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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht München
Urteil verkündet am 30.03.2006
Aktenzeichen: 3 Sa 645/05
Rechtsgebiete: ZPO, BGB


Vorschriften:

ZPO § 301
BGB § 280 Abs. 2
BGB § 284
BGB § 286
BGB § 362
BGB § 611
BGB § 676 a
BGB § 676 b
BGB § 676 c
BGB § 676 d
BGB § 812
BGB § 814
1. Zu den Voraussetzungen für den Erlass eines Teilurteils gem. § 301 ZPO.

2. Zahlt der Arbeitgeber nach Ausspruch einer fristlosen Kündigung das Gehalt "versehentlich" weiter, korrigiert er dies später lediglich buchhalterisch, indem er die "versehentlichen" Gehaltszahlungen als "Rückrechnungsposition", also Abzugsposten in das Jahres-Lohnkonto des Arbeitnehmers einstellt, vollzieht er aber diese Rückrechnung nicht, weil die Kündigung zwischenzeitlich rechtskräftig für unwirksam erklärt ist, liegt keine ungerechtfertigte Bereicherung des Arbeitnehmers vor, die den §§ 812, 814 BGB unterläge. Vielmehr hat der Arbeitgeber in einem solchen Falle das Gehalt mit Rechtsgrund über den Zeitpunkt der fristlosen Kündigung hinaus weitergezahlt.

3. Die Erfüllungswirkung scheitert in einem solchen Fall nicht am Fehlen eines Handlungsbewusstseins des Arbeitgebers.

4. Bei einer Gehaltszahlung durch Banküberweisung ist kein Erfüllungsvertrag zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer erforderlich. Vielmehr gilt auch hier zur Erzielung der Erfüllungswirkung die reale Leistungsbewirkung.

5. Bei verspäteter Gehaltszahlung kann der Arbeitnehmer den Nettoentgeltverlust, der durch eine höhere steuerliche Belastung der geschuldeten Bruttovergütung entsteht, ggf. als Verzugsschaden (Progressionsschaden) geltend machen. Ein arbeitsvertraglichen Anspruch auf Zahlung der Nettovergütung in einer bestimmten Höhe - z.B. in Höhe des sich bei rechtzeitiger Zahlung ergebenden Nettoentgelts - besteht dagegen nur im Falle einer Nettoentgeltabrede. Steuerschaden wegen verspäteter Gehaltszahlung und Anspruch auf Zahlung von Nettoentgelt in bestimmter Höhe bei Bestehen einer Nettoentgeltabrede schließen einander aus.


LANDESARBEITSGERICHT MÜNCHEN IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

3 Sa 645/05

Verkündet am: 30. März 2006

In dem Rechtsstreit

hat die Dritte Kammer des Landesarbeitsgerichts München auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 15. Dezember 2005 durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Dr. Rosenfelder sowie die ehrenamtlichen Richter Herbst und Gerecke für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das Teilurteil des Arbeitsgerichts München vom 10.05.2005 - 23 Ca 18409/03 - wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten im Berufungsverfahren um einen vom Kläger gegenüber der Beklagten geltend gemachten Anspruch auf restliche, nicht ausgezahlte Nettovergütung der Jahre 2000 und 2001.

Der Kläger trat am 01.06.1980 in die Dienste des Beklagten als Angestellter in der Rechtsabteilung ein. Die Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis fristlos mit Schreiben vom 17.04.2000. Die vom Kläger hiergegen angestrengte Kündigungsschutzklage, mit der er zugleich Anspruch auf Weiterbeschäftigung erhob, war erfolgreich. Das Arbeitsgericht München stellte mit Endurteil vom 07.08.2001 fest, dass das Arbeitsverhältnis durch die genannte Kündigung nicht aufgelöst wurde und verurteilte den Beklagten zur Weiterbeschäftigung des Klägers sowie zur Zahlung von dessen Gehalt für Juli, August und September 2002 in Höhe von 28.635,51 DM brutto nebst Zinsen.

