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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht München
Urteil verkündet am 18.07.2007
Aktenzeichen: 2 Sa 33/07
Rechtsgebiete: TVÜ-VKA


Vorschriften:

TVÜ-VKA § 5
Sind beide Ehegatten orts- oder familienzuschlagsberechtigt, so fließt grundsätzlich nur die Stufe 1 des Ortszuschlages in das Vergleichsentgelt des in den TVöD übergeleiteten Beschäftigten ein. Das gilt auch, wenn die Ehe des übergeleiteten Beschäftigten kurz nach dem Inkrafttreten des TVöD geschieden wird und selbst dann, wenn das Scheidungsurteil vor dem 01.10.2005 verkündet und dem Arbeitgeber bekannt, aber erst danach rechtskräftig wird.
LANDESARBEITSGERICHT MÜNCHEN IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

2 Sa 33/07

Verkündet am: 18. Juli 2007

In dem Rechtsstreit

hat die Zweite Kammer des Landesarbeitsgerichts München auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 18. Juli 2007 durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Waitz sowie die ehrenamtlichen Richter Hannes Mäckel und Günter Huber für Recht erkannt:

Tenor:

1. Die Berufung der Klägerin gegen das Endurteil des Arbeitsgerichts Augsburg vom 21.11.20006 - 9 Ca 2221/06 - wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.

2. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten über die zutreffende Berechnung des Vergleichsentgelts bei der Überleitung der Klägerin vom BAT in den TVöD. Die Klägerin macht im Berufungsverfahren ein um € 50,92 erhöhtes Bruttoentgelt für die Zeit vom 1.11.2005 bis 30.11.2006 sowie ein um € 101,83 erhöhtes Bruttoentgelt ab 1.12.2006 geltend.

Die Klägerin ist seit 1.9.1982 als Verwaltungsangestellte bei der Beklagten beschäftigt. Ihr Arbeitsverhältnis richtet sich nach Ziff. 2 des Arbeitsvertrages vom 17.3.1986 sowie aufgrund beiderseitiger Tarifbindung nach den Vorschriften des BAT sowie den diesen ergänzenden, ändernden oder ersetzenden Tarifverträgen. Die Klägerin war mit einem Beamten verheiratet, der ebenfalls bei der Beklagten beschäftigt ist. Bis September 2005 erhielt sie neben dem Ortszuschlag der Stufe 1 aufgrund § 29 B Abs. 5 BAT den Unterschiedsbetrag zwischen den Stufen 1 und 2 des für sie maßgebenden Ortszuschlages zur Hälfte. Auch ihr damaliger Ehemann erhielt diesen Unterschiedbetrag.

Ab 1.10.2005 traten die Bestimmungen des TVöD an die Stelle des BAT. Der TVöD regelt keine familienstandsbezogenen Entgeltbestandteile des Ortszuschlags mehr.

Es gibt einen Tarifvertrag zur Überleitung der Beschäftigten der kommunalen Arbeitgeber in den TVöD und zur Regelung des Übergangsrechts (TVÜ-VKA). Nach § 4 TVÜ-VKA werden die Beschäftigten einer in Anlage 1 zu diesem Tarifvertrag enthaltenen Entgeltgruppe des TVöD zugeordnet. Hierzu wird gemäß § 5 TVÜ-VKA ein Vergleichsentgelt ermittelt. § 5 TVÜ-VKA enthält u.a. folgende Regelungen:

§ 5 Vergleichsentgelt

"(1) Für die Zuordnung zu den Stufen der Entgelttabelle des TVöD wird für die Beschäftigten nach § 4 ein Vergleichsentgelt auf der Grundlage der im September 2005 erhaltenen Bezüge gemäß den Absätzen 2 bis 7 gebildet.

