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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht München
Urteil verkündet am 19.02.2009
Aktenzeichen: 2 Sa 256/08
Rechtsgebiete: BetrAVG, BGB


Vorschriften:

BetrAVG § 1
BGB § 133
BGB § 157
Streit über die Berechnung einer Betriebsrente, insbesondere darüber, ob eine übertarifliche Zulage bei der Berechnung der Betriebsrente zu berücksichtigen ist.
Landesarbeitsgericht München Im Namen des Volkes URTEIL

2 Sa 256/08

Verkündet am: 19.02.2009

In dem Rechtsstreit

hat die 2. Kammer des Landesarbeitsgerichts München auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 27. November 2008 durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Waitz und die ehrenamtlichen Richter Heiß und Jansen

für Recht erkannt:

Tenor:

I. Auf die Berufung des Klägers und unter Zurückweisung seiner Berufung im Übrigen wird das Endurteil des Arbeitsgerichts München vom 25.10.2007 - 32 Ca 13532/06 - abgeändert:

1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger € 22.194,06 brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus jeweils € 1.056,86 ab 1.1.2005 und den Ersten der Folgemonate bis September 2006 zu zahlen.

2. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger von September 2006 bis Juni 2009 monatlich eine Betriebsrente zu zahlen, die die gezahlte Betriebsrente in Höhe von € 218,-- bis Dezember 2007 und von € 225,07 ab Januar 2008 um monatlich € 1.056,86 übersteigt.

II. Von den Kosten des Rechtsstreits tragen die Beklagte 4/5 und der Kläger 1/5.

III. Die Revision für beide Parteien wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten um die Höhe der Betriebsrente des Klägers.

Der am 31.5.1949 geborene Kläger war vom 1.1.1971 bis 30.11.2004 bei der pp. GmbH & Co. KG beschäftigt. Er schied aufgrund eigener Kündigung aus. Im Dezember 2008 wurde die KG auf die Beklagte verschmolzen.

Für die betriebliche Alters- und Witwenversorgung galten bei der KG ursprünglich Richtlinien vom Dezember 1968 (Bl. 151 ff d.A.). Danach bemisst sich die Altersrente u.a. nach dem Bruttogehalt. Hierzu war in den Richtlinien vom Dezember 1968 in § 3 Abs. 4 Folgendes geregelt:

"Als letztes Bruttogehalt bzw. -Lohn wird der im Dezember vor der Pensionierung des Betriebsangehörigen bezahlte Betrag angesehen, der sich ohne Überstunden, Prämien, Gratifikationen, Provisionen oder sonstige Zulagen aller Art ergibt."

Im Jahre 1968 erhielten die Arbeitnehmer Löhne und Gehälter ohne Aufgliederung danach, welcher Betrag das Tarifentgelt darstellt und welcher Entgeltbestandteil übertariflich ist. Eine Aufgliederung der Vergütung in Tarifentgelt und übertarifliche Zulage erfolgte erst mit der Mitgliedschaft der KG im Arbeitgeberverband Chemie zum 1.1.1975.

Aus Anlass seiner 10-jährigen Betriebszugehörigkeit erhielt der Kläger im Dezember 1991 ein Schreiben der KG (Bl. 156 d.A.), in dem es u.a. hieß:

"In Anerkennung Ihrer langjährigen und treuen Mitarbeit in unserer Firma haben wir uns entschlossen, Ihnen eine Altersversorgung nach Maßgabe der anliegenden Richtlinien zu gewähren.

Die Alterversorgung beginnt im Rahmen der festgelegten Höchstsätze mit etwa 25 % des normalen Brutto-Lohnes oder -Gehaltes bei vollendeter 10-jähriger Betriebszugehörigkeit, steigt im Laufe der folgenden 15 Jahre bis auf einen Betrag, der unter Einschluss der Leistungen aus der gesetzlichen Rentenversicherung das letzte Netto-Einkommen des in Ruhestand gehenden Mitarbeiters sicherstellen dürfte, wobei eine Mindestrente garantiert ist."