Der Beklagte rechnete im Jahr 2000 die Bruttogehälter des Klägers ungeachtet der fristlosen Kündigung vom 17.04.2000 bis einschließlich Juni 2000 ab, führte die gesetzlichen Abzüge an die zuständigen Stellen ab und zahlt den sich ergebenden Nettobetrag an den Kläger aus. Auf dem Lohnkonto des Klägers buchte der Beklagte allerdings später 17.441,11 DM brutto zurück als "Rückrechnung 18.04. bis 30.06.2000", weil er der Auffassung war, dass das Arbeitsverhältnis aufgrund der fristlosen Kündigung beendet worden sei und für den genannten Zeitraum kein Gehaltsanspruch mehr bestehe. Nach rechtskräftigem Abschluss des Kündigungschutzverfahrens zugunsten des Klägers leistete der Beklagte verschiedenen Nachzahlung bzw. Abschlagszahlungen auf die Gehaltsansprüche des Klägers für die Zeit vom Juli 2000 bis einschließlich Oktober 2001 in unterschiedlicher Höhe. Die "Rückrechnung 18.04. bis 30.06.2000" in Höhe von 17.441,11 DM brutto wurde dabei nicht vollzogen, d.h. dass die auf dem Gehaltskonto des Klägers als Abzugsposten gebuchten Bruttogehälter für den genannten Zeitraum dem Kläger verblieben. Ferner zahlte der Beklagte an den Kläger aufgrund eines gerichtlichen Vergleichsvorschlags für die Zeit vom 01.10.2000 bis 31.12.2000 gemäß Schreiben vom 13.10.2000 dreimal 5.800,00 DM brutto = 17.400,00 DM brutto. Diese Zahlungen sollten dem genannten Schreiben zufolge ausschließlich zur finanziellen Überbrückung dienen, mit keinem Präjudiz für die Parteien verbunden und nicht rückzahlbar sein. Erst ab November 2001 nahm der Beklagte die regelmäßigen, fortlaufenden Gehaltszahlungen an den Kläger wieder auf. Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass sich der vom Beklagten geschuldete Bruttolohn des Klägers für das Jahr 2000 auf 134.672,40 DM und für das Jahr 2001 auf 137.391,92 DM beläuft. Laut Lohnkonten 2000 und 2001 betragen die an den Kläger geleisteten Bruttozahlungen insgesamt 277.540,27 DM. Da die Aufaddierung der Bruttogehaltsbeträge der Jahre 2000 und 2001 lediglich 272.064,32 DM ergibt, enthält die Gesamtsumme von 277.540,27 DM nach Darstellung des Beklagten eine Zinszahlung in Höhe von 5.475,95 DM.

Der Kläger stellt die sich bei regelmäßiger, fortlaufender Gehaltsabrechnung und -zahlung für die Jahre 2000 und 2001 ergebenden Gesamtnettoansprüche in Höhe von 207.944,02 DM den aufgrund der unregelmäßigen - mit teilweise sehr hohen Nachzahlungen verbundenen - Zahlungsweise des Beklagten dem Kläger für die genannten Jahr tatsächlich zugeflossenen Nettobeträgen in Höhe von insgesamt 187.120,02 DM gegenüber und gelangt so zu einem noch offenen Nettobetrag in Höhe von 20.824,00 DM = 10.647,31 €. Diesen Betrag verlangt er von der Beklagten, wobei er die Zahlung des sog. Überbrückungsgeldes in Höhe von 17.400,00 DM brutto bzw. des sich ergebenden Nettobetrags in Höhe von 14.912,85 DM nicht als Entgeltzahlung akzeptiert. Ferner macht der Kläger einen sog. Steuernachteil in Höhe von 3.065,58 € geltend, der sich aus einem Differenzbetrag in Höhe von 2.579,64 € - Einkommenssteuer laut Steuerbescheide der Jahre 2000 und 2001 abzüglich Einkommensteuer bei regelmäßiger, fortlaufender Entgeltzahlung in den genannten Jahren -, also einem Progressionsschaden, sowie einem Steuernachteil in Höhe von 485,95 €, entstanden durch die vorübergehende Einstellung eines monatlichen Entgeltabzugs in Höhe von 200,00 DM zugunsten einer vom Kläger abgeschlossenen Direktlebensversicherung, zusammensetzt. Schließlich macht der Kläger Verzugszinsen in Höhe von 4.518,16 € geltend.

