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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht München
Urteil verkündet am 01.03.2007
Aktenzeichen: 2 Sa 589/06
Rechtsgebiete: KSchG


Vorschriften:

KSchG § 23
Letztlich trägt der Arbeitnehmer die Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen der betrieblichen Voraussetzungen für die Geltung des KSchG. Die zum 1.1.2004 in Kraft getretenen Gesetzesänderungen haben die abgestufte Darlegungs- und Beweislast nicht geändert.
LANDESARBEITSGERICHT MÜNCHEN IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

2 Sa 589/06

Verkündet am: 1. März 2007

In dem Rechtsstreit

hat die zweite Kammer des Landesarbeitsgerichts München auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 1. Februar 2007 durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Waitz sowie die ehrenamtlichen Richter Högele und Lerchl für Recht erkannt:

Tenor:

1. Die Berufung der Klägerin gegen das Endurteil des Arbeitsgerichts München vom 13.03.2006 - 36 Ca 1045/05 - wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.

2. Die Revision für die Klägerin wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten im Berufungsverfahren noch über die Rechtswirksamkeit einer ordentlichen Arbeitgeberkündigung.

Die am 26.02.1953 geborene, verheiratete Klägerin war seit 01.02.2004 als Außendienstmitarbeiterin bei der Beklagten beschäftigt. Sie ist schwerbehindert. Die Beklagte stellt Stammzellen aus Nabelschnurblut her.

Am 14.01.2005 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis ohne vorherige Zustimmung des Integrationsamts. Nachdem das Integrationsamt am 22.04.2005 die Zustimmung erteilt hatte, kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis am 26.04.2005 erneut und zwar zum 31.05.2005. Über einen Widerspruch der Klägerin gegen den Zustimmungsbescheid ist noch nicht entschieden.

Die Klägerin hat erstinstanzlich die Rechtsunwirksamkeit beider Kündigungen sowie verschiedene Zahlungsansprüche geltend gemacht. Die Kündigung vom 26.04.2005 sei sozialwidrig. Das Kündigungsschutzgesetz sei auf das Arbeitsverhältnis anwendbar. Zur Zeit der Kündigungen seien nicht nur sieben Arbeitnehmer bei der Beklagten beschäftigt gewesen, wie die Beklagte behauptet, sondern insgesamt 14 Arbeitnehmer. Neben den von der Beklagten genannten Personen seien dies der Laborleiter K., der Herstellungsleiter Dr. K., der Dienstvorgesetzte der Klägerin M., die Geschäftsführerin K., der ärztliche Direktor Prof. A. sowie die Kontrollleiter St. und F. Die Kündigung sei sozial ungerechtfertigt. Die Klägerin hat einen Entschluss der Beklagten, eine Abteilung Außendienst zu schließen, bestritten. Eine solche Abteilung habe es bei der Beklagten gar nicht gegeben.

Dagegen hat die Beklagte erstinstanzlich geltend gemacht, das Kündigungsschutzgesetz sei auf das Arbeitsverhältnis nicht anzuwenden. Zur Zeit der Kündigung habe sie in der Regel sieben Arbeitnehmer gehabt. Davon sei Frau von R. nur mit einer regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von 20 Stunden im Labor tätig gewesen. Herr K. sei bei einem anderen Arbeitgeber fest angestellt gewesen. Für die Beklagte sei er als freier Mitarbeiter für die Sicherstellung des technischen Equipments im Bereich der Kryokonservierung tätig gewesen. Auch Herr Dr. K. sei freier Mitarbeiter. Er überprüfe nach den gesetzlichen Vorgaben des Arzneimittelgesetzes die Einhaltung der Herstellungsvorschriften. Herr St. sei als freier Mitarbeiter Kontrolleiter im Sinne des Arzneimittelgesetzes und für die Überprüfung der Herstellung der Stammzellen zuständig. Er erteile die Freigabe zur Aufbewahrung der Stammzellen. Die Beklagte hat erstinstanzlich die freien Mitarbeiterverträge dieser drei Personen vorgelegt. In diesen Verträgen ist u. a. geregelt, dass der freie Mitarbeiter verpflichtet ist, ausreichende Zeit pro Monat für das Unternehmen tätig zu sein, um die erforderlichen Tätigkeiten auszuführen. Der freie Mitarbeiter teile seine Arbeitszeit nach freiem pflichtgemäßem Ermessen ein. An eine regelmäßige Arbeitszeit sei er nicht gebunden. Herr M. sei Mitglied des Beirats der Beklagten. Er übe organschaftliche Befugnisse des Beirats aus, ein Arbeitsverhältnis bestehe jedoch nicht. Frau K. sei als Geschäftsführerin nicht Arbeitnehmerin. Auch zwischen Herrn Prof. Dr. A. und der Beklagten bestünden keine arbeitsvertraglichen Vereinbarungen. Er repräsentiere die Beklagte lediglich als ärztlicher Leiter, übe aber keine betriebliche Funktion aus. Herr F. sei kein Mitarbeiter der Beklagten, sondern erbringe als externer Dritter Leistungen, die er in Rechnung stelle.

