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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht München
Urteil verkündet am 13.11.2008
Aktenzeichen: 2 Sa 699/08
Rechtsgebiete: KSchG, BGB


Vorschriften:

KSchG § 1
BGB § 315
Streit über Kündigung einer Zeugin Jehovas, die sich geweigert hat, nach Geburtstagen zu fragen.
Landesarbeitsgericht München Im Namen des Volkes URTEIL

2 Sa 699/08

Verkündet am: 13.11.2008

In dem Rechtsstreit

hat die 2. Kammer des Landesarbeitsgerichts München auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 23. Oktober 2008 durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Waitz sowie die ehrenamtlichen Richter Balasch und Riedel

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Die Berufung der Klägerin und die Anschlussberufung der Beklagten gegen das Endurteil des Arbeitsgerichts München vom 29.4.2008 - 17 Ca 14005/07 - werden zurückgewiesen.

2. Von den erstinstanzlichen Kosten des Rechtsstreits tragen die Klägerin 5/9 und die Beklagte 4/9, von den Kosten des Berufungsverfahrens die Klägerin 5/8 und die Beklagte 3/8.

3. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten im Berufungsverfahren insbesondere noch über die Wirksamkeit einer außerordentlichen sowie einer vorsorglichen ordentlichen Arbeitgeberkündigung und die Entfernung von zwei Abmahnungen aus der Personalakte der Klägerin.

Die Klägerin war seit April 2000 als Mitarbeiterin in der Verwaltung bei der Beklagten beschäftigt. Im Dezember 2006 wechselte sie von der Finanzbuchhaltung zum Bereich Bildung und Führungswesen. Dort gehörte es zu ihren Aufgaben, Führungsbuchungen entgegenzunehmen, zu bearbeiten und weiterzuleiten. Bei Antritt der neuen Stelle teilte die Klägerin ihrer Vorgesetzten mit, dass sie Zeugin Jehovas sei und ihre Religion das Feiern von Geburtstagen nicht vorsehe. Sie bat darum, möglichst wenig mit der Organisation von Kindergeburtstagen zu tun haben zu müssen. Die zunächst neben der Klägerin mit Führungsbuchungen betraute Mitarbeiterin übernahm im Juni 2007 endgültig eine andere Aufgabe, so dass die Klägerin zunehmend bei der Buchung von Führungen anlässlich von Kindergeburtstagen tätig wurde. Die Buchung von Führungen erfolgt entweder telefonisch oder per E-Mail. Aufgrund der Angaben der Interessenten füllte die Klägerin anhand eines Formulars in der EDV einen Zettel aus, der dann an die jeweilige Führungsperson sowie die Kasse weitergegeben wurde. Die Maske in der EDV sah keine separaten Felder für eine Geburtstagsführung, den Namen des Geburtstagskindes und das Geburtsdatum vor. Spätestens im August 2007 - nach Darstellung der Beklagten bereits im Februar 2007 - wurde die Klägerin von ihrer Vorgesetzten darauf hingewiesen, dass sie bei der Buchung von Kinderführungen fragen solle, ob es sich um einen Kindergeburtstag handele. In einem solchen Falle solle sie den Namen des Geburtstagskindes und das Geburtstagsdatum in das Formular eintragen.

Mit Schreiben vom 29.8.2007 wurde die Klägerin abgemahnt, weil sie die Teilnahme an Dienstbesprechungen verweigert habe (Bl. 29 d.A.).

Mit Schreiben vom 30.8.2007 wurde der Klägerin vom Personalleiter der Beklagten vorgehalten, sie habe bei der Aufnahme von Kinderführungen die Aufnahme relevanter Buchungsdetails unterlassen, und hierzu Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben. In einem Gespräch mit dem Personalleiter am 11.9.2007 erklärte die Klägerin, sie könne den Zusatz Kindergeburtstag, Vorname des Kindes und Geburtstag vermerken, wenn sie diese Daten schon habe. Aus Gewissensgründen könne sie nach diesen Daten allerdings nicht fragen, da sie damit das Feiern von Geburtstagen fördere.

