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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht München
Urteil verkündet am 03.08.2006
Aktenzeichen: 3 Sa 459/06
Rechtsgebiete: BGB, KSchG, BetrVG, SGB IX


Vorschriften:

BGB § 134
BGB § 626
KSchG § 1
KSchG § 15
BetrVG § 25
BetrVG § 102
SGB IX § 85
SGB IX § 91
Das Zusammentreffen verschiedener besonderer Kündigungsschutzregelungen ist ein vom Arbeitgeber hinzunehmendes arbeitsrechtliches Phänomen und führt nicht dazu, dass einer der Zusammentreffenden Schutzkomplexe unanwendbar wird (hier: Ausspruch einer krankheitsbedingten außerordentlichen Kündigung gegenüber einem schwerbehinderten Ersatzmitglied des Betriebsrats, das rund ein halbes Jahr vor der Kündigung an einer Betriebsratssitzung teilgenommen hatte, ohne Zustimmung des Integrationsamts, sowie einer ordentlichen Kündigung vom selben Tage mit Zustimmung des Integrationsamts, aber ohne vorherige Beteiligung des Betriebsrats, der sich im Rahmen der Anhörung zur außerordentlichen Kündigung mit sozialer Auslauffrist nicht geäußert hatte)
LANDESARBEITSGERICHT MÜNCHEN IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

3 Sa 459/06

Verkündet am: 3. August 2006

In dem Rechtsstreit

hat die Dritte Kammer des Landesarbeitsgerichts München auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 3. August 2006 durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Dr. Rosenfelder sowie die ehrenamtlichen Richter Schober und Kuska für Recht erkannt:

Tenor:

1. Die Berufung der Beklagten und die Anschlussberufung des Klägers werden zurückgewiesen.

2. Die Kosten des Rechtsstreits werden dem Kläger zu 1/4 und der Beklagten zu 3/4 auferlegt.

3. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten um die Rechtswirksamkeit einer mit sozialer Auslauffrist ausgesprochenen außerordentlichen Kündigung, um die Rechtswirksamkeit einer am selben Tag ausgesprochenen ordentlichen Kündigung sowie um einen - hilfsweise gestellten - Anspruch auf Weiterbeschäftigung zu unveränderten arbeitsvertraglichen Bedingungen.

Der Kläger ist auf der Grundlage eines Arbeitsvertrages vom 19.02.1997 seit 15.03.1997 als Haustechniker beschäftigt zu einem monatlichen Bruttogehalt von zuletzt 2.800,00 €.

Die Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 13.02.2004 außerordentlichen mit einer Auslauffrist zum 30.04.2004. Mit einem weiteren Schreiben vom 13.02.2004 kündigte sie das Arbeitsverhältnis ordentlich zum 30.04.2004. Der Kläger war im Zeitpunkt dieser Kündigungen einem schwerbehinderten Menschen gleichgestellt gemäß § 3 Abs. 3 SGB IX. Mit Anwaltsschreiben vom 24.07.2003 hatte die Beklagte die Zustimmung des Integrationsamts zu einer beabsichtigten ordentlichen Kündigung des Klägers beantragt. Das Integrationsamt erteilte die beantragte Zustimmung zur ordentlichen Kündigung mit Bescheid vom 29.01.2004, gegen den der Kläger Widerspruch eingelegt hat. Der Kläger war im Zeitpunkt der Kündigungen Ersatzmitglied des Betriebsrats und nahm am 18.09.2003 an einer Betriebsratssitzung teil. Die Beklagte hatte den Betriebsrat vor den Kündigungen mit Schreiben vom 09.02.2004 lediglich zu einer beabsichtigten außerordentlichen Kündigung mit Auslauffrist zum 30.04.2004 angehört.