Der Beklagte ist der Auffassung, die Entgeltansprüche des Klägers für die Jahre 2000 und 2001 seien vollständig erfüllt. Da die Parteien keine Nettolohnvereinbarung getroffen hätten, könne der Kläger keine noch offene Nettolohndifferenz verlangen. Die Überbrückungszahlung in Höhe von insgesamt 17.400,00 DM brutto (3 x 5.800,00 DM) sei eine Gehaltszahlung gewesen. Hinsichtlich des vom Kläger geltend gemachten Steuernachteils fehle es an dem für einen Anspruch auf Verzugsschaden erforderlichen Verschulden des Beklagten. Ein Anspruch auf Verzugszinsen über die geleisteten Zahlungen hinaus bestehe nicht.

Das Arbeitsgericht München hat mit Teilurteil vom 10.05.2005, auf das hinsichtlich des unstreitigen Sachverhalts sowie des streitigen Vortrags der Parteien im ersten Rechtszug, der erstinstanzlich gestellten Anträge sowie der Einzelheiten der rechtlichen Erwägungen des Erstgerichts verwiesen wird, die Klage in Höhe von 10.667,31 € abgewiesen, weil der Beklagte ausschließlich eine Bruttovergütung schulde und der Anspruch hierauf für die Jahre 2000 und 2001 erfüllt sei. Die Nettolohndifferenzen ergäben sich primär aus der unterschiedlichen Steuerprogression wegen des Zuflusses der nachgezahlten Beträge im Jahr 2001. Der Kläger mache im Ergebnis den Steuerschaden zweimal geltend, und zwar einmal bei der Nettolohnnachforderung und zum anderen bei der bezifferten Geltendmachung des Steuerschadens. Die sog. Überbrückungszahlungen in Höhe von 3 x 5.800,00 DM seien nach den Gesamtumständen als Leistung von Lohnabschlägen auszulegen, so dass die Nettoklage auch aus diesem Gesichtspunkt in Höhe von 14.912,85 DM (sich aus 17.400,00 DM ergebender Bruttobetrag) = 7.624,82 € unbegründet sei.

Der Kläger hat gegen das ihm am 18.05.2005 zugestellte Teilurteil vom 10.05.2005 mit einem am 20.06.2005 - einem Montag - beim Berufungsgericht eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt und diese mit einem am 25.08.2005 eingegangenen Schriftsatz innerhalb verlängerter Frist begründet.

Er ist der Auffassung, die Voraussetzungen für den Erlass eines Teilurteils gemäß § 301 ZPO seien nicht gegeben. Deshalb müsse das Verfahren zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Arbeitsgericht zurückverwiesen werden. In der Sache habe das Arbeitsgericht die von der Beklagten mit der "Rückrechnung" von 17.441,11 DM für die Zeit vom 18.04. bis 30.06.2000 vorgenommen Aufrechnung nicht berücksichtigt. Die Voraussetzungen einer solchen Aufrechnung seien nicht gegeben. Die Rückforderung der weitergezahlten Vergütungsbeträge für den genannten Zeitraum gemäß § 812 Abs. 1 Satz 1, 1.Alternative BGB sei aufgrund von § 814 BGB ausgeschlossen. Auch fehle es hinsichtlich der Voraussetzungen einer rechtsgültigen Aufrechnung an einer wirksamen Willenserklärung. Die Weiterzahlung des Gehalts über die fristlose Kündigung vom 17.04.2000 hinaus bis zum 30.06.2000 stellt nach Auffassung des Klägers keine Erfüllung im Sinne von § 362 BGB dar, da hierfür ein Vertrag, mithin ein zweiseitiges Rechtsgeschäft erforderlich sei. Eine versehentliche Überweisung von Seiten des Beklagten sei jedoch keine Willenserklärung, weil es an einem Handlungsbewusstsein fehle. Dies ergebe sich auch daraus, dass der Beklagte selbst vortrage, das Geld sei versehentlich weiter überwiesen worden. Auch wenn der Betrag letzten Endes beim Kläger verblieben sei, sei dies nach dem eigenen Vorbringen des Beklagten nur geschehen, um den Kläger vor einer finanziellen Bedürftigkeit zu bewahren. Auch insoweit liege somit keine Leistungshandlung zur Erfüllung von dessen Entgeltansprüchen vor. Der Kläger meint deshalb, der Beklagte könne einerseits die Zahlungen für den genannten Zeitraum nicht zurückfordern, sei andererseits jedoch nach wie vor zur Entgeltzahlung für denselben Zeitraum verpflichtet. Schließlich bleibt der Kläger dabei, dass das für die Monate Oktober bis Dezember 2000 gezahlte Überbrückungsgeld in Höhe von 17.400,00 DM brutto keine Leistung auf die Entgeltansprüche des Klägers für den genannten Zeitraum darstellten und somit insoweit keine Erfüllung dieser Ansprüche eingetreten sein.