In den Richtlinien in der Fassung vom 1.1.1986 (Bl. 164 ff d.A.) hieß es unter § 3 Abs. 1 zur Bemessung der Rente:

"Als letztes Bruttogehalt bzw. -Lohn wird der im Dezember vor Eintritt des Versorgungsfalles zu bezahlende Betrag angesehen, der sich ohne Überstunden, Prämien, Gratifikationen, Provisionen oder sonstige Zulagen aller Art ergibt; bei Außendienstmitarbeitern wird das Tarifgehalt zugrunde gelegt."

In einer Gesamtbetriebsvereinbarung vom 5.4.1990 (Bl. 157 ff d.A.) wurde zur Vermeidung einer Überversorgung eine Netto-Obergrenze für die Gesamtversorgung eingeführt. In der Vorbemerkung dieser Gesamtbetriebsvereinbarung heißt u.a.:

"Mit der in § 3 Abs. 4 der Richtlinien enthaltenen dienstzeitabhängigen Staffel zur Begrenzung der Brutto-Gesamtversorgung aus Betriebsrente und Sozialversicherungsrente sollte ursprünglich nach mehr als 25-jähriger Dienstzeit ein Rentenbetrag erreicht werden, "der unter Einschluss der Leistungen aus der gesetzlichen Sozialversicherung das letzte Netto-Einkommen des in Pension gehenden Mitarbeiters praktisch sicherstellt."

Die zwischenzeitlich erheblich gestiegene Belastung der aktiven Mitarbeiter mit Steuern und Sozialversicherungsabgaben führt dazu, dass die weitgehend von Steuern und Sozialabgaben befreiten Rentner trotz der Bruttobegrenzung der Gesamtversorgung eine Nettogesamtversorgung erreichen, die vielfach über 100% der vergleichbaren Nettobezüge aktiver Mitarbeiter liegt."

Bei Neufassungen der Richtlinien zum 1.1.1992 (Bl. 173 ff d.A.) und 1.7.2004 (Bl. 185 d.A.) blieb die Bestimmung des § 3 Abs. 4 zum letzten Bruttogehalt unverändert. In diesen Fassungen ist die Frage der anrechenbaren Sozialversicherungsrente im Falle der vorzeitigen Inanspruchnahme wie folgt geregelt:

"Beruht das Altersruhegeld aus der gesetzlichen Rentenversicherung wegen vorzeitiger Inanspruchnahme auf einem niedrigeren oder wegen des aufgeschobenen Bezugs auf einem höheren Zugangsfaktor als 1,0 (§ 77 Abs. 2 und 3 Sozialgesetzbuch VI, so wird diejenige Sozialversicherungsrente zugrunde gelegt, die sich mit einem Zugangfaktor von 1,0 ergeben würde."

Die Fassung vom Juli 2004 regelt den Fall, dass der Versicherungsverlauf Lücken aufweist, wie folgt:

"Weist der Rentenbescheid der gesetzlichen Rentenversicherung Zeiten zwischen der Vollendung des 17. Lebensjahres und dem Rentenbeginn aus, in denen weder Beiträge an den Rentenversicherungsträger bezahlt wurden, noch diese Zeiten als beitragsfreie Zeiten im Rentenbescheid berücksichtigt werden (Fehlzeiten), wird die anzurechnende Sozialversicherungsrente entsprechend der vorhandenen Fehlzeiten erhöht. Der Erhöhungsbetrag ergibt sich durch Multiplikation der durchschnittlichen Entgeltpunkte für vollwertige Beitragzeiten bis zum Zeitpunkt des Ausscheidens mit dem zum Zeitpunkt des Ausscheidens gültigen aktuellen Rentenwert und der Anzahl der Fehlzeiten in Monaten."

Jedenfalls bis zum Jahre 2001 hat die Beklagte bei der Berechnung der Betriebsrenten auch die übertarifliche Zulage zugrunde gelegt.