Die Beklagte stützt die Kündigungen auf die seit Juli 2001 ununterbrochen bestehende Arbeitsunfähigkeit des Klägers, die durch einen Arbeitsunfall verursacht wurde. Der Kläger hatte sich beim Entleeren einer schweren Mülltonne an der linken Schulter verletzt. Nach einem vom Facharzt für Orthopädie Dr. Z. für das Integrationsamt erstatteten Gutachten vom 07.06.2005 kann der Kläger eine dem Profil eines Haustechnikers entsprechende Tätigkeit nur unter erheblichen Einschränkungen vollschichtig ausüben. Unter anderem seien schweres Heben und Tragen von Gegenständen mit einem Gewicht von mehr als 8 kg regelhaft während eines Arbeitszyklus ausgeschlossen. Arbeiten Überkopf mit angehobenen Armen in Höhe der oder über der Horizontalen, mit einseitigem Einsatz beider Arme, Arbeiten in Zwangshaltungen sowie Arbeiten auf Leitern, Treppen oder Gerüsten, Arbeiten in Nässe, Kälte oder Zugluft seien nicht zuzumuten. Ein ausgeglichener Wechsel an sitzender, gehender und stehender Tätigkeit sei vorauszusetzen, bei dem der eingeschränkten Sitzfähigkeit Rechnung getragen werde. Durchgeführt werden könnten z.B. Kontrolltätigkeiten unter den genannten Einschränkungen oder aufsichtsführende Tätigkeiten.

Der Kläger ist der Auffassung, ein ausreichender Grund für die außerordentliche Kündigung sei nicht gegeben. Hinsichtlich der ordentlichen Kündigung könne sich der Kläger auf den Schutz des § 15 Abs. 1 Satz 2 KSchG berufen. Diesen Schutz habe der Kläger nicht manipulativ herbeigeführt. Der Kläger habe an der Betriebsratssitzung vom 18.09.2003 zu Recht teilgenommen, weil er zwar arbeits-, aber nicht amtsunfähig gewesen sei. Der Kläger meint, er könne seine vertraglich geschuldete Tätigkeit weiterhin ausüben, weil diese überwiegend überwachend und kontrollierend sei.

Die Beklagte ist dagegen der Auffassung, ein wichtiger Grund für die außerordentliche Kündigung sei gegeben. Der Kläger habe seine Position als schwerbehinderter Mensch und als Betriebsrat ausgenützt. Die Berufung auf den Kündigungsschutz wegen seiner Betriebsratstätigkeit sei rechtsmissbräuchlich. Auch hätte der Kläger als Ersatzmitglied aufgrund seiner Dauerarbeitsunfähigkeit an der Betriebsratssitzung nicht teilnehmen dürfen. Der Beklagten sei in dieser Situation der weitere Rückgriff auf Aushilfskräfte unzumutbar, nicht zuletzt im Hinblick darauf, dass die Beklagte die vom Kläger und seiner Ehefrau bewohnte Hausmeisterwohnung dringend benötige.

Das Arbeitsgericht München hat mit Endurteil vom 07.03.2006, auf das hinsichtlich des unstreitigen Sachverhalts und des erstinstanzlichen Vortrag der Parteien im übrigen, der im ersten Rechtszug gestellte Anträge sowie der Einzelheiten der rechtlichen Erwägungen des Erstgerichts verwiesen wird, festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien weder durch die außerordentliche noch durch die ordentliche Kündigung der Beklagten vom 13.02.2004 beendet worden ist, und die Klage im übrigen abgewiesen. Die Beklagte könne sich in Bezug auf die außerordentliche Kündigung nicht auf einen wichtigen Grund berufen und deshalb sei gemäß § 15 Abs. 1 KSchG auch die ordentliche Kündigung unzulässig. Dagegen sei die Beklagte nicht verpflichtet, den Kläger bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzverfahrens zu unveränderten arbeitsvertraglichen Bedingungen als Haustechniker weiterzubeschäftigen, weil der Kläger von der Beklagten insoweit etwas Unmögliches verlange.

Die Beklagte hat gegen das ihr am 21.03.2006 zugestellte Endurteil vom 07.03.2006 mit einem am 13.04.2006 eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt und diese mit einem am 22.05.2006 - einem Montag - eingegangenen Schriftsatz begründet.

Der Kläger hat seinerseits mit einem am 20.06.2006 eingegangenen Schriftsatz Anschlussberufung eingelegt und diese zugleich begründet.