Der Kläger beantragt deshalb:

1. Das Teilurteil des Arbeitsgerichts München vom 10.05.2005, Az. 23 Ca 18409/03 wird aufgehoben.

2. Das Verfahren wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Arbeitsgericht München zurück verwiesen.

Hilfsweise:

In Abänderung des Teilurteils des Arbeitsgericht München vom 10.05.2005, Az.: 23 Ca 1409/03 wird der Beklagte verurteilt, an den Kläger € 10.647,31 zu bezahlen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er hält die Voraussetzungen für den Erlass eines Teilurteils für gegeben und meint, für das Arbeitsgericht habe kein Anlass bestanden, die Rückrechnung des Beklagten in Höhe von 17.441,11 DM für April bis Juni 2000 zu prüfen. Damals sei eine entsprechende Korrektur der Lohnabrechnung durchgeführt worden. Dass nach Vorlage des rechtskräftigen Urteils im Kündigungsrechtsstreit dem Kläger auch für diesen Zeitraum ein Gehaltsanspruch zustand, sei unstreitig. Dieser Anspruch sei auch erfüllt worden. Der Sache nach mache der Kläger mit seinem Nettolohnbegehren einen Steuerschaden zweimal geltend. Hinsichtlich der Überbrückungszahlung bringt der Beklagte vor, es sei vereinbart worden, dass diese Leistung nicht zurückgeführt werde, nicht aber, dass der Kläger sie bei Obsiegen im Kündigungschutzverfahren zusätzlich zur Annahmeverzugsvergütung erhalten solle. Die Parteien seien von einer Verrechenbarkeit ausgegangen.

Hinsichtlich des sonstigen Vortrags der Parteien im zweiten Rechtszug wird auf die Schriftsätze des Klägers vom 24.08.2005 und 07.12.2005, des Beklagten vom 29.09.2005 sowie auf die Sitzungsniederschrift vom 15.12.2005 verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist sowohl im Haupt- als auch im Hilfsantrag unbegründet. Entgegen der Auffassung des Klägers durfte ein Teilurteil ergehen, so dass eine Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Arbeitsgericht ausscheidet. In der Sache hat das Erstgericht zutreffend entschieden, dass der Kläger keinen Anspruch auf restliche Nettovergütung für die Jahre 2000 und 2001 hat, weil der Beklagte den Entgeltanspruch des Klägers vollständig erfüllt hat.

1. Die Berufung ist im Hauptantrag unbegründet.

Das Arbeitsgericht durfte über den geltend gemachten Anspruch auf Zahlung restlicher Nettovergütung ein Teilurteil erlassen, weil dieser Anspruch zur Endentscheidung reif war und entgegen der Auffassung des Klägers nicht über einen Steuerprogressionsschaden entschieden ist, der teilweise - in Höhe von 3.065,58 € - noch in erster Instanz anhängig ist.