Der Kläger hat zuletzt für März 2003 eine regelmäßige monatliche Arbeitsvergütung von der Beklagten erhalten. In den Monaten Februar und März 2003 setzte sich seine Arbeitsvergütung im Wesentlichen aus einem Tarifentgelt in Höhe von € 2.459,-- und einer übertariflichen Zulage in Höhe von € 1.541,-- zusammen (Lohnabrechnungen Bl. 145/146 d.A.). Wegen einer langen Arbeitsunfähigkeit mit anschließender Erwerbsminderung hat der Kläger danach bis zum Ende seines Arbeitsverhältnisses jedenfalls kein volles Arbeitsentgelt mehr bezogen. Mit Bescheid der Bundesversicherungsanstalt vom 10.11.2004 wurde dem Kläger eine Erwerbsminderungsrente ab 1.1.2004 in Höhe von € 1.557,25 gewährt. Die zunächst bis 31.5.2006 befristete Gewährung wurde im Mai 2006 bis Juni 2009 verlängert.

Seit Dezember 2004 gewährte die Beklagte dem Kläger eine Betriebsrente wegen Invalidität in Höhe von zunächst € 218,-- monatlich und seit Januar 2008 in Höhe von € 225,02 monatlich. Mit Schreiben vom 20.7.2005 (Bl. 150 d.A.) teilte die Beklagte dem Klägervertreter mit, sie habe der Rentenberechnung die Richtlinien mit Stand 1.7.2004 und als ruhefähiges Gehalt das Tarifgehalt in Höhe von € 2.505,-- zugrunde gelegt. Die anzusetzende Sozialversicherungsrente sei mit € 1.785,52 bemessen worden, wobei die Erwerbsunfähigkeitsrente auf einen Zugangsfaktor 1,0 hochgerechnet worden sei und ein Fehlzeitenausgleich für elf Monate vorgenommen worden sei.

Die Einzelheiten der Rentenberechnung durch die Beklagte ergeben sich aus Bl. 38 ff d.A..

Der Versicherungsverlauf des Klägers vor Rentenbeginn weist elf Monate Fehlzeit auf, in denen weder Beiträge an den Rentenversicherungsträger gezahlt wurden und die auch nicht als beitragsfreie Zeiten in Rentenbescheid berücksichtigt wurden.

Der Kläger ist der Auffassung, ihm stehe eine monatliche Betriebsrente in Höhe von € 1.510,20 zu. Die Rentenberechnung durch die Beklagte ist jedenfalls in drei Punkten fehlerhaft. Zum einen gehöre seine übertarifliche Zulage zum ruhegehaltsfähigen Arbeitsentgelt und sei damit bei der Rentenberechnung zu berücksichtigen. Weiter sei die anzurechnende gesetzliche Erwerbsunfähigkeitsrente nicht auf den Zugangsfaktor 1,0 hoch zu rechnen. Schließlich sei die anzurechnende gesetzliche Erwerbsunfähigkeitsrente nicht wegen eines Fehlzeitenausgleichs von elf Monaten zu erhöhen.

Mit Endurteil vom 25.10.2007 hat das Arbeitsgericht die Klage mit den Anträgen auf Zahlung von € 27.126,12 brutto nebst Zinsen für die Zeit bis August 2006 sowie auf monatlich einen zusätzlichen Betriebsrentenbetrag von € 1.291,75 für September 2006 bis Juni 2009 abgewiesen.

Das Arbeitsgericht hat seine Entscheidung damit begründet, mehrere vom Kläger zugrunde gelegte Annahmen seien unzutreffend. Die übertarifliche Zulage gehöre nicht zum ruhegehaltsfähigen Gehalt, sondern sei eine "sonstige Zulage aller Art" i.S.d. Richtlinien. Der Wortlaut lasse kaum Spielraum. Sofern ein Auslegungsbedarf bestehe, ergebe sich der Charakter der übertariflichen Zulage als Zulage i.S.d. Richtlinien aus dem Sinn und Zweck der Regelung. Danach sollten schwankende, nur gelegentlich anfallende, von besonderen Leistungen abhängige und auch individuell verschiedene und nicht dauerhaft gesicherte Vergütungsbestandteile keine Berücksichtigung finden. Eine übertarifliche Zulage sei kein fester und dauerhaft gesicherter Vergütungsbestandteil. Dagegen werde durch die Bezugnahme nur auf das Tarifentgelt eine kalkulierbare und gleichmäßige Bemessungsgrundlage für die Betriebsrentenberechnung sicher gestellt.

