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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht München
Urteil verkündet am 20.10.2006
Aktenzeichen: 11 Sa 979/05
Rechtsgebiete: KSchG


Vorschriften:

KSchG § 1
Einzelfallentscheidung zur Frage der Zulässigkeit einer sog. Austauschkündigung (Austausch von Arbeitnehmern gegen Subunternehmer)
LANDESARBEITSGERICHT MÜNCHEN IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

11 Sa 979/05

Verkündet am: 20. Oktober 2006

In dem Rechtsstreit

hat die Elfte Kammer des Landesarbeitsgerichts München auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 6. Oktober 2006 durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Dr. Obenaus sowie die ehrenamtlichen Richter Abbold und Hinzmann für Recht erkannt:

Tenor:

1. Die Berufung des Klägers gegen das Endurteil des Arbeitsgerichts München vom 13. Mai 2005, Az. 14 Ca 12496/04, wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.

2. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten über die Rechtswirksamkeit einer ordentlichen Arbeitgeberkündigung sowie über einen Weiterbeschäftigungsanspruch des Klägers.

Der Auseinandersetzung liegt im Wesentlichen folgender Sachverhalt zu Grunde:

Der am 9.8.1950 geborene Kläger war bei der Beklagten seit 1997 zunächst als Subunternehmer, seit 1. Januar 2001 als Arbeitnehmer in der Funktion eines so genannten Moskito-Anschlägers beschäftigt.

Bei der Beklagten handelt es sich um ein bundesweit tätiges Unternehmen der Außenwerbung mit circa 500 Mitarbeitern an 19 Standorten im Bundesgebiet. Gegenstand des Unternehmens ist die bundesweite Vermarktung von Werbeflächen. Der Kläger wurde von der Beklagten als Plakat-Anschläger im Bereich der so genannten "Moskitos" beschäftigt. Hierbei handelt es sich um die im Stadtbild häufig in Erscheinung tretenden Schaltschränke, die einseitig mit einem Rahmen ausgestattet sind und in welchen von dem Plakat-Anschläger die Werbung angebracht wird.

Vor dem Jahr 2001 ließ die Beklagte sämtliche Plakat-Anschlags-Tätigkeiten von Subunternehmern ausführen. Im Zuge der deutschlandweit von den Sozialversicherungsträgern durchgeführten Überprüfung von Beschäftigten im Hinblick auf das sozialversicherungsrechtliche Merkmal der Scheinselbstständigkeit entschloss sich die Beklagte, die Plakatsanschlagstätigkeit in Höhe von 20% des Gesamtvolumens durch Arbeitnehmer - unter diesen auch durch den Kläger - durchführen zu lassen.

Im Zuge einer Übernahme wesentlicher Anteile an der Konzernobergesellschaft D. GmbH" durch die S. AG schlossen der Konzernbetriebsrat der D. GmbH und die Arbeitgeberin am 29. Juli 2004 einen Interessenausgleich,

§ 1 Ziffer 1. des Interessenausgleichs enthält folgende Regelung:

Gewerbliche Mitarbeiter/Plakatierung

Die angestrebte Fokussierung auf die Kernbereiche zur Erhaltung der Wettbewerbsfähigkeit in dem hart umkämpften Wettbewerbsumfeld führt dazu, dass nicht profitable Aktivitäten, die nicht zu dem Kernbereich des Konzerns als Vertriebsorganisation gehören, eingestellt werden. Der Vorstand hat daher entschieden, dass sämtliche gewerbliche Tätigkeiten des Konzerns eingestellt werden. Plakatierungsaufträge, sowie sonstige gewerbliche Tätigkeiten, werden nur noch an Subunternehmer vergeben.

§ 2 des Interessenausgleichs enthält folgende Regelung:

1. Gewerbliche Mitarbeiter/Plakatierung

a) Die Einstellung der Bereiche Plakatierung und Service erfolgt zum 31. August 2004, für die Plakatlogistik und -distribution zum 31. Dezember 2004. Die bestehenden Arbeitsverhältnisse der in dem Bereich tätigen gewerblichen Mitarbeiter werden aus betriebsbedingten Gründen unter Einhaltung der jeweils gültigen Kündigungsfrist gekündigt.

