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Gericht: Landesarbeitsgericht München
Urteil verkündet am 23.10.2008
Aktenzeichen: 3 Sa 513/08
Rechtsgebiete: MTV für die Arbeitnehmer des Bayerischen Groß- und Außenhandels, TVG, NachwG, BGB


Vorschriften:

MTV für die Arbeitnehmer des Bayerischen Groß- und Außenhandels § 18
TVG § 5
NachwG § 2
BGB § 242
BGB § 280
BGB § 286
1. Die normative Wirkung von für allgemeinverbindlich erklärten tarifvertraglichen Bestimmungen in Außenseiter-Arbeitsverhältnissen ist nicht davon abhängig, dass die betreffende Tarifnorm für die Arbeitnehmerseite "günstig" ist.

2. Eine Klausel im Arbeitsvertrag, dass, soweit im Arbeitsvertrag keine besonderen Vereinbarungen getroffen worden sind, "in Ergänzung hierzu" die Bestimmungen eines - hinreichend genau bezeichneten - Tarifvertrags "zum Vertragsinhalt gemacht" werden, genügt der Nachweispflicht des § 2 Abs.1 Satz 2 Nr.10 NachwG.


Landesarbeitsgericht München Im Namen des Volkes URTEIL

3 Sa 513/08

Verkündet am: 23.10.2008

In dem Rechtsstreit

hat die 3. Kammer des Landesarbeitsgerichts München auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 23. Oktober 2008 durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Dr. Rosenfelder und die ehrenamtlichen Richter Wildmoser und Ammicht

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Klägerin gegen das Endurteil des Arbeitsgerichts München vom 29. April 2008 - 21 Ca 10433/07 - wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten um Ansprüche der Klägerin auf Arbeitsentgelt aus dem Gesichtspunkt des Annahmeverzuges.

Die nicht gewerkschaftlich organisierte Klägerin war vom 01.06.2003 bis 28.02.2006 bei der Beklagten als Kommissioniererin beschäftigt. Das Arbeitsverhältnis fällt unter den Geltungsbereich des Manteltarifvertrages für die Arbeitnehmer des Bayerischen Groß- und Außenhandels vom 01.07.1997, der seit dem genannten Datum für allgemeinverbindlich erklärt ist. Die Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 19.01.2007 fristlos. Die Klägerin erhob hiergegen Kündigungsschutzklage, die der Beklagten am 05.02.2007 zugestellt wurde. Mit Schriftsatz vom 08.02.2007 beantragte die Beklagte Abweisung der Kündigungsschutzklage. Im genannten Verfahren fanden am 13.03.2007 und 08.05.2007 Termine zur Güteverhandlung statt. Im zweiten Gütetermin einigten sich die Parteien auf eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum 28.02.2007, ohne dass die Abrechnung und Auszahlung der Vergütung der Klägerin für die Zeit ab Zugang der fristlosen Kündigung bis zum 28.02.2007 vereinbart worden wäre. Die Beklagte rechnete das Arbeitsverhältnis bis einschließlich 19.01.2007 ab und zahlte den entsprechenden Betrag an die Klägerin aus. Diese machte mit Schreiben vom 12.06.2007 Abrechnung und Auszahlung ihrer Gehälter für die Zeit ab 20.01.2007 bis 28.02.2007 geltend. Die Beklagte lehnte dies unter Berufung auf die Ausschlussfristenregelung des § 18 Ziffer 4 des genannten Manteltarifvertrages (künftig: MTV) ab.

Gemäß § 18 Ziffer 1 c MTV sind Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis, soweit sie nicht aus einer Nichtübereinstimmung des ausgezahlten Betrages mit der Entgeltabrechnung bzw. dem Entgeltnachweis und aus einer fehlerhaften Errechnung des Entgelts oder der Abzüge resultieren und soweit es sich nicht um Urlaubsansprüche handelt, innerhalb von zwei Monaten nach Fälligkeit gegenüber der Geschäftsleitung oder der von ihr bezeichneten Stelle zunächst mündlich, bei Erfolglosigkeit schriftlich geltend zu machen. § 18 Ziffer 4 MTV bestimmt, dass der Arbeitnehmer/die Arbeitnehmerin das Arbeitsgericht anrufen muss, wenn die Erfüllung der Ansprüche von der Geschäftsleitung abgelehnt worden ist oder sich die Geschäftsleitung nicht innerhalb von zwei Wochen erklärt. Geschieht dies nicht, so erlöschen die Ansprüche.