Die Beklagte hält daran fest, dass sich der Kläger auf den nachwirkenden Kündigungsschutz wegen seiner Betriebsratstätigkeit nicht berufen könne, weil nur ein gesundes Betriebsratsmitglied bei der Sitzung vom 18.09.2003 hätte nachrücken dürfen. Sie bringt weiter vor, angesichts der Dauerarbeitsunfähigkeit des Klägers wäre ein Abwarten mit der Kündigung bis zum Ablauf der Schutzfrist nicht zumutbar gewesen, vor allem in Bezug auf die erforderliche Neuvergabe der Hausmeisterwohnung an einen Hausmeister, der über die in dieser Wohnung zusammenlaufenden Alarmleitungen stets erreichbar sei. Aus diesem Grunde sei auch die ordentliche Kündigung berechtigt. Jedenfalls sei diese in eine Kündigung zum 31.12.2005 umzudeuten. Die Beklagte meint - angesichts des Umstandes, dass der Kläger wieder zum Ersatzmitglied gewählt worden sei -, es sei nicht zumutbar, immer wieder Kündigungen aussprechen zu müssen. Bei einem besonderen Fall wie diesem sei § 15 KSchG nicht anzuwenden.

Die Beklagte beantragt daher,

das Urteil des Arbeitsgerichts München vom 07.03.2006 "aufzuheben", die Klage abzuweisen und dem Kläger die Kosten des Rechtsstreits aufzuerlegen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.

Er verweist darauf, das Integrationsamt habe lediglich einer ordentlichen Kündigung zugestimmt und hält daran fest, dass diese wegen § 15 Abs. 1 KSchG ausgeschlossen sei. Er bringt vor, ein wichtiger Grund für die außerordentliche Kündigung sei nicht gegeben, weil die Beklagte das Mietverhältnis hätte unabhängig vom Arbeitsverhältnis kündigen können; die Hausmeisterwohnung sei lediglich eine Werkmiet- und keine Werkdienstwohnung, weil Mietverhältnis und Arbeitsverhältnis unabhängig voneinander bestünden. Auch sei eine ständige Erreichbarkeit des Hausmeisters über Alarmanlage - anders als bei den Pflegekräften - nicht erforderlich, zumal dem neuen Hausmeister Piepser und Handy zur Verfügung stünden.

Zur Begründung seiner Anschlussberufung bringt der Kläger vor, er könne laut orthopädischem Gutachten Dr. Z. seine geschuldete Tätigkeit unter erheblichen Einschränkungen vollschichtig ausüben. Die Stellenbeschreibung zeige, dass ihm überwiegende Überwachungs- und Kontrolltätigkeiten oblägen, die er ausüben könne. Er verlange also von der Beklagten nichts Unmögliches.

Der Kläger beantragt,

auf seine Anschlussberufung das Urteil des Arbeitsgerichts München vom 07.03.2006 abzuändern, soweit die Klage abgewiesen wurde, und die Beklagte zu verurteilen, den Kläger bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzverfahrens zu unveränderten vertraglichen Bedingungen als Haustechniker weiterzubeschäftigen.

Die Beklagte beantragt,

die Anschlussberufung zurückzuweisen.

Sie weist darauf hin, dass sie einem Weiterbeschäftigungs-Tenor nicht Folge leisten könnte. Die Tätigkeiten des Klägers bestünden nicht nur aus Kontrolltätigkeiten, sondern z.B. auch in der Renovierung und Modernisierung von Appartements, der Pflege der Gartenanlagen, der Sorge für den reibungslosen Ablauf von Ein- und Auszügen sowie zusätzlichen Hausmeisterleistungen bei den Bewohnern. So habe sich der Kläger beim Leeren einer Mülltonne verletzt und nicht bei einer Kontrolltätigkeit.

Hinsichtlich des sonstigen Vortrags der Parteien im zweiten Rechtszug wird auf die Schriftsätze der Beklagten vom 22.05.2006 und 12.07.2006, des Klägers vom 14.06.2006 und 18.07.2006 sowie auf die Sitzungsniederschrift vom 03.08.2006 verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Berufung und Anschlussberufung sind zulässig - insbesondere statthaft wie form- und fristgerecht eingelegt und begründet (§§ 64 Abs. 2 und Abs. 6, 66 Abs. 1 Sätze 1 und 2 ArbGG, §§ 513, 519, 520, 524 Abs. 1 und 3 ZPO) -, aber unbegründet.