Am 12.9.2007 wurde die Klägerin aufgefordert, bei vier bereits aufgenommenen aber noch nicht durchgeführten Führungen den Namen des Geburtstagskindes und den Geburtstag zu erfragen sowie die entsprechenden Führungszettel zu vervollständigen. Am 17.9.2007 erhielt die Klägerin eine Abmahnung vom 13.9.2007 mit dem Vorwurf, sie habe es weil sie es wiederholt unterlassen, Führungszettel, die Kindergeburtstage betreffen, vollständig auszufüllen (Bl. 34 d.A.). In einem Gespräch vom 19.9.2007 mit ihrem Bereichsleiter wurde festgestellt, dass die Klägerin die Weisung vom 12.9.2007 nicht ausgeführt hatte und zwei neue Buchungen von Kindergeburtstagen die gewünschten Daten nicht enthielten. Die Klägerin erklärte, sie könne dies aus Gewissensgründen nicht nachholen.

Mit Schreiben vom 24.9.2007 informierte die Beklagte den Personalrat und bat um Zustimmung zu einer außerordentlichen und einer vorsorglichen ordentlichen Kündigung (Bl. 129 d.A.). Mit Schreiben vom 26.9.2007 erhob der Personalrat Bedenken gegen die beabsichtigte außerordentliche Kündigung (Bl. 86 d.A.).

Am 27.9.2007 erklärte die Beklagte die außerordentliche Kündigung (Bl. 3 d.A.), am 10.10.2007 die ordentliche zum 31.3.2008.

Die Klägerin hält die Kündigungen für unwirksam. Eine Arbeitsverweigerung liege nicht vor, da die Weisungen bezüglich der Kindergeburtstage nicht billigem Ermessen entsprechen würden. Sie würden das verfassungsmäßig gewährleistete Recht auf Gewissensfreiheit nicht berücksichtigen. Nach ihrer Religion habe das Feiern von Geburtstagen mit Aberglauben zu tun. Sie lehne das Feiern von Geburtstagen und das Fördern solcher Feiern ab. Wenn sie ausdrücklich nach einem Geburtstag und dem Namen des Geburtstagskindes fragen müsse, erkenne sie einen Geburtstag als etwas an, das zu feiern wäre. Durch die von der Beklagten gewünschten Gratulation erhalte die Führung den Charakter einer Geburtsfeier. Außerdem seien die Kündigungen unverhältnismäßig, denn sie hätte auf einen Arbeitsplatz umgesetzt werden können, auf dem sie keinem Gewissenskonflikt ausgesetzt gewesen wäre. Erstinstanzlich hat die Klägerin auch die fehlerhafte Anhörung des Personalrats gerügt. Wegen der Unwirksamkeit der Kündigungen müsse sie weiterbeschäftigt werden. Die Abmahnungen seien zu Unrecht erteilt worden.

Die Beklagte sieht in dem Verhalten der Klägerin eine Arbeitsverweigerung. Der geltend gemachte Gewissenskonflikt sei nicht nachvollziehbar, denn der Klägerin werde nicht angesonnen, Kindergeburtstage zu fördern oder mitzufeiern. Eine Umsetzung sei nicht möglich gewesen, da es keine geeigneten freien Arbeitsplätze gegeben habe.

Mit Endurteil vom 29.4.2008 hat das Arbeitsgericht festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis durch die außerordentliche Kündigung vom 27.9.2007 nicht aufgelöst worden sei. Außerdem hat es die Beklagte zur Erteilung eines qualifizierten Zeugnisses verurteilt. Dagegen hat es die Klage abgewiesen, soweit es um die ordentliche Kündigung und die Entfernung der beiden Abmahnungen aus der Personalakte der Klägerin geht.