Das Arbeitsgericht hat zwar ausgeführt, dass der Kläger "im Ergebnis", also wirtschaftlich gesehen, die selbe finanzielle Einbuße zweimal geltend machte. Es hat aber gleichwohl - entsprechend der Klagebegründung - über einen Anspruch auf Zahlung des angeblich noch nicht vollständig erbrachten, arbeitsvertraglich geschuldeten Arbeitsentgelts entschieden, also über einen Anspruch auf Erbringung der von der Beklagten ursprünglich geschuldeten Leistung und nicht über einen Schadenersatzanspruch wegen verspätet erbrachter Leistung. Der Kläger wollte und will insoweit die Erfüllung des Vertrags erreichen und nicht Entschädigung wegen verzögert erfolgter Erfüllung.

Hierüber hat das Arbeitsgericht entschieden und mit Recht ausgeführt, dass der geltend gemachte Anspruch auf restliche Nettovergütung nur bei einer Nettoentgeltvereinbarung erfolgreich wäre sowie ein Anspruch auf Ausgleich entgangener Nettovergütung ansonsten, wie ja vom Kläger bereits zusätzlich erhoben, nur im Wege eines Schadenersatzanspruchs (Steuerprogressionsschaden, Zinsschaden) geltend gemacht werden könnte.

Was das Arbeitsgericht gemeint hat, ist, dass der Kläger zum einen einen Steuerprogressionsschaden geltend macht, wie er nur auf der Basis einer Bruttoentgeltabrede denkbar ist, gleichzeitig jedoch davon ausgeht, der Arbeitgeber schulde arbeitsvertraglich einen gleich bleibenden Nettoentgeltbetrag - den, der sich im Regelfall aus der vereinbarten Bruttovergütung ergibt -, was jedoch nur im Falle einer Nettoentgeltabrede möglich ist. Beide Alternativen schließen einander aber, wie das Arbeitsgericht zutreffend erkannt hat, aus. Gleichwohl versucht der Kläger, die durch die Nachzahlungen verursachten höheren steuerlichen Belastungen der hier, wie vom Arbeitsgericht richtig gesehen, eindeutig vereinbarten Bruttovergütung auf beiden Wegen zu kompensieren, was zu einer (teilweisen) "Doppelbegünstigung" führt. So kombiniert er die Vorteile beider Möglichkeiten einer Entgeltabrede: Er beharrt einerseits auf Zahlung einer gleich bleibenden Nettovergütung unter Abwälzung des Risikos höherer Lohn­steuerbelastungen auf den Arbeitgeber, was zur Nettoentgeltforderung in Höhe von 10.647,31 € führt, möchte aber andererseits die Nachteile einer höheren Einkommenssteuerbelastung der vereinbarten Bruttovergütung ausgeglichen haben, hier in Höhe des geltend gemachten Steuernachteils in Höhe von 3.065,58 €.

Gegenstand des angefochtenen Teilurteils ist allein der Erfüllungsanspruch auf Zahlung restlicher Nettovergütung. Dieser Anspruch ist teilurteilsfähig, und zwar ohne Kombination mit einem darüber hinausgehenden Grundurteil nach § 301 Abs. 1 Satz 2 ZPO. Die geltend gemachten Ansprüche auf Zahlung restlichen Nettoentgelts gemäß §§ 611, 615, 293 ff. BGB aus dem Gesichtspunkt des Annahmeverzuges und auf Verzugsschaden gemäß §§ 286, 280 Abs. 1 BGB begründen keinen Fall der Anspruchskonkurrenz. Es liegt kein einheitlicher Streitgegenstand vor, da die materiellrechtliche Regelung der in der vorliegenden Klage zusammentreffenden Ansprüche erkennbar unterschiedlich ausgestaltet und dem Gläubiger die Möglichkeit eingeräumt ist, sich auf einen von ihnen zu beschränken (vgl. Zöller/Vollkommer, ZPO, 25. Aufl., Einleitung Rdn. 70). Eine Gefahr einander widersprechender Entscheidungen besteht durch die Abweisung der Klage in Bezug auf den Erfüllungsanspruch nicht, weil die Voraussetzungen und die Rechtsfolgen beider Ansprüche unterschiedlich sind.