1. Die Berufung der Beklagten ist unbegründet, weil es in Bezug auf die außerordentliche Kündigung vom 13.02.2004 an der gemäß §§ 91, 85 SGB IX erforderlichen Zustimmung des Integrationsamts fehlt und weil die ordentliche Kündigung am nachwirkenden besonderen Kündigungsschutz für Ersatzmitglieder des Betriebsrats gemäß § 15 Abs. 1 Satz 2 KSchG scheitert.

a) Die außerordentliche Kündigung vom 13.02.2004 ist gemäß § 134 BGB unwirksam, weil es an der erforderlichen Zustimmung des Integrationsamts gemäß §§ 91, 85 SGB IX fehlt

Die Beklagte hat lediglich Zustimmung zur ordentlichen Kündigung beantragt, und lediglich diesem Antrag hat das Integrationsamt stattgegeben. Dass die Beklagte die außerordentliche Kündigung mit sozialer Auslauffrist ausgesprochen hat - möglicherweise deshalb, weil sie angesichts § 15 Abs. 1 Satz 2 KSchG selbst an der Zulässigkeit einer ordentlichen Kündigung zweifelte -, ändert an der Unwirksamkeit der außerordentlichen Kündigung wegen fehlender Zustimmung des Integrationsamtes nichts. Denn § 91 SGB IX gilt auch für außerordentliche Kündigungen mit Auslauffrist gegenüber ordentlich unkündbaren Arbeitnehmern (vgl. KR/Etzel, 7. Aufl., § 91 SGB IX Rn. 2).

Abgesehen davon ermangelt die außerordentliche Kündigung vom 13.02.2004 eines wichtigen Grundes im Sinne von § 626 Abs. 1 BGB, da der Beklagten die Weiterführung des Arbeitsverhältnisses des Klägers bei der vorliegenden personenbedingten - hier: krankheitsbedingten - Kündigung bis zum Ablauf der fiktiven ordentlichen Kündigungsfrist zumutbar gewesen wäre (zum Festhalten am Maßstab der "fiktiven Kündigungsfrist" im Falle des § 15 Abs. 1 KSchG: BAG vom 18.02.1993, Az. 2 AZR 526/92; offengelassen in BAG vom 27.09.2001, Az. 2 AZR 487/00). Fristlos kann einem (ehemaligen) Betriebsratsmitglied demnach nur gekündigt werden, wenn dem Arbeitgeber bei einem vergleichbaren Nichtbetriebsratsmitglied dessen Weiterbeschäftigung bis zum Ablauf der einschlägigen ordentlichen Kündigungsfrist unzumutbar wäre (vgl. BAG vom 10.02.1999, Az. 2 ABR 31/98). Dem Bundesarbeitsgericht zufolge ist die krankheitsbedingte Minderung der Leistungsfähigkeit des Arbeitnehmers aber in der Regel nicht geeignet, einen wichtigen Grund für eine außerordentliche Kündigung darzustellen (BAG vom 12.07.1995, Az. 2 AZR 762/94 im Anschluss an BAG vom 09.09.1992, Az. 2 AZR 190/92).

Dass der Beklagten die Weiterbeschäftigung des Klägers bis zum Ablauf der (fiktiven) ordentlichen Kündigungsfrist am 30.04.2004 unzumutbar gewesen wäre, ist nicht ersichtlich: Der Vortrag, ein Rückgriff auf Aushilfskräfte sei nicht länger zumutbar, entbehrt der näheren Begründung. Es erschließt sich nicht ohne weiteres, warum ein Zustand, der vom Arbeitgeber über rund 2 1/2 Jahre hinweg - wenn auch mit Schwierigkeiten - bewältigt werden konnte, nicht für nurmehr noch rund 2 1/2 Monate hinzunehmen gewesen wäre. Soweit sich die Beklagte auf die Erforderlichkeit einer ständigen Erreichbarkeit des Hausmeisters beruft, erscheint nicht plausibel, wieso eine solche Erreichbarkeit über 24 Stunden am Tag hinweg für einen Hausmeister bzw. Haustechniker erforderlich ist, zumal nach dem unbestritten gebliebenen Vortrag des Klägers dem neuen Hausmeister Piepser und Handy zur Verfügung stehen. Auch das Argument der Beklagten, sie müsse für den neuen Hausmeister dringend über die Hausmeisterwohnung verfügen können, verfängt nicht, da diese Wohnung - worauf der Kläger zutreffend verwiesen hat - keine Werkdienstwohnung ist, die im Rahmen des Arbeitsvertrages überlassen wurde, sondern eine Werkmietwohnung mit der Folge, dass das Mietverhältnis vom Bestand des Arbeitsverhältnisses unabhängig ist und gesondert von diesem gekündigt werden kann.