Eine Verzögerung der Umsetzung von bis zu 6 Monaten ist von diesem Interessenausgleich gedeckt.

b) Den gewerblichen Mitarbeitern im Bereich der Plakatierung wird angeboten, zukünftig für den Konzern als selbständige Unternehmer die Plakatierungstätigkeit auszuüben.

Am 29.7.2004 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger nach Anhörung des Betriebsrats, der der Kündigungsabsicht widersprochen hat, ordentlich unter Hinweis auf betriebsbedingte Gründe.

Mit seiner beim Arbeitsgericht München am 5.8.2004 zu Protokoll gegebenen Klage hat der Kläger die gerichtliche Feststellung begehrt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung der Beklagten vom 29. 7. 2004 nicht aufgelöst worden ist.

Zur Begründung hat er in erster Instanz vorgetragen, die streitgegenständliche Kündigung sei sozial nicht gerechtfertigt und deshalb rechtsunwirksam.

Der Kläger hat in erster Instanz beantragt:

Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch Kündigung der Beklagten vom 29.7.2004 nicht aufgelöst wird.

Die Beklagte hat beantragt,

Die Klage abzuweisen.

Zur Begründung hat sie ausgeführt, der Geschäftsführer der Beklagten habe am 23. Juni 2004 die unternehmerische Entscheidung getroffen, die Plakatbewirtschaftung der Beklagten durch Subunternehmen durchführen zu lassen. Durch den Interessenausgleich vom 29.6.2004 sei festgelegt worden, dass der Bereich Plakatierung und Service zum 31.8.2004 vollständig eingestellt werde. Damit sei der Arbeitsplatz des Klägers zu diesem Zeitpunkt entfallen. Tatsächlich sei auch allen Arbeitnehmern gekündigt worden. Bei den Subunternehmern handele es sich nicht um Leiharbeitnehmer oder Scheinselbstständige. Dies habe das Bundesarbeitsgericht bereits mit Beschluss vom 25.7.1996 - 1 ABR 6/96 festgestellt. In diesem Zusammenhang habe das Bundesarbeitsgericht ausgeführt, gegen eine freie Mitarbeit spreche nicht, dass der Auftragnehmer bei der Durchführung der Plakatklebearbeiten an einen Dekaden-Rhythmus gebunden seien und die Plakate zu bestimmten Terminen aufhängen müssten, da diese Bindung ausschließlich aus der Art der Dienstleistung folge. Die Subunternehmen seien weisungsfrei beschäftigt. Sie seien beauftragt, die Plakate der Kunden nach vorgegebenen Aushangplänen, aus denen sich die Buchungen der Kunden ergäben, zu den gebuchten Zeitpunkten anzubringen.

Dabei könnten sich die beauftragten Unternehmen auch anderer Unternehmen bedienen, insbesondere bestehe keine Höchstpersönlichkeit der Leistungserbringung.

Es bestehe zwar Bindung an die Aushangtermine, dies ergebe sich jedoch aus der Natur der Sache. Die Subunternehmen seien lediglich verpflichtet, die Plakate innerhalb der 24 Stunden des jeweiligen Aushangtages aufzuhängen. Wann und wie sie das täten, sei ihre Sache. Auch Betriebsmittel müssten sie sich selbst beschaffen.

Ihnen sei auch nicht untersagt, für andere Unternehmen Plakatanschlagsarbeiten durchzuführen.