2. Die Berufung ist auch im Hilfsantrag unbegründet.

Das Berufungsgericht pflichtet dem Erstgericht darin bei, dass der Beklagte aufgrund der arbeitsvertraglichen Vereinbarungen der Parteien ausschließlich eine Bruttovergütung schuldet und keine Nettolohnvereinbarung vorliegt mit der Folge, dass schon deshalb die auf eine Nettolohndifferenz gerichtete Klage erfolglos bleiben muss.

Der mit der Berufung erhobene Einwand, das Arbeitsgericht habe eine von Amts wegen zu berücksichtigende Aufrechnung rechtlich nicht gewürdigt, nämlich die Rückbuchung der "versehentlichen Gehaltsfortzahlung" über 17.441,11 DM brutto (entspricht 13.976,91 DM netto), es habe weiter verkannt, dass die Voraussetzungen einer wirksamen Aufrechnung nicht gegeben seien und die versehentliche Gehaltsfortzahlung dem Kläger verbleiben müsse, weil eine Kondiktion gemäß § 812 Abs. 1 Satz 1, 1. Alternative BGB durch § 814 BGB ausgeschlossen sei, und es habe schließlich nicht gesehen, dass der Kläger für den genannten Zeitraum gleichwohl noch Arbeitsentgelt verlangen könne, weil die versehentliche Gehaltsfortzahlung keine Erfüllung seines Entgeltanspruchs sei, geht aus mehrfachen Gründen fehl:

Die Auffassung des Klägers ist schon im Ansatz falsch, weil die Fortzahlung der Vergütung über den Zeitpunkt des Zugangs der fristlosen Kündigung hinaus nicht ohne, sondern mit Rechtsgrund erfolgte. Rechtsgrund für diese Leistung ist der Arbeitsvertrag i.V.m. §§ 611, 615 BGB bzw. §11 KSchG. Für die Frage, ob eine Leistung rechtsgrundlos oder mit Rechtsgrund erfolgt, sind allein die objektive Rechtslage und die Zweckbestimmung des Leistenden maßgebend. Beides erfordert nach ganz herrschender Meinung weder eine Vereinbarung zwischen dem Leistenden und dem Leistungsempfänger noch eine Willenserklärung des Leistenden (Theorie der sog. realen Leistungsbewirkung, vgl. Palandt/Heinrichs, BGB, 64. Aufl., § 362 Rdn. 5 mit weiteren Nachweisen). Der Beklagte hat aber mit der Weiterzahlung der Gehälter einen - nach ihrer zwischenzeitlichen, jetzt revidierten Auffassung in Wahrheit nicht bestehenden - arbeitsvertraglichen Gehaltsanspruch des Klägers tilgen wollen. Eine andere Zweckbestimmung ist schlechterdings nicht denkbar, nicht vorgetragen und nicht ersichtlich. Dass die Gehaltsfortzahlung nach späterer, inzwischen wieder aufgegebener Ansicht des Beklagten irrtümlich bzw. versehentlich erfolgte, schließt die Zweckbestimmung - Tilgung des arbeitsvertraglichen Gehaltsanspruchs - nicht aus. Sonst wäre eine ungerechtfertigte Bereichung bei irrtümlicher Annahme eines Rechtsgrundes ausgeschlossen - ein paradoxes Ergebnis.

