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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht München
Urteil verkündet am 22.06.2006
Aktenzeichen: 2 Sa 316/06
Rechtsgebiete: TzBfG


Vorschriften:

TzBfG § 14 Abs. 2 S. 2
TzBfG § 14 Abs. 4
TzBfG § 16 S. 2
Nach behaupteter mündlicher Vereinbarung über wesentliche Fragen des Arbeitsverhältnisses und eine Befristung schließen die Parteien einen umfassenden schriftlichen Arbeitsvertrag, ebenfalls mit einer Befristungsabrede. Es besteht Streit darüber, ob die Befristungsabrede nur wegen des Mangels der Schriftform unwirksam ist (§§ 14 Abs. 4, 16 S. 2 TzBfG) oder deshalb, weil vor der schriftlichen Vereinbarung der Befristung wegen des Formmangels schon ein unbefristetes Arbeitsverhältnis bestand (§ 14 Abs. 2 S. 2 TzBfG).
LANDESARBEITSGERICHT MÜNCHEN IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

2 Sa 316/06

Verkündet am: 22. Juni 2006

In dem Rechtsstreit

hat die Zweite Kammer des Landesarbeitsgerichts München auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 1. Juni 2006 durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Waitz sowie die ehrenamtlichen Richter Max Hartl und Marlies Fellermeier für Recht erkannt:

Tenor:

1. Auf die Berufung der Klägerin wird das Endurteil des Arbeitsgerichts München vom 14.2.2006 - 30 Ca 12353/05 - abgeändert.

Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung der Beklagten vom 8.8.2005, zugegangen am 10.8.2005, nicht aufgelöst worden ist.

Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

2. Die Revision für die Beklagte wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer ordentlichen Arbeitgeberkündigung, die während eines befristeten Arbeitsverhältnisses ausgesprochen wurde.

Die Klägerin war seit dem 11.4.2005 bei der Beklagten beschäftigt. Der Formulararbeitsvertrag vom 13.4.2005 enthält in § 1 folgende Regelung, wobei es sich bei den gesperrt geschriebenen Passagen um handschriftliche Ergänzungen handelt:

"§ 1

(1) Der Arbeitnehmer wird ab dem 11.04.05 für eine Tätigkeit als Reinigungskraft eingestellt.

(2) Das Arbeitsverhältnis wird zunächst zur Probe für die Dauer von drei Monaten abgeschlossen. Auch während der Probezeit ist beiderseits die Kündigung zulässig.

(3) Für die Kündigung gelten die tariflichen Kündigungsfristen und ist befristet bis 31.12.2005."

Mit Schreiben vom 8.8.2005, der Klägerin zugegangen am 10.8.2005 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis ordentlich zum 24.8.2005.

Die Klägerin ist der Ansicht, die Kündigungsmöglichkeit in dem befristeten Arbeitsverhältnis sei nicht wirksam vereinbart worden. Sie habe ihre Arbeit am 11.4.2005 aufgrund einer mündlichen Absprache aufgenommen. Am 13.4.2005 sei ihr dann der Arbeitsvertrag vorgelegt worden, der eine Befristung vorgesehen habe.

Dagegen ist die Beklagte der Ansicht, die Kündigung sei schon deshalb möglich gewesen, weil die Befristung nicht schriftlich vereinbart worden sei (§ 14 Abs. 4 TzBfG).

Mit Endurteil vom 14.2.2006 hat das Arbeitsgericht die Klage mit dem Feststellungsantrag, dass das Arbeitsverhältnis der Klägerin durch schriftliche Kündigung der Beklagten vom 8.8.2005, zugegangen am 10.8.2005, zum 24.8.2005 nicht aufgelöst worden sei, abgewiesen. Die Parteien hätten in § 1 Abs. 2 des Arbeitsvertrages die Möglichkeit einer ordentlichen Kündigung vereinbart.

Gegen dieses dem Klägervertreter am 27.2.2006 zugestellte Endurteil richtet sich die Berufung der Klägerin vom 10.3.2006, die sogleich begründet worden ist. Die Klägerin rügt, das Arbeitsgericht habe rechtsirrig die Vereinbarung einer ordentlichen Kündigungsmöglichkeit angenommen und verfolgt ihren erstinstanzlichen Antrag weiter.

Dagegen hält die Beklagte das Urteil für zutreffend und wiederholt außerdem ihre erstinstanzlich geäußerte Auffassung, die Befristungsabrede sei schon nach § 14 Abs. 4 TzBfG unwirksam. Nach dem Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 1.12.2004 habe die nachträgliche Unterzeichnung des befristeten Arbeitsvertrags diese Unwirksamkeit auch nicht heilen können.

Wegen der Einzelheiten des Sachvortrags der Parteien im Berufungsverfahren wird auf die Berufungsbegründung der Klägerin vom 8.3.2006, die Berufungserwiderung der Beklagten vom 15.3.2006 sowie den nachgelassenen Schriftsatz vom 19.6.2006 Bezug genommen, außerdem auf die Sitzungsniederschrift vom 1.6.2006 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

I.

