auflösungsantrags hat der Beklagte vorgetragen, der Kläger habe durch grobe Verletzung der Verschwiegenheitspflicht und den Verstoß gegen eindeutige Datenschutzbestimmungen gegen seine arbeitsvertragliche Pflichten verstoßen und hierdurch Umstände begründet, die eine den Betriebszwecken dienliche weitere Zusammenarbeit zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer nicht erwarten ließen. Mit einem persönlich an den Landrat gerichteten Schreiben vom 20.3.2005 habe sich nämlich ein Herr F. O. aus S. gegen die aus seiner Sicht ungerechtfertigte Kündigung des Klägers vom Mai 2004 gewandt und damit gedroht, die Presse und andere Stellen entsprechend zu unterrichten. Dem Schreiben des Herrn O. lasse sich entnehmen, dass der Kläger mindestens seit 12.3.2003 begonnen habe, Kopien oder Originalunterlagen aus dem Dienst mit nach Hause zu nehmen und dort zu sammeln. Herr O. habe umfänglich Zugang zu behördeninternen Dokumenten erhalten, die dem Kläger nur im Rahmen seiner dienstlichen Aufgaben zur Verfügung gestanden hätten. Herr O. sei nicht Angehöriger des öffentlichen Dienstes oder einer sonstigen Organisation, die zur Verfolgung von Rechtsangelegenheiten Dritter ermächtigt sei. Für das vorliegende Verfahren könne dahinstehen, ob die Information des Herrn O. durch den Kläger für eine fristlose Kündigung ausreiche, wie sie vom Beklagten dann am 18.5.2005 ausgesprochen worden sei. Das gerügte Verhalten sei aber geeignet, jegliches Vertrauen in eine Zusammenarbeit mit dem Kläger grundlegend zu zerstören. Außerdem lägen diverse anonyme Schreiben vor, in denen Stimmung gegen den Beklagten gemacht werde. Das Verhalten von Herrn O. sei dem Kläger eindeutig zuzurechnen. Im Ergebnis müsse sich der Kläger auch die Aktionen der übrigen anonymen Schreiben zurechnen lassen.

Der Beklagte beantragt:

Das Arbeitsverhältnis wird gegen Zahlung einer angemessenen Abfindung, die jedoch 1.500,-- € nicht überschreiten sollte, aufgelöst.

Der Kläger beantragt,

den Auflösungsantrag abzuweisen.

Zum Auflösungsantrag des Beklagten hat der Kläger erwidert, der Beklagte könne die Auflösung schon deshalb nicht verlangen, da die Kündigung nicht nur sozialwidrig, sondern auch mangels wirksamer Anhörung des Personalrates unwirksam sei. Er bestreite, dass der vorgelegte Vermerk des Personalrats am 25. März 2004 gefertigt worden sei. Auch der Inhalt werde bestritten. Er rüge, zu den Vorgängen am 4. März 2004 sowie dem Vorgang vom 16. März 2004 (Sache D.) nicht gehört worden zu sein. Der auf den 25. März datierte Aktenvermerk sei zweifelhaft, weil er einen erst später stattgefunden Vorfall dokumentiere und darüber hinaus den Vorgang vom 7. März 2004 nicht erwähne. Der Beklagte solle den Aktenvermerk im Original vorlegen. Es sei auch nicht klar, worüber der Personalrat konkret unterrichtet worden sei, insbesondere inwieweit der Personalrat Aktenstücke erhalten habe. Im Anhörungsschreiben werde auf ein Schreiben vom 26. Februar 2003 hingewiesen, das es nicht gebe. Möglicherweise handele es sich dabei um das Schreiben vom 25. Februar 2004 bezüglich angeblicher fehlerhafter Arbeitsvorgänge. Dass er hierzu eine Gegendarstellung und detaillierte Erklärung vom 27. Februar 2004 gemacht habe, habe der Beklagte dem Personalrat nicht mitgeteilt. Unrichtig sei auch der Hinweis auf einen angeblichen Vorgang vom 6. November 2003. Ein entsprechender Aktenvermerk datiere vom 9. Oktober 2003. Frau P. halte darin fest, dass der Abteilungsleiter um Vorlage einer Liste aller bis dahin nicht abschließend bearbeiteter Grundsicherungsfälle bis zum 3.11.03 gebeten habe. Im Anhörungsschreiben sei auch nicht erwähnt, dass das Führen dieser Liste Aufgabe einer Kollegin gewesen sei. Außerdem sei nicht erwähnt, dass er vom 20.10. bis 5.11.2003 krank gewesen sei.

Zur behaupteten Unzumutbarkeit der Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses trägt der Kläger vor, der Vortrag im Zusammenhang mit dem Schreiben O. sei zu allgemein. Dem Schreiben könne nicht entnommen werden, dass er, der Kläger, seit 12.3.2003 begonnen habe, Kopien oder Originalunterlagen mit nach Hause zu nehmen. Herr O. habe durch ihn keinerlei Einsicht in behördeninterne Dokumente erhalten.