Die Beklagte habe auch die anzurechnende gesetzliche Erwerbsunfähigkeitsrente zu Recht wegen eines Fehlzeitenausgleichs für elf Monate erhöht. Dies ergebe sich aus § 3 Abs. 4 fünftletzter Unterabsatz der Richtlinien in der Fassung vom 1.7.2004. Nach § 12 der Richtlinien gelte die Fassung ab 1.7.2004 für alle vor dem 1.1.1992 eingetretenen Mitarbeiter. Dazu gehöre auch der Kläger, obwohl sich aufgrund des Rentenbescheides herausgestellt habe, dass der Versorgungsfall für die Gewährung einer Invalidenrente bereits früher und noch im bestehenden Arbeitsverhältnis eingetreten sei.

Die Hochrechnung der gesetzlichen Rente auf den Zugangsfaktor 1,0 sei wohl zu Unrecht erfolgt. Gleichwohl sei die Klage abzuweisen, da der Kläger Hilfsanträge bzw. nachvollziehbare Alternativberechnungen nicht vorgelegt habe. Wegen weiterer Einzelheiten des erstinstanzlichen Sachvortrags der Parteien und der Begründung des Arbeitsgerichts wird auf das angefochtene Urteil Bezug genommen.

Gegen dieses den Klägervertretern am 22.2.2008 zugestellte Endurteil richtet sich die Berufung des Klägers vom 17.3.2008, die am 21.5.2008 begründet worden ist, nachdem die Begründungsfrist bis zum 22.5.2008 verlängert worden war.

Der Kläger rügt zunächst, das Arbeitsgericht habe § 3 der Richtlinien nicht zutreffend ausgelegt. Der Wortlaut der Bestimmung sei keineswegs eindeutig. Übertarifliche Zulagen hätten einen grundsätzlich anderen Charakter als Zulagen, die von besonderen oder nur vorübergehend eintretenden Umständen abhängen. Bei der Erstfassung der Richtlinien im Jahre 1968 hätten die bezahlten Effektiventgelte für die Berechnung der Betriebsrenten maßgeblich sein sollen, denn damals habe es den Begriff der übertariflichen Zulage noch nicht gegeben. Das Arbeitsgericht fasse den Zweck der Regelung zu weit. Nach den Richtlinien sollten die Arbeitnehmer eine Versorgung enthalten, die sich an ihren Aktiveinkünften orientiere und diese bei entsprechender Betriebszugehörigkeit auch erreiche. Die übertarifliche Zulage honoriere wie das Tarifgehalt erbrachte Arbeitsleistung und sichere zusammen mit diesem die Befriedigung der Lebensbedürfnisse. Der Zweck, den Arbeitnehmern mit einer langen Betriebszugehörigkeit eine Versorgung in Höhe des letzten Nettoeinkommens zu sichern, sei von der KG immer wieder betont worden. Die Arbeitnehmer der KG, die unter den Geltungsbereich der Tarifverträge für den Groß- und Außenhandel gefallen seien, hätten niedrigere Tarifgehälter gehabt als die Arbeitnehmer im Geltungsbereich der Tarifverträge der chemischen Industrie. Durch die übertariflichen Zulagen seien die Arbeitsentgelte teilweise angeglichen und Ungleichheiten im Lohngefüge vermieden worden. Aus der Regelung für Außendienstmitarbeiter ergebe sich kein anderes Auslegungsergebnis. Die Änderung von 1986 habe eine Verbesserung für die Außendienstmitarbeiter dargestellt, da sie hohe Provisionen und ein Fixum weit unter dem Tarifgehalt erhalten hätten. Im Hinblick auf die im Vergleich zu den übrigen Arbeitnehmern sehr hohen Einkommen der Außendienstmitarbeiter habe man nur bei diesen die Altersversorgung an den Tarifgehältern und nicht an den Effektivverdiensten orientiert. Schließlich spreche gegen die Auslegung des Arbeitsgerichts die langjährige Praxis der Beklagten. Auch Mitarbeiter, die nach 2002, z.B. 2006 in den Ruhestand gegangen seien, hätten Betriebsrenten auf der Grundlage des monatlichen Entgelts einschließlich der übertariflichen Zulage erhalten. Die von der Beklagten behauptete Änderung der Berechnungspraxis sei unwirksam, da ihr der Gesamtbetriebsrat nicht zugestimmt habe.