In § 10 Abs. 1 des Arbeitsvertrages der Parteien vom 01.06.2003 ist bestimmt, dass, soweit in diesem Vertrag keine besonderen Vereinbarungen getroffen worden sind, in Ergänzung hierzu die Bestimmungen des jeweils gültigen Manteltarifvertrages des Groß-und Außenhandels Bayern zum Vertragsinhalt gemacht werden. Gemäß § 10 Abs. 3 des Arbeitsvertrages erklärt der Arbeitnehmer, dass er von den Bestimmungen der Tarifverträge und falls vorhanden von Betriebsvereinbarungen Kenntnis genommen hat bzw. Kenntnis nehmen wird, und zu diesem Zweck die jeweils geltenden Vereinbarungen und Bestimmungen in der Personalabteilung des Betriebes zur Einsichtnahme ausliegen.

Die Klägerin begehrt für den Zeitraum vom 20.01.2007 bis 28.02.2007 von der Beklagten die Zahlung von Euro 2.323,37 brutto. Sie ist der Auffassung, die Vergütungsansprüche für diese beiden Monate seien nicht verfallen, weil sich die Beklagte nicht auf die Ausschlussfristregelung des § 18 MTV berufen könne und auch die Voraussetzungen für einen Verfall von Ansprüchen nach dieser Ausschlussfristregelung nicht gegeben seien. Sie trägt vor, die Parteien hätten vor dem Arbeitsgericht München über die Größenordnung der Nachzahlung ausdrücklich verhandelt und aufgrund der überschlägigen Berechnung der noch anfallenden Löhne sowie unter Berücksichtigung des Umstandes, dass die Klägerin aufgrund der Sperre durch das Arbeitsamt keine Zahlungen erhalten habe und damit für die Beklagte keine Erstattungsansprüche zu befürchten seien, den Vergleich geschlossen. Nach Auffassung der Klägerin ergibt sich der geltend gemachte Anspruch auch aus einer Schadenersatzverpflichtung der Beklagten. Diese sei ihrer Nachweispflicht gemäß § 2 Abs. 1 Satz 2 Nr. 10 NachwG nicht nachgekommen, weil sich aus dem Arbeitsvertrag nicht ergebe, dass der dort in Bezug genommene Tarifvertrag für allgemeinverbindlich erklärt sei und damit normativ, also unmittelbar und zwingend im Arbeitsverhältnis der Parteien gelte. Im Übrigen hält die Klägerin die arbeitsvertragliche Bezugnahme auf den MTV für unwirksam, weil sie gegen das Recht der Allgemeinen Geschäftsbedingungen verstoße.

Die Beklagte ist demgegenüber der Auffassung, die Klageforderung sei gemäß § 18 MTV verfallen, weil die Klägerin die zweite Stufe der Ausschlussfristregelung für die gerichtliche Geltendmachung nicht gewahrt habe. Die Berufung auf die Ausschlussfristregelung sei nicht treuwidrig, weil die Beklagte den Vergleich im Kündigungsschutzprozess nur deshalb geschlossen habe, weil dort keine Zahlungsverpflichtung enthalten gewesen sei. Im Zeitpunkt des Vergleichsabschlusses seien die Ansprüche der Klägerin darüber hinaus bereits verfallen gewesen. Nach Auffassung der Beklagten genügt die Bezugnahme auf den MTV im Arbeitsvertrag der Parteien den Anforderungen des § 2 Abs. 1 Satz 2 Nr. 10 NachwG.

Das Arbeitsgericht München hat mit Endurteil vom 29.04.2008, auf das hinsichtlich des Vortrags der Parteien im ersten Rechtszug, der erstinstanzlich gestellten Anträge sowie der Einzelheiten der rechtlichen Erwägungen des Erstgerichts verwiesen wird, die Klage auf Zahlung von Euro 2.323,37 brutto nebst Zinsen abgewiesen.