b) Die ordentliche Kündigung vom 13.02.2004 scheitert zum einen daran, dass sie durch § 15 Abs. 1 Satz 2 KSchG ausgeschlossen ist, und zum anderen an der fehlenden Anhörung des Betriebsrates zu einer ordentlichen Kündigung (§ 102 Abs. 1 Satz 3 BetrVG).

Der Kläger genoss den nachwirkenden Kündigungsschutz gemäß § 15 Abs. 1 Satz 2 KSchG, da er innerhalb eines Jahres vor Zugang der Kündigung Betriebsratstätigkeit ausgeübt hat.

Entgegen der Auffassung der Beklagten ist die Berufung auf diesen besonderen Kündigungsschutz nicht rechtsmissbräuchlich, da für die behauptete manipulative Herbeiführung des Schutzes nichts ersichtlich ist. Nach dem unbestritten gebliebenen Vortrag des Klägers waren drei ordentliche Betriebsratsmitglieder an der Teilnahme der Betriebsratssitzung vom 18.09.2003 verhindert und es waren lediglich noch zwei Ersatzmitglieder, darunter der Kläger, vorhanden. Angesichts dieser Sachlage ist nicht erkennbar, dass der Kläger den besonderen Kündigungsschutz bewusst sachwidrig herbeigeführt hätte, etwa dadurch, dass er bei der Betriebsratsvorsitzenden die Einberufung einer Betriebsratssitzung und seine Ladung hierzu eben zu dem Zweck veranlasst hätte, dadurch den besonderen Kündigungsschutz zu erlangen. Die Beklagte hat sich auf den diesbezüglichen Vortrag des Klägers nicht konkret eingelassen, sondern lediglich die Vermutung einer Manipulation ohne konkrete Tatsachengrundlage geäußert. Dies reicht für die Annahme einer rechtsmissbräuchlichen Herbeiführung des besonderen Kündigungsschutzes nicht aus.

Entgegen der Auffassung der Beklagten scheidet der besondere Kündigungsschutz des § 15 KSchG auch nicht deshalb aus, weil der Kläger aufgrund seiner Dauerarbeitsunfähigkeit gehindert gewesen wäre, an der Betriebsratssitzung teilzunehmen. Denn aus der Arbeitsunfähigkeit des Klägers ist nicht auf eine (Betriebsrats-)Amtsunfähigkeit zu schließen. Die Annahme der Beklagten, es bestehe ein Automatismus dahin, dass für ein erkranktes Betriebsratsmitglied bzw. Ersatzmitglied ein (weiteres) Ersatzmitglied nachrücke, und ein Mitarbeiter, der zu 100 % arbeitsunfähig sei, könne und dürfe nicht an einer Betriebsratssitzung teilnehmen, trifft so nicht zu. Der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zufolge, der sich die Berufungskammer anschließt (vgl. BAG vom 15.11.1984, Az. 2 AZR 341/81), gilt gerade kein solcher "Automatismus", sondern lediglich die Vermutung der Amtsunfähigkeit. Diese Vermutung ist hier widerlegt, weil sich aus der Art der Krankheit des Klägers - Folgen einer Verletzung der linken Schulter -, wie sie auch im Gutachten des Herrn Dr. Z. beschrieben ist, ohne weiteres erschließt, dass der Kläger zwar in Bezug auf die von ihm vertraglich geschuldete Tätigkeit eines Haustechnikers bzw. Hausmeisters arbeitsunfähig, jedoch hinsichtlich der Teilnahme an einer Betriebsratssitzung durchaus amtsfähig war. Nach allem ist anzunehmen, dass der Kläger zu Recht zur Betriebsratssitzung vom 18.09.2003 geladen wurde und zulässigerweise daran teilnahm.