Hierauf hat die Klägerin erstinstanzlich bestritten, dass Frau von R. lediglich eine Arbeitzeit von 20 Wochenstunden habe. Sie sei vollschichtig tätig. Herr K. befinde sich kalendertäglich zur Erbringung seiner Tätigkeit im Geschäftsbetrieb der Beklagten. Seine Tätigkeit lasse sich nicht aus der Ferne bewerkstelligen. Er sei abhängig im Hinblick auf die Zeit und den Ort der Arbeitsleistung sowie die Art und Weise der Gestaltung der Tätigkeit. Er sei in den Betriebsablauf der Beklagten eingegliedert und dem Weisungsrecht der Beklagten unterworfen. Starkes Indiz für seine Eingliederung sei die zeitlich stark befristete Notwendigkeit, Nabelschnurblut einzufrieren, die Eingliederung in die bestehenden Dienstpläne sowie die Pflicht zur ständigen Dienstbereitschaft. Ähnliche Erwägungen würden für Herrn Dr. K. gelten. Auch dieser sei weisungsabhängig und bekomme von der Beklagten vorgeschrieben, zu welcher Zeit er vor Ort sein müsse und zu welchem Zeitpunkt er Urlaub nehmen könne. Herr St. sei in gleicher Weise weisungsgebunden. Die Beklagte sei sein einziger Auftraggeber und er sei bedingt durch die ihm übertragene Tätigkeit ständig in den Geschäftsräumen der Beklagten präsent. Herr Prof. Dr. A. sei im Firmenbriefbogen als ärztlicher Leiter aufgeführt. Es werde bestritten, dass er keine betriebliche Funktion habe. Auch die Behauptungen der Beklagten bzgl. Herrn F. seien unrichtig und würden bestritten. Diese Behauptungen seien so unsubstantiiert, dass sie nicht einlassungsfähig seien. Insbesondere werde nicht mitgeteilt, welche Leistungen er überhaupt für die Beklagte erbringe.

Mit Endurteil vom 13.03.2006 hat das Arbeitsgericht festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die ordentliche Kündigung vom 14.01.2005 nicht aufgelöst worden sei. Außerdem hat es die Beklagte zur Zahlung von insgesamt € 46.800,-- brutto sowie € 991,37 netto jeweils nebst Zinsen verurteilt. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen, insbesondere den Antrag auf Feststellung, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien nicht durch die Kündigung vom 26.04.2005 beendet worden sei. Die Kündigung vom 26.04.2005 sei nicht sozialwidrig, denn die darlegungsbelastete Klägerin habe zu den Voraussetzungen des § 23 KSchG nicht hinreichend vorgetragen. Die Geschäftsführerin K. sei als organschaftliche Vertreterin der Beklagten nicht Arbeitnehmerin. Das Bestreiten der Existenz eines Beirats und der Hinweis auf die von Herrn M. ausgeübte Tätigkeit ermögliche nicht die Feststellung, dass dieser in persönlicher Abhängigkeit tätig sei. Die weitere Behauptung der Klägerin, Herr M. sei der faktische Geschäftsführer der Beklagten, weiße vielmehr auf das Gegenteil hin. Der Sachvortrag der Klägerin, Herr Prof. Dr. A. sei für die Einhaltung ärztlicher Standards zuständig, lasse nicht auf eine persönliche Abhängigkeit schließen. Es sei unbehelflich, wenn die Klägerin das Fehlen einer betrieblichen Funktion bestreite. Aufgrund ihrer Darlegungslast obliege ihr ein Tatsachvortrag zu einer weisungsabhängigen Tätigkeit. Auch bzgl. Herrn St. fehle es an einem solchen Tatsachenvortrag. Hinsichtlich Herrn F. rüge die Klägerin lediglich die mangelnde Substanz des Beklagtenvortrags. Dabei übersehe sie, dass ihr und nicht der Beklagten die Darlegung von Tatsachen obliege.

