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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht München
Beschluss verkündet am 29.11.2006
Aktenzeichen: 11 Ta 379/06
Rechtsgebiete: KSchG


Vorschriften:

KSchG § 5 Abs. 1
Die Entscheidung befasst sich mit der Frage der nachträglichen Zulassung einer Kündigungsschutzklage, wenn der Kläger unmittelbar nach Zugang der Kündigung für einen Monat in sein Heimatland verreist.
LANDESARBEITSGERICHT MÜNCHEN BESCHLUSS

11 Ta 379/06

In Sachen

hat die elfte Kammer des Landesarbeitsgerichts München ohne mündliche Verhandlung am 29. November 2006 durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Dr. Obenaus beschlossen:

Tenor:

Die sofortige Beschwerde Klägers gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Regensburg, Az. 8 Ca 122/06, vom 5. Oktober 2006 wird zurückgewiesen.

Gründe:

I.

Gegenstand der sofortigen Beschwerde ist der Antrag Klägers auf nachträgliche Zulassung der von ihm eingelegten Kündigungsschutzklage.

Der Kläger ist seit dem 01.05.2000 bei der Beklagten als Bauleiter zu einem Bruttomonatslohn von zuletzt 4230,00 € beschäftigt. Der Kläger hatte vom 22.12.2005 bis einschließlich 22.01.2006 genehmigten Urlaub. Der Kläger flog am 22.12.2005 um 6.35 Uhr nach Rumänien. Dort verbrachte er bis einschließlich 02.01.2006 seinen Urlaub. Anschließend befand er sich vom 03.01.2006 bis einschließlich 22.01.2006 in ärztlicher Behandlung zur Behandlung seiner chronischen Hepatitis mit Infusionen. Am 22.01.2006 kehrte der Kläger aus Rumänien zurück. Die Ärzte Dres. H. und Kollegen in A. stellten dem Kläger am 02.01.2006 eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung für den Zeitraum 02.01.20006 bis einschließlich 20.01.2006 aus.

Mit Schreiben vom 21.12.2205, dem Kläger persönlich übergeben am gleichen Tage gegen 19.00 Uhr, kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis zum 20.02.2006. Mit Schriftsatz vom 24.01.2006, eingegangen beim Arbeitsgericht Regensburg - Kammer Landshut - am 25.01.2006, erhob der Antragsteller Kündigungsschutzklage und stellte Antrag auf nachträgliche Zulassung der Kündigungsschutzklage.

Bei Übergabe der Kündigung vereinbarte der Kläger mit Herrn P., dass dessen Frau am nächsten Tag für den Antragsteller bei der Arbeitsagentur anrufen und den Antragsteller arbeitslos melden sollte, was diese dann auch so erledigte.

Der Antragsteller nahm am 09.01.2006 einen kurzen Scheidungstermin in Rumänien wahr. Der Kläger hielt in Rumänien im Internet persönlich nach freien Arbeitsstellen Ausschau.

Seinen Antrag auf nachträgliche Zulassung der Klage hat der Kläger damit begründet, dass er sich vom 22. Dezember 2005 bis einschließlich 22.1.2006 in Rumänien in Urlaub bzw. in ärztlicher Behandlung befunden habe. Die Kündigung sei ihm am 21.12.2005 gegen 19:00 Uhr übergeben worden, so dass er vor seinem Abflug am 22. Dezember 2005 gegen 6:30 Uhr keine Möglichkeit gehabt habe, irgendetwas in Richtung einer Kündigungsschutzklage einzuleiten.