Der Kläger hat in erster Instanz erwidert, die von der Beklagten behauptete Trennung von Vermarktung und Plakatierung gebe es nicht. In der Praxis der Beklagten und ihrer Konkurrenten sei die Vermietung der Werbeflächen gleichbedeutend mit ihrer Plakatierung. Durch die behauptete unternehmerische Entscheidung habe sich an der sachlichen Arbeit nichts, sondern nur am Status der Arbeitskräfte etwas verändert. Bei der streitgegenständlichen Kündigung handele es sich um eine reine Austauschkündigung, nachdem den betroffenen Arbeitnehmern gleichzeitig angeboten worden sei, ihre Aufgabe künftig als selbstständige Subunternehmer weiterzuführen

Seine, des Klägers, Einstellung als Arbeitnehmer im Jahre 2000 habe den Hintergrund gehabt, dass er sich geweigert gehabt habe, eine "Gesellschaft bürgerlichen Rechts" gründen.

Der Kläger hat in erster Instanz weiterhin vorgetragen, seine Tätigkeit sei durch ein hohes Maß an Weisungsgebundenheit gekennzeichnet. Er könne seine Tätigkeit nicht nach eigenem Gutdünken verrichten. Vielmehr habe er die in den Listen vorgegebenen Arbeiten zu verrichten. Diese Listen seien immer nur für einen bestimmten Arbeitstag gültig. Es handele sich also nicht um Rahmenbedingungen, innerhalb derer er seine Arbeit frei gestalten könne.

Die Tatsache, dass die Plakatflächen sich im ausschließlichen Besitz des Arbeitgebers befänden und den einzigen Arbeitsplatz des Plakat-Anschlägers ausmachten, kennzeichne die Arbeit des Plakat-Anschlägers als die eines Arbeitnehmers. Kein Freiberufler sei in seiner Tätigkeit örtlich so festgelegt wie er. Der Freiberufler bestimme seinen Arbeitsplatz selbst, und wenn er seine Arbeit an einer Arbeitsstätte des Auftraggebers ausführe, so tue er das aus freien Stücken oder aus Vorteils-Erwägungen. Er, der Kläger, jedoch müsse seine Arbeit an den Arbeitsstätten des Arbeitgebers ausführen. Der mechanische Charakter des Arbeitsprozesses kennzeichne die Arbeit des Plakat-Anschlägers als typische Arbeitnehmer-Tätigkeit. Die Plakat-Anschläger seien auch von den Sozialversicherungsträgern als Scheinselbstständige eingestuft worden.

Der Kläger hat in erster Instanz weiterhin geltend gemacht, die Netze und Touren seien nicht deckungsgleich. Die Beklagte allein organisiere den ganzen Prozess in seinen ökonomischen, organisatorischen und arbeitstechnischen Aspekten. Während sie an ihre Kunden Netze verkauf, lasse sie ihre Moskito-Anschläger die einzelnen Rahmen zu örtlichen Touren zusammengefasst bedienen.

Mit Endurteil vom 13. Mai 2005, das dem Kläger am 25. August 2005 zugestellt wurde, hat das Arbeitsgericht München die Klage abgewiesen.

Zur Begründung hat es ausgeführt, dringende betriebliche Erfordernisse aus innerbetrieblichen Gründen könnten eine Kündigung rechtfertigen, wenn sich der Arbeitgeber im Unternehmensbereich zu einer organisatorischen Maßnahme entschließe, bei deren innerbetrieblicher Umsetzung das Bedürfnis für die Weiterbeschäftigung eines oder mehrerer Arbeitnehmer entfalle.

Gerichtlich nachprüfbar sei, ob eine solche unternehmerische Entscheidung tatsächlich vorliege und ob durch ihre Umsetzung das Beschäftigungsbedürfnis für einzelne Arbeitnehmer entfallen sei. Die Unternehmerentscheidung selbst sei nicht auf ihre sachliche Rechtfertigung, sondern allenfalls daraufhin zu überprüfen, ob sie offenbar unvernünftig oder willkürlich ist.

Der Beklagte habe die unternehmerische Entscheidung getroffen, bislang durch eigene Arbeitnehmer erbrachte Tätigkeiten, künftig nur noch durch ständig unternehmerisch tätige Personen anzubieten. Hierdurch sei auch das Bedürfnis für die Weiterbeschäftigung des Klägers als Arbeitnehmer entfallen. Die Behauptung des Klägers, die mit den Subunternehmern bestehenden Rechtsverhältnisse seien Arbeitsverhältnisse, sei für die Kammer nicht ersichtlich geworden.