Gegen dieses dem Klägervertreter am 12.04.2006 zugestellte Endurteil hat nur die Klägerin am 10.05.2006 Berufung eingelegt. Das vollständige Original der Berufungsbegründung ist erst am 14.07.2006 beim Landesarbeitsgericht eingegangen, nachdem die Berufungsbegründungsfrist bis zum 12.07.2006 verlängert worden war. Am 12.07.2006 ist eine Faxsendung beim Landesarbeitsgericht eingegangen, wobei in der Gerichtsakte die letzte Seite mit einer Unterschrift fehlt. Mit gerichtlichem Schreiben vom 08.08.2006 ist der Klägervertreter hierauf hingewiesen worden. Mit einem am 22.08.2006 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz hat die Klägerin Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt. Zur Begründung dieses Antrags trägt sie vor, die achtseitige Berufungsbegründung sei am 12.07.2006 in der Kanzlei ihres Prozessbevollmächtigten geschrieben und von diesem unterschrieben worden. Vor der Unterschrift habe der Klägervertreter Korrekturen vorgenommen. Er habe dann den Schriftsatz in das Faxgerät eingelegt und nach Eingabe der Faxnummer des Landesarbeitsgerichts die Starttaste gedrückt. Er habe neben dem Faxgerät gesessen und die Einlage des Schriftgutes sowie das Einlesen und die Übertragung kontrolliert. Das Faxgerät würde Seite für Seite sukzessiv automatisch einziehen. Er benutze das Gerät seit dem Jahr 2001. Es werde laufend gewartet und bisher sei es zu keinerlei Störungen gekommen. Nach Übersendung des Faxes habe das Gerät einen Sendebericht ausgedruckt. Dieser weise die erfolgreiche Sendung mit dem Status "ok" sowie die Versendung von 40 Blatt aus. Es seien fünf mal acht Blatt übersandt worden. Der Klägervertreter hat diesen Vortrag anwaltlich und an Eides statt versichert.

In der Sache rügt die Klägerin, das Arbeitsgericht habe mit der von ihm vorgenommenen Bewertung des Sachvortrags der Klägerin gegen § 139 Abs. 1 Satz 2 ZPO verstoßen und das der Klägerin zustehende Recht auf Gewährung rechtlichen Gehörs verletzt. Nach dem Hinweis des Vorsitzenden zur mangelnden Substantiierung ihres Vortrags bzgl. der Anwendbarkeit des Kündigungsschutzgesetzes habe ihr Prozessbevollmächtigter eine Schriftsatzfrist beantragt. Eine solche Schriftsatzfrist habe das Arbeitsgericht jedoch nicht gewährt, sondern das angefochtene Urteil verkündet. Außerdem habe das Arbeitsgericht die Substantiierungspflicht der Klägerin überspannt und die Darlegungslast zu den Voraussetzungen des § 23 KSchG verkannt. Die Beklagte trage die Darlegungs- und Beweislast bzgl. der tatbestandlichen Voraussetzungen des § 23 Abs. 1 Satz 3 KSchG. Sie im Außendienst tätig gewesen und habe deshalb Schwierigkeiten, weiteren Tatsachenvortrag zu generieren. Deshalb habe das Bundesarbeitsgericht dem beweisrechtlichen Sphärengedanken dadurch Rechnung getragen, dass keine strengen Anforderungen an die Darlegungslast des Arbeitnehmers gestellt werden dürften. Die Klägerin habe ihre Möglichkeiten zum substantiierten Vortrag ausgeschöpft. Aufgrund der Unwirksamkeit der Kündigung stünden ihr auch über den 31.05.2005 hinaus Zahlungsansprüche aus Annahmeverzug zu.

Die Klägerin stellt neben dem Wiedereinsetzungsantrag folgenden Antrag:

Unter Abänderung des am 13.3.2006 verkündeten Urteils des Arbeitsgerichts München zum Aktenzeichen 36 Ca 1045/05,

I. Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die ordentliche Kündigung vom 26.04.2005, zugegangen am 27.04.2005, nicht beendet worden ist, sondern über den 31.05.2005 hinaus zu unveränderten Bedingungen fortbesteht.