Die gesetzliche Rente sei zu Unrecht wegen des Zugangsfaktors auf € 1.745,80 hoch gerechnet worden. Der entsprechende Passus in § 3 Abs. 4 der Richtlinien beziehe sich ausschließlich auf das Altersruhegeld aus der gesetzlichen Rentenversicherung. Für die Erwerbsminderungsrente, die er beziehe, sei dagegen ein Zugangsfaktor nicht vorgesehen.

Schließlich könne ein Fehlzeitenausgleich in Höhe von € 39,72 nicht vorgenommen werden, da dieser in den Richtlinien 1992, die zugrunde legend seien, nicht vorgesehen sei. Im Rentenbescheid sei der Rentenbeginn auf den 1.1.2004 festgelegt worden.

Bei der Rentenberechnung sei damit von seinem vollen Monatsgehalt in € 4.046,-- auszugehen. Zusammen mit seiner gesetzlichen Rente dürften die Rentenleistungen insgesamt 80 % seines letzten Bruttogehalts nicht übersteigen, dies seien € 3.236,80. Bei einer gesetzlichen Rente in Höhe von € 1.557,25 ergebe sich zunächst eine Nettobetriebsrente in Höhe von € 1.554,42. Es greife allerdings die Nettoobergrenze ein, woraus sich eine Nettobetriebsrente in Höhe von € 1.406,54 ergebe. Eine Hochrechnung dieses Betrages auf Brutto ergebe eine Bruttobetriebsrente an € 1.519,76, also € 1.301,28 mehr als von der Beklagten berechnet. Wegen Hilfsberechnungen für Fälle, dass das Gericht nur teilweise der Rechtsauffassung des Klägers folgt, wird auf die Seiten 15 ff des Schriftsatzes vom 25.10.2008 Bezug genommen.

Der Kläger stellt folgende Anträge:

1. Das Urteil des Arbeitsgericht München 25.10.2007 wird abgeändert.

2. a) Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger € 27.326,88 brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basissatz nach § 1 des Diskontüberleitungs-Gesetzes vom 9.6.1998 aus € 1.301,28 ab 1.1.2005 und aus einem jeweils um den € 1.301,28 erhöhten Betrag ab dem Ersten der jeweils folgenden Monate bis zum August 2006 sowie aus € 27.326,88 ab 1.9.2006 zu zahlen.

b) Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger vom September 2006 bis Juni 2009 monatlich einen zusätzlichen Betriebsrentenbetrag in Höhe von € 1.301,28 brutto zu zahlen.

Die Beklagte beantragt;

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die Entscheidung des Arbeitsgerichts für zutreffend. Die Behauptung des Klägers, die Richtlinien seien zu dem Zweck geschaffen, den Arbeitnehmern mit einer langen Betriebszugehörigkeit eine Versorgung in Höhe des letzten Netto-Einkommens zu sichern, sei eine Fiktion. Beispielsweise enthalte das Schreiben an den Kläger vom Dezember 1981 keine verbindliche Festlegung, sondern eine unverbindliche Absichtserklärung. Für die Änderung im Jahre 1986 seien zwei Gesichtpunkte maßgeblich gewesen. Zum einen hätten Außendienstmitarbeiter zuvor über die von ihnen verdienten Provisionen eine derart hohe gesetzliche Rente erlangt, dass die Berechnung der Betriebsrente in den meisten Fällen nur zur garantierten Mindestrente geführt habe. Diese Ungleichbehandlung gegenüber den anderen Mitarbeitern habe beseitigt werden sollen. Zum anderen habe einer tarifvertraglichen Regelung Rechnung getragen werden müssen, nach der Außendienstangestellte im Jahresdurchschnitt mindestens das ihnen zustehende Tarifentgelt erhalten mussten.