Soweit in seinem Schreiben Dritte erwähnt seien, habe Herr O. das Schreiben aufgrund einer Zusammenstellung des Klägers gefertigt. Diese Zusammenstellung enthalte weder Daten, Adressen noch Namen. Soweit Herr O. darauf verwiesen habe, dass er mehrere Schriftstücke und Aufzeichnungen des Klägers eingesehen habe, seien damit die oben genannten Aufzeichnungen sowie an den Kläger gerichtete Schreiben, Mahnungen und so weiter gemeint. Der genaue Inhalt des Schreibens sei ihm nicht bekannt, insbesondere auch nicht die Drohung, die Presse und andere Stellen entsprechend zu unterrichten. Die Auflösung des Arbeitsverhältnisses, komme auch deshalb nicht in Betracht, da die Beklagte es von vornherein unterlassen habe, die Konfliktsituation am Arbeitsplatz durch eine vom Kläger beantragte und vom Personalleiter zugesicherte Versetzung bereinigen zu können. Den Inhalt der anonymen Schreiben müsse er sich nicht zurechnen lassen.

Hinsichtlich des weiteren Vorbringens der Parteien in der Berufungsinstanz wird auf die gewechselten Schriftsätze ergänzend Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

I.

Die Berufung ist zulässig. Sie ist statthaft nach § 64 Abs. 1 und 2 c) ArbGG, ferner in der richtigen Form und Frist eingelegt und begründet worden gemäß § 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG i.V.m. §§ 519 Abs. 2, 520 Abs. 3 ZPO, § 66 Abs. 1 Sätze 1,2,5 ArbGG i.V.m. § 222 ZPO.

II.

Der Beklagte hat das Urteil vom 24. November 2004, soweit das Landesarbeitsgericht die Kündigung vom 13. Mai 2004 für sozial ungerechtfertigt i.S.v. § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG und damit für unwirksam erachtet hat, weder mit der für ihn zugelassenen Revision noch mit einer Anschlussrevision angegriffen. Das Urteil ist insoweit rechtskräftig.

Die Berufung ist in ihrem noch rechtshängigen Teil, nämlich dem nunmehr protokollierten Auflösungsantrag unbegründet. Der Auflösungsantrag ist abzuweisen, weil er unzulässig ist.

Bei dem vom Kläger geltend gemachten Unwirksamkeitsgrund der nicht ordnungsgemäßen Beteiligung des Personalrats handelt es sich auch um einen dem Schutz des Arbeitnehmers dienenden Grund, bei dessen Eingreifen dem Arbeitgeber der Auflösungsantrag verwehrt ist. Insoweit gilt nichts Anderes als in Fällen, in denen die Kündigung wegen nicht ordnungsgemäßer Anhörung des Betriebsrats nach § 102 Abs. 1 Satz 3 BetrVG unwirksam ist (BAG, Urt. v. 28.8.2009, a.a.O.).

Die ordentliche Kündigung vom 21. Mai 2004 ist unwirksam, weil der Personalrat des Landkreises hier zu unvollständig angehört worden ist, Art. 72 Abs. 1 Satz 1; 77 Abs. 1 Satz 1 BayPVG. Dies führt dazu, dass der Auflösungsantrag unzulässig ist.

Nach Art. 77 Abs. 1 Satz 1 BayPVG wirkt der Personalrat bei der ordentlichen Kündigung durch den Arbeitgeber mit. Im Rahmen dieser Mitwirkung ist die beabsichtigte Kündigung vor ihrem Ausspruch gemäß Art. 72 Abs. 1 Satz 1 BayPVG mit dem Ziel einer Verständigung rechtzeitig und eingehend mit dem Personalrat zu erörtern. Dabei sind die im Zusammenhang mit der Anhörungspflicht des Arbeitgebers nach § 102 BetrVG von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze entsprechend anzuwenden (BAG, Urt. vom 31.8.1989, Az.: 2 AZR 453/88, AP Nr. 1 zu § 77 LPVG Schleswig-Holstein).

Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ist eine Kündigung gemäß § 102 BetrVG nicht nur dann unwirksam, wenn der Arbeitgeber gekündigt hat, ohne dass er überhaupt mit dem Betriebsrat in Verbindung getreten ist, sondern auch dann, wenn der Arbeitgeber seine Mitteilungspflicht nicht richtig, insbesondere nicht ausführlich genug erfüllt hat. Die Anhörung soll in geeigneten Fällen dazu beitragen, dass es erst gar nicht zum Ausspruch einer Kündigung kommt. Aus dem Sinn und Zweck der Anhörung folgt für den Arbeitgeber die Verpflichtung, die Gründe für seine Kündigungsabsicht derart mitzuteilen, dass er dem Betriebsrat eine nähere Umschreibung des für die Kündigung maßgeblichen Sachverhaltes gibt. Der Arbeitgeber hat insbesondere die Tatsachen anzugeben, aus denen er seinen Kündigungsentschluss herleitet. Diese Kennzeichnung des Sachverhalts muss so genau und so umfassend sein, dass der Betriebsrat ohne zusätzliche eigene Nachforschungen in der Lage ist, selbst die Stichhaltigkeit der Kündigungsgründe zu prüfen und sich über seine Stellungnahme schlüssig zu werden. Insoweit kann es dem Grundsatz der vertrauensvollen Zusammenarbeit entsprechen, dem Betriebsrat auch diejenigen Umstände mitzuteilen, die gegen den Ausspruch einer Kündigung sprechen (BAG, a.a.O. m.w.N.).