II. Die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin

1. 5.200,00 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 % Punkten über den Basiszins seit dem 01.07.2005,

2. 5.200,00 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 % Punkten über den Basiszins seit dem 01.08.2005,

3. 5.200,00 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 % Punkten über den Basiszins seit dem 01.09.2005,

4. 5.200,00 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 % Punkten über den Basiszins seit dem 01.10.2005,

5. 5.200,00 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 % Punkten über den Basiszins seit dem 01.11.2005,

6. 5.200,00 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 % Punkten über den Basiszins seit dem 01.12.2005,

abzüglich 3.744,00 € netto (Krankengeld vom 01.06.2005 bis 27.06.2005), 140,79 € netto (Arbeitslosengeld vom 28.06.2005 bis 30.06.2005), 658,00 € netto (weitere Leistungen der Bundesanstalt für Arbeit) sowie 18.000,00 € brutto (Arbeitseinkommen vom 01.07.2006 bis 30.11.2005) zu bezahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Wiedereinsetzung in den vorigen Stand sei nicht zu gewähren, da die Ausführungen des Klägervertreters nicht geeignet seien, ein Verschulden bei der Nichteinhaltung der Berufungsbegründungsfrist auszuschließen. Ein Gedächtnisprotokoll des Klägervertreters sei nicht ausreichend. Es sei nicht auszuschließen, dass es zu einem Mehrfacheinzug gekommen sei und sich der Klägervertreter nicht mehr erinnern könne. Dem vorgelegten Sendebericht könne nicht entnommen werden, wie viele Seiten dem vorliegenden Verfahren und wie viele Seiten dem Parallelverfahren R. zuzuordnen seien.

In der Sache hält sie die Entscheidung des Arbeitsgerichts für zutreffend. Die Anwendbarkeit des Kündigungsschutzgesetzes sei schon in erster Instanz die zentrale Rechtsfrage gewesen. Vor diesem Hintergrund sei der Hinweis des Gerichts im Kammertermin auf die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts keinesfalls überraschend gewesen. Die Klägerin habe ausreichend Gelegenheit gehabt, zum Sachvortrag der Beklagten im Schriftsatz vom 07.10.2005 Stellung zu nehmen. Nicht die Beklagte, sondern die Klägerin trage die Darlegungs- und Beweislast für die Anwendbarkeit des Kündigungsschutzgesetzes. § 23 Abs. 1 KSchG regle nämlich rechtsbegründende Tatsachen. Die bloße Nennung von Personen und Funktionen reiche nicht aus, deren Arbeitnehmereigenschaft zu begründen.

Wegen weiterer Einzelheiten des Sachvortrags der Parteien im Berufungsverfahren wird auf die Schriftsätze der Klägerin vom 12.07.2006, 22.08.2006, 20.09.2006 und 29.09.2006 sowie der Beklagten vom 12.09.2006 und 26.09.2006 Bezug genommen, außerdem auf die Sitzungsniederschrift vom 01.02.2007.

Entscheidungsgründe:

I.

Die Berufung ist zulässig. Sie ist statthaft und wurde form- und fristgerecht eingelegt (§§ 64 Abs. 2, 66 Abs. 1 Satz 1 und 2, 64 Abs. 6 ArbGG, 519 ZPO). Innerhalb der gemäß § 66 Abs. 1 Satz 5 ArbGG verlängerten Berufungsbegründungsfrist ist zwar keine vollständige Berufungsbegründung eingegangen. Der Klägerin ist aber Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, da sie hinreichend glaubhaft gemacht hat, dass sie bzw. ihr Prozessbevollmächtigter diese Fristversäumung nicht zu vertreten haben (§§ 233 ff ZPO).

Der Wiedereinsetzungsantrag wurde form- und fristgerecht gestellt (§§ 236, 234 ZPO). Die Wiedereinsetzungsfrist begann mit dem gerichtlichen Hinweis auf die versäumte Frist.