Zur Begründung hat das Arbeitsgericht ausgeführt, die streitgegenständlichen Ansprüche seien gemäß § 18 Ziffer 4 MTV verfallen, weil die Klägerin sie nicht nach Ablehnung durch die Beklagte, in Form des Antrags auf Klageabweisung im Kündigungsschutzprozess innerhalb zweier Monate gerichtlich geltend gemacht habe. Spätestens am 30.04.2007 sei die zweite Stufe der tarifvertraglichen Ausschlussfristregelung abgelaufen, also drei Monate vor Erhebung der gegenwärtigen Zahlungsklage. Die Beklagte handele nicht treuwidrig, wenn sie sich auf die Ausschlussfrist berufe, weil sich aus dem Vortrag der Klägerin lediglich ergebe, dass im zweiten Gütetermin vor dem Arbeitsgericht zwar über die Gehälter für Januar und Februar 2007 verhandelt worden, eine Einigung darüber aber nicht zustande gekommen sei. Der Anspruch der Klägerin ergebe sich auch nicht aus Schadenersatzgesichtspunkten. Zwar genüge § 10 des Arbeitsvertrages nicht den Anforderungen des § 2 NachwG, da der Hinweis auf die Geltung des MTV "in Ergänzung" falsch sei. Vielmehr gelte dieser Tarifvertrag uneingeschränkt kraft Allgemeinverbindlicherklärung. Der eingetretene Schaden sei jedoch nicht durch den unterbliebenen Hinweis verursacht worden, weil davon auszugehen sei, dass die Klägerin und ihre Prozessbevollmächtigte den Tarifvertrag auch dann nicht beachtet hätten, wenn sie die Allgemeinverbindlichkeit des MTV gekannt hätten.

Die Klägerin hat gegen das ihr am 05.05.2008 zugestellte Endurteil vom 29.04.2008 mit einem am 28.05.2008 beim Berufungsgericht eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt und diese innerhalb verlängerter Berufungsbegründungsfrist mit einem am 24.07.2008 eingegangenen Schriftsatz begründet.

Sie hält daran fest, dass ein Verfall gemäß § 18 MTV nicht eingetreten sei. Das Arbeitsgericht gehe rechtsirrig von einer Geltung dieses Tarifvertrags kraft Allgemeinverbindlicherklärung aus. Es übersehe, dass es sich bei allgemeinverbindlichen tarifvertraglichen Regelungen um die Regelung von Mindestarbeitsbedingungen für Nichtorganisierte handele. Die Verfallfristen in einem Tarifvertrag seien jedoch keine dem Zweck der Mindeststandards dienenden Regelungen. Aufgrund arbeitsvertraglicher Inbezugnahme des Tarifvertrages seien die Parteien nicht im Sinne des § 3 Abs. 1 TVG tarifgebunden. Diese Wirkung sei nicht tarifrechtlicher Art, sondern habe bloß schuldrechtlichen Charakter. Es könne also nur eine vereinbarte Geltung in Frage kommen, nicht jedoch die Normwirkung eines Tarifvertrages.

Das Erstgericht führe nicht einmal aus, welcher Tarifvertrag denn auf das Arbeitsverhältnis der Klägerin Anwendung finden und welche Norm des MTV für sie gelten solle.

Die Klägerin meint, die Beklagte habe in den als Allgemeine Geschäftsbedingungen im Sinne von § 305 Abs. 1 BGB anzusehenden arbeitsvertraglichen Bestimmungen nicht eine Globalverweisung auf das gesamte Tarifwerk vorgenommen, sondern lediglich eine Teilverweisung für die Ausfüllung von Vertragslücken (Teilverweisung für die Ausfüllung von Vertragslücken). Eine solche Lücke liege aber in Bezug auf die Ausschlussfristregelung nicht vor. Das Fehlen einer Ausschlussklausel sei keine Vertragslücke. Ein übereinstimmender Wille der Vertragsparteien zur Vereinbarung einer Verfallfristregelung finde im Vertragstext keine Grundlage.

Im Übrigen scheitert die Wirksamkeit der vertraglichen Bezugnahme auf den MTV nach Auffassung der Klägerin auch an der Unklarheitenregel gemäß § 305 c Abs. 2 BGB, an ihrer Intransparenz gemäß § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB und daran, dass die Verweisung in § 10 des Arbeitsvertrages eine einzelvertragliche Abweichung von den gesetzlichen Verjährungsvorschriften enthalte.