(2) Bei Beschäftigten aus dem Geltungsbereich des BAT/BAT-O/BAT-Ostdeutsche Sparkassen setzt sich das Vergleichsentgelt aus der Grundvergütung, der allgemeinen Zulage und dem Ortszuschlag der Stufe 1 oder 2 zusammen. Ist auch eine andere Person im Sinne von § 29 Abschn. B Abs. 5 BAT/BAT-O/BAT-Ostdeutsche Sparkassen ortzuschlagsberechtigt oder nach beamtenrechtlichen Grundsätzen familienzuschlagsberechtigt, wird nur die Stufe 1 zugrunde gelegt; findet der TVöD am 1. Oktober 2005 auch auf die andere Person Anwendung, geht der jeweils individuell zustehende Teil des Unterschiedsbetrages zwischen den Stufen 1 und 2 des Ortszuschlages in das Vergleichsentgelt ein. ..."

Die Ehe der Klägerin mit dem bei der Beklagten beschäftigten Beamten wurde mit Endurteil des Amtsgerichts Augsburg vom 24.8.2005 geschieden. Dieses Urteil wurde der Beklagten am 30.8.2005 übermittelt. Laut Schreiben des Amtsgerichts Augsburg - Familiengericht - vom 17.10.2005 ist das Scheidungsurteil seit 7.10.2005 rechtskräftig und wirksam.

Die Beklagte hat bei der Berechnung des Vergleichsentgelts berücksichtigt, dass der geschiedene Ehemann der Klägerin Anspruch auf den Ortszuschlag hat. Nach Darstellung der Beklagten geschah dies in der Weise, dass bei der Berechnung des Vergleichsentgelts der Klägerin nur der Ortszuschlag der Stufe 1 berücksichtigt wurde.

Die Klägerin ist der Auffassung, der volle Ortszuschlag der Stufe 2 in Höhe € 101,83 hätte berücksichtigt werden müssen. Zum Zeitpunkt der Überleitung sei der Beklagten die Ehescheidung bereits bekannt gewesen. Das Abstellen auf die Rechtskraft des Scheidungsurteils sei eine reine Förmelei und führe zu einem grob unbilligen Ergebnis.

Dagegen ist die Beklagte der Auffassung, die Bemessung des Vergleichsentgelts unter Berücksichtigung des Ortszuschlags der Stufe 1 sei nach § 5 Abs. 2 TVÜ-VKA zu Recht erfolgt. Es sei auf die Bezüge für den Monat September 2005 abzustellen und in diesem Monat sei die Klägerin noch verheiratet gewesen.

Mit Endurteil vom 21.11.2006 hat das Arbeitsgericht die Klage auf jeweils € 50,92 für November 2005 bis November 2006 abgewiesen. Der volle Unterschiedsbetrag zwischen der Stufe 1 und der Stufe 2 des Ortszuschlags stehe der Klägerin nicht zu, da sie im maßgeblichen Monat September 2005 noch verheiratet gewesen sei.

Gegen dieses den Klägervertretern am 12.12.2006 zugestellte Endurteil richtet sich die Berufung der Klägerin vom 9.1.2007, die am 12.3.2007 begründet worden ist, nachdem die Berufungsbegründungsfrist bis zu diesem Tag verlängert worden war.

Die Klägerin ist der Auffassung, das Arbeitsgericht habe die Klägerin im maßgeblichen Zeitpunkt für die Ermittlung des Vergleichsentgelts zu Unrecht als verheiratet angesehen. Der Beklagten sei nämlich ab 1.9.2005 die Scheidung bekannt gewesen. Auf die Rechtskraft des Scheidungsurteils könne nicht abgestellt werden. Auch die Anwendung der Grundsätze zur Stichtagsregelung könne nicht zu einem anderen Ergebnis führen.

Die Klägerin stellt folgende Anträge:

1. Das Urteil des Arbeitsgerichts Augsburg vom 21.11.2006, Az.: 9 Ca 2221/06 wird aufgehoben.

2. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin € 661,96 brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der EZB aus € 50,92 ab 01.11.2005 € 50,92 ab 01.12.2005 € 50,92 ab 01.01.2006 € 50,92 ab 01.02.2006 € 50,92 ab 01.03.2006 € 50,92 ab 01.04.2006 € 50,92 ab 01.05.2006 € 50,92 ab 01.06.2006 € 50,92 ab 01.07.2006 € 50,92 ab 01.08.2006 € 50,92 ab 01.09.2006 € 50,92 ab 01.10.2006 € 50,92 ab 01.11.2006 zu zahlen.