Wenn das Gericht - wie hier - eine Übermittlung per Telefax ermöglicht, so hat der Nutzer bei Verwendung eines funktionsfähigen Sendegerätes und konkreter Eingabe der Empfängernummer das zur Fristwahrung erforderlich getan. Er muss allerdings den Versendevorgang kontrollieren, also den ordnungsgemäßen Einzug jeder Seite in das Sendegerät und die Bestätigung der ordnungsgemäßen Versendung durch ein Sendeprotokoll (Zöller-Greger, ZPO, § 233 Rn. 23 Stichwort Telefax m. w. N.).

Nach dem Sachvortrag der Klägerin hat ihr Prozessbevollmächtigter ein funktionsfähiges Faxgerät ordnungsgemäß genutzt und den Sendevorgang persönlich und ausreichend kontrolliert. Nach diesem Sachvortrag hat der Klägervertreter die achtseitige Berufungsbegründung vollständig eingelegt, den Einzug und die Versendung kontrolliert sowie einen Sendebericht erstellen lassen, der die Versendung von 40 (5 x 8) Seiten bestätigte. Danach hat der Klägervertreter auch kontrolliert, dass nicht mehrere Seiten zusammen eingezogen wurden. Diesen Sachvortrag hat die Klägerin durch anwaltliche und eidesstattliche Versicherung des Klägervertreters hinreichend glaubhaft gemacht. Es ist nicht ersichtlich, warum ein Gedächtnisprotokoll nicht ausreichen sollte. Schließlich hat der Klägervertreter eine Kopie des Sendeprotokolls vorgelegt, aus dem sich ergibt, dass die Versendung von 40 Seiten des Schriftsatzes vom 12.07.2006 in dem vorliegenden Rechtsstreit bestätigt wurden. Im Schriftsatz vom 19.09.2006 hat die Klägerin plausibel erklären lassen, warum das Sendeprotokoll die Berufungsbegründung im vorliegenden Rechtsstreit und nicht im Parallelverfahren betrifft.

Einer Wiedereinsetzung steht nicht entgegen, dass die Klägerin das Fehlen der Seite mit der Unterschrift als rätselhaft und nicht nachvollziehbar bezeichnet. Jedenfalls hat sie glaubhaft gemacht, dass das Fehlen nicht auf einem ihr zurechenbaren Verschulden ihres Prozessbevollmächtigten beruht.

II.

Die Berufung ist unbegründet, denn das Arbeitsgericht hat zu Recht angenommen, dass die Kündigung nicht sozialwidrig ist, weil die darlegungsbelastete Klägerin nicht hinreichend zur Anwendbarkeit des Kündigungsschutzgesetzes und zur Beschäftigung von in der Regel mehr als zehn Arbeitnehmern (§ 23 Abs. 1 Satz 3 und 4 KSchG i. d. seit 01.01.2004 geltenden Fassung) vorgetragen hat.

1. Es bestehen unterschiedliche Auffassungen darüber, ob der Arbeitnehmer oder der Arbeitgeber die Darlegungs- und die Beweislast für das Vorliegen der betrieblichen Voraussetzungen für die Geltung des Kündigungsschutzgesetzes trägt (§ 23 Abs. 1 KSchG).

Teile der Literatur und einige Instanzgerichte nehmen ein, die Darlegungs- und Beweislast für den Tatbestand, dass die Regelungen für Kleinbetriebe gemäß § 23 Abs. 1 Satz 2 und 3 KSchG greifen, trage der Arbeitgeber (z.B. LAG Berlin vom 28.10.1994 - 6 Sa 95/94 - LAGE § 23 KSchG Nr. 11; LAG Hamm vom 06.02.2003 - 8 Sa 1614/02 - LAGE § 23 KSchG Nr. 22; Reinecke NZA 1989, 577, 583 f; ErfK-Kiel Rn. 20 zu § 23; Müller, DB 2005, 2022). Diese Auffassung wird vor allem damit begründet, die Beweislastverteilung folge dem sprachlichen Aufbau des § 23 Abs. 1 KSchG. Satz 1 enthalte die Grundregel, Satz 2 die Ausnahme. Im Übrigen entspreche diese Beweislastverteilung dem beweisrechtlichen Sphärendenken, denn in der Regel verfüge der Arbeitnehmer nicht über Detailkenntnisse der betrieblichen Strukturen.