Die Art der Tätigkeit eines Plakat-Anschlägers spreche nicht von vornherein für ein Arbeitsverhältnis. Sie erfordere nicht von vornherein die Einbindung in eine Organisation. Das Vorliegen von zeitlichen Bindungen stehe der Annahme eines freien Dienstvertrags bzw. Werkvertrags nicht entgegen. Die Entscheidung der Beklagten, die Plakatierung künftig nur noch Subunternehmern zu überlassen, unterliege als freie Unternehmerentscheidung lediglich einer Willkürkontrolle. Das Gericht sei insoweit gebunden.

Gegen das Endurteil des Arbeitsgerichts München vom 13. Mai 2005 wendet sich der Kläger mit seiner Berufung vom 19. September 2005, die am 20. September 2005 beim Landesarbeitsgericht München eingegangen ist und die mit Schriftsatz vom 25. November 2005, der am selben Tag beim Landesarbeitsgericht München eingegangen ist, begründet wurde. Mit seiner Berufung begehrt er die Abänderung des Endurteils des Arbeitsgerichts dahin gehend, dass der Klage stattgegeben wird, ferner begehrt er klageerweiternd die Verurteilung der Beklagten zur Weiterbeschäftigung des Klägers als Moskito-Anschläger.

Zur Begründung führt er aus, in München habe es vom 1.1.2001 bis 31.8.2004 neben den selbstständigen auch Angestellte Moskito-Anschläger gegeben. Dies habe seine Ursache darin gehabt, dass die angestellten Moskito-Anschläger wegen Scheinselbstständigkeit in ein festes Arbeitsverhältnis übernommen worden seien.

Organisatorisch habe das Nebeneinander von Subunternehmern und Arbeitnehmern in den Jahren 2001 bis 2004 zu keinerlei Änderungen im Arbeitsablauf bei der Moskitoplakatierung geführt. Das Arbeitsgericht habe verkannt, dass das so genannte Weight-Watcher-Urteil auf einem ganz anderen Sachverhalt beruht habe als der vorliegende Fall. Die Gruppenleiter bzw. Gruppenleiterinnen seien nämlich selbstständig unternehmerisch tätig gewesen. Demgegenüber habe es sich bei den Moskito-Anschlägern gerade nicht um selbständig unternehmerisch tätige Personen gehandelt. Die von der Beklagten behauptete Chance der Moskito-Anschläger, im Rahmen ihrer Tätigkeit ihre Aufträge zu vermehren, sei rein theoretischer Natur. Die Beklagte habe nämlich das Monopol über sämtliche Moskitos. Die Inkongruenz von Netzen und Touren verhindere, dass die Druckerei die Moskito-Anschläger direkt beliefern könne. die Aufträge müssten immer aufgesplittet werden. Das Arbeitsgericht habe in seiner Entscheidung verkannt, dass es sich bei der Kündigung des Klägers um eine rechtsmissbräuchliche Austauschkündigung handele.

Der Kläger beantragt in zweiter Instanz:

I. Das Urteil des Arbeitsgerichts München vom 13.05.2005 (Az. 14 Ca 12496/04) wird aufgehoben.

II. Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung vom 29.07.2004 nicht aufgelöst ist, sondern unverändert fortbesteht.

III. Die Beklagte wird verurteilt, den Kläger zu unveränderten Bedingungen als "Moskito-Anschläger" weiterzubeschäftigen.

Die Beklagte beantragt

Die Berufung zurückzuweisen.

Vorsorglich beantragt sie,

auch den in der Berufungs-Instanz gestellten klageerweiternden Antrag abzuweisen.

