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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht München
Urteil verkündet am 03.04.2003
Aktenzeichen: 2 Sa 579/02
Rechtsgebiete: ZPO, BGB, ArbGG


Vorschriften:

ZPO § 17
ZPO § 21
ZPO § 29
ZPO § 29 Abs. 1
ZPO § 538 Abs. 2 Nr. 3
BGB § 269
ArbGG § 64 Abs. 6
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
LANDESARBEITSGERICHT MÜNCHEN IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

2 Sa 579/02

Verkündet am: 3. April 2003

In dem Rechtsstreit

hat die zweite Kammer des Landesarbeitsgerichts München auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 23. Januar 2003 durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Waitz sowie die ehrenamtlichen Richter Thomas Wöhler und Rudolf Kleiber für Recht erkannt:

Tenor:

1. Das Endurteil des Arbeitsgerichts München vom 6.2.2002 - 16 Ca 18542/99 - wird auf die Berufung des Klägers aufgehoben.

Die Sache wird zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Berufungsverfahrens, an das Arbeitsgericht zurückverwiesen.

2. Die Revision für die Beklagte wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten über die Höhe der Betriebsrente des Klägers.

Der Kläger war bis Oktober 1992 bei der Beklagten angestellt. Die Beklagte ist eine Gesellschaft nach amerikanischem Recht mit Sitz in W. Bis Mitte 1995 betrieb sie einen Rundfunksender in M, der anschließend nach P verlegt wurde. Der Kläger ist US-Staatsbürger. Nur solche sind berechtigt, Leistungen aus dem US-Pensionsplan in Anspruch zu nehmen. Mitarbeiter der Beklagten, die keine US-Staatsbürger sind, können eine Betriebsrente nur auf der Basis eines tarifvertraglich geregelten sogen. DM-Pensionsplanes erhalten.

Die Pensionszahlungen an den Kläger erfolgen durch die Versicherungsgesellschaft die ihren Sitz in den USA hat. Die Pensionszahlungen nach dem US-Pensionsplan werden in den USA versteuert.

Der Kläger ist der Auffassung, die Beklagte berechne seine Betriebsrente falsch und hat deshalb in erster Instanz die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung von 41.249,60 US-Dollar brutto beantragt. Wegen des Sach- und Streitstandes in erster Instanz wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils verwiesen.

Mit Endurteil vom 6.2.2002 hat das Arbeitsgericht die Klage als unzulässig abgewiesen. Die internationale Zuständigkeit des Arbeitsgerichts München sei nicht gegeben. Die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte ergebe sich aus den Regeln der ZPO über die örtliche Zuständigkeit. Gemäss § 29 Abs. 1 ZPO sei für Streitigkeiten aus einem Vertragsverhältnis das Gericht des Ortes zuständig, an dem die streitige Verpflichtung zu erfüllen sei. Aus den Umständen, insbesondere aus der Natur der Umstände ergebe sich, dass hier der Sitz des mit den Zahlungen betrauten Versicherungsunternehmen der Leistungsort sei. Die amerikanischen Mitarbeiter der Beklagten hätten gewusst, dass die Zahlungen der Betriebsrente durch eine amerikanische Versicherung erfolgen und entsprechend in den USA zu versteuern seien.

Gegen dieses dem Klägervertreter am 17.6.2002 zugestellte Endurteil wendet sich die am 8.7.2002 eingegangene Berufung des Klägers, die dieser am 9.9.2002 begründet hat, nachdem die Berufungsbegründungsfrist bis zum 17.9.2002 verlängert worden war.

Der Kläger ist der Auffassung, die internationale Zuständigkeit des Arbeitsgerichts München sei gegeben. Die Beklagte sei Schuldnerin der Betriebsrente und die amerikanische Versicherungsgesellschaft nur Bote. Zur Zeit seiner Pensionierung habe die Beklagte eine gewerbliche Niederlassung in M gehabt, wo er auch gearbeitet habe. Für den Erfüllungsort sei es ohne Bedeutung, von welcher Stelle die Betriebsrente ausgezahlt werde. Auch der Ort der Versteuerung habe mit dem Erfüllungsort nichts zu tun.