3. Es wird weiter festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin den vollen Ortszuschlag in Höhe von € 101,83, beginnend mit dem 01.12.2006 zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die Entscheidung des Arbeitsgerichts für zutreffend. Bei der Überleitung habe gemäß § 5 Abs. 2 Satz 2 TVÜ-VKA lediglich die Stufe 1 zugrunde gelegt werden können. Dagegen habe der Unterschiedsbetrag zwischen den Stufen 1 und 2 bei der Berechnung des Vergleichsentgelts nicht einbezogen werden können, da der geschiedene Ehemann der Klägerin Beamter und damit der TVöD auf ihn nicht anwendbar sei (§ 5 Abs. 2 Satz 2 2. Halbsatz TVÜ-VKA). Würde man der Auffassung der Klägerin folgen, so ergäbe sich eine Mehrbelastung für die Beklagte. Der Ehemann der Klägerin erhalte nämlich ab 1.10.2005 den Ortszuschlag der Stufe 2 voll.

Nach dem BAT habe aber der Ortszuschlag der Stufe 2 jedem Ehepaar nur einmal zufallen sollen.

Wegen weiterer Einzelheiten des Sachvortrags der Parteien im Berufungsverfahren wird auf die Berufungsbegründung vom 12.3.2007, die Berufungserwiderung vom 8.5.2007 sowie die Sitzungsniederschrift vom 18.7.2007 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

I.

Die Berufung ist unbegründet, da das Arbeitsgericht die Klage zu Recht abgewiesen hat und der Klägerin auch für die Zeit ab 1.12.2006 keine höhere Vergütung zusteht. Die Klägerin kann nämlich keine Vergütung beanspruchen, bei deren Berechnung ein über die Stufe 1 hinausgehender Ortszuschlag zu berücksichtigen wäre. Die Ausführungen der Beklagten hierzu in der Berufungserwiderung sind in jeder Hinsicht zutreffend. Die folgenden Ausführungen wiederholen deshalb teilweise die Darstellung der Beklagten.

Aus § 5 Abs. 2 Satz 2 TVÜ-VKA ergibt sich, dass bei der Berechnung des Vergleichsentgelts der Klägerin nur der Ortszuschlag der Stufe 1 zu berücksichtigten ist. Die Beklagte hat bei der Berechnung des Vergleichsentgelts der Klägerin zu Recht weder den Unterschiedsbetrag zwischen den Stufen 1 und 2 des Ortszuschlages noch den Ortszuschlag der Stufe 2 berücksichtigt. Es gibt nämlich keine Rechtsgrundlage dafür, einen über die Stufe 1 hinausgehenden Ortszuschlag zugrunde zu legen. Insbesondere ist § 5 Abs. 2 Satz 2 2. Halbsatz TVÜ-VKA auf die Klägerin nicht anwendbar. Nach § 5 Abs. 1 TVÜ-VKA wird das Vergleichsentgelt nämlich auf der Grundlage der im September 2005 erhaltenen Bezüge gemäß den Absätzen 2 bis 7 gebildet. Im maßgeblichen Monat September 2005 war der frühere Ehemann der Klägerin nach beamtenrechtlichen Grundsätzen familienzuschlagsberechtigt i.S.v. § 5 Abs. 2 Satz 2 2. Halbsatz TVÜ-VKA. Als Beamter wurde er nicht in den TVöD übergeleitet, weshalb der Unterschiedsbetrag zwischen den Stufen 1 und 2 des Ortszuschlages bei der Klägerin nicht berücksichtigt werden konnte.