Das Arbeitsgericht hat seine Entscheidung damit begründet, die Weisung der Beklagten in Verbindung mit der Aufnahme von Buchungen für Kinderführungen würde billigem Ermessen entsprechen. Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts sei von einem subjektiven Gewissensbegriff auszugehen, so dass die Relevanz einer auf Tatsachen gestützten inneren Gewissensentscheidung nicht der gerichtlichen Überprüfung unterliege. Gleichwohl müsse nicht jede nur behauptete Gewissensentscheidung hingenommen werden. Vielmehr müsse erkennbar sein, dass es sich um eine nach außen tretende, rational mitteilbare und intersubjektiv nachvollziehbare Tiefe, Ernsthaftigkeit und absolute Verbindlichkeit einer Selbstbestimmung handele. Die nach § 315 BGB gebotene Interessenabwägung ermögliche es, zu einem sachgerechten Ausgleich zwischen Gewissensfreiheit einerseits und Vertragstreue andererseits ohne objektive Einschränkung einer Gewissensentscheidung zu gelangen. Die Interessenabwägung ergebe, dass die Klägerin ihre Gewissensentscheidung der Weisung nicht erfolgreich entgegenhalten könne. Zum einen sei nicht mit der erforderlichen Tiefe einer Selbstbestimmung erkennbar, warum die Klägerin zwar vorhandene Informationen über Geburtstage weitergeben, solche Daten aber nicht erfragen könne. Außerdem müsse der Klägerin bereits bei Antritt ihrer neuen Aufgabe klar gewesen sein, dass sie mit Kindergeburtstagen in Berührung kommen könne. Die Klägerin habe nicht hinreichend dargelegt, wie sie ohne gewissenbedingte Störungen eingesetzt werden könne. Eine Interessenabwägung ergebe, dass die außerordentliche Kündigung unwirksam, die ordentliche Kündigung dagegen wirksam sei. Die ordentliche Kündigung sei nicht wegen fehlerhafter Personalratsanhörung unwirksam (Art. 77 BayPVG). Insbesondere habe die Beklagte dem Personalrat die arbeitsvertragliche Kündigungsfrist zutreffend mitgeteilt. Eine Information über eine fehlende Weiterbeschäftigungsmöglichkeit sei nicht nötig gewesen, denn dieser Gesichtspunkt habe den Kündigungsentschluss der Beklagten nicht getragen. Wegen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses habe die Klägerin weder einen Anspruch auf Weiterbeschäftigung noch auf Entfernung von Abmahnungen aus der Personalakte.

Gegen dieses den Klägervertretern am 26.6.2008 zugestellte Endurteil richtet sich die Berufung der Klägerin vom 21.7.2008, die am 22.8.2008 begründet worden ist. Nach Ansicht der Klägerin hat das Arbeitsgericht zum einen den subjektiven Gewissensbegriff fehlerhaft ausgelegt. Es mache sehr wohl einen Unterschied, ob ihr bei der Buchung von Kinderführungen von Seiten der Eltern spontan mitgeteilt werde, dass es sich um eine Führung zur Feier eines Geburtstags handele, oder ob sie dies erst in Erfahrung bringen müsse. Bei der bloßen Weiterleitung von Informationen stehe sie außerhalb der Organisation des Kindergeburtstages und sei lediglich Botin. Dagegen werde durch die verlangte Nachfrage aus einer Kinderführung eine Kindergeburtstagsführung. Damit solle sie etwas fördern, was sie nach ihrer religiösen Überzeugung meiden müsse.

Außerdem habe das Arbeitsgericht die Darlegungs- und Beweislast bezüglich anderweitiger Beschäftigungsmöglichkeiten verkannt. Die Abmahnung vom 29.8.2007 sei aus der Personalakte zu entfernen, da der darin geschilderte Sachverhalt unzutreffend sei. Die Abmahnung vom 13.9.2007 sei unwirksam, da sie die Weisung in Verbindung mit Kindergeburtstagen aus Gewissensgründen nicht habe erfüllen können.