Sie wiederholt ihren erstinstanzlichen Vortrag und betont die aus ihrer Sicht fehlende Weisungsgebundenheit der Vertragspartner. Die Vorgaben an die Subunternehmen seien zwar eng, dies liege jedoch in der Natur der Leistung begründet. Die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, auf die der Kläger Bezug nehme, sei mit dem vorliegenden Fall nicht vergleichbar.

Hinsichtlich des weiteren Vorbringens der Kläger sowie der Beklagten in der Berufungsinstanz wird auf die gewechselten Schriftsätze (Bl. 373 ff., 398 ff., 429 ff. d.A.) ergänzend Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

I.

Die Berufung ist zulässig. Sie ist statthaft nach § 64 Abs. 1 und 2 b) und c) ArbGG, ferner in der richtigen Form und Frist eingelegt und begründet worden gemäß § 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG i.V.m. §§ 519 Abs. 2, 520 Abs. 3 ZPO, § 66 Abs. 1 Sätze 1,2,5 ArbGG i.V.m. § 222 ZPO.

II.

Die Berufung ist unbegründet.

1. Rechtswirksamkeit der ordentlichen Arbeitgeberkündigung vom 29.7.2004

Das Arbeitsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Das Berufungsgericht folgt dem Arbeitsgericht im Ergebnis und in der Begründung.

Zum Berufungsvorbringen wird ergänzend bemerkt:

Die Kündigung der Beklagten vom 29.7.04 ist nicht gemäß § 1 Abs. 1 KSchG sozial ungerechtfertigt und damit auch nicht rechtsunwirksam.

Gemäß § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG ist eine nicht auf personen- oder verhaltensbedingte Gründe gestützte Kündigung sozial ungerechtfertigt und damit rechtsunwirksam, wenn sie nicht durch dringende betriebliche Erfordernisse, die einer Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers in diesem Betrieb entgegenstehen, bedingt ist.

Diese gesetzlichen Voraussetzungen sind im vorliegenden Fall nicht gegeben. Es liegen nämlich dringende betriebliche Gründe vor, die einer Weiterbeschäftigung des Klägers im Betrieb der Beklagten entgegenstehen.

Innerbetriebliche Umstände begründen ein dringendes betriebliches Erfordernis für eine Kündigung i.S.d. § 1 Abs. 2 KSchG, wenn sie sich konkret auf die Einsatzmöglichkeit des gekündigten Arbeitnehmers auswirken. Regelmäßig entsteht ein betriebliches Erfordernis nicht unmittelbar und allein durch bestimmte wirtschaftliche Entwicklungen (Produktionsrückgang usw.), sondern auf Grund einer durch wirtschaftliche Entwicklungen veranlassten Organisationsentscheidung des Arbeitgebers (unternehmerische Entscheidung). Eine solche unternehmerische Organisationsentscheidung ist von den Arbeitsgerichten nur begrenzt überprüfbar, nämlich darauf, ob sie offenbar unsachlich, unvernünftig oder willkürlich ist (ständige Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, vgl. BAG, Urt. vom 16. Dez. 2004, Az.: 2 AZR 66/04, NZA 2005, 761 m.w.N.).

Dagegen obliegt es den Arbeitsgerichten nachzuprüfen, ob eine unternehmerische Entscheidung überhaupt getroffen wurde und ob sie sich betrieblich dahingehend auswirkt, dass der Beschäftigungsbedarf für den gekündigten Arbeitnehmer entfallen ist. Dabei muss durch die unternehmerische Organisationsentscheidung zwar nicht ein bestimmter Arbeitsplatz entfallen sein (BAG a.a.O. m.w.N.). Voraussetzung ist aber, dass die Organisationsentscheidung ursächlich für den vom Arbeitgeber behaupteten Wegfall des Beschäftigungsbedürfnisses ist. Ausreichend ist demnach, dass durch den innerbetrieblichen Grund ein Überhang an Arbeitskräften entstanden ist, durch den unmittelbar oder mittelbar das Bedürfnis zur Weiterbeschäftigung eines oder mehrerer Arbeitnehmer entfällt. Die betrieblich umgesetzte unternehmerische Organisationsentscheidung muss sich auf die konkreten Beschäftigungsmöglichkeiten des gekündigten Arbeitnehmers auswirken (BAG a.a.O.).