Vorliegend bestand ein Rechtsgrund für die Fortzahlung des Gehalts über den Zeitpunkt der fristlosen Kündigung hinaus wegen deren Unwirksamkeit. Den später rechnerisch abgezogenen Gehaltszahlungen lag die Zweckbestimmung "Erfüllung des arbeitsvertraglichen Gehaltsanspruch des Klägers" zugrunde. Daran ändert die vorübergehende rechnerische, d.h. lohnbuchhalterische Einstellung der Gehaltsfortzahlung als Rückforderungsposition auf dem Gehalts­konto des Klägers nichts. Der Beklagte hatte somit keinen Rückforderungsanspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung gemäß § 812 Abs. 1 Satz 1 BGB, den er gegen die Gehaltsansprüche des Klägers für den fraglichen Zeitraum hätte aufrechnen können. Er hat eine solche Aufrechnung auch nicht vorgenommen. Insoweit zutreffend weist der Kläger darauf hin, dass es an einer Aufrechnungserklärung des Beklagten fehle. Die Einstellung einer negativen Position in eine Kontenrechnung ist ein rein interner Vorgang im Bereich des Beklagten, jedoch keine Willenserklärung nach außen, d.h. gegenüber dem Kläger. Die spätere Korrektur dieser Negativbuchung bedeutet nicht, dass der Beklagte einen Rechtsgrund wieder geschaffen oder wiederhergestellt hätte. Vielmehr hat er lediglich einen internen Rechnungsfehler beseitigt.

Fehl geht auch die Annahme des Klägers, dass die Zahlung der Vergütung über den Zeitpunkt des Zugangs der fristlosen Kündigung vom 17.04.2000 hinaus keine Erfüllung des Lohnanspruchs des Klägers aufgrund Annahmeverzugs bewirkt habe, weil diese Erfüllung einen Vertrag, mithin ein zweiseitiges Rechts­geschäft darstelle und somit eine Willenserklärung auf beiden Seiten voraussetze, die bei der hier vorliegenden versehentlichen Überweisung mangels Handlungsbewusstseins fehle.

Zum einen vermag das Berufungsgericht schon den Ansatz des Klägers nicht nachzuvollziehen, dass der Beklagte nicht das Bewusstsein gehabt habe, Gehaltsansprüche des Klägers zu erfüllen. Auch eine versehentliche Leistung kann, wenn sie absichtsvoll geschieht, von einem Handlungsbewusstsein getragen sein. Welchen Zweck die Weiterzahlung der Vergütung nach Zugang der fristlosen Kündigung gehabt haben soll als den, einen - vermeintlichen - Gehaltsanspruch des Klägers zu erfüllen, hat sich dem Berufungsgericht nicht erschlossen. Dafür, dass der Beklagte bewusst Gehalt weiterzahlte, obwohl er erkannte, ein Anspruch des Klägers bestehe insoweit nicht, fehlt jeglicher Anhaltspunkt.

Zum anderen ist entgegen der Annahme des Klägers auch im Falle der Überweisung eines Geldbetrages ein Erfüllungsvertrag zwischen Schuldner und Gläubiger nicht erforderlich. Vielmehr verbleibt es auch insoweit bei der realen Leistungsbewirkung. Einer Überweisung im Sinne von § 676a BGB liegt im Deckungsverhältnis, d.h. zwischen den Überweisenden und seinem Kreditinstitut, ein Girovertrag zugrunde, der durch den Überweisungsvertrag gemäß §§ 676a bis c BGB ausgefüllt wird. Im Verhältnis der beteiligten Kreditinstitute zueinander, dem sog. Interbankenverhältnis liegt in der Regel ebenfalls ein Geschäftsbesorgungsvertrag oder aber - bei Verrechnung unmittelbar zwischen Gläubigerbank und Schuldnerbank über ein Konto dieser Banken - ein Girovertrag bzw. im Falle der Einschaltung von Zwischenbanken ein Zahlungsvertrag im Sinne von § 676 d BGB vor. Im Valuaverhältnis dagegen, d.h. hinsichtlich der Rechtsbeziehungen zwischen dem überweisenden Schuldner und dem begünstigten Gläubiger reicht zur Herbeiführung der Tilgungswirkung die Bekanntgabe der Bankverbindung durch den Gläubiger an den Schuldner (dazu Palandt/Hein­richs, a.a.O., § 362 Rdn. 8 f. mit weiteren Nachweisen) und die Gutschrift auf dem Konto des Gläubigers aus. Ein zusätzlicher Vertrag zwischen Gläubiger und Schuldner zur Herbeiführung dieser Erfüllungswirkung ist nicht erforderlich.