In diesem Zusammenhang gilt zwar der Grundsatz der subjektiven Determinierung der Anhörung, d.h. die Anhörung ist immer dann ordnungsgemäß, wenn der Arbeitgeber dem Betriebsrat bzw. Personalrat die aus seiner Sicht tragenden Umstände unterbreitet hat. Eine Betriebsrats- bzw. Personalratsanhörung ist jedoch dann fehlerhaft, wenn der Arbeitgeber den Sachverhalt bewusst irreführend und unvollständig mitgeteilt hat. Dabei ist es Aufgabe des Arbeitgebers, darzulegen und notfalls zu beweisen, dass er den Betriebsrat bzw. Personalrat nicht bewusst in die Irre geführt hat, wenn Unterschiede zwischen der objektiven Informationslage und der Information an den Betriebsrat bestehen oder wenn der Arbeitnehmer die Richtigkeit der Information an den Betriebsrat bestreitet (BAG, Urt. vom 22.9.1994, Az.: 2 AZR 31/94, NZA 1995, 363).

Der Kläger hat die Richtigkeit der Anhörung des Personalrats bestritten, so dass es Sache des Beklagten war, darzulegen und zu beweisen, dass er nicht bewusst unvollständig informiert hat.

Auf Seite 2 des Anhörungsschreibens stellt der Beklagte fest, der Kläger habe seine Akten nicht ordentlich geführt, weshalb durch Dienstanweisung vom 26.2.2003 - unstreitig ein Schreibfehler, gemeint war der 25.2.2004 - die künftige Verfahrensweise habe geregelt werden müssen. Gleichzeitig wird im Anhörungsschreiben bemerkt, der Kläger habe sich über die generelle Art und Weise der Sachbearbeitung trotz mehrfacher Aufforderung nicht einsichtig gezeigt. Der Kläger hat sich in einem Schreiben vom 27. Februar 2004 an Frau P. sowie vom 9. März 2004 an Herrn A. mit den diesem Vorwurf zu Grunde liegenden Beanstandungen auseinandergesetzt, ohne dass der Personalrat hierüber informiert worden ist. Es kann dahin gestellt bleiben, ob es bei Beachtung des Gebots der vertrauensvollen Zusammenarbeit ausgereicht hätte, den Personalrat vom Vorliegen einer Gegendarstellung bzw. Stellungnahme des Klägers hierzu zu informieren. Jedenfalls hat der Beklagte nicht spezifiziert vorgetragen und unter Beweis gestellt, dass der Personalrat darüber informiert wurde, dass und in welcher Weise der Kläger auf die Vorhaltungen bezüglich der nicht ordentlichen Aktenführung reagiert hat.

Des Weiteren bleibt der Vorwurf, der Kläger sei dienstlichen Anweisungen bezüglich Rücksprache in bestimmten Fällen nicht oder nur auf mehrmalige Wiederholung nachgekommen (Seite 2, Vierter Absatz des Anhörungsschreibens vom 24.3.2004) unerklärt. Für den Personalrat war soweit ersichtlich nicht erkennbar, welcher tatsächliche Ablauf diesem Vorwurf zu Grunde lag.

Nachdem die Kündigung nicht nur auf einen unangemessenen Ton des Klägers gegenüber seinen Vorgesetzten, sondern auch auf inhaltliche Mängel seiner Arbeit gestützt wurde, hätte der Personalrat über die abweichende Sichtweise des Klägers informiert werden müssen. Nur so hätte sich der Personalrat ein Bild darüber machen können, ob der Kläger im jeweiligen Einzelfall zutreffend Einwendungen gegen die ihm im Wege der Dienstanweisung aufgegebene Verhaltensweise erhoben hat. Nur so hätte sich der Personalrat auch ein eigenes Bild darüber machen können, ob und inwieweit auch aus Sicht des Personalrats unangemessene Verhaltensweisen des Klägers als Reaktion auf tatsächliche oder lediglich von ihm behauptete Mängel im Betriebsablauf ausreichendes Gewicht hatten, um eine Kündigung ausgelöst durch den Vorgang "D." zu rechtfertigen.

III.

Die Kostenfolge ergibt sich aus § 97 ZPO.

IV.

Da dem Rechtsstreit über die Klärung der streitgegenständlichen Fragen hinaus keine grundsätzliche Bedeutung zukommt, besteht für die Zulassung der Revision gemäß § 72 Abs. 2 ArbGG keine Veranlassung. Gegen dieses Urteil ist deshalb die Revision nur gegeben, wenn sie das Bundesarbeitsgericht auf Grund einer Nichtzulassungsbeschwerde, auf deren Möglichkeit und Voraussetzungen gemäß § 72 a ArbGG hingewiesen wird, zulassen sollte.

Ende der Entscheidung

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