Bei Anwendung dieser Grundsätze ist das Berufungsgericht - dem Arbeitsgericht zustimmend - zu der Auffassung gelangt, dass die Kündigung kündigungsrechtlich nicht zu beanstanden ist.

a) Zwischen den Parteien ist in der Substanz unstreitig, dass sich die Beklagte dazu entschlossen hat, die Anschlagstätigkeiten künftig ausschließlich durch Subunternehmer bzw. Subunternehmen und nicht mehr durch Arbeitnehmer durchführen zu lassen. Dieser Entschluss ist auch im dem Gericht vorgelegten Interessenausgleich niedergelegt und dokumentiert. Durch diese Maßnahme sind sämtliche auf der Grundlage von Arbeitsverhältnissen eingenommene Arbeitsplätze der Moskito-Anschläger weggefallen.

b) Diese Annahme, nämlich Wegfall des Bedürfnisses für die Weiterbeschäftigung des Klägers als Arbeitnehmer, ist auch nicht deshalb unbegründet und unzutreffend, weil - wie der Kläger geltend gemacht hat - die Subunternehmerverträge in Wirklichkeit nur verschleierte Arbeitsverhältnisse verdeckten und das vorgegebene Konzept tatsächlich aus Rechtsgründen gar nicht durchgeführt sei .

Die auf der Grundlage des vorgelegten Werkvertragsmusters vorgesehene Umgestaltung der Rechtsbeziehungen leitete nämlich nach Auffassung der Kammer die Arbeitsverhältnisse wirksam in freie Mitarbeiterverhältnisse über.

aa) Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (vgl. u.a. BAG, Urt. vom 9.5.06, AZ.: 438/95, NZA 1996, 1145 m.w.N.) unterscheiden sich Arbeitnehmer und so genannte freie Mitarbeiter durch den Grad der persönlichen Abhängigkeit, in der sich der zur Dienstleistung Verpflichtete befindet, wobei eine wirtschaftliche Abhängigkeit weder erforderlich noch ausreichend ist.

Dabei ist Arbeitnehmer derjenige Mitarbeiter, der seine Dienstleistung im Rahmen einer von Dritten bestimmten Arbeitsorganisation erbringt; insoweit enthält § 84 Abs. 1 Satz 2 HGB ein typisches Abgrenzungsmerkmal: Nach dieser Bestimmung ist selbständig, wer im Wesentlichen frei seine Tätigkeit gestaltet und seine Arbeitszeit bestimmen kann. Unselbständig und deshalb persönlich abhängig ist dagegen der Mitarbeiter, dem dies nicht möglich ist. Zwar gilt diese Regelung unmittelbar nur für die Abgrenzung des selbständigen Handelsvertreters vom abhängig beschäftigten kaufmännischen Angestellten; über ihren unmittelbaren Anwendungsbereich hinaus enthält diese Bestimmung jedoch eine allgemeine gesetzliche Wertung, die bei der Abgrenzung des Dienstvertrags vom Arbeitsvertrag zu beachten ist, zumal sie die einzige Norm ist, die Kriterien dafür enthält. Die Eingliederung in die fremde Arbeitsorganisation zeigt sich insbesondere daran, dass der Beschäftigte einem Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt, das Inhalt, Durchführung, Zeit, Dauer und Ort der Tätigkeit betreffen kann. Für die Abgrenzung von Bedeutung sind demnach in erster Linie die Umstände, unter denen die Dienstleistung zu erbringen ist, und nicht die Modalitäten der Bezahlung oder die steuer- und sozialversicherungsrechtliche Behandlung oder etwa die Führung von Personalakten. Der Grad der persönlichen Abhängigkeit hängt von der Eigenart der jeweiligen Tätigkeit ab. Abstrakte, für alle Arbeitsverhältnisse geltende Kriterien lassen sich dabei nicht aufstellen, denn manche Tätigkeiten können sowohl im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses als auch im Rahmen eines freien Dienstverhältnisses (freien Mitarbeiterverhältnisses) erbracht werden (BAG a.a.O.).

bb) Bei Anwendung dieser Grundsätze ergibt sich aus Sicht des Berufungsgerichts, dass die von der Beklagten im Vollzug ihrer unternehmerischen Entscheidung angebahnten Vertragsbeziehungen nicht als Arbeitsverhältnisse sondern als freie Mitarbeiterverhältnisses zu bewerten sind.