Nach allem hat der Beklagte den Kläger mit der Fortzahlung von dessen Bezügen über den Zeitpunkt der fristlosen Kündigung hinaus bis Ende Juni 2000 den Kläger nicht etwa ungerechtfertigt bereichert mit der Folge, dass dieser die Bereicherung nach § 814 BGB behalten dürfe, vielmehr hat der Beklagte die Entgeltansprüche des Klägers für diesen Zeitraum erfüllt. Der Kläger meint zu Unrecht, dass er die Gehaltsfortzahlung einerseits behalten und andererseits dennoch für denselben Zeitraum nochmals Erfüllung seiner Gehaltsansprüche verlangen dürfe.

Auch der weitere mit der Berufung erhobene Einwand, das Arbeitsgericht habe fälschlicherweise die gemäß Vergleich der Parteien gezahlten Überbrückungsbeträge in Höhe von 3 x 5.800,00 DM brutto = 17.400,00 DM brutto für Oktober bis Dezember 2000 als (teilweise) Erfüllung der Gehaltsansprüche des Klägers für diese Monate angesehen, ist unberechtigt.

Bei diesen Zahlungen handelt es sich aufgrund der gesamten Umstände um Entgeltzahlungen. Das belegt schon der Umstand, dass die Zahlungen in Form von Bruttobeträgen unter Vornahme der gesetzlichen Abzüge erfolgten und auf dem Gehaltskonto des Klägers aufgrund von entsprechenden Monatsabrechnungen verbucht wurden. Vor allem aber wollten die Parteien aufgrund der rechtlichen Unsicherheit über den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses den Kläger - wie z.B. auch beim Weiterbeschäftigungsverhältnis bei streitigem Arbeitsverhältnis nach den vom Großen Senat des Bundesarbeitsgerichts entwickelten Grundsätzen - existentiell durch Fortzahlung eines Teils des Gehalts absichern. Der Ausschluss eines Präjudizes gemäß Schreiben des Beklagten vom 13.10.2000 hat seinen Grund in dem Umstand, dass der Bestand des Arbeitsverhältnisses nach wie vor streitig war und die Parteien jeden Eindruck dahin vermeiden wollten, der Beklagte gebe seine Rechtsauffassung preis, dass die Kündigung wirksam sei. Der Verzicht auf eine Rückforderung der gezahlten Überbrückungsbeträge stellt unter diesem Umständen nicht mehr und nicht weniger dar als der Verzicht auf einen etwaigen Rückforderungsanspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung. Dafür, dass - was durchaus ungewöhnlich wäre - die zur Überbrückung gezahlten Beträge im Falle eines Erfolgs der Kündigungsschutzklage und einer etwaigen Verpflichtung des Beklagten zur Nachzahlung des Entgelts aus dem Gesichtspunkt des Annahmeverzugs nicht auf solche Annahmeverzugsansprüche anrechenbar sein sollte, fehlt jeder Anhaltspunkt. Auch der im Schreiben des Beklagten vom 13.10.2000 enthaltene Hinweis auf den Überbrückungscharakter spricht dafür, dass im Falle einer endgültigen Klärung der Rechtslage zugunsten des Klägers diese Zahlungen wie ein Bruttoentgeltvorschuss behandelt werden sollten.

Somit hatten diese Zahlungen den Charakter einer vorweggenommenen, aufschiebend bedingten Entgelttilgung für den Fall eines Erfolgs der Kündigungsschutzklage, verbunden mit einem Verzicht auf die Rückforderung aus ungerechtfertigter Bereicherung für den Fall des Nichteintritts dieser Bedingung und damit des Fehlschlagens der Tilgungswirkung.

3. Der Kläger hat nach § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten seiner erfolglosen Berufung zu tragen.

4. Die Revision wird nicht zugelassen. Auf die Möglichkeit, Nichtzulassungsbeschwerde zum Bundesarbeitsgericht zu erheben, wird hingewiesen.

Ende der Entscheidung

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