Dagegen hat das Bundesarbeitsgericht zu der bis 31.12.2003 geltenden Fassung des § 23 KSchG die Gegenmeinung vertreten und angenommen, es gelte eine abgestufte Darlegungs- und Beweislast (so Urteile vom 18.01.1990 - 2 AZR 355/89 -AP Nr. 9 zu § 23 KSchG 1969; vom 15.03.2001 - 2 AZR 151/00 - EzA Nr. 23 zu § 23 KSchG; ebenso von Hoyningen-Huene/Linck; KSchG, Rz. 28 zu § 23; Grunsky, ArbGG, Rz. 15 zu § 58) Angesichts der Sachnähe des Arbeitgebers zum Umfang und zur Struktur der Mitarbeiterschaft und den arbeitsvertraglichen Vereinbarungen treffe den Arbeitnehmer zunächst nur eine Darlegungslast, auf die der Arbeitgeber nach § 138 Abs. 2 substantiiert zu erwidern habe. An die Darlegungs- und Beweislast des Arbeitnehmers dürften keine unzumutbar strengen Anforderungen gestellt werden.

Im Urteil vom 24.2.2005 (2 AZR 373/03 - NZA 05, 764) hat das Bundesarbeitsgericht offen gelassen, ob an dieser Verteilung der Darlegungs- und Beweislast auch nach der gesetzlichen Änderung des § 23 Abs. 1 S. 2 und 3 KSchG durch das Arbeitsmarktreformgesetz festzuhalten ist.

2. Hier ist die Frage der Darlegungs- und Beweislast im Rahmen des § 23 Abs. 1 KSchG nach Auffassung der Kammer entscheidungserheblich (anderer Ansicht LAG München vom 26.10.2006 - 4 Sa 601/06 in einem Parallelverfahren).

Sieht man die Darlegungs- und Beweislast bei der Beklagten, so wäre über die Arbeitnehmereigenschaft zumindest einiger der Personen, deren Status zwischen den Parteien streitig ist, Beweis zu erheben, insbesondere über die Herren M., Prof. Dr. A., St. und F., also der Personen, die das Arbeitsgericht in seinen Entscheidungsgründen behandelt. Diese Personen erbringen unstreitig Leistungen für die Beklagte. Die Beklagte hat zwar im Einzelnen dargelegt, aufgrund welcher Umstände dies nicht im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses geschehe und dass diese Personen keinerlei Weisungen unterlägen, die für eine Arbeitsverhältnis typisch sind. Zu diesem Sachvortrag kann die Klägerin nicht mehr vortragen als geschehen. Als Außendienstmitarbeiterin hatte sie nur selten Kontakt zur Tätigkeit dieser Personen. Würde man von ihr verlangen, im Detail auf den Sachvortrag der Beklagten einzugehen, so würde man die Anforderungen an ein substantiiertes Bestreiten (§ 138 Abs. 2 ZPO) überziehen. Zu einem substantiierten Tatsachenvortrag der darlegungspflichtigen Partei muss sich zwar der Gegner grundsätzlich substantiiert äußern. Dies gilt jedoch dann nicht, wenn die streitigen Tatsachen nicht Gegenstand der Wahrnehmung des Gegners sind. In einem solchen Fall kann er den Sachvortrag der beweispflichtigen Partei mit Nichtwissen bestreiten (§ 138 Abs. 4 ZPO).

Folgt man dagegen der bisherigen Auffassung des Bundesarbeitsgerichts und nimmt eine abgestufte Darlegungs- und Beweislast an, so erweist sich die Entscheidung des Arbeitsgerichts als zutreffend. Die Klägerin hat zwar die Personen angegeben, die sie als Arbeitnehmer im Kündigungszeitpunkt ansieht. Wenn man deren Arbeitnehmereigenschaft annimmt, gilt das Kündigungsschutzgesetz. Die sachnähere Beklagte hat allerdings auf den Sachvortrag der Klägerin ausführlich und substantiiert erwidert und Tatsachen und Umstände vortragen, aus denen sich ergeben soll, dass die genannten Personen keine Arbeitnehmer sind. Mit zutreffender Begründung hat das Arbeitsgericht angenommen, dass die Klägerin jedenfalls die Arbeitnehmereigenschaft der Geschäftsführerin der Beklagten, des Herr M., des ärztlichen Direktors Prof. Dr. A., des Herrn St. sowie des Herrn F. nicht hinreichend dargelegt hat. Die gesetzliche Vertreterin der Arbeitgeberin ist typischerweise nicht weisungsabhängig. Wenn dies ausnahmsweise anders sein soll, so ist dies im Einzelnen zu begründen. Der Sachvortrag der Klägerin zur Funktion des Herrn Prof. Dr. A. belegt noch keine weisungsabhängige Stellung. Die Klägerin legt nicht dar, warum Herr Prof. Dr. A. hinsichtlich der Arbeitszeit Weisungen der Beklagten unterliegen soll. Ähnliches gilt für Herr St.. Die Beklagte hat seinen freien Mitarbeitervertrag vorgelegt. Vor diesem Hintergrund hätte die Klägerin im Einzelnen darlegen müssen, warum entgegen den Regelungen in diesem Vertrag Herr St. hinsichtlich seiner Arbeitszeit weisungsabhängig sein soll. Schließlich trägt die Klägerin bei den Herren M. und F. lediglich vor, dass diese für die Beklagte tätig werden, jedoch keinerlei Tatsachen, dass dies im Rahmen einer weisungsabhängigen Tätigkeit als Arbeitnehmer geschieht. Im Hinblick darauf, dass der Sachvortrag der Klägerin schon nicht hinreichend ist, ist unerheblich, ob ausreichende Beweisangebote der Klägerin vorliegen.