Die Auftragnehmer werden nicht wie Arbeitnehmer tätig und unterliegen keiner vergleichbaren Personalhoheit der Arbeitgeberin.

Die Art der zu erbringenden Dienstleistung liegt zwar fest, daraus resultiert aber noch keine arbeitnehmertypische Weisungsbindung. In einem Dienst- oder Werkvertrag kann die zu erbringende Leistung detailliert vorgegeben werden, was in der Regel auch erforderlich ist. Diese Festlegung sichert dem Arbeitgeber noch keine arbeitsrechtliche Weisungsbefugnis im Sinne der Personalhoheit. Das Weisungsrecht ist personenbezogen, ablauf- und verfahrensorientiert. Es beinhaltet das Recht, den Arbeitseinsatz nach Art, Zeit und Ort zu steuern. Einer solchen Bindung unterliegen die Auftragnehmer nicht. Ihre Dienstleistung ist vertraglich fixiert. Sie bedarf keiner Konkretisierung durch Arbeitgeberweisungen und ist einer solchen auch nicht zugänglich. Soweit die Subunternehmer örtlich gebunden sind, beruht das allein auf der Art der Dienstleistung - die Plakate können nur an die vorhandenen Anschlagflächen angeschlagen werden. Das ist keine arbeitnehmertypische Bindung.

Die Subunternehmer unterliegen auch hinsichtlich ihrer Arbeitszeit keiner Arbeitgeberweisung. Die Arbeitgeberin kann den Subunternehmern keine verbindlichen Vorgaben machen, wann sie etwa - bezogen auf die Tageszeit - mit dem Anbringen der Plakate zu beginnen haben und wie lange sie jeweils arbeiten müssen.

Gegen die Annahme einer freien Dienstleistung spricht auch nicht, dass es sich bei den übernommenen Klebearbeiten um einfache Tätigkeiten handelt, die keiner besonderen Ausführungsweisungen bedürfen. Auch gegenständlich eng beschränkte Aufgaben können zum Inhalt eines Dienst- oder Werkvertrages gemacht werden (BAG Beschl. vom 1. Dezember 1992 - 1 ABR 30/92 - EzA § 99 BetrVG 1972 Nr. 110).

cc) Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass die für die Bejahung eines Arbeitnehmer-Status erforderliche persönliche Abhängigkeit der Subunternehmer hier nicht vorliegt.

Die Subunternehmer der Beklagten unterliegen keinem persönlichen Weisungsrecht. Sie können im Rahmen der durch die Art der übernommenen Dienstleistung gegebenen Bindungen die Arbeitszeit frei gestalten (Ziffer 2. Abs. 2 des Vertragsmusters). Ihnen steht das Recht zu, sich der Mithilfe dritter Personen zu bedienen (Ziffer 1. Satz 2 des Vertragsmusters), wie sich auch daran zeigt, dass der Kläger die Tätigkeit im Jahre 2005 als Sub-Subunternehmer ausgeführt hat. Sie können nicht zu anderen als den vertraglich festgelegten Dienstleistungen herangezogen werden und sind andererseits nicht gehindert, weitere Dienstleistungen gegenüber dritten Dienstgebern zu übernehmen (Ziffer 1. Satz 3 des Vertragsmusters). Sie unterliegen daher nicht der Personalhoheit eines Arbeitgebers im Sinne eines Weisungsrechts, das die Annahme einer persönlichen Abhängigkeit rechtfertigte.