Die Klägerin hält daran fest, dass die Beklagte gegen ihre Nachweispflicht gemäß § 2 Abs. 1 NachwG verstoßen habe und somit Schadenersatz in Höhe des geltend gemachten Betrages leisten müsse. Die Auffassung des Erstgerichts, es sei davon auszugehen, dass der eingetretene Schaden nicht durch den unterbliebenen Hinweis verursacht worden sei, ist für die Klägerin nicht nachvollziehbar. Die Erwägung, die Klägerin hätte bei Annahme der Geltung der Ausschlussfrist des § 18 MTV diese Frist nicht beachten wollen, sei lebensfremd und völlig willkürlich.

Die Klägerin beantragt:

1. Das Urteil des Arbeitsgerichts München, Aktenzeichen 21 Ca 10433/07, wird aufgehoben.

2. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin Euro 2.323,37 brutto nebst der Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 08.05.2007 zu bezahlen.

Die Beklagte beantragt kostenpflichtige Zurückweisung der Berufung.

Sie pflichtet dem Arbeitsgericht darin bei, dass die geltend gemachte Forderung auf Gehaltszahlung für Januar und Februar 2007 verfristet sei. Das Arbeitsgericht habe sich umfassend mit den tarifvertragsrechtlichen Rechtsgrundlagen und sei sowohl auf § 18 Ziffer 1 c MTV als auch auf § 18 Ziffer 4 MTV eingegangen. Da der genannte MTV allgemeinverbindlich sei, gelte er sowohl für organisierte als auch für nichtorganisierte Arbeitgeber und Arbeitnehmer, und zwar in allen seinen Bestimmungen. Abweichungen vom MTV gälten nur, wenn im Arbeitsvertrag positive Regelungen enthalten seien, die der Manteltarifvertrag nicht vorsehe, bzw. solche, die zugunsten des Arbeitnehmers hiervon abwichen. Aufgrund der Allgemeinverbindlichkeit des MTV komme dem § 10 des Arbeitsvertrages lediglich deklaratorische Wirkung zu. Diese Vertragsbestimmung erlange lediglich dann konstitutiven Charakter, wenn ein Betrieb aus dem betrieblichen Geltungsbereich des Manteltarifvertrages heraus falle.

Die Beklagte meint, sie habe ihre Pflicht aus § 2 Abs. 1 NachwG erfüllt. Denn im Arbeitsvertrag werde darauf hingewiesen, dass die Bestimmungen des jeweils gültigen Manteltarifvertrages des Groß- und Außenhandels Bayern gelten sollten. Damit sei eindeutig und klar der gesamte Inhalt des Manteltarifvertrages als Grundlage des Arbeitsverhältnisses angesprochen. Dass sich im Arbeitsvertrag Regelungen fänden, die im Manteltarifvertrag nicht enthalten sind, bedeute nicht im Gegenschluss, dass aus diesem Grunde ein Hinweis auf § 18 MTV hätte erfolgen müssen. Auch verlange das Nachweisgesetz nicht den Hinweis, aufgrund welcher Rechtsgrundlage - einzelvertraglich oder kraft Allgemeinverbindlichkeit - die Bestimmungen des MTV Anwendung finden, sondern lediglich einen Hinweis "in allgemeiner Form". Es spiele deshalb nicht die geringste Rolle, wenn formuliert sei, dass die Tarifverträge "in Ergänzung des Arbeitsvertrages" oder als Grundlage des Arbeitsverhältnisses, soweit im Arbeitsvertrag selbst keine Regelungen enthalten sind, zur Anwendung kommen sollten. Mit dem Hinweis in § 10 des Arbeitsvertrages wisse der Arbeitnehmer, dass weitere Regelungen im Manteltarifvertrag zu beachten sind, so dass es ein Leichtes gewesen wäre, diese in der Personalabteilung bzw. in der Bibliothek des Arbeitsgerichts München durchzusehen.

Allerdings gehe das Arbeitsgericht zu Unrecht davon aus, dass der Hinweis in § 10 des Arbeitsvertrages falsch sei und den Anforderungen des § 2 Abs. 1 bis 3 NachwG nicht genüge. Das Erstgericht habe übersehen, dass selbst dann, wenn ein Manteltarifvertrag nur "in Ergänzung" gelten solle, dieser MTV dann uneingeschränkt einschließlich der Ausschlussfristenklausel gelten solle.