Der Kläger stellt folgenden Antrag:

Unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts München vom 6.2.2002, Az: 16 Ca 18542/99, wird die Beklagte verurteilt, an den Kläger US-Dollar 41.249,60 brutto zu bezahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung des Klägers kostenpflichtig zurückzuweisen.

Sie hält die Entscheidung des Arbeitsgerichts für zutreffend. Der Gerichtsstand ergebe sich weder aus § 17 noch aus § 21 ZPO, denn bei Klageerhebung habe die Beklagte in M keine Niederlassung mehr unterhalten. Auch aus § 29 ZPO i. V. mit § 269 BGB folge keine internationale Zuständigkeit des Arbeitsgerichts München. Zum Zeitpunkt der Rechtshängigkeit des mit der Klage verfolgten Anspruchs sei der Kläger nämlich nicht mehr bei der Beklagten beschäftigt gewesen. Der Kläger mache einen vermeintlichen Anspruch aus dem US-Pensionsplans geltend, den nur US-Bürger haben könnten. Diesem Versorgungsplan habe die Vorstellung zugrunde gelegen, dass der betreffende Arbeitnehmer nach seiner Pensionierung in die USA zurückkehren werde. Daher würden die Betriebsrenten in Dollar ausbezahlt und die Wechselkursschwankungen gingen zu Lasten des Betriebsrentners. Die Klage sei deshalb beim allgemeinen Gerichtsstand der Beklagten in W zu erheben.

Wegen weiterer Einzelheiten des Parteienvorbringens im Berufungsverfahren wird auf die Berufungsbegründung vom 7.9.2002, die Berufungserwiderung vom 30.9.2002 sowie die Sitzungsniederschrift vom 23.1.2003 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

I.

Die Berufung des Klägers führt zur Aufhebung des Endurteils des Arbeitsgerichts, weil dieses zu Unrecht angenommen hat, die Klage sei unzulässig.

Die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte ergibt sich aus den Regeln der ZPO über die örtliche Zuständigkeit, so dass grundsätzlich ein örtlich zuständiges deutsches Gericht auch international zuständig ist. Hiervon gehen beide Parteien in Übereinstimmung mit der ganz herrschenden Meinung in Rechtsprechung und Literatur aus.

Für die vom Kläger geltend gemachten Ansprüche besteht beim Arbeitsgericht München der Gerichtsstand des Erfüllungsortes nach § 29 Abs. 1 ZPO. Danach ist für Streitigkeiten aus einem Vertragsverhältnis das Gericht des Ortes zuständig, an dem die streitige Verpflichtung zu erfüllen ist. Wo der Erfüllungsort liegt, bestimmt sich grundsätzlich nach § 269 BGB. Die Leistung hat grundsätzlich an dem Orte zu erfolgen, an dem der Schuldner zur Zeit der Entstehung des Schuldverhältnisses seine Wohnung bzw. gewerbliche Niederlassung hatte. Etwas anderes kann sich allerdings aus den Umständen, insbesondere der Natur des Schuldverhältnisses oder aus einer Bestimmung des Leistungsortes ergeben.

Eine Vereinbarung der Parteien über den Leistungsort der Betriebsrente gibt es nicht. Die Beklagte behauptet eine solche Vereinbarung auch nicht.

Aus den Umständen, insbesondere der Natur des Schuldverhältnisses ergibt sich kein vom Arbeitsort des Klägers abweichender Erfüllungsort. Das Arbeitsgericht begründet seine andere Ansicht mit der Zahlung der Betriebsrente durch eine amerikanische Versicherungsgesellschaft und der Versteuerung in den USA. Das Berufungsgericht schliesst sich dieser Argumentation nicht an, denn die Zahlung der Betriebsrente durch eine amerikanische Gesellschaft in den USA ändert nichts daran, dass die Beklagte Schuldnerin der Betriebsrente ist. Für den Erfüllungsort ist es unerheblich, auf welche Weise die Beklagte ihre arbeitsvertragliche Verpflichtung erfüllt. Bei der Einschaltung einer von der Beklagten unabhängigen Versicherungsgesellschaft handelt es sich um eine innere Organisationsfrage der Beklagten, auf die der Kläger keinen Einfluss nehmen kann. Auch der Ort der Versteuerung ist kein Umstand, aus dem ein vom Arbeitsort abweichender Erfüllungsort abgeleitet werden könnte.