Den Begriff der übertariflichen Zulage habe es auch 1968 schon gegeben.

Im Jahre 2002 sei die Geschäftsführung aufgrund eines Gutachtens zu der Auffassung gelangt, bis dahin seien die Betriebsrenten fehlerhaft berechnet worden. Es sei dann beschlossen worden, für bis 31.12.1946 geborene Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen die bisherige Berechnung fortzuführen, da diese Mitarbeiter in relativ kurzer Zeit nicht mehr in der Lage gewesen seien, sich anderweitige Rentenansprüche aufzubauen.

Der Zugangsfaktor sei aus den erstinstanzlich dargelegten Gründen hoch zu rechnen. Hinsichtlich des Fehlzeitenausgleichs sei dem Arbeitsgericht beizupflichten.

Wegen weiterer Einzelheiten des Sachvortrags der Parteien im Berufungsverfahren wird auf die Schriftsätze des Klägers vom 21.5.2008, 4.9.2008, 5.9.2008, 27.10.2008 und 11.11.2008 sowie der Beklagten vom 29.7.2008 und 11.11.2008 Bezug genommen, außerdem auf die Sitzungsniederschrift vom 27.11.2008 und den nachgelassenen Schriftsatz der Beklagten vom 2.2.2009.

Entscheidungsgründe:

I.

Die Berufung ist zulässig. Sie ist statthaft und wurde form- und fristgerecht und begründet (§§ 64 Abs. 2 b, 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG, 519, 520 ZPO).

II.

Die Berufung ist überwiegend begründet, denn die Betriebsrente ist unter Berücksichtigung der übertariflichen Zulage zu bemessen (§ 3 Abs. 1 Satz 2 der Richtlinien).

1. Entgegen der Ansicht des Arbeitsgerichts ist die Betriebsrente des Klägers unter Zugrundelegung des letzten Gehalts des Klägers einschließlich seiner übertariflichen Zulage in Höhe von € 1.541,-- zu bemessen. Dies gibt sich aus einer Auslegung der Versorgungsrichtlinien.

Dabei muss im Hinblick auf die Vielzahl der Erklärungsempfänger, eine objektive vom Einzelfall unabhängige Auslegung stattfinden (Blomeyer/Otto, BetrVG, 4. Aufl., Anhang § 1 Rn 259). Es ist also der objektive Gehalt der Richtlinien zu ermitteln, wie er im Wortlaut wenigstens andeutungsweise zum Ausdruck kommt. Dabei ist es im Ergebnis unerheblich, dass es sich bei den Richtlinien aus dem Jahre 1968 noch nicht um eine Betriebsvereinbarung handelte. Wie bei Betriebsvereinbarungen, Tarifverträgen oder Gesetzen ist auch bei einer Gesamtzusage des Arbeitgebers ein vom Wortlaut abweichender Wille des Arbeitgebers allenfalls dann von Bedeutung, wenn er in der Erklärung selbst zum Ausdruck gekommen ist. Allerdings können aus der Vollzugspraxis Rückschlüsse auf den Regelungsinhalt gezogen werden (Küttner/Kreitner, Personalbuch 2007, Betriebsvereinbarung Rn 8 m.w.N. zur Auslegung zur Betriebsvereinbarungen).

Hier spricht der Wortlaut der Richtlinien zwar für die Auslegung des Arbeitsgerichts und der Beklagten. Er ist allerdings nicht eindeutig. Vielmehr kann als Zulage auch eine Leistung verstanden werden, die über die normale und regelmäßige Vergütung hinausgeht. Bei Erlass der Richtlinien im Jahre 1968 gab es unstreitig nur eine einheitliche Vergütung und keine Aufteilung in einen tariflichen und einen übertariflichen Teil.