Der Anwendung der Übergangsvorschrift des § 5 Abs. 2 Satz 2 TVÜ-VKA steht nicht entgegen, dass das Scheidungsurteil der Beklagten im September 2005 bereits bekannt war. Nach § 1564 Satz 2 BGB ist eine Ehe nämlich erst mit der Rechtskraft des Scheidungsurteils aufgelöst. Die Rechtskraft trat unstreitig am 7.10.2005 ein. Dies bedeutet, dass die Klägerin im maßgeblichen Monat September 2005 zu Recht als verheiratet angesehen werden musste. Es gibt keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass die Tarifvertragsparteien des TVöD bei der Festlegung von Familienständen eine vom BGB abweichende Regelung treffen wollten. Damit lag im maßgeblichen Monat September 2005 eine Konkurrenzsituation vor, die in § 5 Abs. 2 Satz 2 TVÜ-VKA geregelt ist.

Zu Recht weist die Beklagte darauf hin, dass diese Übergangsregelung sinnvoll ist und eine höhere Belastung des Arbeitgebers als bei Fortgeltung des BAT verhindert. Der frühere Ehemann der Klägerin war aus den oben genannten Gründen am 1.10.2007 noch verheiratet und konnte damit als Beamter den vollen Ortszuschlag der Stufe 2 beanspruchen. Vor diesem Hintergrund würde die Berücksichtigung eines über die Stufe 1 hinausgehenden Ortszuschlags bei der Klägerin dem Grundsatz des BAT zuwiderlaufen, dass einem Ehepaar der Ortszuschlag der Stufe 2 nur einmal zufallen soll.

Bedenken gegen die Wirksamkeit der Regelungen in § 5 TVÜ-VKA ergeben sich schließlich nicht daraus, dass darin auf die im September 2005 erhaltenen Bezüge abgestellt wird. Die tarifvertragliche Regelung verstößt nicht gegen höherrangiges Recht, insbesondere nicht gegen den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG. Selbst der Gesetzgeber ist nicht daran gehindert, zur Regelung bestimmter Lebenssachverhalte Stichtage einzuführen, obwohl das Härten mit sich bringen kann. Allerdings muss er den ihm zukommenden Gestaltungsraum in sachgerechter Weise nutzen, die für die zeitliche Anknüpfung in Betracht kommenden Faktoren hinreichend würdigen und eine Lösung finden, die sachlich gerechtfertigt und nicht willkürlich ist. Stichtagsregelungen in Tarifverträgen unterliegen jedenfalls keinen weitergehenden Einschränkungen. Sie sind gerechtfertigt, wenn sich die Stichtagsregelung am gegebenen Sachverhalt orientiert und demnach vertretbar ist (BAG vom 25.6.2003 - 4 AZR 405/02 - NZA 04, 215).

Das Abstellen auf den Monat September 2005 ist in jeder Hinsicht vernünftig und nahe liegend. Es handelt sich um den Monat vor Inkrafttreten des TVöD. Das Abstellen auf diesen Monat stellt die von den Tarifvertragsparteien gewünschte Kostenneutralität der Überleitung sicher. Die hier bedeutsame Regelung des § 5 Abs. 2 Satz 2 TVÜ-VKA verhindert eine Mehrung des Familieneinkommens. Für den seltenen Ausnahmefall eines vor dem 01.10.2005 verkündeten, aber erst danach rechtskräftig gewordenen Scheidungsurteils mussten die Tarifvertragsparteien keine Sonderregelung treffen, denn jede nach dem 01.10.2005 wirksam werdende Scheidung wird gleich behandelt.

II.

Nach § 97 Abs. 1 ZPO trägt die Klägerin die Kosten ihrer erfolglosen Berufung.

III.

Dieses Urteil ist unanfechtbar, denn die Beklagte ist nicht beschwert und es besteht kein Grund, für die Klägerin die Revision zuzulassen (§ 72 Abs. 2 ArbGG). Auf § 72 a ArbGG (Nichtzulassungsbeschwerde) wird hingewiesen.

Ende der Entscheidung

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