Die Berufung der Klägerin ist zulässig. Sie ist statthaft und wurde form- und fristgerecht eingelegt und begründet (§§ 64 Abs. 2 c, 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG, 519, 520 ZPO).

II.

Die Berufung ist auch begründet, denn der Formularvertrag regelt nicht hinreichend klar, dass in dem Zeitraum zwischen dem Ablauf der Probezeit und dem 31.12.2005 eine ordentliche Kündigungsmöglichkeit besteht, wie dies § 15 Abs. 3 TzBfG erfordert. Diese Unklarheit geht jedenfalls gemäß § 305 c Abs. 2 BGB zu Lasten der Beklagten. Die Kündigung der Beklagten konnte das Arbeitsverhältnis nicht zu einem vor dem 31.12.2005 liegenden Zeitpunkt beenden (§ 16 S. 1 Hs. 2 TzBfG), weil die Befristung zum 31.12.2005 gemäß § 14 Abs. 2 S. 2 TzBfG unwirksam ist.

1. Nach § 15 Abs. 3 TzBfG kann ein befristetes Arbeitsverhältnis nur dann ordentlich gekündigt werden, wenn dies einzelvertraglich oder im anwendbaren Tarifvertrag vereinbart ist. Die vertragliche Regelung über die Zulässigkeit der Kündigung während der Probezeit kann nicht dahingehend ausgelegt werden, dass auch in dem Zeitraum zwischen dem Ablauf der Probezeit und dem 31.12.2005 eine ordentliche Kündigung möglich ist.

Bei § 1 Abs. 2 des Arbeitsvertrages handelt es sich unstreitig um allgemeine Geschäftsbedingungen i.S.d. § 305 Abs. 1 BGB. Allgemeine Geschäftsbedingungen sind nach ihrem objektivem Inhalt und typischen Sinn einheitlich so auszulegen, wie sie von verständigen und redlichen Vertragspartnern unter Abwägung der Interessen der normalerweise beteiligten Verkehrskreise verstanden werden, wobei die Verständnismöglichkeiten des durchschnittlichen Vertragspartners des Verwenders zu- grundezulegen sind (BAG vom 9.11.2005 - 5 AZR 128/05). § 305 c Abs. 2 BGB enthält eine die §§ 133, 157 BGB ergänzende Auslegungsregelung, wonach Zweifel bei der Auslegung zu Lasten des Verwenders gehen. Für ihre Anwendung genügt es nicht, dass Streit über die Auslegung besteht. Voraussetzung ist, dass nach Ausschöpfung der in Betracht kommenden Auslegungsmethoden ein nicht behebbarer Zweifel besteht und mindestens zwei Auslegungen rechtlich vertretbar sind (Palandt-Heinrichs, BGB, Rn 18 zu § 305 c mit weiteren Hinweisen auf die Rechtsprechung; BAG vom 9.11.2005 aaO).

Hier ergibt sich auf dem Wortlaut des Arbeitsvertrages eindeutig, dass während der Probezeit beiderseits eine ordentliche Kündigung zulässig sein soll. Die Kündigung der Beklagten erfolgte jedoch nach Ablauf der Probezeit. Die Regelung, dass auch während der Probezeit die Kündigung zulässig ist, und die dann folgende Regelung über die Geltung der tariflichen Kündigungsfristen deuten zwar darauf hin, dass auch nach Ablauf der Probezeit eine Kündigung möglich sein sollte. Der Gesamtzusammenhang bringt aber nicht mit der erforderlichen Klarheit zum Ausdruck, dass dies auch für die Dauer der Befristung zum 31.12.2005 gelten sollte. Das vorformulierte Vertragsmuster sieht nur eine Befristung zur Probe vor und keine weitere Befristung. Die vorgefertigte Formulierung bezieht sich damit auf die Probezeit. Das Wort "auch" bringt nur zum Ausdruck, dass über die ohnehin bestehende Kündigungsmöglichkeit in einem unbefristeten Arbeitsverhältnis hinaus auch während der Probezeit eine Kündigung möglich sein soll. Die Geltung der tariflichen Kündigungsfristen bezieht nach dem Formulararbeitsvertrag sowohl auf die Kündigung während der Probezeit als auch auf die Zeit danach und trägt dem Umstand Rechnung, dass bei Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses über die Probezeit hinaus häufig kein neuer Vertrag geschlossen wird. Nach dem vorformulierten Text ist allerdings das Arbeitsverhältnis nach der Probezeit ein unbefristetes, in dem ohnehin ordentlich gekündigt werden kann.

Die weitere Befristung zum 31.12.2005 ist in dem handschriftlichen Zusatz nach § 1 Abs. 3 des Arbeitsvertrages geregelt. Dieser Zusatz bringt nicht mit der notwendigen Klarheit zum Ausdruck, dass auch während dieser Befristung eine Kündigung möglich sein soll. Er steht außerhalb des Absatzes 2, in dem die Kündigungsmöglichkeit während der Probezeit geregelt ist, und hat keinen sprachlichen Zusammenhang mit dem vorformulierten Text des Absatzes 3, nach dem die tariflichen Kündigungsfristen gelten.