Das Arbeitsgericht München hat mit Beschluss vom 5.10.2006 den Antrag des Klägers auf nachträgliche Zulassung seiner Kündigungsschutzklage als unzulässig zurückgewiesen und zur Begründung ausgeführt, der Kläger sei bei Anwendung aller ihm nach Lage der Umstände zuzumutenden Sorgfalt in der Lage gewesen, die Kündigungsschutzklage innerhalb von drei Wochen nach Zugang der Kündigung zu erheben. In diesem Zusammenhang sei von Bedeutung, dass der Kläger in Rechtsfragen nicht unerfahren sei. Bei Beachtung der ihm zuzumutenden Sorgfalt habe er beispielsweise am Abend des 21.12.2005 bzw. am frühen Morgen vor seinem Abflug nach Rumänien am 2.12.2005 durch ein Schreiben an das Arbeitsgericht Regensburg Kündigungsschutzklage erheben oder durch ein Schreiben an einen Rechtsanwalt diesen mit der Erhebung der Kündigungsschutzklage beauftragen oder einen Bekannten mit der Erhebung der Kündigungsschutzklage bei der Rechtsantragstelle des Arbeitsgerichts oder der Beauftragung eines Rechtsanwalts beauftragen können. Auch sei es ihm zumutbar gewesen, von Rumänien aus Schreiben bzw. Telefax an einen Rechtsanwalt, den er gegebenenfalls unter Nutzung des Internets hätte auswählen können, Kündigungsschutzklage zu erheben. Allein die Ortsabwesenheit - so das Arbeitsgericht weiter - führe nicht dazu, dass eine Klageerhebung dem Kläger objektiv unmöglich gewesen sei. Eine solche objektive Unmöglichkeit ergebe sich auch nicht aus der Tatsache, dass sich der Kläger in Rumänien einer ärztlichen Behandlung unterzogen habe. Dieser habe ihn nämlich nicht durchgängig in einem die Entscheidungsfähigkeit beeinträchtigenden bzw. ausschließenden Zustand gehalten. Aufgrund des unstreitigen Sachverhalts, dass der Kläger in Rumänien in der Lage gewesen sei, einen Scheidungstermin bei Gericht wahrzunehmen und im Internet nach einer neuen Arbeitsstelle zu suchen, stehe fest, dass der Kläger sehr wohl auch in der Lage gewesen sei, entsprechende Schritte zur Erhebung der Kündigungsschutzklage einzuleiten.

Gegen den dem Kläger am 10.10.2006 2006 zugestellten Beschluss hat dieser mit Schriftsatz vom 19.10.2006, der bei Gericht am 23.10.2006 eingegangen ist, sofortige Beschwerde eingelegt.

Zur Begründung führt er aus, entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts sei er in Fragen des Arbeitsrechts absolut unerfahren. Es sei auch unrealistisch anzunehmen, dass er in der Zeit zwischen dem Zugang der Kündigung am Abend des 21. Dezember 2005 und dem Abflug nach Rumänien am nächsten Morgen um 6:35 Uhr die Möglichkeit gehabt hätte, die Einlegung einer Kündigungsschutzklage zu veranlassen, wobei dies voraussetze, dass ihm die Dreiwochenfrist überhaupt bekannt sei. Es sei ihm auch unmöglich gewesen, aufgrund seines Auslandsaufenthaltes die Kündigungsschutzklage rechtzeitig zu erheben. Zunächst habe es die Weihnachtsfeiertage und den Jahreswechsel gegeben, so dass kaum freie Tage zur Verfügung gestanden hätten. Ab 3.1.2006 sei er außerdem arbeitsunfähig krank gewesen. Bei seinem Aufenthalt in Bukarest habe er, der Kläger, auch keinen Computer gehabt und auch keine Möglichkeit, an einen Internetanschluss zu gelangen. Nach seiner Rückkehr nach Deutschland habe er sogleich am nächsten Tag seinen Prozessvertreter mandatiert. Er sei nach seiner Rückkehr aus dem Ausland auch ohne weitere Verzögerung tätig geworden und habe sich anwaltlichen Rat geholt.

Mit Beschluss vom 2.11.2006 hat das Arbeitsgericht der Beschwerde nicht abgeholfen und die Akte dem Landesarbeitsgericht München vorgelegt.

II.

Die sofortige Beschwerde des Klägers gegen den Beschluss vom 5. Oktober 2006 ist zulässig, jedoch unbegründet.