Es besteht keine Veranlassung, der Klägerin nochmals Gelegenheit zu einem ergänzenden Sachvortrag zu geben. Zum einen weist die Beklagte zu Recht darauf hin, dass schon erstinstanzlich die Geltung des Kündigungsschutzgesetzes eine zentrale Rechtsfrage war, sodass Bedenken bestehen, ob eine besondere Hinweispflicht des Arbeitsgerichts bestand. Jedenfalls hätte die Klägerin in ihrer Berufungsbegründung vortragen müssen, welche konkreten Tatsachen sie bei einem entsprechenden früheren Hinweis des Gerichts auf ihre Substantiierungspflicht gebracht hätte. Die Klägerin hat ihr diesbezügliches Unterlassen plausibel damit begründet, dass sie aufgrund ihrer Außendiensttätigkeit aus eigener Kenntnis nicht mehr vortragen kann.

3. Die Kammer folgt der bisherigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, wonach der Arbeitnehmer letztlich die Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen der betrieblichen Voraussetzungen für die Geltung des Kündigungsschutzgesetzes trägt (§ 23 Abs. 1 KSchG).

Die Begründung dieser Auffassung ist unverändert überzeugend. Wenn sich ein Arbeitnehmer auf den Schutz durch das Kündigungsschutzgesetz beruft, so gehört die Anwendbarkeit dieses Gesetzes zu den anspruchsbegründenden Umständen. Jede Partei trägt die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass der Tatbestand einer ihr günstigen Rechtsnorm erfüllt ist.

Weder aus dem Gesetzeswortlaut noch aus den tatsächlichen Verhältnissen in der deutschen Wirtschaft ergibt sich etwas anders. Dabei ist der Gegenmeinung zuzugeben, dass man die negativen Formulierungen in den Sätzen 2 und 3 des § 23 Abs. 1 KSchG ("Die Vorschriften Ersten Abschnittes gelten ... nicht für Betriebe und Verwaltungen ...") dahingehend verstehen kann, dass diese Sätze Ausnahmen regeln. Zwingend ist diese Schlussfolgerung jedoch nicht. Vielmehr kann man in den genannten Sätzen ebenso eine Aufteilung von Betrieben und Verwaltungen in zwei Gruppen sehen, ohne dass eine Gruppe die Regel und die andere Gruppe die Ausnahme wäre. Dieses Verständnis entspricht unverändert den tatsächlichen Verhältnissen, denn zahlreiche Arbeitnehmer in Deutschland sind in Betrieben und Verwaltungen beschäftigt, in denen nicht mehr als zehn Arbeitnehmer beschäftigt sind.