Sinn und Zweck der Berechnungsvorschrift sprechen dafür, dass die übertarifliche Zulage in die Berechnungsgrundlage einzubeziehen ist. Die Beklagte hat den Zweck der Betriebsrente etwa im Schreiben an den Kläger vom Dezember 1991, mit dem er über seinen Betriebsrentenanspruch informiert wurde, dahingehend beschrieben, dass die Betriebsrente unter Einschluss der Leistungen aus der gesetzlichen Rentenversicherung das letzte Nettoeinkommen des in Ruhestand gehenden Mitarbeiters sicher stellen soll. Ähnlich deutlich heißt es in der Gesamtbetriebsvereinbarung vom 5.4.1990, nach einer mehr als 25-jährigen Dienstzeit solle ein Rentenbetrag erreicht werden, der unter Einschluss der Leistungen aus der gesetzlichen Sozialversicherung das letzte Nettoeinkommen des in Pension gehenden Mitarbeiters praktisch sicher stellt. Angesichts dieser Formulierungen kann der vom Kläger angenommene Zweck nicht als Fiktion angesehen werden.

Für eine Auslegung i.S.d. Klägers spricht weiter der Umstand, dass die Beklagte die Betriebsrente jedenfalls bis zum Jahre 2001 auf der Basis des Gehalts unter Einschluss der übertariflichen Zulage berechnete. Dieses Vorgehen lässt sich nicht plausibel mit einem Berechnungsfehler begründen. Vielmehr kann die jahrzehntelange Berechnung dahingehend verstanden werden, dass der übertarifliche Gehaltsbestandteil nicht als Zulage i.S.d. § 3 Abs. 4 der Richtlinien angesehen wurde. Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts lässt die Vollzugspraxis des Arbeitgebers selbst dann Rückschlüsse auf den Regelungsinhalt zu, wenn dieser im Wortlaut nur unzureichend zum Ausdruck gebracht wurde (Urteil vom 22.1.2002 - 3 AZR 554/00 - NZA 2002, 1224). Erst recht gilt dies, wenn - wie hier - der Wille von der KG wiederholt deutlich erklärt wurde.

Schließlich spricht die Änderung der Richtlinien im Jahre 1986 für eine Berechnung unter Einschluss der übertariflichen Zulage. Damals wurde die Regelung über die Bemessung der Rente dahingehend ergänzt, dass bei Außendienstmitarbeiter das Tarifgehalt zugrunde gelegt wird. Die ausdrückliche Erwähnung der Außendienstmitarbeiter spricht dafür, dass nur bei diesen auf das Tarifgehalt abzustellen ist. Wäre bei allen Arbeitnehmern eine Bemessung nach dem Tarifgehalt gewollt gewesen, so hätte dies einfach geregelt werden können und eine Sonderregelung für Außendienstmitarbeiter wäre nicht notwendig gewesen. In diesem Zusammenhang ist es unerheblich, aus welchen Gründen die Ergänzung für die Außendienstmitarbeiter erfolgte, denn allein die Erwähnung dieses Personenkreises zeigt, dass es sich insoweit um eine Ausnahme handeln sollte.

2. Die Beklagte hat der Rentenberechnung zu Recht eine fiktive gesetzliche Sozialversicherungsrente zugrunde gelegt, die sich bei einem Zugangsfaktor von 1,0 ergeben würde. Die Regelung in § 3 Abs. 4 der Richtlinien sieht zwar eine Korrektur durch einen Zugangsfaktor nur bei einer vorgezogenen gesetzlichen Altersrente vor, nicht dagegen bei der Erwerbsminderungsrente, die der Kläger bezieht. Die Richtlinien verweisen aber auf § 77 Abs. 2 und 3 SGB VI, der zu einer niedrigeren gesetzlichen Rente führt, wenn sie vor Vollendung des 65. Lebensjahres gewährt wird. Mit der Verweisung auf diese gesetzlichen Regelungen bringen die Richtlinien zum Ausdruck, dass durch die Hochrechnung auf den Zugangsfaktor 1,0 vermieden werden soll, dass die niedrigere gesetzliche Rente voll durch die Betriebsrente ausgeglichen wird. Dieser hinreichend deutlich erkennbare Zweck gilt in gleicher Weise für eine Invaliden- wie für eine vorgezogene Altersrente.