Der Antrag des Klägers auf nachträgliche Zulassung der Kündigungsschutzklage ist unbegründet, da der Kläger nicht glaubhaft gemacht hat, dass er nach erfolgter Kündigung trotz Anwendung aller ihm nach Lage der Umstände zuzumutenden Sorgfalt verhindert war, die Klage innerhalb von drei Wochen nach Zugang der schriftlichen Kündigung zu erheben (§ 5 Abs. 1 S. 1 KSchG).

Gem. § 5 Abs. 1 S. 1 KSchG hat das Gericht auf Antrag einer Klagepartei deren Kündigungsschutzklage nachträglich zuzulassen, wenn die Klagepartei nach erfolgter Kündigung trotz Anwendung aller ihr nach Lage der Umstände zuzumutenden Sorgfalt verhindert war, die Klage innerhalb von drei Wochen nach Zugang der schriftlichen Kündigung zu erheben.

Das Landesarbeitsgericht teilt die Auffassung des Arbeitsgerichts, dass diese Voraussetzungen nicht hinreichend glaubhaft gemacht sind.

Es kann dahingestellt bleiben, ob der Kläger zwischen dem Zeitpunkt der Entgegennahme der Kündigung und dem Zeitpunkt des Abflugs nach Rumänien eine realistische Möglichkeit hatte, entweder selbst eine Kündigungsschutzklage zu entwerfen und an das Arbeitsgericht Regensburg zu schicken oder eine Klageerhebung durch dritte Personen zu veranlassen.

Jedenfalls hat der Kläger nicht glaubhaft gemacht, dass es ihm während seines Aufenthalts in Rumänien nicht möglich gewesen ist, über die Nutzung der heute üblichen Medien von Internet, Telefon, Anfrage bei Konsulat und/oder Botschaft die Adresse des Arbeitsgerichts Regensburg ausfindig zu machen, sich dort nach den Förmlichkeiten einer Klageerhebung zu erkundigen und an dieses ein Schreiben zu richten, in dem zum Ausdruck kommt, dass der Kläger mit der Kündigung nicht einverstanden ist. Die Tatsache, dass der Kläger in Rumänien keinen Computer mit Internetzugang hatte, steht dem nicht entgegen. Er hat nämlich nicht glaubhaft gemacht, dass es ihm nicht möglich war, in Bukarest ein Internet-Cafe oder eine ähnliche Einrichtung aufzusuchen. Dass er keine Gelegenheit zum Telefonieren hatte, ist von ihm nicht behauptet worden.

Auch die Erkrankung des Klägers kann nach seinem Vortrag die nachträgliche Zulassung nicht rechtfertigen. Kein Verschulden trifft den Arbeitnehmer nur dann, wenn er durch Krankheit an der Erhebung der Klage verhindert war, wenn die Krankheit also so beschaffen war, dass er aus medizinischen Gründen die Wohnung nicht verlassen konnte und deshalb weder die Klage selbst noch durch beauftragte dritte Personen einreichen, noch sich Rechtsrat einholen konnte (EK-Ascheid, 6. Auflage, § 5 KSchG, Rz. 11 m.w.N.). Dass diese Voraussetzungen vorlagen, hat der Kläger weder schlüssig behauptet noch glaubhaft gemacht.

Für die Entscheidung über sein Gesuch auf nachträgliche Zulassung der Klage unerheblich ist - wie das Arbeitsgericht in der Nichtabhilfeentscheidung vom 2.11.2006 zutreffend ausgeführt hat -, wenn der Kläger die bestehenden Möglichkeiten deshalb nicht genutzt hat, weil er die Drei-Wochen-Frist des § 4 KSchG nicht kannte. Es gehört zu den an jeden Arbeitnehmer zu stellenden Sorgfaltsanforderungen, dass er sich zumindest nach Ausspruch einer Kündigung unverzüglich darum kümmert, ob und wie er dagegen vorgehen kann (EK-Ascheid, a.a.O., Rz. 10 m.w.N.).

Gegen diese Entscheidung ist kein Rechtsmittel gegeben (vgl. BAG, Beschluss vom 20.08.2002, Az. 2 AZB 16/02, NZA 2002, 1228).

Ende der Entscheidung

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