Hinsichtlich des sonstigen Vortrags der Parteien im zweiten Rechtszug wird auf die Schriftsätze der Klägerin vom 15.07.2008 und der Beklagten vom 18.09.2008 sowie auf die Sitzungsniederschrift vom 23.10.2008 verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist unbegründet. Das Arbeitsgericht hat zu Recht angenommen, dass die streitgegenständlichen Ansprüche, soweit sie auf Annahmeverzug der Beklagten gestützt werden, nach § 18 des allgemeinverbindlichen MTV verfallen sind und dass sie auch nicht auf schadenersatzrechtliche Grundlagen gestützt werden können.

1. Das Arbeitsgericht hat zu Recht angenommen, dass der Anspruch auf restliches Gehalt für Januar 2007 und auf Gehalt für Februar 2007 gemäß §§ 615, 293, 296 BGB entstanden sind. Insoweit wird gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG auf die zutreffenden Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils verwiesen. Das Gleiche gilt in Bezug auf die Ausführungen des Arbeitsgerichts zum eingetretenen Verfall der Ansprüche der Klägerin gemäß § 18 Ziffer 4 MTV.

a) Es trifft zu, dass das Restentgelt für Januar 2007 und auf Entgelt für Februar 2007 jeweils jedenfalls am Monatsletzten fällig waren. Es trifft auch zu, dass die Erhebung der Kündigungsschutzklage, die am 05.02.2007 zugestellt wurde, die erste Stufe der Ausschlussfrist - Ausschlussfrist für die schriftliche Geltendmachung - gemäß § 18 Ziffer 1 c MTV gewahrt hat (vgl. BAG 26.04.2006 - 5 AZR 403/05; BAG 11.12.2001 - 9 AZR 570/00; BAG 08.08.2000 - 9 AZR 418/99). Zu Recht ist das Arbeitsgericht auch davon ausgegangen, dass der Klageabweisungsantrag der Beklagten im Kündigungsschutzprozess, also der Schriftsatz vom 08.02.2007, als schriftliche Ablehnung der Ansprüche der Klägerin anzusehen ist (vgl. BAG 26.04.2006 - 5 AZR 403/05 - unter Aufgabe der früheren Rechtsprechung des BAG). Die zweite Stufe der tarifvertraglichen Ausschlussfristregelung - Ausschlussfrist für die gerichtliche Geltendmachung - ist somit nach schriftlicher Ablehnung durch die Beklagte und (jeweils) mit Fälligkeit der Gehaltsansprüche, mithin spätestens am 31.01.2007 (Januargehalt) und am 28.02.2007 (Februargehalt) eingetreten. Dies hat zur Folge, dass jedenfalls mit Ablauf des 30.04.2007, also noch vor Abschluss des Vergleichs im Kündigungsschutzverfahren am 08.05.2007 und weit vor Erhebung der vorliegenden Zahlungsklage, verfallen waren.

b) Entgegen der Auffassung der Klägerin gilt die tarifvertragliche Ausschlussfristregelung des § 18 MTV für das Arbeitsverhältnis der Parteien.

Das Arbeitsverhältnis fällt zweifellos unter den zeitlichen, fachlichen, betrieblichen und persönlichen Geltungsbereich des genannten Tarifvertrages. Die Bestimmungen des Tarifvertrages erfassen das Arbeitsverhältnis gemäß § 5 Abs. 4 i. V. m. § 4 Abs. 1 Satz 1 TVG unmittelbar und zwingend, also mit sog. normativer Wirkung.