3. Schließlich hat die Beklagte die anzurechnende gesetzliche Rente zu Recht wegen Fehlzeiten im Versicherungsverlauf des Klägers erhöht. Unstreitig gab es beim Kläger vor Rentenbeginn elf Monate, in denen keine Beiträge an den Rentenversicherungsträger bezahlt wurden und die nicht als beitragsfreie Zeiten im Rentenbescheid berücksichtigt wurden. Für diesen Fall sieht § 3 Abs. 4 fünft letzter Unterabsatz der ab 1.7.2004 geltenden Richtlinien eine fiktive Erhöhung der anzurechnenden Sozialversicherungsrente vor.

Der Kläger geht mit dem Arbeitsgericht davon aus, dass es sich bei den Richtlinien um Betriebsvereinbarungen handelt und wendet sich nicht gegen die zutreffende Ansicht des Arbeitsgerichts, eine Betriebsvereinbarung könne durch eine nachfolgende Betriebsvereinbarung auch zu Ungunsten der Arbeitnehmer abgelöst werden. Sein Einwand, für ihn seien die ab 1.7.2004 geltenden Richtlinien nicht anzuwenden, überzeugt nicht. Nach § 12 der Richtlinien in der ab 1.7.2004 geltenden Fassung gilt diese Fassung für alle vor dem 1.1.1992 eingetretenen Mitarbeiter. Hierzu gehört auch der Kläger, denn er befand sich bis 30.11.2004 in einem Arbeitsverhältnis. § 1 Abs. 1 letzter Satz der Richtlinien, wonach der Versorgungsfall im Zeitpunkt des Rentenbeginns laut Rentenbescheid des gesetzlichen Rentenversicherungsträgers als eingetreten gilt, spricht nicht gegen eine Anwendung der neu gefassten Richtlinien auf den Kläger. In seinem Rentenbescheid ist zwar der Rentenbeginn auf den 1.1.2004 festgelegt. § 1 Abs. 1 letzter Satz der Richtlinien regelt allerdings nicht die Geltung der geänderten Richtlinien, sondern den Eintritt des Versorgungsfalls. Wenn sich - wie in § 2 Abs. 1 Satz 2 der Richtlinien geregelt - ein Mitarbeiter über den Eintritt des Versorgungsfalls hinaus in einem Arbeitsverhältnis befindet, gibt es keinen Grund, auf ihn eine Neufassung der Richtlinien nicht anzuwenden.

3. Die sich hieraus ergebende Berechnung hat der Kläger auf den Seiten 22 unten bis 25 seines Schriftsatzes vom 27.10.2008 vorgenommen. Diese Berechnung übernimmt die Berechnung der Beklagten und korrigiert sie lediglich bezüglich des ruhegeldfähigen Monatsgehalts, das ausweislich der vorgelegten Abrechnungen einschließlich der übertariflichen Zulage € 4.046,-- beträgt. Die Beklagte hat diese Berechnung auch nicht bestritten, sie gilt damit als zugestanden (§ 138 Abs. 3 ZPO). Die Berechnung des Klägers im Schriftsatz vom 27.10.2008 konnte deshalb nicht als verspätet zurückgewiesen werden, weil sie nicht bestritten wurde und die Zulassung damit die Erledigung des Rechtsstreits nicht verzögern konnte (§ 67 Abs. 4 ArbGG).

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 92 Abs. 1, 97 Abs. 1 ZPO und berücksichtigt das beiderseitige Obsiegen und Unterliegen.

IV.

Die Zulassung der Revision für beide Parteien beruht auf § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG.

Ende der Entscheidung

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