Die Subunternehmer mögen als arbeitnehmerähnliche Personen anzusehen sein, weil sie wirtschaftlich abhängig und vergleichbar einem Arbeitnehmer sozial schutzbedürftig sind (vgl. § 12 a Tarifvertragsgesetz). Das Kriterium der wirtschaftlichen Abhängigkeit ist aber nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts - entgegen einer bei Rechtsuchenden weit verbreiteten Meinung - nicht maßgeblich für die Beurteilung der Frage der persönlichen Abhängigkeit im Sinne einer Unterstellung unter ein umfassendes Arbeitgeberweisungsrecht. Die wirtschaftliche Abhängigkeit und die sich hieraus ergebende soziale Schutzbedürftigkeit der arbeitenden Bevölkerung war historisch zwar die Ursache für die Entstehung von arbeitsrechtlichen Vorschriften. Gleichwohl spielt sie bei der Abgrenzung des Arbeitnehmers vom freien Mitarbeiter keine Rolle.

c) Die für den Wegfall des Arbeitsplatzes des Klägers ursächliche Unternehmerentscheidung ist auch weder offenbar unsachlich noch offenbar unvernünftig noch offenbar willkürlich.

Es bleibt dem Arbeitgeber überlassen, wie er sein Unternehmensziel möglichst zweckmäßig und kostengünstig am Markt verfolgt. Offensichtlich sachwidrig oder willkürlich ist die Umstellung der Realisierung der Anschlagstätigkeit auf ausnahmslose Wahrnehmung durch Subunternehmer jedenfalls dann nicht, wenn das Konzept kostengünstiger ist. Dass dies der Fall ist, ist unstreitig, nachdem der Kläger gerade dies gerügt hat, dass nämlich die Beklagte mit ihrer Maßnahme Kosten spare. Einem Arbeitgeber ist es nicht verwehrt, finanzielle Gründe zum Anlass zu nehmen, eine rechtlich nicht zu beanstandende kostengünstigere Vertragsgestaltung zu wählen (BAG, Beschluss vom 30.10.1991 - 7 ABR 19/91, NZA 92, 407).

Eine Umstellung von Arbeits- auf selbstständige Dienstverhältnisse wäre dagegen offenbar willkürlich, wenn die Maßnahme weder eine Kostenersparnis mit sich bringt noch durch andere plausible wirtschaftliche oder unternehmenspolitische Überlegungen getragen wird und erkennbar dem alleinigen Ziel dient, den Kündigungsschutz zu unterlaufen (APS-Kiel, 2. Aufl., § 1 KSchG, Rz. 525).

In diesem Zusammenhange fällt auch ins Gewicht, dass die Beklagte im zeitlichen Vorfeld der Anstellung des Klägers sämtliche Anschlags-Tätigkeiten durch Subunternehmer hatte durchführen lassen und sich seinerzeit offenbar aufgrund der Tatsache, dass die Sozialversicherungsträger die Beschäftigungsverhältnisse einzelner Subunternehmer als sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse eingestuft haben, dazu veranlasst sah, Arbeitsverträge mit 20% ihrer Moskito-Anschläger abzuschließen. Dass sie dies unter Beteiligung des Konzernbetriebsrats rückgängig gemacht hat, ist rechtlich nicht zu beanstanden.

2. Antrag auf Weiterbeschäftigung des Klägers

Die Berufung ist auch insoweit unbegründet, als der Kläger zweitinstanzlich im Wege der Klageerweiterung die Verurteilung der Beklagten zur Weiterbeschäftigung begehrt hat. Nachdem das Arbeitsverhältnis durch die streitgegenständlichen Kündigung rechtswirksam aufgelöst worden ist, ist eine Rechtsgrundlage für den Weiterbeschäftigungsantrag nicht ersichtlich.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO.

IV.

Für die Beklagte ist gegen dieses Urteil kein Rechtsmittel gegeben.

Der Kläger kann gegen dieses Urteil Revision zum Bundesarbeitsgericht einlegen.

Ende der Entscheidung

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