Die Klägerin stellt folgende Anträge:

I. Das Urteil des Arbeitsgerichts München vom 29.4.2008, Aktenzeichen 17 Ca 14005/07, wird wie folgt abgeändert:

1. Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien weder durch die außerordentliche Kündigung vom 27.9.2007 noch durch die ordentliche Kündigung vom 10.10.2007 zum 31.3.2008 aufgelöst ist.

2. Die Beklagte wird verurteilt, die Abmahnungen vom 29.8.2007 sowie vom 13.9.2007 aus der Personalakte der Klägerin zu entfernen und der Klägerin hierüber einen entsprechenden Nachweis zu erteilen.

II. Für den Fall des Obsiegens mit dem Feststellungsantrag und im Falle der Zulassung der Revision wird weiter beantragt:

Die Beklagte wird verurteilt, die Klägerin zu den im Arbeitsvertrag vom 4.2.2000 sowie den hiernach abgeschlossenen Änderungsvereinbarungen vom 26.9.2002 und 10.4.2003 zu den dort festgelegten Arbeitsbedingungen als Sachbearbeiterin in Teilzeit bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung über den Feststellungsantrag weiter zu beschäftigen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.

Sie hält die Bewertung des Verhaltens der Klägerin als Arbeitsverweigerung durch das Arbeitsgericht für zutreffend. Bei einem Gewissenskonflikt kollidiere das Recht des Arbeitnehmers aus Art. 4 GG mit den Grundrechten des Arbeitgebers nach Art. 12, 14 GG. Das Arbeitsgericht habe zu Recht angenommen, dass die Entscheidung der Klägerin nicht die erforderliche nachvollziehbare Tiefe aufweise. Ein Kind feiere seinen Geburtstag mit einer Führung im pp. unabhängig davon, ob die Klägerin nachfrage oder nicht. Durch die Nachfrage werde die Feier nicht gefördert, sondern lediglich der Führungsperson Kenntnis darüber verschafft. Aufgrund dieser Kenntnis könne die Führungsperson dem Kind gratulieren und ein kleines Geschenk übergeben. Eine Weiterbeschäftigung auf einem anderen Arbeitsplatz sei nicht möglich, da es keinen freien Arbeitsplatz gebe und keine Verpflichtung zum Freikündigen bestehe. Außerdem sei nicht zu erwarten, dass es auf einem anderen Arbeitsplatz keine vergleichbaren Probleme gebe.

Wegen der Arbeitsverweigerung der Klägerin sei entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts die außerordentliche Kündigung wirksam.

Im Wege der Anschlussberufung stellt die Beklagte deshalb folgenden Antrag:

Das Urteil des Arbeitsgerichts München vom 29.4.2008 - 17 Ca 14005/07 - wird abgeändert und die Klage vollumfänglich abgewiesen.

Die Klägerin beantragt,

die Anschlussberufung zurückzuweisen.

Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes im Berufungsverfahren wird auf die Schriftsätze der Klägerin vom 22.8.2008 und 10.10.2008 sowie der Beklagten vom 24.9.2008 Bezug genommen, außerdem auf die Sitzungsniederschrift vom 23.10.2008.

Entscheidungsgründe:

I.

Die Berufung der Klägerin ist unbegründet, weil das Arbeitsgericht zu Recht angenommen hat, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die ordentliche Kündigung der Beklagten vom 10.10.2007 aufgelöst wurde. Wegen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses hat die Klägerin keinen Anspruch auf Entfernung der Abmahnungen vom 29.8. und 13.9.2007 aus ihrer Personalakte.

Das Arbeitsgericht hat seine Entscheidung überzeugend und auf der Basis der einschlägigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zur Gewissensentscheidung (Urteil vom 24.5.1998 - 2 AZR 285/88 - NZA 1990, 144) begründet. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird zunächst auf die Entscheidung des Arbeitsgerichts Bezug genommen (§ 69 Abs. 2 ArbGG). Ergänzend und zu den Angriffen der Klägerin im Berufungsverfahren wird Folgendes ausgeführt.