Dies gilt auch in Bezug auf die Ausschlussfristregelung des § 18 MTV. Den - schwer verständlichen - Ausführungen der Klägerin im zweiten Rechtszug, die offensichtlich darauf abzielen, dass die tarifvertragliche Ausschlussfristregelung nicht normativ gelte, weil sie für die Arbeitnehmer nachteilig sei, kann nicht gefolgt werden. Zum einen wirkt eine solche Ausschlussfristregelung nicht nur zum Nachteil der Arbeitnehmer; sie kann auch für diese vorteilhaft sein, nämlich wenn es sich um den Verfall von Ansprüchen des Arbeitgebers handelt (vgl. § 18 Ziffer 4 letzter Satz MTV). Zum anderen ist es ein Missverständnis anzunehmen, dass die Allgemeinverbindlicherklärung eines Tarifvertrages nur den Zweck habe, für Arbeitnehmer günstige Regelungen zu schaffen. Vielmehr will das Institut der Allgemeinverbindlicherklärung erreichen, dass ein Tarifvertrag als ausgewogenes Regelwerk von Arbeitsbedingungen, in dem die gegenläufigen Interessen der Arbeitnehmer- und Arbeitgeberseite zu einem angemessenen Ausgleich gebracht sind, auf Arbeitsverhältnisse in "prekären Branchen" angewandt werden, in denen bei frei vereinbarten Arbeitsbedingungen und bei Fehlen beiderseitiger Tarifgebundenheit dieser Ausgleich der Interessen nicht gewährleistet wäre. Die Allgemeinverbindlicherklärung will somit den Folgen einer Störung der Vertragsparität durch Geltung eines ausgewogenen Regelwerks entgegenwirken (vgl. die frühere Theorie der "materiellen Richtigkeitsgewähr" des Tarifvertrages). Dies bedeutet keinesfalls, dass nur solche Tarifnormen von der normativen Wirkung der Allgemeinverbindlicherklärung erfasst würden, die für Arbeitnehmer günstig sind. Die Verwendung des Begriffs der Mindestarbeitsbedingungen durch die Klägerin in diesem Zusammenhang führt in die Irre. Dieser Begriff bedeutet nichts anderes, als dass von den tarifvertraglichen Normen über die Begründung, den Inhalt oder die Beendigung von Arbeitsverhältnissen zwar zu Gunsten der Arbeitnehmer, nicht jedoch zu deren Lasten abgewichen werden kann. Darum geht es hier indes nicht, weil der Arbeitsvertrag der Parteien keinerlei Regelungen oder Aussagen im Hinblick auf eine Ausschlussfrist enthält. Die Ausführungen der Klägerin zur angeblich fehlenden Lückenhaftigkeit des Arbeitsvertrages in Bezug auf eine Ausschlussfristregelung gehen somit fehl. Der MTV erfasst aufgrund von § 5 Abs. 4 TVG als Ganzes das Arbeitsverhältnis, ob nun die Bestimmungen des Arbeitsvertrages lückenhaft sind oder nicht. Die Beklagte hat mit Recht darauf hingewiesen, dass ein Manteltarifvertrag, wenn er allgemeinverbindlich ist, in allen seinen Bestimmungen sowohl für organisierte als auch für nichtorganisierte Arbeitgeber und Arbeitnehmer gilt, es sei denn im Arbeitsvertrag wären Regelungen enthalten, die der Manteltarifvertrag nicht vorsehe bzw. solche, die zu Gunsten des Arbeitnehmers hiervon abweichen. Keiner dieser Ausnahmefälle liegt hier vor.

Nach allem ist die von der Klägerin für richtig gehaltene teleologische Reduktion des § 5 Abs. 4 TVG abzulehnen.

c) Der Beklagten ist es nicht gemäß § 242 BGB verwehrt, sich auf die tarifvertragliche Ausschlussfristregelung zu berufen. Dies gilt auch dann, wenn die Parteien vor Vergleichschluss über die Höhe möglicher Annahmeverzugsansprüche "verhandelt" haben, wie dies die Klägerin vorträgt. Denn auch dann ist nicht anzunehmen, dass nach der übereinstimmenden Vorstellung beider Parteien - also auch der Beklagten - Grundlage des Vergleichsschlusses die Befriedigung der streitgegenständlichen Annahmeverzugsansprüche war. Auch sind von Seiten der Klägerin keine konkreten Erklärungen oder Verhaltensweisen der Beklagten vor Abschluss des Vergleichs am 08.05.2007 vorgetragen, aus denen sich konkret ergäbe, dass die Beklagte die Begleichung dieser Ansprüche als sicher in Aussicht gestellt und somit bei der Klägerin den Eindruck erweckt hätte, sie müsse diese Ansprüche nicht mehr geltend machen, weil die Beklagte auf jeden Fall zur Erfüllung bereit sei. Die Beklagte hat die Klägerin also nicht in diesem Sinne von der Geltendmachung ihrer Ansprüche abgehalten mit der Folge, dass die Berufung auf die Ausschlussfristregelung nunmehr im Widerspruch zum eigenen bisherigen Verhalten der Beklagten stünde (venire contra factum proprium). Das von der Klägerin geschilderte "Verhandeln" mag deshalb ein entscheidendes Motiv für den Vergleichsschluss auf ihrer Seite gewesen sein. Dass dies auch auf der Seite der Beklagten so war, lässt sich aus dem Vortrag der Klägerin dagegen nicht ableiten, zumal bei Vergleichsabschluss die schriftliche Geltendmachung und Ablehnung der streitgegenständlichen Ansprüche durch die Beklagte bereits vorlag und die tarifvertragliche Ausschlussfrist, zweite Stufe, bereits abgelaufen war.