Die Entstehungsgeschichte spricht für eine beim Arbeitnehmer liegende Darlegungs- und Beweislast. Die Änderungen durch das Arbeitsmarktreformgesetz vom 24.12.2003 betreffen nämlich nur die Schwellenwerte für die Anwendung des Kündigungsschutzgesetzes, nicht dagegen die Darlegungs- und Beweislast. Auch die vor dem 01.01.2004 geltenden Gesetzesformulierungen enthielten negative Formulierungen, dass die Vorschriften des Ersten Abschnittes für bestimmte Betriebe und Verwaltungen nicht gelten. Zu diesen gesetzlichen Bestimmungen gab es - wie ausgeführt - eine gefestigte Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zur Darlegungs- und Beweislast. Hätte der Gesetzgeber das Verständnis des Bundesarbeitsgerichts nicht geteilt, so hätte er die Darlegungs- und Beweislast im Rahmen der Novellierung des § 23 KSchG klar regeln können. Eine gesetzliche Regelung zur Beweislast ist auch im Rahmen des Kündigungsschutzgesetzes nichts ungewöhnliches (§ 1 Abs. 3 Satz 3 KSchG). Die Gesetzesmaterialen (insbesondere die Gesetzesbegründungen in den Bundestagsdrucksachen 15/1204 und 15/1509) enthalten keinen Hinweis auf die Absicht des Gesetzgebers, die Darlegungs- und Beweislast im Rahmen des § 23 Abs. 1 KSchG anders als bisher regeln zu wollen.

Schließlich sprechen die Sachnähe des Arbeitgebers zu den betrieblichen Verhältnissen und Gründe der Zumutbarkeit nicht entscheidend für eine beim Arbeitgeber liegende Darlegungs- und Beweislast. Vielmehr trägt schon die abgestufte Darlegungs- und Beweislast nach der bisherigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts der Sachnähe des Arbeitgebers Rechnung. Wenn der Arbeitnehmer angibt, welche Personen er als Arbeitnehmer ansieht, so muss der Arbeitgeber hierzu substantiiert Stellung nehmen. Wenn der Arbeitnehmer nach einem solchen Sachvortrag des Arbeitgebers gleichwohl den Schutz nach dem Kündigungsschutzgesetz beanspruchen möchte, so erscheint es zumutbar, wenn er die Richtigkeit des Sachvortrags des Arbeitgebers überprüft und nicht lediglich bestreitet. Er muss selbst prüfen, ob er seinem bisherigen Arbeitgeber einen unzutreffenden Tatsachenvortrag zutraut. Ist dies der Fall, kann er Erkundigungen einholen. Vorliegend hätte sich die Klägerin z. B. bei den Personen, deren Arbeitnehmerstatus streitig ist, nach ihrer Abhängigkeit erkundigen oder andere Mitarbeiter fragen können. Dies erscheint sachgerechter als die Klärung der betrieblichen Voraussetzungen des § 23 Abs. 1 KSchG durch eine Beweisaufnahme ohne vorherige Erkundigungen durch den Arbeitnehmer. Der vorliegende Fall verdeutlicht, welche bedenklichen Konsequenzen eine Verlagerung der Beweislast auf den Arbeitgeber hätte. Obwohl die Klägerin keine konkreten Tatsachen vorträgt, die z. B. für den Arbeitnehmerstatus der Geschäftsführerin oder des Beirates M. sprechen, müsste hierüber nach der Gegenmeinung möglicherweise Beweis erhoben werden. Erfahrungsgemäß führt die Notwendigkeit einer Beweisaufnahme zu einer längeren Verfahrensdauer und erhöht damit das Verzugsrisiko des Arbeitgebers. Diese Konsequenzen lassen sich ohne eine wesentliche Beeinträchtigung der Rechtsposition des Arbeitnehmers vermeiden, wenn man von ihm zumutbare Erkundigungen verlangt.

III.

Die Berufung ist auch unbegründet, soweit die Klägerin mit ihr Vergütungsansprüche für die Zeit nach dem 31.05.2006 begehrt. Wegen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum 31.05.2006 stehen der Klägerin keine solchen Ansprüche zu.

IV.

Nach § 97 Abs. 1 ZPO hat die Klägerin die Kosten ihrer erfolglosen Berufung zu tragen.

V.

Dieses Urteil ist für die Beklagte unanfechtbar, denn sie ist nicht beschwert. Dagegen kann die Klägerin nach Maßgabe der folgenden Rechtsmittelbelehrung Revision einlegen. Die Zulassung der Revision beruht auf § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG. Die Frage der Darlegungs- und Beweislast im Rahmen des § 23 Abs. 1 KSchG hat grundlegende Bedeutung. Nachdem das Bundesarbeitsgericht diese Rechtsfrage in seinem Urteil vom 24.02.2005 offen gelassen hat, ist sie wieder klärungsbedürftig geworden.

Ende der Entscheidung

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