1. Die Kündigung vom 10.10.2007 ist durch Gründe, die im Verhalten der Klägerin liegen, bedingt (§ 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG).

a) Bei der Begründung dieses Ergebnisses hat das Arbeitsgericht den subjektiven Gewissensbegriff nicht verkannt, sondern ist zu Recht davon ausgegangen, dass die Weisung der Beklagten in Verbindung mit Kinderführungen billigem Ermessen entspricht (§ 315 BGB).

Die Relevanz einer auf Tatsachen gestützten inneren Gewissensentscheidung unterliegt zwar nicht der gerichtlichen Überprüfung und eine solche Gewissensentscheidung kann auch nicht nach objektiven Kriterien eingegrenzt werden (BAG aaO). Dies bedeutet allerdings nicht, dass jede Weisung, die irgendeine Berührung mit einer Gewissensentscheidung hat, unwirksam wäre. Vielmehr nimmt das Bundesarbeitsgericht in der genannten Entscheidung an, dass unter Abwägung der Interessen beider Vertragsparteien festzustellen ist, ob die Zuweisung einer Tätigkeit, die den Arbeitnehmer in einen Gewissenskonflikt bringt, nicht der Billigkeit des § 315 BGB entspricht und der Arbeitnehmer daher nicht verpflichtet ist, diese Tätigkeit auszuüben. Kollidiert das Recht des Arbeitgebers, im Rahmen seiner grundrechtlich geschützten unternehmerischen Betätigungsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG) den Inhalt der Arbeitsverpflichtung des Arbeitnehmers näher zu konkretisieren, mit grundrechtlich geschützten Positionen des Arbeitnehmers (Art. 4 GG), so ist das Spannungsverhältnis im Rahmen der Konkretisierung und Anwendung der Generalklausel des § 315 BGB einem grundrechtskonformen Ausgleich der Rechtspositionen zuzuführen. Dabei sind die kollidierenden Grundrechte in ihrer Wechselwirkung zu sehen und so zu begrenzen, dass die geschützten Rechtspositionen für alle Beteiligten möglichst weitgehend wirksam werden (praktische Konkordanz). Bei dieser Abwägung ist die Intensität der umstrittenen Freiheitsbeschränkung genauso zu berücksichtigen wie etwa die von der Vertragspartnern durch den Abschluss des Vertrags selbst eingeräumte Begrenzung ihrer grundrechtlichen Freiheiten und das Gewicht des mit dem Eingriff verfolgten Ziels (BAG vom 10.10.2002 - 2 AZR 472/01 - NZA 2003, 483).

Bei Anwendung dieser Grundsätze wird der Klägerin eine Berufung auf eine Gewissensentscheidung nicht versagt, wenn das Arbeitsgericht annimmt, die Gewissensentscheidung könne der Weisung der Beklagten nicht entgegengesetzt werden. Diese Annahme des Arbeitsgerichts ist vielmehr das Ergebnis einer Interessenabwägung, bei der auch die Gewissensentscheidung der Klägerin zu berücksichtigen ist, bzw. eines grundrechtskonformen Ausgleichs der Rechtspositionen der Parteien. Dabei wird zu Gunsten der Klägerin zugrunde gelegt, dass sie von ihrem Gewissen her einen Unterschied zwischen der bloßen Weitergabe eines ihr mitgeteilten Geburtstages und der Frage danach sieht. Allerdings beschränkt die Weisung der Beklagten, nach dem Vorliegen eines Kindergeburtstags sowie dem Namen und dem Geburtsdatum des Geburtstagskindes zu fragen, die Glaubens- und Bekenntnisfreiheit der Klägerin gem. Art. 4 Abs. 1 GG nicht besonders intensiv. Die Klägerin soll nicht etwa selbst an einer Geburtstagsfeier teilnehmen. Ihre eigene ungestörte Religionsausübung (Art. 4 Abs. 2 GG) ist auch dann gewährleistet, wenn sie die angewiesenen Fragen stellt.