d) Entgegen der Auffassung der Klägerin liegt in der Regelung des Vergleichs vom 08.05.2007, die Parteien seien sich einig, dass das Arbeitsverhältnis (nicht bereits aufgrund fristloser Kündigung, sondern erst) infolge ordentlicher Arbeitgeberkündigung mit Ablauf des 28.02.2007 geendet habe, kein Anerkenntnis von Entgeltansprüchen aus dem Gesichtspunkt des Annahmeverzugs bis dahin. Denn die Parteien haben mit dieser Formulierung gerade nicht vereinbart, dass jegliche Rechtsfolgen, die aus der Fristlosigkeit der Kündigung resultieren könnte, gegenstandslos sei. Sie haben vielmehr lediglich die Kündigung mit einer Frist versehen und sich somit auf die bloße Festlegung eines späteren rechtlichen Beendigungszeitpunkts verständigt. Darin ist kein (konkludentes) Anerkenntnis von Annahmeverzugsansprüchen zu sehen.

e) Im Übrigen sei - ohne dass es für den Ausgang des Rechtsstreits darauf ankäme - darauf hingewiesen, dass der Arbeitsvertrag in Bezug auf die Geltung einer Ausschlussfristregelung tatsächlich nicht lückenhaft ist, dies jedoch nicht aus den von der Klägerin angestellten Erwägungen, sondern, weil die arbeitsvertragliche Bezugnahme hier weder überraschend im Sinne von § 305 c Abs. 1 noch mehrdeutig gemäß § 305 c Abs. 2 BGB und weil sie auch nicht intransparent im Sinne von § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB ist mit der Folge, dass die Parteien die Geltung einer Ausschlussfristregelung arbeitsvertraglich vereinbart haben. Die tarifvertragliche Ausschlussfristregelung selbst unterliegt gemäß § 310 Abs. 4 BGB keiner Inhaltskontrolle nach §§ 305 ff. BGB (vgl. BAG 28.06.2007 - 6 AZR 750/06).

2. Das Berufungsgericht folgt dem Erstgericht auch darin, dass die Ansprüche der Klägerin nicht auf Schadensersatzgrundsätze gestützt werden können.

a) Allerdings folgt dies nicht erst aus der fehlenden Kausalität eines Verstoßes der Beklagten gegen die Nachweispflicht des § 2 Abs. 1 NachwG, sondern bereits daraus, dass die Beklagte in Bezug auf die Anwendung des MTV und damit auch des § 18 MTV auf das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht gegen das Nachweisgesetz verstoßen hat.

§ 10 Abs. 1 des Arbeitsvertrages vom 01.06.2003 genügt den Anforderungen des § 2 Abs. 1 Satz 2 Nr. 10 NachwG. Denn es wird deutlich gemacht, dass der MTV im Arbeitsverhältnis gelten solle. Dies ist der vom Gesetz geforderte "in allgemeiner Form gehaltene Hinweis" auf den anzuwendenden Tarifvertrag. Dieser Hinweis ist hinreichend bestimmt. Denn der in Bezug genommene Tarifvertrag kann aufgrund der arbeitsvertraglichen Bestimmung eindeutig identifiziert werden. Die Beklagte hat zu Recht ausgeführt, mit dem Hinweis in § 10 des Arbeitsvertrages wisse die Klägerin, dass weitere Regelungen im Manteltarifvertrag zu beachten seien, so dass es ein Leichtes gewesen wäre, diese in der Personalabteilung einzusehen.

b) Entgegen der Auffassung der Klägerin und des Arbeitsgerichts ist der Hinweis auf den MTV in § 10 Abs. 1 des Arbeitsvertrages nicht im Sinne von § 2 Abs. 1 Satz 2 Nr. 10 NachwG fehlerhaft, weil dort nicht klar gestellt ist, dass dieser Tarifvertrag kraft Allgemeinverbindlicherklärung normativ und nicht lediglich "in Ergänzung" gelte.