Da die ordentliche Kündigung vom 13.02.2004 nach dem oben (zu a.) Ausgeführten nicht aufgrund von Tatsachen ausgesprochen wurde, die den Arbeitgeber zur Kündigung aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist berechtigten, ist diese Kündigung unwirksam.

Dies gälte auch dann, wenn die ordentliche Kündigung vom 13.02.2004 - wie nicht - in eine ordentliche Kündigung zum Ablauf des 31.12.2005 umgedeutet werden könnte.

Soweit die Beklagte bemängelt, es könne nicht Sinn des Gesetzes sein, einerseits dem Arbeitgeber nach § 88 Abs. 3 SGB IX aufzugeben, die Kündigung innerhalb eines Monats auszusprechen, gleichzeitig aber in § 15 KSchG einen nachwirkenden Kündigungsschutz in Form einer Kündigungssperre zu statuieren, steht diese Auffassung schlicht nicht auf dem Boden des Gesetzes. Zum einen enthält § 88 Abs. 3 SGB IX keine "Pflicht" zur Kündigung, sondern eine Begrenzung des Kündigungsrechts in zeitlicher Hinsicht. Zum anderen ist das Zusammentreffen verschiedener (besonderer) Kündigungsschutzregelungen ein gängiges - und hinzunehmendes - arbeitrechtliches Phänomen.

2. Die Anschlussberufung des Klägers ist unbegründet. Denn der Kläger kann nicht mehr vertragsgemäß eingesetzt werden. Der Kläger selbst hat bereits im ersten Rechtszug eingeräumt (sofortige Beschwerde gemäß Schriftsatz vom 22.03.2005, Seite 2), er sei nicht in der Lage, schwere Lasten zu heben und zu tragen, genau diese Tätigkeiten erfordere aber die Einstellung als Haustechniker.

Dass der Kläger einige der von ihm geschuldeten Tätigkeiten ausüben kann, z.B. Kontroll- und Aufsichtstätigkeiten, ändert nichts daran, dass er nicht mehr in der Lage ist, die aufgrund des konkreten Arbeitsvertrages geschuldeten Kernaufgaben eines Haustechnikers bzw. Hausmeisters auszuüben. Die nach dem orthopädischen Gutachten Dr. Z. den Kläger noch möglichen Tätigkeiten entsprechen nicht mehr dem Berufsbild der Aufgabenstellung eines Haustechnikers bzw. Hausmeisters. Hierzu gehören wesentlich die - auch in der vorlegten Stellenbeschreibung enthaltenen - Renovierungs- bzw. Modernisierungstätigkeiten, die Veranstaltungsvorbereitung (Bestuhlung, Beleuchtung, Verstärkeranlagen), die Sicherung der Zufahrtswege (Schneeräumen etc.), die Pflege der Gartenanlagen sowie zusätzliche Hausmeisterleistungen bei Bewohnern. Geht man davon aus, dass der Kläger diese Arbeiten aufgrund seiner gesundheitlichen Einschränkungen nicht erbringen kann, so verbleiben Tätigkeiten, die nicht mehr der vertraglich zugrunde zu legenden Art der Arbeit entsprechen. Damit ist dem Arbeitsgericht darin zuzustimmen, der Kläger verlange von der Beklagten etwas Unmögliches.

Ob er einen Anspruch auf Vertragsänderung nach der neuesten Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts hat (vgl. BAG vom 10.05.2005, Az. 9 AZR 230/04; BAG vom 04.10.2005, Az. 9 AZR 632/04; BAG vom 14.03.2006, Az. 9 AZR 411/05) kann dahinstehen, weil ein solcher Anspruch nicht geltend gemacht ist.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1, 92 Abs. 1 Satz 1 ZPO.

4. Die Revision wird für keine der Parteien zugelassen. Auf die Möglichkeit, Nichtzulassungsbeschwerde zum Bundesarbeitsgericht zu erheben, wird hingewiesen.

Ende der Entscheidung

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