Das Stellen dieser Fragen ist auch kein bedeutsamer Beitrag zur Förderung des Feierns von Geburtstagen. Zu Recht weist die Beklagte darauf hin, dass das Empfinden von Eltern und Kindern, einen Geburtstag als ein freudiges Ereignis zu feiern, nicht davon abhängt, ob die Führungsperson gratuliert und ein kleines Geschenk überreicht.

Der von der Klägerin geltend gemachte Gewissenskonflikt ist damit jedenfalls nicht ähnlich intensiv wie etwa derjenige eines Forschers, der aus Gewissensgründen die Entwicklung einer militärischen Zwecken dienenden Substanz ablehnt (darum ging es in dem vom Bundesarbeitsgericht am 24.5.1998 entschiedenen Fall).

Zu berücksichtigen ist weiter, dass das von der Klägerin verlangte Abfragen von Daten keinen unmittelbaren Bezug zu ihrer eigenen Glaubens- und Bekenntnisfreiheit hat. Die Klägerin ist vielmehr auch dann frei, im Feiern von Geburtstagen einen Aberglauben zu sehen, wenn sie aufgrund einer Weisung zum Stellen dieser Fragen verpflichtet wird. Der Klägerin geht es letztlich um mehr als die Gewährleistung ihrer Glaubens- und Bekenntnisfreiheit. Sie möchte das Feiern von Geburtstagen durch andere Personen nicht fördern und damit das Handeln anderer beeinflussen. Diese Absicht ist im Rahmen der Interessenabwägung nicht zu Gunsten der Klägerin zu berücksichtigen, denn ihre Weigerung berührt gegenteilige Interessen der Beklagten sowie von Eltern, die den Geburtstag ihres Kindes bei der Beklagten feiern möchten. Die Weigerung der Klägerin schränkt nicht nur die Einsatzmöglichkeiten der Beklagten ein, sondern auch deren Freiheit, die Geburtstagsfeiern von Kindern zu verschönern. Außerdem ist mittelbar auch die Freiheit von Eltern und Kindern betroffen, Geburtstage nach ihren Vorstellungen zu feiern, denn es kann ohne Weiteres davon ausgegangen werden, dass sich diese Personen freuen, wenn ein Geburtstagskind bei einer Führung Glückwünsche und ein kleines Geschenk erhält.

Schließlich hat das Arbeitsgericht zu Recht angenommen, dass die Klägerin schon bei Übernahme der neuen Tätigkeit damit rechnen musste, in der nun verweigerten Weise mit Kindergeburtstagen zu tun zu haben. Das Bundesarbeitsgericht hält es im Rahmen der Interessenabwägung für bedeutsam, ob der Arbeitnehmer schon bei Vertragsschluss damit rechnen musste, dass ihm die später verweigerte Tätigkeit zugewiesen werden könnte. Dies gilt in ähnlicher Weise bei einer Versetzung Wenn die Klägerin unstreitig darum bat, möglichst wenig mit der Organisation von Kindergeburtstagen zu tun haben zu müssen, brachte sie damit noch nicht zum Ausdruck, dass schon eine lediglich mittelbare Verbindung wie das Abfragen von Daten sie in einen Gewissenskonflikt bringen würde. Sie konnte auch nicht damit rechnen, dass sämtliche Tätigkeiten in Verbindung mit Kindergeburtstagen von einer Kollegin verrichtet würden. Es war vielmehr nicht zu erwarten, dass immer und dauerhaft eine Kollegin zur Verfügung stehen würde. Außerdem war es von Anfang nicht sachgerecht, bei der Entgegennahme von Buchungen Kunden dann an eine Kollegin zu verweisen, wenn erkennbar wurde, dass anlässlich einer Führung ein Kindergeburtstag gefeiert wird. Ein solches Vorgehen kann Kunden der Beklagten kaum vermittelt werden.