§ 2 Abs. 1 Satz 2 Nr. 10 NachwG fordert nur einen "in allgemeiner Form gehaltenen Hinweis" auf den betreffenden Tarifvertrag, nicht dagegen einen Hinweis auf den Grund und die spezifische Wirkungsweise der Geltung, also darauf, ob der Tarifvertrag kraft arbeitsvertraglicher Bezugnahme oder normativ gilt. Die von der Klägerin geforderte Klarstellung, dass der MTV nicht lediglich "in Ergänzung" der arbeitsvertraglich getroffenen Regelungen gilt, würde aber die Frage betreffen, warum der Tarifvertrag im Arbeitsverhältnis Anwendung findet. Eine solche Angabe fordert das Gesetz gerade nicht (BAG 23.01.2002 - 4 AZR 650/01; BAG 05.11.2003 - 5 AZR 676/02). Auch ein Hinweis auf die Wirkungsweise des Tarifvertrages - vertragliche Bezugnahme mit der Folge, dass abweichende arbeitsvertragliche Bestimmungen vorgehen, selbst wenn sie nachteilig sind, oder normative, also unmittelbare und zwingende Wirkung - ist gesetzlich nicht geboten. Vielmehr soll die Arbeitnehmerin oder der Arbeitnehmer wissen, in welchem tariflichen Regelwerk im Zweifels- oder Streitfall Bestimmungen über die Begründung, den Inhalt oder die Beendigung des Arbeitsverhältnisses zu finden sind. Dieser Anforderung wird § 10 Abs. 1 des Arbeitsvertrages der Parteien gerecht. Die Hinweispflicht des § 2 Abs. 1 Satz 2 Nr. 10 NachwG dient dagegen nicht der Beantwortung der Frage, ob und in welchem Umfang arbeitsvertragliche Regelungen entsprechenden tarifvertraglichen Bestimmungen vorgehen. Dies kann und muss ggf. die Arbeitnehmerin oder der Arbeitnehmer selbst ermitteln, notfalls mit Hilfe des Tarifregisters (§ 6 TVG).

Ein Hinweis auf Geltungsgrund und Wirkungsweise des Tarifvertrages ist im Rahmen von § 2 Abs. 1 Satz 2 Nr. 10 NachwG auch nicht deshalb geboten, weil die Arbeitnehmerin oder der Arbeitnehmer bei Geltung des Tarifvertrages lediglich aufgrund arbeitsvertraglicher Bezugnahme geneigt sein könnte, nur den arbeitsvertraglichen, nicht dagegen den tarifvertraglichen Bestimmungen Beachtung zu schenken, wogegen bei normativer Wirkung ein Anstoß dafür gegeben wäre, den gesamten Inhalt der arbeitsvertraglichen Beziehungen auf eine Vereinbarkeit mit den tarifvertraglichen Bestimmungen zu überprüfen. Denn vor einer möglichen Fehleinschätzung der Wirkungsweise der tarifvertraglichen Bestimmungen will § 2 Abs. 1 Satz 2 Nr. 10 NachwG nach dem oben Ausgeführten die betroffenen Arbeitnehmer nicht bewahren. Entscheidend ist, dass sie wissen, in welchem Regelwerk sie - abgesehen vom Arbeitsvertrag - nachsehen müssen, wenn es um klärungsbedürftige Punkte geht. Deshalb spielt es keine Rolle, ob die Tarifverträge "in Ergänzung des Arbeitsvertrages" oder "neben den arbeitsvertraglichen Bestimmungen" oder aber "im Übrigen" gelten (vgl. die Formulierung bei ErfK/Preis, 8. Aufl., § 2 NachwG Rn. 29).

c) Der Hinweis auf den MTV in § 10 Abs. 1 des Arbeitsvertrages der Parteien ist im Übrigen schon deshalb nicht falsch, weil er zulässigerweise die Fälle umfasst, dass das Arbeitsverhältnis nicht mehr unter den Geltungsbereich des Tarifvertrages fällt oder das dessen Allgemeinverbindlichkeit endet. § 10 Abs. 1 des Arbeitsvertrages zeigt, dass die Parteien gerade in solchen Fällen keine wesentliche Änderung der Vertragsbedingungen herbeiführen wollten, die eine Mitteilungspflicht gemäß § 3 NachwG auslösen würde.

Nach allem scheidet der geltend gemachte Schadenersatzanspruch aus.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

4. Die Revision wird nicht zugelassen. Auf die Möglichkeit, Nichtzulassungsbeschwerde zum Bundesarbeitsgericht zu erheben, wird hingewiesen.

Ende der Entscheidung

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