2. Die Kündigung der Beklagten vom 8.8.2005 konnte das Arbeitsverhältnis auch dann nicht vor dem 31.12.2005 beenden, wenn die Befristung zum 31.12.2005 unzulässig ist.

Dies ergibt sich aus § 16 S. 1 Hs. 2 TzBfG. Danach kann der Arbeitgeber bei Unwirksamkeit der Befristung frühestens zum vereinbarten Ende ordentlich kündigen, sofern nicht nach § 15 Abs. 3 TzBfG die ordentliche Kündigung zu einem früheren Zeitpunkt möglich ist. Wie ausgeführt haben die Parteien die Kündigungsmöglichkeit nicht vereinbart (§ 15 Abs. 3 TzBfG). Die Befristung ist auch nicht wegen der fehlenden Schriftform unzulässig (§§ 16 S. 2, 14 Abs. 4 TzBfG), sondern weil vor der schriftlichen Vereinbarung der Befristung zum 31.12.2005 deshalb schon ein unbefristetes Arbeitsverhältnis vorlag (§ 14 Abs. 2 S. 2 TzBfG), weil die Befristung zunächst nur mündlich und damit unwirksam vereinbart worden war (§ 14 Abs. 4 TzBfG). Dies gilt auch dann, wenn man den Sachvortrag der Beklagten zur Begründung des Arbeitsverhältnisses zugrundegelegt. Danach wurden im Rahmen des Einstellungsgesprächs mündlich die Befristung zum 31.12.2005 vereinbart, alle wesentlichen Regelungen des Arbeitsverhältnisses besprochen und im Übrigen auf die bestehenden Tarifverträge hingewiesen. Damit trägt die Beklagte aber nicht vor, dass all das mündlich vereinbart wurde, was dann in dem schriftlichen Arbeitsvertrag geregelt wurde. Auch nach dem Sachvortrag der Beklagten gab es nämlich keine mündlichen Vereinbarungen zu "unwesentlichen" Regelungen (z.B. zur Kurzarbeit, § 3 Abs. 3 des schriftlichen Arbeitsvertrages, zur Versetzungsbefugnis, § 3 Abs. 4, zu Betriebs- oder Schulferien, § 5 Abs. 3). Die Beklagte behauptet auch nicht, dass mündlich die Befristung zur Probe und die Zulässigkeit der Kündigung während der Probezeit vereinbart wurde (§ 1 des schriftlichen Arbeitsvertrages).Damit ist abweichend von der Fallkonstellation, die dem Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 1.12.2004 (7 AZR 198/04 - NZA 05, 575) zugrundeliegt, davon auszugehen, dass die Parteien nicht lediglich die mündlich vereinbarte Befristung schriftlich niederlegen, sondern eine neue Vereinbarung treffen wollten. Zahlreiche Einzelfragen wurden erst durch den schriftlichen Arbeitsvertrag geregelt. Es kann auch nicht angenommen werden, dass der schriftliche Arbeitsvertrag nur bezüglich der mündlich noch nicht besprochenen Punkte übereinstimmende Willenserklärungen enthält. Ein schriftlicher Arbeitsvertrag soll das Arbeitsverhältnis in aller Regel umfassend regeln, auch bezüglich einer Befristung und schon mündlich besprochener Fragen.

Deshalb kann letztlich dahinstehen, ob die Vertragspartner nicht regelmäßig den Willen haben, durch einen schriftlichen Vertrag, der nach einer mündlichen Vereinbarung geschlossen wurde, eine eigenständige Vereinbarung zu treffen. Hierfür spricht vor allem der hypothetische Wille der Parteien bei Kenntnis der Unwirksamkeit der mündlichen Vereinbarung. In aller Regel wollen die Parteien, dass das schriftlich Vereinbarte auch dann gilt, wenn eine zuvor getroffene mündliche Vereinbarung aus irgendwelchen Gründen unwirksam sein sollte. Ein Wille, ein unwirksames Rechtsgeschäft lediglich zu bestätigen und es damit bei der Rechtsunwirksamkeit zu belassen, wäre recht ungewöhnlich. Im Übrigen löst eine spätere Vereinbarung eine frühere grundsätzlich ab.

Die Frage, ob die Kündigung des Arbeitsverhältnisses zum 31.12.2005 beendet stellt sich nicht, denn trotz der Unwirksamkeit der Befristung ist die Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch den Fristablauf zum 31.12.2005 unstreitig. Die Klägerin hat die Unwirksamkeit der Befristung nicht gemäß § 17 TzBfG geltend gemacht.

III.

Nach § 91 Abs. 1 ZPO trägt die unterliegende Beklagte die Kosten des Rechtsstreits.

IV.

Die Zulassung der Revision beruht auf § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG. Die in Verbindung mit der Abgrenzung zwischen formeller und materieller Unwirksamkeit einer Befristungsabrede angesprochenen Fragen haben grundsätzliche Bedeutung. Es kommt immer wieder vor, dass zu Beginn eines Arbeitsverhältnisses wesentliche Fragen zunächst mündlich besprochen und dann ein umfassender Arbeitsvertrag schriftlich fixiert wird.

Ende der Entscheidung

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