Die geringe Anzahl von Kinderführungen aus Anlass von Geburtstagen kann nicht zu Gunsten der Klägerin berücksichtigt werden. Dieser Umstand bedeutet nämlich nicht, dass die Beklagte die damit verbundenen Tätigkeiten leicht anders organisieren könnte. Vielmehr führt die Weigerung der Klägerin dazu, dass die Beklagte entweder auf die von ihr gewünschten Fragen verzichten oder insgesamt einen anderen Mitarbeiter mit den Tätigkeiten in Verbindung mit der Buchung von Führungen betreuen muss. Wie ausgeführt ist es praktisch nicht möglich, im Rahmen eines konkreten Buchungsvorgangs beim Auftreten eines Gewissenkonfliktes einen anderen Mitarbeiter mit der weiteren Bearbeitung zu betrauen. Bei einer Gesamtabwägung sind beide Alternativen der Beklagten weniger zumutbar als die Aufrechterhaltung der Weisung gegenüber der Klägerin. Die lediglich geringfügige Beeinträchtigung der Glaubens- und Gewissensfreiheit der Klägerin ist auch deshalb zumutbar, weil sie in einem Arbeitsverhältnis weisungsabhängig tätig ist. Dies bedeutet auch, dass sie die von ihr verlangten Fragen nicht unbedingt vor ihrem Gewissen verantworten muss, sondern der Beklagten die Verantwortung für diese Fragen zuweisen kann. Ein Arbeitnehmer muss damit leben können, dass er grundsätzlich nicht jede von ihm verlangte Tätigkeit gutheißen muss.

b) Auch die Ausführungen des Arbeitsgerichts zur fehlenden Umsetzungsmöglichkeit auf einen anderen Arbeitsplatz sind nicht zu beanstanden. Das Arbeitsgericht hat die einschlägige Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts wiedergegeben und zutreffend auf den zu entscheidenden Fall angewendet. In der Berufungsbegründung geht auch die Klägerin davon aus, dass erst auf eine nähere Darlegung des Arbeitnehmers, wie er sich eine anderweitige Beschäftigung vorstellt, der Arbeitgeber eingehend erläutern muss, warum er dies für unmöglich hält. Die Klägerin hat sich schriftsätzlich insoweit nur eine Beschäftigung in der Buchhaltung bezogen. Eine Zurückversetzung in diesen Bereich ist der Beklagten allerdings nicht zumutbar. Unstreitig hat die Klägerin ihren früheren Arbeitsbereich in der Buchhaltung verlassen, weil es dort Probleme zwischen ihr und ihren Vorgesetzten gab. Es ist davon auszugehen, dass diese Probleme jedenfalls teilweise der Klägerin zuzuschreiben sind. Unstreitig wandte sich die Klägerin wegen des Fehlens eines Monitors schriftlich an den Generaldirektor der Beklagten. Die Klägerin hat nicht substantiiert erläutert, warum das Fehlen des Monitors ohne die Einschaltung des Generaldirektors nicht hätte aufgeklärt werden können. Nach ihrem Vortrag hat sie zwar zweimal bei der ihr genannten Reparaturfirma angerufen und sich nach dem Verbleib des Monitors erkundigt. Sie hat allerdings nicht vorgetragen, was die Reparaturfirma ihr antwortete. Vor diesem Hintergrund ist die Bewertung der Beklagten, der Verbleib hätte ohne die Einschaltung des Generaldirektors und den angedeuteten Verdacht einer privaten Entwendung aufgeklärt werden können, zutreffend.

Im Kammertermin vom 23.10.2008 hat sich die Klägerin weiter auf eine Tätigkeit im Veranstaltungsbereich bezogen. Es ist allerdings davon auszugehen, dass sie in diesem Bereich noch mehr mit der Organisation von Geburtstagen zu tun hätte als im Bereich Führungen. Die Beklagte hat nämlich unbestritten vorgetragen, dass zu den Veranstaltungen, die zu organisieren sind, auch Geburtstagsfeiern gehören.

c) Die vom Arbeitsgericht vorgenommene Interessenabwägung ist nicht zu beanstanden. Zu Gunsten der Klägerin sind zwar zunächst die Dauer der Betriebszugehörigkeit und ihr Alter zu berücksichtigen. Es wird für die Klägerin sicherlich nicht einfach sein, eine vergleichbare neue Stelle zu finden. Für sie spricht auch, dass die Arbeitsverweigerung nur einen relativ geringen Anteil ihrer Aufgaben betrifft und - wie ausgeführt - auf einer Gewissensentscheidung beruht.