Der Erfüllungsort für die Zahlung der Betriebsrente liegt in M, weil die Beklagte als Schuldnerin der Betriebsrentenzahlungen dort zur Zeit der Entstehung ihrer Leistungsverpflichtung die gewerbliche Niederlassung hatte, in der der Kläger tätig war. Im Arbeitsverhältnis ist Erfüllungsort regelmäßig der Sitz des Betriebes, in dem der Arbeitnehmer beschäftigt wird. Dort sind grundsätzlich alle Verpflichtungen der Parteien aus dem Arbeitsverhältnis zu erfüllen (Germelmann/Matthes/Prütting/Müller-Glöge, ArbGG, 4. Aufl. RN 163, 164 zu § 2 m.w.N.).

Der Erfüllungsort und der daraus folgende Gerichtsstand wurden nicht dadurch geändert, dass die Beklagte 1995 ihre Tätigkeit in M einstellte. Schon aus dem Wortlaut des § 269 BGB ergibt sich, dass der Ort der gewerblichen Niederlassung zur Zeit der Entstehung des Schuldverhältnisses massgeblich ist. Ein späterer Wechsel der gewerblichen Niederlassung - hier die Einstellung der Tätigkeit der Beklagten in M - ist für den Erfüllungsort und den Gerichtsstand ohne Bedeutung (BGH vom 30.3.1988 - I ARZ 192/88 - NJW 88, 1914; BayObLG vom 31.1.96 - 1 Z AR 62/95 - NJW-RR 96, 956; Stein-Jonas-Schumann, ZPO, 21. Aufl., Rn 37a zu § 29; Münchner Kommentar zur ZPO-Patzina, 2. Aufl., Rn 76 zu § 12 betreffend die internationale Zuständigkeit; anderer Ansicht Hess. LAG vom 13.3.2001 - 7 Sa 2016/00). Auch bei wiederkehrenden Leistungspflichten im Rahmen von Dauerschuldverhältnissen bleibt es bei der Anknüpfung an den bei Begründung des Schuldverhältnisses massgeblichen Ort. Dagegen kommt es nicht auf den Zeitpunkt der Fälligkeit der Leistungsverpflichtung an (LAG München vom 27.4.2000 - 4 Sa 674/99; OLG Stuttgart vom 13.2.1987 - 2 U 53/86 - NJW-RR 87, 1076). Der Wortlaut des § 269 Abs. 1 BGB stellt auf die Begründung des Schuldverhältnisses ab. Das Schuldverhältnis, aus der sich die Verpflichtung der Beklagten zur Zahlung einer Betriebsrente ergibt, wurde jedenfalls zu einem Zeitpunkt begründet, als der Kläger noch in N arbeitete. Unerheblich ist, dass das Schuldverhältnis lange vor der Fälligkeit der einzelnen Rentenzahlungsverpflichtungen begründet wurde. Durch das Anknüpfen an den Zeitpunkt der Begründung des Schuldverhältnisses wird Klarheit geschaffen und sichergestellt, dass der Erfüllungsort und damit der Gerichtsstand nicht von künftigen Entwicklungen abhängt, auf die der Gläubiger der Leistung keinen Einfluss nehmen kann.

II.

Die Sache wird gemäss §§ 64 Abs. 6 ArbGG, 538 Abs. 2 Nr. 3 ZPO zurückverwiesen, denn durch das angefochtene Urteil wurde nur über die Zulässigkeit der Klage entschieden und die Beklagte hat die Zurückverweisung beantragt.

III.

Dieses Urteil ist für den Kläger unanfechtbar, denn er ist nicht beschwert.

Ende der Entscheidung

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