Andererseits würde die Weiterbeschäftigung der Klägerin über den Ablauf der Kündigungsfrist hinaus bedeuten, dass die Beklagte dauerhaft in ihren Einsatzmöglichkeiten beschränkt wäre. Die Beklagte hat die Kündigung auch nicht vorschnell ausgesprochen, sondern die Klägerin mehrfach in Gesprächen sowie in der Abmahnung auf die Folgen ihrer Weigerung hingewiesen. Die Klägerin hat die Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses bewusst in Kauf genommen und ihren Gewissenskonflikt nicht in der Weise gelöst, dass sie die Weisung der Beklagten als bindend und ihrer Entscheidung vorgehend akzeptiert.

2. Die Berufung ist auch unbegründet, soweit es um die Entfernung der Abmahnungen aus der Personalakte der Klägerin geht. Die Abmahnung vom 13.9.2007 wirft der Klägerin zu Recht ein vertragswidriges Verhalten in Verbindung mit Kinderführungen aus Anlass von Geburtstagen vor. Insoweit wird auf die obigen Ausführungen unter 1. Bezug genommen.

Wegen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch die ordentliche Kündigung kommt es nicht darauf an, ob der in der Abmahnung vom 29.8.2007 geschilderte Sachverhalt unzutreffend ist. Das Arbeitsgericht hat nämlich zu Recht angenommen, dass nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses regelmäßig kein Anspruch mehr auf Entfernung einer zu Unrecht erteilten Abmahnung aus der Personalakte besteht. In einem solchen Fall hat eine Abmahnung regelmäßig erheblich an Bedeutung verloren. Auch im Berufungsverfahren hat die Klägerin keine Tatsachen vorgetragen, aus denen sich ergeben würde, dass ihr die Abmahnung auch noch nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses schaden könne. Bei ihrem Verlangen nach Entfernung der Abmahnung geht sie vielmehr von einem Fortbestehen des Arbeitsverhältnisses aus.

II.

Auch die Anschlussberufung der Beklagten ist unbegründet. Das Arbeitsgericht hat überzeugend begründet, dass der Beklagten die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist am 31.3.2008 zumutbar war. Daran ändert sich auch dann nichts, wenn man mit der Beklagten davon ausgeht, dass die Frage nach den Geburtstagen für sie eine große Bedeutung hat. Den Zeitraum bis zum Ablauf der Kündigungsfrist hätte die Beklagte beispielsweise in noch zumutbarer Weise in der Form überbrücken können, dass die Klägerin bei den wenigen Buchungen von Kinderführungen die Kunden darauf hinweist, dass hierfür ein anderer Mitarbeiter zuständig sei.

III.

Die Kostenentscheidungen beruhen auf § 92 Abs. 1 Satz 1 ZPO und berücksichtigen das beiderseitige Obsiegen bzw. Unterliegen in beiden Instanzen. Die Abänderung der erstinstanzlichen Kostenentscheidung beruht auf einer höheren Bewertung der Kündigungsschutzanträge.

IV.

Dieses Urteil ist unanfechtbar, denn es gibt keinen Grund, für eine oder für beide Parteien die Revision zuzulassen (§ 72 Abs. 2 ArbGG). Insbesondere beruht die Entscheidung nicht auf der Beantwortung von Rechtsfragen, deren Klärung von allgemeiner Bedeutung wäre oder zumindest größere Teile der Allgemeinheit berühren würde (§ 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG). Die kündigungsrechtlichen Fragen in Verbindung mit einer Gewissensentscheidung sind nämlich durch die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts weitgehend geklärt. Auf § 72 a ArbGG (Nichtzulassungsbeschwerde) wird hingewiesen.

Ende der Entscheidung

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